Mittwoch, 2. Oktober 2019
Marcus Manilius - Er sah in die Zukunft ohne den Bezug zur Gegenwart zu verlieren
Neben dem Dichter Ovid lebte einige Jahre zeitgleich, wenn auch an getrennten Orten eine weitere für unser Thema interessante Persönlichkeit. Es handelt sich dabei um den Astronomen und Astrologen Marcus Manilius und beide waren sie Söhne des gleichen Zeitalters. Nämlich des Augusteischen als auch des darauf folgenden Tiberianischen, das sich auch die Klassik nennt. Die germanischen Abwehrschlachten gegen Rom spiegelten sich für ihn auf „feurige Art und Weise“ in den Sternen wider, aber er wusste auch über Dinge zu berichten die Detailkenntnisse über die Verhältnisse in Ostwestfalen voraus setzten. Den Namen Varus erfahren wir im Zusammenhang mit der gleichnamigen Schlacht erstmals aus dem Munde von Kaiser Augustus. Das wird uns allerdings erst rund 100 Jahre später vom römischen Schriftsteller Sueton berichtet bzw. bestätigt. Manilius war aber der Mann, der den Namen Varus schon wenige Jahre nach der Schlacht kannte und ihn zudem noch zu Papier brachte. Wann also etwas nieder geschrieben wurde und auf welchen verschlungenen Wegen wir es dann erfahren macht also einen erheblichen Unterschied aus, aus dem große Zeitsprünge werden können. Eine Tatsache mit der man in Historikerkreisen umgehen und leben muss. Dies lässt die Geschichtsforschung oftmals zum Schlachtfeld von Interpretationsduellen, seltsamen Auslegungstheorien und profanem Rätselraten werden. In Manilius erkennen wir einen frühen römischen Forscher und damit zweifellos einen für die damaligen Zeiten Kenner und Experten seines Fachs. Die Kunde von der Sternendeutung und die Erforschung der Funktion des Universums ist seit Menschengedenken eine faszinierende Wissenschaft. Die dadurch mögliche Navigation sowie die Aussaat Zeiten können aus ihr sogar eine Überlebensfrage machen. In den Gestirnen zu lesen führt dennoch häufig zu sich überkreuzenden Theorien und Hypothesen bis in unsere Tage. Dies gilt gleichermaßen für die Glaubensfrage was an die Astrologie gerichtet ist, als auch die Wissensfrage bezogen auf die Astronomie. Ob Manilius ein Anhänger der Auguren war, die einen religiös motivierten Beamtenstaat im Staate ausmachten, ist schlecht vorstellbar, denn das Flugverhalten von Vögel oder das von Bienenschwärmen zu deuten, könnte ihn nicht überzeugt haben. Allerdings werden ihm andererseits die uralten Kenntnisse und die Bedeutung um die Plejaden für die Landwirtschaft sicherlich nicht fremd gewesen sein. Ein wichtiges verbindendes Element zwischen den Gestirnen und der menschlichen Existenz, wie es uns auch durch die Himmelscheibe von Nebra aber auch durch Bauwerke bestätigt wird. So bevorzugte er den Blick in die entfernten Sphären, wenn er das Irdische enträtseln wollte. Bei der Betrachtung der Varusschlacht nimmt daher dieser Mann eine interessante Rolle ein. Aber auch er ist kein Historiker und auch kein Geschichtsschreiber, sondern ein Mann der sich einer völlig anderen Disziplin zugewandt hat. Ihm standen die Naturgesetze näher und über Kriege berichtete er nur, wenn sie sich mit seinen Visionen über die Erdrotation, mit Kometen oder Himmelserscheinungen in Verbindung bringen ließen. Während es dank einer geschickten Innenpolitik von Kaiser Augustus gelang in dieser Zeit die Bevölkerung vor den äußeren Gefahrenherden erfolgreich abzuschotten, kann man den Eindruck gewinnen, dass die schreibende Zunft der Historikerwelt jener Tage allesamt noch mit einem Maulkorb ausgestattet leben musste. Eine Zeit in der man nur der Wissenschaft und der Epik gewisse Spielräume zur Nutzung zu zu billigen schien. Aber wir wissen andererseits auch nicht was die Historikerzunft letztendlich doch hinterlassen haben könnte. Wäre es möglich noch in den verschollenen Werken eines Plinius zu blättern, so dürfte unser Wissenstand ein besserer sein, aber viele wertvolle Bibliotheken Roms werden in den Jahrhunderten nach der Varusschlacht in Flammen aufgegangen sein. Aber mit dem Astronomen Marcus Manilius befasste sich nun nach einem den Musen nahe stehendem Mann wie dem Dichter Ovid nun auch ein Mann mit der Thematik, der sich damals zuvorderst mit der Erforschung des Sternenhimmels beschäftigt hatte und in dem man mehr Bodenhaftung erkennen könnte oder sollte. Er wird uns in allen Quellen als eine wahrhaft nebulöse Figur beschrieben, da über ihn nur sehr wenig bekannt geworden ist. Bis in unsere Tage hat er nur dank seiner Verse die Jahrhunderte im übertragenden Sinne überlebt. Und auch nur deswegen, nämlich auf Basis seiner schriftlichen Hinterlassenschaften in Form der von ihm stammenden Darstellung des damaligen astronomischen Wissensstandes, ist er uns historisch in Erinnerung geblieben und man hat nach ihm sogar einen Mondkrater benannt. Seine Aufzeichnungen tragen den Namen „Astronomicon libri V" und ohne seine Werke, wäre er uns wohl völlig unbekannt geblieben und  nicht in die Geschichte, explizit in die der Varusschlachtforschung eingegangen. Er soll im frühen ersten nachchristlichen Jahrhundert gelebt haben, was man auch immer darunter verstehen darf, so dass sich Ovid und er, wenn auch nicht persönlich, so doch da sie Zeitgenossen waren, noch gekannt haben könnten. Vor der Historie wetteifern diese eigenartigen Persönlichkeiten darum, zu den ersten Chronisten zählen zu dürfen, denen wir etwas mit historischem Bezug zur Varusschlacht entlocken können. Aber Marcus Manilius ist eine jener frühen und wie dargestellt kaum identifizierbaren Gestalten, die man was den geringen zeitlichen Abstand zur Varusschlacht anbelangt noch gemeinsam mit dem Dichter Ovid auf eine Stufe stellen darf. Und was die Frage nach der ersten Erwähnung der Schlacht anbetrifft bzw. wem sozusagen das literarische "Ersterwähnungs - also Urheberrecht“ an der bedeutsamen Varusschlacht zu steht, könnte man sogar noch eine gewisse Rivalität unter beiden ausmachen. Ungeachtet dessen, dass Ovid der Gewinner dieses inoffiziellen Wettbewerbs ist, besitzt und behält Manilius für uns seinen hohen Stellwert. Manilius kann man trotz seiner wenigen Zeilen besondere Verdienste zuschreiben die wir gerne würdigen und denen wir uns in Bezug auf die Varusschlacht mehr widmen sollten, als es bisher geschah. Wer von beiden hat sich also das besondere Privileg erworben oder kann sich den Ruhmestitel anheften, noch vor allen anderen antiken Historikergrößen auf den Untergang der Legionen im Teutoburger Wald einen Hinweis gegeben zu haben. Welchen Maßstab oder welches Unterscheidungsmerkmal müssten wir also ansetzen, um hier zwischen beiden den richtigen also den gerechten Schiedsspruch zu fällen. Oder steht in der Rangordnung möglicherweise gar doch dem Astronomen Manilius das Recht zu, sich noch vor Ovid zu schieben und sich als den Mann feiern zu lassen, der der Varusschlacht ans literarische Licht der Welt verhalf. Denn nur Manilius. den Kaiser Augustus mal außen vor gelassen, war der von beiden, dem wir es verdanken, dass man der Schlacht einen Namen geben konnte. Denn er nannte es eine römische Niederlage. Und anders lässt es sich auch nicht ausdrücken, wenn man wie er schreibt, dass in Germanien die drei Legionen des Feldherrn Varus dahin gerafft worden seien. Und von diesem Moment an dürfen wir es auch ruhigen Gewissens als die „Schlacht des Varus“ bezeichnen. Denn er erwähnte ja nicht Arminius. So dass uns so gesehen, die Formulierung bzw. das historische Ummünzen in „Arminiusschlacht“ auch nicht zusteht. Manilius war folglich der Namensgeber und nur ihm sind wir daher auch in etwa verpflichtet es bei der Bezeichnung „Varusschlacht“ bewenden zu lassen. Man schlussfolgert, dass Manilius nur wenige Jahre nach Ovid berichtet habe, da seine Informationen weiter reichen, schon eindeutig stichhaltiger und somit auch zuordnungs- und belastungsfähiger sind, als die des Dichters Ovid. Wir dürfen aber auch nicht übersehen, dass neue Kunde und neue Details zur Varusschlacht in Rom früher eintrafen, als bei Ovid in Constanta und das für Ovid alles vom Nachrichtenfluss des Hyginus abhing und er zudem sehr wählerisch und vor allem vorsichtig in Ausschmückung und Ausgestaltung seines Gedichtes sein musste. Denn Ovid konnte sein Pulver an Wissen auch nicht beliebig und letztlich nur einmal verschießen und er konnte daher keine aktuellen Bezüge zur Schlacht in Gedichtform verkleidet in späterer Zeit nachschieben, um beim Kaiser auf einen Sinnesumschwung hin zu arbeiten. Manilius nannte uns hingegen bereits „Ross und Reiter“, zur Varusschlacht. Er erwähnte nämlich als erster antiker Autor die drei Legionen, über die uns Ovid kein Wort verriet, bzw verraten durfte.  Und er nannte uns auch den Namen des Feldherrn Varus, den wir ebenfalls bei Ovid vermissen. Und auch andere Informationen und mögliche Fakten müssen wir aus den Hinterlassenschaften des Ovid erst mühsam und noch dazu mit gewagtem Kombinationssprüngen heraus rekonstruieren. Während wir sie bei Manilius schon lesen dürfen. Aber sich Manilius zu widmen ist da nicht unproblematischer, jedoch eine Aufgabe, der sich jeder an der „Clades Variana“ Interessierte nach seiner eigenen Methodik stellen sollte. Aber es muss trotzdem für die weitere Herangehensweise festgehalten werden, dass uns weder Manilius noch Ovid etwas Konkretes über die Person und den Verrat des besonders geschichtsträchtigen Herrn Segestes an seinem Volk sagen konnten. Und wir erfahren auch von beiden nichts darüber, wie und das Segestes den Feldherrn Varus vor seinen eigenen Landsleuten warnte.  Dieses Detailwissen könnte sich demnach noch ihrem Wissenstand entzogen haben bzw. es hatte sich in diesen Jahren noch nicht bis Italien verbreitet, als beide Männer zur Feder griffen. Der eine möglicherweise in Rom, der andere in Constanta. Man kann es aber wie so vieles auch anders sehen. So könnte es auf Ovid der wie ich vermute auf die Briefe des Hyginus angewiesen war noch zutreffen, dass ihm ein gewisser Mann mit dem Namen Segestes noch gar nicht bekannt war, als dieser aus der Verbannung heraus seine „Tristia“ erdichtete und er ihn deswegen auch nicht erwähnen konnte. Manilius hingegen könnte vom Segestes Verhalten schon gewusst haben, denn er schrieb den Recherchen nach später und dürfte Ovid überlebt haben. Zudem lebte Manilius wenn nicht sogar in Rom direkt so doch zumindest in seinem Großraum, der damals quirligsten Region im ganzen Imperium und unmittelbar am Puls des Zeitgeschehens, denn ihn hatte man nicht in die Verbannung geschickt. Manilius hat es möglicherweise auch gar nicht für nötig befunden noch dazu in einer astronomischen Lehrschrift, so tief in ein anderes ihm sachfremdes, weil historisches Metier einzusteigen. Aber Ovid und Manilius lieferten uns doch beide gemeinsam und in der Summe betrachtet, die aller ersten Informationen über jene sozusagen „gerade erst“ in Ostwestfalen zu Ende gegangenen Kampfhandlungen. Aber auf dem Astronomen Markus Manilius lastet dennoch ein aus wissenschaftlicher Sicht her rührender und nicht unbegründeter Makel, was die zeitliche Zuordnung seiner Überlieferung anbelangt. Denn Manilius in dem alle einen ganz frühen, wenn nicht gar den ersten Informanten der Varusschlacht meinen erkennen zu können ist eine Person, über die uns nur sehr wenig bekannt ist und das lässt Zweifel zu. Denn das ihm je nach Sichtweise zugestandene Privileg von beiden, möglicherweise der erste Römer gewesen zu sein, der uns etwas „Handfestes“ über diese Schlacht hinterließ die man später Varusschlacht nannte, wackelt. Denn das A & O historischer Untersuchungen nämlich das exakte Wissen um den Zeitpunkt der Niederschrift seiner Überlieferungen ist strittig. Denn nur eine veröffentlichte also bekannt gewordene Niederschrift entscheidet letztlich auch über die Rangfolge aus welcher Feder der Ersthinweis stammt. Denn die Chronologie sagt auch vieles über die Verbreitung der Wissensströme aus. Der "Terminus post quem" also der greifbare zeitliche und letzte Bezug seiner Schrift zum Zeitgeschehen ist definitiv die Varusschlacht des Jahres 9 -. Aber etwas Wesentliches wird für immer unklar bleiben, nämlich der Zeitpunkt wann Manilius selbst etwas von der Schlacht erfuhr, wann er dann darüber schrieb und wann genau die Öffentlichkeit etwas von seinem Werk zu lesen bekam. Denn anders als bei Ovid, der seine Zeilen mit Varushintergrund eindeutig an den Kaiser Augustus richtete, verfügen wir bei Manilius nicht über diesen zeitlichen Anhaltspunkt. Wir stehen dieser Tatsache besser gesagt diesem Unwissen aber auch nicht völlig argumentionslos gegenüber, können also möglicherweise sowohl etwas zu seinem Wissenstand, als auch zur Datierung vorweisen. Er hat sein Werk „Astronomica“ wie ein Lehrgedicht verfasst und er soll es, wie eine Analyse ergab in einer Zeit manuskriptartig entworfen haben, als Augustus noch Kaiser war. Aber es gelang ihm weder unter Augustus noch unter Tiberius es zu vollenden. Obwohl unfertig, stellt es für uns eines der wichtigsten Niederschriften überhaupt aus der römischen Kaiserzeit dar. Sollte er es also noch zu Lebzeiten von Kaiser Augustus nieder geschrieben haben, wie manche Historiker annehmen bzw. es die gängige Lehrmeinung ist, so hieße das, er hätte es noch vor dem 19. August 0014 dem Todestag des Kaisers verfasst oder besser gesagt begonnen haben müssen. Wäre es an dem, so hätte Manilius bereits nahezu parallel bzw. was man immer unter parallel versteht zu Ovid folglich nur wenige Monate oder Jahre vor oder nach Ovid über das Wissen zur Varusschlacht verfügt. Aber wir können es nicht nach prüfen. Etwas wissen, etwas nieder schreiben und etwas veröffentlichen ist ein Prozess, der sich lange hin ziehen kann. Von alledem können wir nichts mit Bestimmtheit zeitlich fixieren und es lässt sich nur minimalen Hinweisen anhand von Regierungsjahren der Kaiser, Adressaten oder Namensnennungen entnehmen. Selbst der "Terminus post quem" der sich auf die Varusschlacht bezieht offenbart uns nicht exakt, wann er etwas von der Schlacht erfuhr sondern nur, dass er von ihr erfuhr. Könnten wir mit Bestimmtheit sagen, wann Manilius es erfuhr, so dürfen wir auch erst schlußfolgern, ob ihn das Wissen über die Varusschlacht in Rom noch vor oder erst nach Ovids Tristia, der bereits in Constanta lebte erreichte. Manilius stünde also nur möglicherweise die Ehre zu, der Erstinformant der Varuschlacht gewesen zu sein. Es steht aber auch der nicht unbegründete Verdacht im Raume, er könne zwar von der Varusschlacht schon unter Kaiser Augustus etwas erfahren, aber andere Teile seiner Informationen erst unter Kaiser Tiberius bekommen und integriert haben. Letztlich lässt es sich aber nicht zurück rekonstruieren. Einiges von seinem Wissen, dass er vor 14 + hatte, wäre dann erst nach dem Jahr 14 + in Verbindung mit erweitertem Wissen in seine „Astronomica“ eingeflossen. Allerdings hätte er damit sein Alleinstellungsmerkmal verloren und rangiert demzufolge nach Ovid. Denn er hatte es unter Tiberus unvollendet hinterlassen während es Ovid definitiv schon an Augustus schrieb. Was aber wie dargestellt immer noch nicht bedeutet, dass Manilius das Wissen nicht schon zu Zeiten von Kaiser Augustus gehabt haben könnte, aber eben nur das Wissen. Bekannt gemacht wurde es aber erst unter Tiberius. Und nur das zählt. Wir werden es nie erfahren, aber es gibt einen Hoffungsschimmer bzw. Anhaltspunkt, der uns verraten könnte, dass er über weiteres Wissen zur Varusschlacht und den Umständen erst verfügte, als schon Tiberius an der Macht war und was ihm in den Zeiten der Herrschaft des Augustus noch nicht bekannt war. Zusammen gefasst. Manilius erfuhr vor 14 +, dass die Varusschlacht statt gefunden hat. Was auch nicht verwundert. Manilius schrieb es in dieser Zeit auch nieder bzw. konzipierte es, was ebenfalls nicht verwundert. Aber sein unvollendetes Werk das zusätzliche Informationen enthielt, gelangte erst unter Tiberius an die Öffentlichkeit. Dies würde auch meine Theorie bestätigen, da er Abläufe nieder schrieb über die vor 14 + in Rom meines Erachtens noch niemand verfügte. So hätte Manilius einige der Kenntnisse die er besaß und die über den bloßen Tatbestand der Varusschlacht hinaus gehen auch erst in den Zeiten erworben, als bereits Tiberius Kaiser war. Darauf möchte ich gleich zurück kommen. Was nun seinem Stellenwert einen Abbruch tut ist die Tatsache, dass in der Zeit als Tiberius Kaiser war, auch schon ein anderer Historiker nämlich der Geschichtsschreiber Strabon detailliertes  über die Varusschlacht berichtete. Und damit befände sich Manilius schon in der chronologischen Gesellschaft und hätte eine Schnittmenge zu einem anderen Geschichtsschreiber der ebenfalls und sogar schon über ein sehr weit gehendes Wissen verfügte. Und in den Zeiten als Tiberius ab 14 + römischer Kaiser war, war es in den Historikerkreisen auch schon der allgemein verbreitete Wissenstand, dass ein Germane Namens Segestes den Feldherrn Varus vorher gewarnt hatte. Und aus der Präsenz bzw. dem Auftreten eines Segestes in Rom kann man nach dem Eckdatum 9 + für unsere Forschung einen zusätzlichen "Terminus post quem" ableiten. In der Rekapitulation bedeutet es, dass das Wissen zu Zeiten des Historikers Strabon bereits angewachsen bzw. fort geschritten war, denn in dieser Zeit konnte man schon auf die wichtige mündliche Quelle eines Segestes zurück gegriffen haben. Und Segestes könnte beiden also demnach sowohl Strabon als auch schon Manilius als eine solche Quelle gedient haben. Unter dieser Prämisse betrachtet könnte bzw. müsste man Manilius zeithistorisch nach Ovid ansiedeln. Daraus abzuleiten, dass sowohl Ovid als auch Manilius den Fürsten Segestes namentlich nicht erwähnten, weil sie in der Zeit vor Segestes ihre Schriften verfasst hätten, läge also bei Ovid aufgrund seines Alters im Rahmen des Möglichen und für ihn war Segestes folglich noch gar nicht präsent. Aber bei Manilius ließe es sich schon zaghaft spekulieren, denn er könnte seine „Astronomicon“ schon auf Basis des Wissens von und über Segestes verfasst haben auch ohne das er seinen Namen nannte oder kannte. Einen Anhaltspunkt für diese Überlegung liefert uns ein kleiner Hinweis, besser gesagt eine minimale Randnotiz am Ende seiner Überlieferung die wir in diesem Sinne verwerten können. Ungeachtet dessen, wann es Markus Manilius nun hinterließ, ob vor dem Eintreffen von Segestes in Rom oder danach, müssen wir in Manilius doch einen wertvollen Hinweisgeber auf die Ereignisse im Zuge der Varusschlacht sehen, auch wenn er nach Ovid rangiert. Denn er macht es uns im Vergleich zum Dichter Ovid ungleich leichter ihm auch aus historischer Sicht zu folgen. Obwohl auch Manilius auf viele Dinge verzichtete, da sein Text extrem kurz ausfällt, die für uns sehr bedeutsam gewesen wären, wenn er sie uns denn mitgeteilt hätte. Zum Beispiel, ob und wie viel Überlebende es damals gab. Er hätte uns auch ohne sein Fachgebiet verlassen zu müssen, also aufgrund seines Wissens über die Gestirne auch sagen oder andeuten können, ob die Schlacht beispielsweise bei Vollmond, unter welchem Sternzeichen, oder ob sie gar zum Äquinoktium ihren Anfang nahm. Marcus Manilius der wohl in Rom lebte war wie man annehmen kann, obwohl Astronom, einer der frühen bekannt gewordenen Personen der sich, wenn auch nur indirekt als Historiker betätigte. Aber beim genauen Studium seiner Zeilen, muss man wohl davon ausgehen, dass er einen Bogen schlagen wollte. Nämlich den von den kosmischen Signalen oder Warnzeichen die schon über der Menschheit lagen und die er am Nachthimmel erblickte, bis hin zu den daraus resultierenden irdischen Konsequenzen, die die Ereignisse am Firmament aus seiner Sicht betrachtet zwangsläufig nach sich ziehen bzw. auslösen mussten. So berichtete er in seiner individuellen Art über das, was sich im Überirdischen zutrug und was er davon ableitete. So waren Himmelserscheinungen wie Kometen in der Antike die Unglücksboten schlechthin und das dahinter stehende angekündigte Unglück war schon auf dem besten Wege das Imperium in seinen Grundfesten zu erschüttern. Dies verleitete ihn zu der Annahme, dass die folgenden Zerwürfnisse nur ein Resultat der von ihm erwähnten himmlischen Feuer sein konnten, die sichtbar in Erscheinung traten. Und dies dann letztlich dazu führte, dass in Germanien der besagte „plötzliche Aufruhr aufflammte“. Im weiteren Verlauf wurde er deutlicher und formulierte, dass drei Legionen unter der Führung des römischen Feldherrn Varus dahin gerafft worden seien. Was für ihn natürlich nicht überraschend kam, denn er sah es bereits voraus. Das seine astrologischen Fähigkeiten so weit gingen, dass er sogar vom Tatbestand des Vorhandenseins von Verträgen wusste, denn er schrieb, dass dem Aufruhr ein Vertragsbruch voraus ging, klingt da eher nach handfestem Wissen, als nach Sternendeutung. Ihm war zudem bekannt, dass Heimtücke im Spiel war bzw. den Aufruhr begleitete. Dies spricht dafür, dass Manilius auch schon die germanische Strategie des Hinterhaltes gekannt haben müsste. Er wusste sehr viel, aber er konnte nicht oder noch nicht die germanischen Drahtzieher des Komplott mit Namen nennen. Ebenso deutete er bereits den Zwist, sprich die Uneinigkeit in den verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der germanischen Fürstenhäuser an, die er schon zu einem Bürgerkrieg hochstilisierte. Ein Wissenstand der irritiert, denn er ermöglicht Schlussfolgerungen. Denn von einem Bürgerkriegs ähnlichen Zustand, also einer stammesinternen Fehde könnte man erst ab dem Jahre 15 + sprechen, als Arminius den Segestes Sitz belagerte. Denn vorherige Ereignisse in Germanien ließen diese Beschreibung nicht zu. Es wäre also erstaunlich anzunehmen, Manilius hätte noch zu Lebzeiten von Augustus also noch vor 14 + gewusst, dass in Germanien ein gewisser Segestes eine Zentralfigur im Ringen der beiden Fürstenhäuser gegeneinander war und den Zwist ausgelöst habe. Denn diese Nachrichten hätten und das ist wiederum kaum vorstellbar, aus dem inneren Germaniens in einer Zeit gegenseitiger Funkstille nach Rom fließen müssen. So erwähnte er den Namen Segestes auch nicht explizit, da er ihn nicht kannte. Bis auf den Namen des Segestes war ihm jedoch schon vieles bekannt gewesen. Man möchte sagen, eigentlich schon ein bisschen zu viel an Detailwissen, was uns Manilius da zu so früher geschichtlicher Stunde bereits vermitteln konnte. So vermischte er in seiner Überlieferung das faktische Wissen seiner Zeit und verband es mit den bedrohlichen überirdischen Konstellationen, die ihm als Astronomen natürlich aufgefallen waren oder von denen er wusste. Und da können wir uns nun noch mal die Frage stellen, seit wann man in Rom, aber vor allem seit wann ein Astronom wie Manilius überhaupt etwas über die verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der cheruskischen Fürstenfamilie wissen konnte. Denn wie und wann sollte dieses Wissen nach Rom gelangt sein. Ob dieser tiefe Kenntnisstand bereits über die wenigen überlebenen Reiter des N. Vala und dann über Asprenas an den römischen Hof gelangen konnte, bzw. diese Reiterlegionäre überhaupt selbst etwas davon wussten ist sehr fraglich. Und diese Boten hätten auch lediglich etwas zum Verrat sagen können, darin aber bereits einen schwelenden Bürgerkrieg erkennen zu können war der Vala Kavallerie noch nicht möglich, als diese 9 + mit heiler Haut an den Niederrhein entkamen. Das Wort Bürgerkrieg suggeriert also allemal einen Wissenstand bei Manilius der eher in die Folgejahre nach 15 + weist. Meines Erachtens konnte sich dieser Kenntnisstand erst in Italien herum gesprochen haben, als Segestes samt Germanicus in Rom die ersten mündlichen Kontakte zu den römischen Historikern und anderen Interessierten aufnahm. Wenn ich später noch das Kapitel Segestes im Hinblick auf seine grundsätzliche Glaubwürdigkeit aufschlage, so stellt sich im gleichen Zusammenhang auch die Frage, was und ob Segestes überhaupt jemals etwas mit Varus im Vorfeld der Schlacht besprach und ob man seinen oder seine Warnrufe nicht sogar anzweifeln muss. Letztlich folgte vermutlich auf die Varusschlacht des Jahres 9 + eine ziemlich lange Kommunikationspause und Kontaktsperre zwischen dem Imperium und den Cheruskern in der nicht viel über die verwandtschaftlichen Zerwürfnisse der Cherusker untereinander nach Xanten durchsickerte, geschweige denn nach Rom durch gedrungen sein dürfte. Es herrschte ein tief verwurzelter Kriegszustand und großes Misstrauen zwischen den Völkern denn es gab viele Tote und viel Blut ist geflossen und es dürfte zu einem beiderseitigen Abriss jeglicher Nachrichtenströme gekommen sein. Eine Isolation, die möglicherweise solange andauerte, bis sich Germanicus mit neuen Kämpfern frisch gestärkt im Jahre 14 + erstmals wieder auf westfälischen Boden wagte, dabei auch mit Germanen in Kontakt kam und sich auf Tuchfühlung den Cheruskern nahe der Diemel näherte, wie ich denke. Von wem also hätte Marcus Manilius in Rom oder Mittelitalien etwas über die interfamiliären Probleme an der Weser erfahren haben sollen. Ich schließe aus seinem Hinweis das ihm, wenn er denn die verwandtschaftlich kritischen Beziehungen und das auch nur stark verkürzt thematisierte, auch schon etwas über das besondere Verhalten des Segestes bekannt gewesen sein könnte bzw. müsste. Auch Manilius hätte demnach von diesen Streitigkeiten erst erfahren haben können, nach dem Segestes unter „Begleitschutz“ von Germanicus um den Jahreswechsel 16 + / 17 + in Rom erschien und das hieße auch, dass er seine Zeilen erst danach verfasste.  Ich stelle ihn aufgrund dieser Überlegung nicht mehr auf die Zeitstufe eines Ovid, sondern siedle ihn bei oder kurz vor Strabon an. Letztlich bleibt ein Astronom seiner Astronomie, die man früher nicht von der Astrologie unterschied treu. So wagte er auch noch eine äußerst dunkle Prognose, indem er vermutlich auf Basis seines Wissens über die Gestirne in Verbindung mit der Varusschlacht und möglicherweise auch schon der Germanicuskriege der Welt das „Ende der Dinge“ androhte oder voraus sagte. Hier wird deutlich, das er sich nicht nur den Gesetzen der Natur verschrieben hatte, denn aufgrund der Konstellation der Sterne deutete er auch eine gewisse apokalyptisch geprägte Weltuntergangsstimmung an. Manilius wurde zum astrologischen Visionisten der sich zwar nicht wie Ovid einen römischen Triumphzug nach einem allumfassenden Sieg über Germanien erwünschte, der aber sah wie sich über der Welt etwas beunruhigend feuriges zusammen braute. Möglicherweise nahm er nach den Kriegen auch den Zusammenprall der zwei kulturell unterschiedlichen Welten schon wahr, vorweg bzw. wollte es so sehen. Vorstellungen die jenen ähneln wie wir sie auch aus der germanischen Mythologie kennen. Denn auch bei den germanischen Götterwelten lief es auf ein Weltuntergangsszenario hinaus. Es wurde jedoch erst später im Mittelalter über die nordische Sagenschiene unter dem Begriff Ragnarök, der so genannten Götterdämmerung zu Papier gebracht und später in der Sagenwelt aufgearbeitet bzw. von ihr verarbeitet. Es war der Aufprall zweier unterschiedlicher Zivilisationen und seine Prophezeiungen könnten schon darauf hindeuten und erste Spuren enthalten haben. Gewaltige Kriege die man sowohl in Italien als auch in Germanien gleichermaßen bedrohlich wahr nahm un die ihre Auswirkungen haben mussten. Gestreute Sagen und Legenden über die innergermanischen Götterwelten könnten also wie in diesem Fall sogar mal aus dem römischen Himmel eines Manilius gefallen sein. Sie könnten uns auch Hinweise auf die germanisch vorchristliche Religion erlauben, in der uns eine himmlische Auseinandersetzung angekündigt wird, als einst Wanen und Asen miteinander um die Weltherrschaft stritten. Wer der Astrologie zugetan ist, könnte daraus auch bereits den Zusammenbruch aller alten Götterwelten ableiten, die Manilius in den Gestirnen voraus sah. So erkannte er umso mehr vor dem Hintergrund der Varusschlacht den Kampf der milden "Mittelmeergötter“ der Fruchtbarkeit des Handels und der Zivilisation gegen die grimmigen germanischen und störrischen "Kriegsgötter" im nebelverhangenen Norden und brachte es visionär so zum Ausdruck, wie er es am Himmelszelt entzifferte.  Denn wenn die himmlischen Feuer bereits imstande waren einen Krieg unter den Menschen zu entfachen, so stand ihm die Varusschlacht dafür symbolisch betrachtet Pate, wie kaum ein anderes Ereignis in jener Zeit. Diese Schlacht bildete den Anfang aller Umbrüche und es war unschwer für Manilius zu erkennen, wie die militärische Aufrüstung im Imperium danach noch weiter voran schritt, die den Kriegen des Germanicus zwangsläufig voraus ging. Massive Truppenverbände aus allen Regionen des Imperiums traten unübersehbar für die Bevölkerung ihren Marsch nach Germanien an, konzentrierten und sammelten sich, wurden überall ausgehoben und ließen die für die damalige Welt bevorstehenden gewaltigen Auseinandersetzungen erahnen. Alles klang da nicht so recht nach Pax Romana, denn uns sind für das Jahr 16 + gewaltige Schlachten überliefert, sie zeichneten sich ab und die weit reichenden Folgen waren nicht nur im Himmel voraussehbar. Manilius stellte somit den Zusammenhang zwischen dem kosmischen Weltbild und dem irdisch Menschlichen her ohne sich von Göttern irritieren zu lassen und malte darüber hinaus sogar schon den ganz großen Teufel an die Wand indem er sah, dass die drohenden Feuer des Krieges nun überall und das auch in der „römischen“ Welt lodern würden. De facto also genau das, was Kaiser Augustus im Zuge seiner umsichtigen Vorgehensweise unmittelbar nach Bekanntwerden des Schlachtausgangs unbedingt vermeiden und seinem Staat ersparen wollte. In den Gestirnen ließ Manilius als Wissenschaftler und natürlich nach seinem persönlichen und astronomischen Selbstverständnis die freien Kräfte der Natur gegeneinander antreten. Denn ihm standen die komplexen Zusammenhänge innerhalb der Naturwissenschaften näher und er sprach daher auch nur die nüchterne Sprache eines unverstellten Blickes auf die Realität während die, die an die Götter glaubten auch in den Kräften der Natur immer noch oder nur göttliches Handwerk sehen wollten.  Manilius wechselte dann aber vom Astronomen zum Astrologen und sah in den Sternen eine Gefahr herauf ziehen. Für ihn manifestierte sich die Sprache des Himmels in der Varusschlacht und die Gestirne lösten sie aus. Als Manilius seine Befürchtungen zu Papier brachte, zog vor nicht allzu langer Zeit, nämlich im Jahre 12 – der Halleysche „Unglücks“ Komet seine obligatorische Runde durch`s erdnahe Weltall und wurde gesehen. Ebenso mag bei seinen Visionen auch noch das Phänomen des Sterns von Bethlehem eine gewisse Rolle gespielt haben, für das auch der modernen Astronomie noch keine klaren Deutungen vorliegen um damit sein ungutes Gefühl für die Zukunft zu begründen. Denn alles deutete für ihn auf einen heran nahenden großen kosmischen Wendepunkt und Konflikt hin, den die Menschen bald auch weltweit zu spüren bekommen sollten und die Varusschlacht war der symptomatische Beginn und der erste Akt einer folgenden großen Auseinandersetzung.
Eine Übersetzung der wenigen Zeilen der Manilius Überlieferung der Seiten 896 bis 903 liest sich wie folgt:

„Auch Kriege verkünden die himmlischen Feuer und plötzlichen Aufruhr und in heimlicher Tücke gärende Waffenerhebung, bald bei fremden Völkern. So glühten damals, als nach dem Bruch des Bündnisses das wilde Germanien den Feldherrn Varus dahinraffte und mit dem Blute von drei Legionen die Gefilde rötete, überall in der ganzen Welt die drohenden Feuer. Die Natur selbst trug den Krieg durch das Reich der Gestirne und stellte ihre eigenen Kräfte gegeneinander und drohte das Ende der Dinge an. Und auch Bürgerkrieg verkünden sie, und Zwist zwischen Verwandten.“

Aber die Welt sollte sich nach dem Jahre 17 + beruhigen und das Imperium sich auch wieder stabilisieren, so dass sich seine Sorgen die er sich um die römische Weltmacht machte, nicht bestätigten. Aber die von ihm angekündigte Wende kam dennoch und ließ sich langfristig betrachtet nicht mehr aufhalten. In Germanien hatte die Varusschlacht und die Germanicus Kriege die Welt verändert. Bei den Germanen lösten die zahlreichen Schlachten einen Weckruf aus. Die Römerkriege zwangen sie zum Abbruch alter Traditionen und zum Aufbruch in eine Epoche neuer Bündnisse und es war allgemeines Kräftesammeln in den germanischen Gaulandschaften angesagt. Während sich das Imperium auf seinen soliden Grundfesten noch lange sicher fühlen konnte, gingen in Germanien in der Folgezeit die Fackeln von Dorf zu Dorf. Vieles davon mag sich nicht vor den Augen des Imperiums ereignet haben. Denn hinter Harz und Elbe konnte kein Römer blicken. Zweifellos brauchten die neuen Generationen der germanischen Widerstandskämpfer dafür ihre Zeit, denn es war eine epochale Herausforderung die ihnen aufgezwungen wurde die aber auch mit Phasen der Kollaboration einher gingen. Soweit zu Markus Manilius, der je nach Auslegung und Datierung seiner Überlieferung möglicherweise nur der Erste war, der uns den Namen Varus und einiges mehr verriet, der aber eben nicht der Erste war, der uns auf das Ereignis „Varusschlacht“ hinwies. Denn vom berühmt gewordenen Aufschrei des Kaiser Augustus „Vare, Vare, redde mihi legiones meas“, unmittelbar nach dem ihn die Unglücksnachricht erreichte, erfahren wir ja weder etwas von Ovid noch von Manilius, sondern bekanntlich erst rund 100 Jahre später etwas von Gaius SUETONius Tranquillus. Der Dichter Publius Ovidius Naso hingegen bleibt  aber der heimliche Tabellenführer, wenn man aus seiner „Tristia“ die Varusschlacht heraus lesen möchte und ich denke, wie ich es dargelegt habe, dass man es auch kann. Allerdings hilft auch Manilius uns nicht weiter, wenn es um das Auffinden der gesuchten Schauplätze der Schlacht geht. Die innere Stabilität in Rom, wo in der Zeit von Kaiser Augustus geschätzte 180.000 bis 250.000 Menschen gelebt haben könnten, war in jenen Tagen noch fragil. Hungersnöte konnten sich schnell ausbreiten wie die zum Zeitpunkt des Panonnienkrieges. Und derartige Katastrophen stellten zu allen Zeiten die Machthaber vor große Herausforderungen und nur wenige Jahrzehnte nach dem Tod des Kaisers verbreitete sich darauf basierend schon der vielsagende Begriff „Brot und Spiele“ und prägte sich bis heute ein. Ruhig und satt sollten die Bürger sein, während die Legionen Roms die Aussengrenzen sicherten oder ausdehnten. Aber die Zeiten blieben solange unruhig und die Menschen waren verängstigt und misstrauisch bis Germanicus sechs Jahre nach der Varusschlacht im Jahre 14 + wieder in die Offensive gehen konnte und zurück schlug. In der Zwischenphase befand sich das römische Volk in einer nervösen und spannungsgeladenen Gemütslage, die über das ganze Land noch eine unterschwellige Krisenstimmung legte. Die Gefahr aus dem Norden schien in dieser Zeitspanne noch nicht völlig gebannt und allgegenwärtig und in Rom spürte man sie und sie brach schnell wieder aus, wenn wieder neue Gerüchte von Mund zu Mund gingen. Es war eine Zeit in der man sich im grenznahen Imperium noch fröstelte, wenn man an die bittere Niederlage des Varus dachte. Denn die Schreie der Legionäre und Germanen aus dem Nethegau waren um diese Zeit noch nicht all zu lange verstummt. Mit der Zusammenziehung und Aushebung neuer Truppenverbände für Germanicus wuchs in Rom aber wieder das Selbstvertrauen es kehrte zurück und man fühlte sich wieder in einer souveränen Position. So scheint es, als ob nach dem Gedicht von Ovid noch einige Zeit ins Land gehen musste, bis man begann sich die Augen zu reiben, sich langsam besann und sich auch inhaltlich breiter mit der Varusschlacht und den Konsequenzen zu beschäftigen wagte, nämlich den Verlauf zu hinterfragen und sie auch historisch aufzuarbeiten. Marcus Manilius könnte eine Position inne gehabt haben, die zwischen Ovid auf der einen und Strabon auf der anderen Seite angesiedelt gewesen sein könnte. Er wusste bzw. traute sich zwar schon weitaus mehr zu schreiben als Ovid, da er sorgloser sein konnte und durfte, wusste aber wiederum noch nicht so viel zu berichten wie später Strabon. Zum Zeitpunkt der Schrift von Manilius schien aber die kritische Phase für das Imperium überwunden zu sein. Die ersten Momente eines erwachenden Bewusstseins sich dieser Katastrophe doch irgendwann stellen zu müssen, nach dem Kaiser Augustus „kurz zuvor“ noch zu unerwarteter Torschlusspanik imstande gewesen war, kommt dem Überwinden einer imperialen Passivität oder Ohnmacht gleich. Und alles wich nun langsam einer Periode des allseitigen „wissen wollens“ was in Germanien denn nun geschah. Der Bibliothekar Gaius Iulius Hyginus und andere Personen aus des Kaisers Umkreis mussten sich bis dato noch mit einem aufgezwungenen Schattendasein begnügen und vieles fand noch lange hinter vorgehaltener Hand statt. Verdrängen war aber im Laufe der Zeit nicht mehr möglich. Diese frühen Stadien in denen sich das Wissen über den Verlust der Legionen anreicherte und ausbreitete galt es aber etwas zu strukturieren. So könnte man es an einer ersten Stufe festmachen. Etwa ab dem Zeitpunkt, als sich heraus stellte, dass sich die Niederlage im „Teutoburgiensi saltu“ als ein wahrhaftes und unumkehrbares Faktum bestätigte, sich somit als Tatsache erwies und es sich dabei um keinen Trugschluss handelte. Dieser Moment wäre erreicht, als die erste Nachricht über diese traumatischen Ereignisse die römische Rheinfront erreichte. Was in etwa im Herbst des Jahres 9 + der Fall gewesen sein könnte. Enden ließe sich diese erste Stufe an der Schwelle der Ankunft des damaligen „Überläufers, Informanten und Insiders“ Segestes in Rom. Dazwischen kursierte viel Halbwissen. Dies war vermutlich noch im Winter 16/17 + bzw. im Frühjahr 17 +. Denn Germanicus brach erst nach Rom auf, als ihm Kaiser Tiberius aufgrund seiner misslungenen Schlachten das Ende seiner Feldzüge in Germanien auferlegte und ihm den Rückzug anriet, wie auch immer man die damalige Befehlshierarchie deuten möchte. Und auch erst nach der Entscheidung von Kaiser Tiberius nahm Germanicus meines Erachtens den Fürsten Segestes samt Anhang mit auf die Reise nach Rom. Denn erst ab diesem Moment konnte Germanicus seine Marionette Segestes in Germanien nicht mehr Stammes Hierarchisch innerhalb der Cherusker zwangs positionieren. Die von ihm angestrebten geopolitischen Ziele wurden verfehlt und die Politik von Varus fortzusetzen war mit dem Befehl von Tiberius hinfällig bzw. gescheitert. Auf Germanicus wartete nun sein ersehnter Triumphzug. Die Parade eines Feldherrn der allerdings mit nichts vorzeigbaren in der Hand unter seinen gnädigen Kaiser treten musste. Ein Feldherr, der mit einer gigantischen Landstreitmacht in Germanien die Welt verändern wollte, wie sie Mitteleuropa auf Jahrhunderte hinaus betrachtet nicht mehr erleben sollte, erreichte definitiv nichts. Es brauchte seine Zeit um vom Rhenus an den Tiberius zu gelangen und stellte immer eine besondere Herausforderung dar, wenn man den Gebirgszug der Alpen nicht großräumig umgehen wollte, was aber auch Zeit gekostet hätte. Die erste Phase bzw. Stufe allgemeiner Bedrücktheit bis zur Aufhellung des historischen Wissens in Rom hätte demnach etwa 7 – 8 Jahre angedauert, also ab dem Herbst 9 + gerechnet bis zum Eintreffen des Germanicus aber vor allem des Segestes. Sowohl Ovid aber auch Manilius den ich ungeachtet der Ungereimtheiten mit zu den historischen Frühstartern rechnen möchte, da bei Ihnen der Name Segestes noch kein Begriff war, befassten sich jedenfalls schon in einer sehr frühen Phase mit der Varusschlacht. So wird Segestes für uns zur zeitlichen Richtschnur unseres Erkenntnisstandes. Sowohl Ovid als auch Manilius sahen die Ereignisse von völlig unterschiedlichen Blickwinkeln. Beide waren aber alles andere als Historiker, denn ihre Interessen galten völlig anderen Dingen. Wie alle anderen antiken Quellen auch, so verspürten auch Ovid und Manilius keineswegs das Bedürfnis, historisch Belastbares an die Nachwelt weiter zu reichen, denn dafür waren sie nicht Historiker genug. Zudem konnte niemand von ihnen unseren Wissensdurst voraus sehen. Der Inhalt ihrer Schriften glich daher aus ihrer jeweiligen Situation, Position oder Lebenslage heraus betrachtet eher Zufalls- oder schlimmer ausgedrückt Abfallprodukten. Sie verließen damit kurzzeitig und ohne Ihre Nachrichten „Nachweltgerecht“ zu verfassen, den Boden ihrer ureigenen Fachgebiete von Epik und Astronomie und ignorierten vorübergehend ihre Neigungen und Berufungen um sich im Sinne ihrer eigenen Bedürfnisse, Motive und Interessen über disziplinär zu betätigen. Wir sind nun bemüht diesen Kenntnisstand da einzuordnen, wo wir ihn für die Varusforschung nutzen können und gehen dabei vor, wie Akrobaten der Historik die sich auf einem dünnen Seil bewegen von dem sie schnell abrutschen können, wenn sie argumentativ keinen halt mehr finden können. (2.10.2019)