Montag, 4. Januar 2021
Ostwestfalen - Südwestengland
Nicht nur die Heraldik verbindet die Regionen.
Möchte man sich auf die Suche nach dem Grab von Varus begeben ist allerdings ein unerwarteter Umweg nicht zu vermeiden.


Das Ross der Westfalen


Das Ross der Angelsachsen in der Grafschaft Kent

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Samstag, 26. Dezember 2020
Tacitus der Vorabend der Schlacht und die Frage der Deutungshoheit
Da sich weder den textuellen Inhalten noch dem Stil der Formulierungen den die antiken Historiker im Zusammenhang mit der Varusschlacht wählten Rückschlüsse auf ihre wahre Gesinnung, ihre Absichten und ihre tieferen Gefühlswelten entnehmen lassen, erübrigen sich auch umfangreiche Charakterstudien über sie, was die Analyse ihrer Überlieferungen erschwert. Aber das mag Ansichtssache sein. Tacitus bildet da keine Ausnahme aber trotzdem ist er unter ihnen seit jeher die strahlende Eminenz und seine Worte genossen immer schon einen hohen Stellenwert. Während er uns kein Sterbenswort über den Verlauf der Schlacht hinterließ, so verdanken wir doch nur ihm unser Wissen darüber, wo sich seinerzeit der Zenit der Schlacht befand. Eine Gebirgsschlucht in der Nähe germanischer Volksburgen. Aber Segestes Unhold und Synonym für das Unmoralische im Menschen zugleich, findet auch bei ihm Erwähnung. So spricht er über ihn in der wohl unübersichtlichsten Phase die man sich eigentlich nur vorstellen kann, nämlich über das Geschehen am letzten Abend vor dem Ausmarsch der Legionen aus dem Sommerlager. Durchleben wir die taciteische Darstellung mit, dann müsste die Atmosphäre an diesem Abend bei Varus in seiner Kommandantur oder seinem Bankettsaal spürbar geknistert haben und das sich den Anwesenden bietende Schauspiel ließ sich demnach an Brisanz kaum mehr steigern. Es sollte allen wie ein traditionelles Zusammentreffen erscheinen zu dem Varus an diesem Abend einlud, könnte aber angesichts der Marschrichtung und dem Bevorstehenden einer Einberufung näher gekommen sein. Ein bedeutsamer zeremonieller Schlusspunkt, den man an das Ende eines monatelangen Zusammenwirkens setzte, der aber an diesem Abend überschattet wurde. Man ging am Folgetag auseinander, denn über die Wintermonate werden die Kontakte von Ostwestfalen an den Rhein, wenn es sie denn überhaupt gab, relativ rar gewesen sein. Varus wird nur jene germanischen Großen in den Kreis einbezogen haben, denen er diese Ehre zuteil lassen wollte und die strategisch für ihn wichtig waren. Über ihre Anzahl und Zusammensetzung lässt sich rätseln und auch darüber ob Cherusker aus dem Hause Segimer oder anderer Stämme daran teil nahmen. Aber man darf annehmen, dass der gewichtige aber zugleich unzufriedene Flügel der Cherusker daran teil nahm, denn sie durften nicht fehlen. Eine Absage hätte Varus zudem als unhöflich oder sogar als einen Affront werten können und am nächsten Morgen wollte man schließlich gemeinsam ausrücken. Da auch Cassius Dio bestätigte, dass sich Arminius und Segimer stets in der Nähe von Varus aufhielten und sie oft zu seinen Gästen zählten, wird er sie sicherlich ebenfalls zum letzten Gastmahl eingeladen haben. So begegneten sich Segestes und Arminius sogar noch während des Gastmahls am Vorabend vor dem Abzug. Der Gesprächsinhalt wird neben gegenseitigen Loyalitätsbekundungen auch aus ernsten Themen bestanden haben, so versicherte man sich der Unterstützung und stieß darauf an. Und an diesem Abend inmitten dieser illustren Runde soll also auch Segestes gesessen haben um alles auffliegen zu lassen. Und spätestens jetzt wäre der Moment gekommen in dem der Leser seine gesamte geschärfte Vorstellungskraft aufbringen muss. Denn nun müsste er sich kognitiv in das unmittelbare Geschehen hinein denken und sich selbst einen Platz am großen Tisch suchen, von wo aus er mit erleben kann, wie es damals zuging. Unter der Voraussetzung betrachtet, dass jeder anwesende Germane Kenntnis vom Komplott gehabt haben dürfte, war die Zusammenkunft was den heuchlerischen Aspekt anbelangte nicht mehr zu überbieten. War man Germane, dann frohlockte man still vor sich hin, ohne sich was anmerken zu lassen, war man Römer dann mag dem einen oder anderen die Stimmung etwas seltsam vorgekommen sein. Selbst die hartgesottensten Anführer aus der Segimer Sippe werden versucht haben frühzeitig dieser Atmosphäre zu entgehen, um die gemeinsame Sache schlussendlich nicht doch noch durch unbedachtsame Äußerungen oder Verhalten zu gefährden. Mit Hinweis auf den folgenden anstrengenden Tag „für alle“, dürfte sich der Abend nicht lange hingezogen haben. Sollte Segestes gegenüber Rom „eine ehrliche Haut“ gewesen sein, er also nicht gelogen haben sollte und seinen Verrat wie dargestellt beging, dann wird er vor dem Beginn des Zusammentreffens und vor dem Erscheinen der gegnerischen Fraktion, seine Sorgen Varus gegenüber noch nicht kund getan haben. Denn mit dem Eintreffen der Segimer Cherusker wäre die unmittelbare Gefahr eines Eklats gegeben und erst recht nach deren Ankunft. Wann also sollte oder wollte Segestes denn Zeitpunkt und die Gelegenheit gefunden haben Varus zu warnen. So hätte bei genauem Hinsehen an diesem Abend auch die Stunde der Wahrheit schlagen müssen. Denn ein Segestes der vor versammelter Mannschaft aller Germanen urplötzlich die heimtückischen Pläne und hinterlistigen Absichten der Gegenseite auf den Tisch gelegt hätte wäre nicht so zu Ende gegangen wie es uns Tacitus beschrieb. Denn unter diesen Umständen wäre man nicht gemeinsam nach dem Gastmahl unter die Waffen getreten bzw. hätte sie für den nächsten Tag an sich genommen. Dieser Verrat hätte einen offenen Gewaltausbruch zur Folge gehabt. Die Segimer Männer hätten umgehend zur Waffe gegriffen und genauso hätte Segestes samt Anhang sofort die Schwerter gezückt. In diesem Moment wäre kein Platz mehr für Taktik oder Diplomatie gleich welcher Art gewesen. Denn jedes andere Verhalten von Seiten der Segimer Sippe auf diese brüske Anschuldigung hin, hätte für Varus wie ein Eingeständnis des Vorwurfs von Segestes ausgesehen. Segimer hätte nicht anders gekonnt, obwohl er und damit auch Arminius den Plan zunichte gemacht hätten. Allein aus Gründen der Ehrenrettung ließ es sich nicht vermeiden. Und nicht vergessen wir bewegen uns hier in archaischen Zeiten und nicht auf einem Parkett samt geschliffenem Diplomatendeutsch. Man könnte sich den Verrat lediglich auf einem unteren Niveau vorstellen, dass also Segestes nur andeutet haben könnte, Varus solle die Rebellen nicht allzu leicht nehmen. Was allerdings noch kein Verrat gewesen wäre. Wenn also Segestes diese Warnung überhaupt aussprach, dann nur bei Abwesenheit der übrigen Germanen und wohl auch nur im diskreten persönlichen Zwiegespräch ohne andere römische Offiziere möglicherweise am Ende der Veranstaltung. Demnach blieb der Verrat, hätte es ihn denn gegeben auch ohne Zeugen, die es an Segimer hätten weiter tragen können. Es lässt sich daraus entnehmen wie künstlich, nahezu konstruiert bzw. an den Haaren herbei gezogen der gesamte Akt des Verrates auf uns heute wirken muss und auch nur deshalb funktionieren konnte, weil es dafür 17 + in Rom keine Zeitzeugen mehr gab, die es anders hätten berichten können. Und Tacitus kommentierte das Geschehen mangels besseren Wissens mit den mageren Worten, dass man unmittelbar danach unter die Waffen trat, auch recht kurz angebunden. Man sollte darin nicht mehr und nicht weniger einen völlig normalen Akt sehen, der sich im Zuge der nötigen Vorbereitungen des Ausmarsches routinemäßig vollzog. Ohne Hektik aber auch ohne Verrat. Denn das Bereitlegen der Waffen für den folgenden Tag gehörte zur standardisierten Vorgehensweise auch dann, wenn man keinen Rebellen einen Besuch abstatten wollte. Das Tacitus es besonders betonte also erwähnte könnte lediglich ein Hinweis darauf gewesen sein, dass man mit einem begrenzten aber alles in allem doch beherrschbaren Konflikt zu rechnen hatte der auch einen Waffeneinsatz nicht völlig ausschloss. Denn das war hinreichend bekannt, war möglich und schließlich auch mit ein Grund und Zweck des Abstechers zu den Aufrührern. Und für diese Vorgehensweise bedurfte es auch keiner besonderen Warnung bzw. Erwähnung durch Segestes. Dies alles gilt jedoch nur dann, wenn es so war wie Tacitus es schrieb. Denn bis heute können wir nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es sich auch so zutrug, wir können es wie vieles andere auch, nur glauben und vorsichtig rekonstruieren. Wir können nach gutem Glauben und etwas angebrachter Skepsis noch nicht einmal davon ausgehen, dass es überhaupt zu einem Gastmahl am Abend vor dem Ausmarsch kam. Denn selbst diese Darstellung könnte schon zum rhetorischen Bestandteil im kleinen „Schauprozess“ aus dem Munde von Segestes, vor den Beamten des Palatin gezählt haben. Denn wir wissen, dass sich außer Tacitus kein anderer Historiker zu diesen Vorgängen am besagten Abend geäußert hat und auch nur einer nämlich Segestes für die Darstellung dieser Vorabend Szenerie infrage kommt. Andere Germanen überlebten den Abend auch, setzten aber ihren Fuß nie auf die Straßen von Rom. Dies macht zweifellos die Suche nach der Wahrheit problematisch. Von Bedeutung ist zudem, ob Segestes seine Sorgen Varus gegenüber nur im persönlichen Zwiegespräch zum Ausdruck brachte, oder ob es zum Dialog kam, es also weitere Zeugen für seine Warnung gab. War es nur ein unbewiesener Monolog zwischen Varus und Segestes, so lässt dies in jedem Fall Zweifel am überlieferten Sachverhalt zu. Das Tacitus an keiner Stelle die Namen von Personen, denen er sein Wissen über die Vorgänge an jenem denkwürdigen Vorabend verdankte erwähnte mag zeitgemäß gewesen sein, lässt seine Überlieferung aber ebenfalls fragwürdig erscheinen. Der besagte Abend fiel dieser Theorie nach auf den 23.9.0009. Am Vormittag des 24.9.0009 setzte sich der Zug träge in Bewegung, man verließ das befestigte Kastell, übergab es dem „Schutz der Wesergermanen“ und begab sich auf den Weg ins erste Marschlager Brakel. Von dort aus brachen am 25.09.0009 nun zwei getrennte Marschzüge auf. Einer zu den Rebellen und einer auf direktem Weg nach Anreppen. Im weiteren Verlauf etwa gegen Mittag setzten unter wetterwendischen Bedingungen die ersten noch verhaltend vorgetragenen Störungsversuche von germanischer Seite auf die bewaffnete Kolonne ein. Es waren danach zu urteilen am Vorabend die alles entscheidenden Momente gewesen, in denen Segestes seine warnenden Worte gegenüber Varus ausgesprochen haben will. Augenblicke aus denen man herauslesen sollte, dass jetzt noch die letzte Möglichkeit bestanden haben könnte, dass sich also das Steuer kurz vor dem Untergang noch einmal hätte herum reißen lassen können. Ganz so, wie es der geschickte Plan von Segestes vorsah und wie er wollte, dass man es auch so in Rom auffassen sollte. Da sich aus dem Teilnehmerkreis dieser möglicherweise „feucht fröhlichen“ Gelage ähnliche Stimmung nur ein Überlebender später in Rom befragen ließ, konnte Tacitus sein Wissen von keiner anderen Person gehabt haben. So wird er es nur den späteren Aufzeichnungen aus der Hand der römischer Staatsbeamten entnommen haben, die mit Segestes 17 + in Rom die Ereignisse durch sprachen, um mal die Redewendung Verhör zu vermeiden. Ob sie auf dem langen Weg zu Tacitus auch noch durch andere, möglicherweise auch verfälschende Hände gingen, bleibt genauso unbekannt. Paterculus kam Tacitus zeithistorisch noch zuvor, denn er widmete sich als der erste Historiker überhaupt, und das schon 21 Jahre nach der Varusschlacht um 30 + der Person des Segestes. Aber im Gegensatz zu Tacitus berichtete er nichts über die vorabendlichen Gespräche. Aber Paterculus könnte Segestes sogar noch persönlich gesprochen haben und war nicht auf die alten Gesprächsprotokolle angewiesen wie Tacitus, der es darauf basierend erst über 100 Jahre nach der Schlacht nieder schrieb. Das lässt ihn gegenüber Tacitus authentischer wirken. Segestes betrat in Rom vermutlich im Frühjahr 17 + die Bühne als einziger Gewährsmann für all das, was sich kurz vor der Schlacht in Ostwestfalen zutrug. Segestes der allseits gefragte Platzhirsch, den er aber nur solange verkörperte, wie über ihm der Schutzschirm des Kaisers schwebte. Was verwundert ist aber die Feststellung, dass sich Tacitus kein einziges Mal in seinen Annalen auf den bedeutsamen Paterculus stützte, ihn weder erwähnte noch seinen Namen fallen ließ. So als ob er ihn gar nicht gekannt hätte, ihn mied, ignorierte oder auf ihn verzichten konnte, weil er wollte. Aber er musste Paterculus gekannt haben, denn er war der erste Historiker, der sich noch vor ihm über Segestes äußerte und er war eine Persönlichkeit über die sich auch ein Tacitus nicht hinweg setzen konnte, wenn dieser historisch ernsthaft Zeugnis von der Varusschlacht ablegen wollte. Suchen wir nach Gründen, so könnten seine Aufzeichnungen möglicherweise auch nicht in seine Hände gelangt sein oder er distanzierte sich bewusst von seinen Berichten, da er das unabhängige vielleicht auch neutrale Quellenstudium bevorzugte. Vergessen wir nicht, dass Paterculus, dass Militärische anhaftete. Es könnte Tacitus dazu bewogen haben Abstand von seiner Art der Darstellung zu nehmen. Dennoch könnte Tacitus Einblick in das genommen haben, was vor ihm Paterculus nieder schrieb auch ohne das er ihn als Quelle nannte. Mündliche Originalüberlieferungen blieben Tacitus naturgemäß verwehrt, so konnte er nur auf das uns unbekannte, also auf anonyme Zwischenquellen aus zweiter Hand Zugriff genommen haben, die auf Basis der Segestes Aussagen nieder geschrieben wurden. Woher er sein Wissen letztlich hatte werden wir nie erfahren. Trotzdem bleibt die Frage ungeklärt, ob Paterculus möglicherweise doch mehr über die letzten Stunden vor der Schlacht erfahren haben könnte, mehr noch als das was wir über Tacitus erfuhren. Denn das Tacitus mehr über das Verhalten des Segestes zu Papier brachte als Paterculus, lässt sich nach lesen. Und auch immer wird es einen Unterschied zwischen dem geben was man weiß und dem was man später nieder schreibt. Aber auch für das was Tacitus schriftlich hinterließ gilt der Spruch „Es ist alles nur eine Frage der Interpretation“ und damit ließe sich vieles von alledem abtun, was uns alle großen Geister der Antike zur Varusschlacht hinterließen. Es lässt sich also so manches mit Leichtigkeit auch in seiner Aussagekraft relativieren, wenn es sich nicht so recht unserem Vorstellungsvermögen fügen möchte, weil wir vorgefasste Ansichten vertreten möchten. Aber es kommt einer Pflicht gleich es auch interpretieren zu müssen, denn die jeweilige auch unterschiedliche Auslegung entscheidet mit über das, was wir Geschichte nennen. Und was sollen und können wir überhaupt mit schriftlichen Aufzeichnungen anfangen, wenn wir dem, oder den Menschen die es seinerzeit verfassten dabei nicht mehr in die Augen sehen können und nicht ihre Absichten und Beweggründe erkennen die dahinter standen und sie einst zu dieser oder jener Bemerkung verleiteten. Konfrontiert man sich mit dieser Frage dann gerät auch der beste Geschichtsforscher schnell an den Rand seiner Fähigkeiten, denn Snorris Schwarzalben lauern hinter jedem Stein und lassen grüßen. Wem können wir und was können wir glauben, wenn uns uralte Papiere vorgelegt werden und was trägt die Forschung zu des Rätsels Lösung bei, von denen es viele gibt. Daher zuvor noch eine Betrachtung zu Fragen betreffend der allgemeinen Deutungshoheit. Man ist gewohnt, es im vollen Vertrauen den Fachleuten zu überlassen und zu ihnen aufzublicken. Zweifellos darf sich aber dennoch jeder nach Belieben und nach seiner Fasson daran beteiligen, denn es bestehen keine Einschränkungen, erhobene Zeigefinger oder Tabubereiche. Gelehrte einschlägig geschulter Fachbereiche sind in der Regel belesener, somit breiter aufgestellt und daher bevorteilt, wenn sie sich anstrengen die alten Schriften zu bewerten und zu deuten. Dank eines umfangreichen Schriftentausches und professioneller Qualifikation haben sie viele Schritte gegenüber den interessierten Laien voraus. Für die weniger versierten Freunde der Geschichte kommt noch erschwerend hinzu, dass viele wissenschaftliche Arbeiten der Öffentlichkeit gar nicht erst zugänglich gemacht werden und so bleibt es ein ungleiches Rennen. Aber trotzdem wird überall nur mit Wasser gekocht, es bleiben Nischen die gefüllt sein wollen und selbst das ausgefeilteste Vokabular unter Ausschöpfung maximaler Wort Akrobatik aus Expertenhand ist kein Garant für Erkenntnisgewinn. Die Voraussetzung für substanzielles Hinterfragen, dass uns letztlich weiter bringen soll und was auch das Recht des generellen infrage Stellens alter Texte mit einschließt, ist immer die Schaffung eines soliden Fundaments. Es sollte so weit wie möglich aus ausgewogenen, glaubhaften und plausiblen Annahmen resultierend aus diversen Vergleichen und umfassendem Kenntnisstand bestehen. Vor allem aber sollte es Mental den alten Zeiten und Denkweisen aus den zwei gegensätzlichen Kulturkreisen gerecht werden denen sie entstammten und die es sich zu verinnerlichen gilt. Denn ein u.a. etruskisch und griechisch beeinflusstes römisches Imperium in einer mediterran geprägten Welt hatte nichts mit einem abgeschiedenen Germanentum gemein, das südlich der Mittelgebirgskette auch immer noch den Einflüssen diverser Keltenstämme ausgesetzt war. Völker mit denen man je nach Gesinnung mal gut und mal schlecht zusammen lebte, mit denen man im Austausch stand, die aber auch eine Pufferzone und trennende Zivilisation zwischen ihnen und den römischen Eroberern bildeten. Kommt die nötige Sensibilität gegenüber dem kargen Alltagsleben unserer Vorfahren zu kurz, dann werden viele mit geistiger Mühe und Vorarbeit zu Papier gebrachten Analysen ihr Versprechen nicht halten können und in ihrer Aussage mittelmäßig bleiben. Denn alles sollte beim Leser mehr hinterlassen als den seichten Eindruck nur den bloßen Tatbestand einer erneuten Publikation erfüllt zu haben. Nur aus einem inneren Anspruch heraus wieder einmal publizieren zu müssen, sollte nicht zur Antriebsfeder geschichtlicher Aufarbeit werden. Sieht man es nicht schon so manch wissenschaftlicher Abhandlung gleich welcher Disziplin an, wenn sich selbst die umfangreichsten Aufsätze in einem Fazit zusammen fassen lassen, das dann frei nach dem Motto „Im Westen nichts Neues“ nur aus wenigen Zeilen besteht. Die Essenz sollte nach Möglichkeit auch das Interesse am Gesamtwerk wecken und nicht zum Ziel haben, es zunichte zu machen. Zusammenfassungen verleiten zu Bequemlichkeit und beherbergen die latente Gefahr, dass man aufgrund der Fülle von Schriften sein Wissen nur noch aus dem Fazitären schöpft und das Hauptwerk ignoriert. Denn was der Tierschutzpraktiker Bernhard Grzimek einst über die Natur sagte, gilt auch für die Historie. Auch sie lässt sich wie manche Prozesse in der Natur auch, zu Tode erforschen ohne das sie in nutzbare Sinnhaftigkeit münden. So sind für das Aufstellen guter Theorien auch schon mal jene freiheitlichen und intuitiven Qualitäten gefragt, die nicht an den Hochschulen erlernbar sind. Wirft man allein einen Blick auf die von Experten viel zitierten zahlreichen Theorien zum möglichen Verlauf oder den eventuellen Örtlichkeiten der Varusschlacht, so erkennt man auch derartige Versäumnisse in der Forschungslandschaft. Wer auch immer sie gezählt haben will, sie sind über die Jahrhunderte betrachtet auf über 750 angeschwollen und so wäre hier dringend ein Schnitt nötig. Denn es ist an der Zeit diese unübersichtliche Fülle einzukürzen, sie neu zu ordnen und anders zu strukturieren um die Gemeinde der Interessierten damit nicht unnötig zu irritieren und ihnen die Motivation zu rauben. Denn nahezu alle Hypothesen die aus der Zeit vor der Entdeckung des Kalkriese Schlachtfeldes aufgestellt wurden, auch wenn dort keine Varusschlacht tobte, ließen sich vor dem Hintergrund des dort gewonnenen Mehr an Wissen der Statistik entnehmen. Was bleibt bietet immer noch genügend Ansatzpunkte für gute also weiter führende Spekulati­onen. Eine Herangehensweise wie sie oft erkennbar ist, wonach man sich nur einen beliebigen historischen Text und eine geeignete Geographie zur Hand nehmen braucht und schon liegt eine neue These auf dem Tisch ist sicherlich der falsche Weg. Sie mag zwar unterhaltsam sein, ist aber nicht zielführend. Denn das oberflächliche Aufspüren semantischer Interpretationsspielräume allein reicht nicht aus um Umfängliches zur Aufklärung beizutragen. Der Verlauf der Varusschlacht war dann zwar nicht mehr so stimmig, dafür passte aber alles gut in die Vorstellungen des Autors. Eine Methode die uns in die Abgründe der Geschichtsforschung blicken lässt, wenn man sich um den Aufbau geschlossener Argumentationsketten bemüht. Der Segestes Verrat oder seine Warnung, hat sich in den vergangenen 2000 Jahren verfestigt und offensichtlich glaubwürdig in der Weltgeschichte seinen ewigen Platz gesichert. Will man diese eherne, unumstößliche Säule und schwer zu erschütternde Überlieferung antiker Literatur antasten und nach anderen Erklärungen für den Untergang der Legionen suchen, um sie dann durch eine abweichende Theorie zu ersetzen, begibt man sich ins schwere Wasser zahlreicher Expertenmeinungen. Aber die Deutungshoheit ist Allgemeingut, sympathisiert mit einem schlüssigsten Konzept und Gewinner ist immer der, dem es nicht nur gelingt die besten Argumente auf den Tisch zu legen, sondern auch sie zum Sprechen zu bringen. Und auch Tacitus äußerte sich über Segestes den Mann im Hintergrund und berichtet über seine historisch dokumentierte ruchlose Tat. Aber dann geschah das Rätselhafte. Denn mit der Beschreibung der Geschehnisse am Vorabend und dem Hinweis von Tacitus, dass sich Segestes in die Varusschlacht mit hinein ziehen ließ endet bei ihm der „dokumentarische“ Teil quasi der Vorspann zur Varusschlacht und er vollzieht, warum auch immer einen bizarren Kapitelwechsel. Denn vom Jahr 9 + über das er zuletzt unter 1.55 (3) berichtete, sprang er unter 1.56 (1) direkt ins Frühjahr des Jahres 15 +. Aber welchen Grund mag es dafür gegeben haben, dass er nichts über den Verlauf der Varusschlacht hinterließ. Man weiß, dass auch einige Schriften der Tacitus Annalen verschollen sind. Insbesondere gehören dazu die Jahrbücher zu den frühen Jahren 29 + 30 + und 31 +, die man als besonders aufschlussreich betrachten könnte. Aber in diesem Fall wissen wir, dass Tacitus diese auch geschrieben hatte und es nicht nur auf vagen Annahmen oder Ankündigungen beruhte. Es waren Jahresberichte die, obwohl sie sich nicht auf das Jahr 9 + bezogen, dennoch Aussagen über die Schlacht enthalten haben könnten. Demzufolge lässt sich auch nicht völlig ausschließen, dass Tacitus nicht doch noch etwas über den Schlachtverlauf zu Papier gebracht haben könnte, was uns verborgen blieb. So könnte es Tacitus Paterculus gleich getan haben, denn Paterculus wusste auch mehr als das, was er uns auf schriftlichem Wege wissen ließ bzw. was uns mit viel Glück erreichte. Wissen, dass er für sich behielt und auf das nie das Licht der Neuzeit fallen konnte. (26.12.2020/17.01.2021)

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Samstag, 12. Dezember 2020
ZEIT FÜR EIN RESÜMEE - Tacitus eine Lichtgestalt - Unentbehrlich für die Varusforschung - Meilenstein und Wendepunkt auf dem Weg zur Lösung
An Schlüsselfiguren, Widersachern, Protagonisten oder Kontrahenten mangelt es nicht denn damit ist das Geschehen um die Varusschlacht reich gesegnet und die damit verbundene Brisanz und Themenvielfalt bietet noch genügend Stoff für viele hitzige Diskussionen und gegenteilige Auffassungen. Aber alles was plausibel erscheint und auch noch so viele Indizien lassen sich nur mit Hilfe belastbarer Fakten übertrumpfen. Stehen diese nicht zur Verfügung geht es wieder zurück in die Untiefen der wahrscheinlich klingenden Theorien. Aber auch auf diesem Weg kann man der Lösung, nämlich der Örtlichkeit wo Varus starb sehr nahe kommen. Ich hoffe, dass die Leser dieses Blogs über meine zeitweise etwas holprige Art der Schreibweise großmütig hin weg sehen, denn man kam ja nicht als Schriftsteller zur Welt. Aber nun nach jahrzehntelangen Bemühungen auf der Suche nach dem „Varus“ Stein der Weisen und nach über drei Jahren Bloggertätigkeit ist fasst die Mitte des Internet Buches erreicht. So ist es an der Zeit etwas Replik zu üben und inne zu halten. Tacitus bietet dazu eine gute Möglichkeit. Denn bei keinem anderen Historiker der uns zur Varusschlacht Informationen hinterließ kommt so deutlich zum Ausdruck wie exakt doch die Angaben aller antiken Berichterstatter miteinander übereinstimmen. Wie wir es noch sehen werden, schildern uns alle alten Historiker, wenn auch zeitweise etwas lückenhaft, aber in der Summe plausibel, das damalige Geschehen. Und ganz im Gegenteil zu den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen kommen sie sich dabei argumentativ betrachtet gegenseitig nicht ins Gehege und widersprechen sich auch nicht durch gravierende unterschiedliche Aussagen. Denn was Paterculus schrieb, dass passte zu Cassius Dio und was Florus hinterließ, dass fügt sich nahtlos in die Annalen des Tacitus ein. Mit den zuletzt genannten drei Personen, wird sich dieses Buch im weiteren Verlauf noch eingehend beschäftigen. Um aber zu dieser Klarheit zu gelangen war das akribische Aufarbeiten aller griechisch/lateinischen Texte in der anerkannten Übersetzung unvermeidlich. Aber nur so konnte es gelingen, den gordischen Knoten zu lösen. Denn hätte man ihn zerschlagen hätte man die wichtigen Spuren verwischt. Aber dafür kann sich das Resultat sehen lassen. Denn vor uns entsteht langsam aber kontinuierlich, zuerst noch schemenhaft, dann aber immer deutlicher das gesamte Bild über den Verlauf der Varusschlacht. Aber erwarten Sie nicht, dass ihnen der Inhalt dieses einen Kapitels nun das Lesen aller anderen Abschnitte ersparen wird. Will man die Schlacht und ihre Vor- und Nachgeschichte in ihrem ganzen Ausmaß erfassen und aufarbeiten, dann führt auch kein Weg daran vorbei die hunderte von Seiten zu lesen in denen auf jeden einzelnen Aspekt der Schlacht bereits detailliert eingegangen wurde und die vielen Seiten, die noch folgen werden. Denn das Internet Buch – Die Clades Variana – Vom Sommerlager in den Untergang – soll in ihrer Endaussage keine Antwort schuldig bleiben. Jedes Kapitel leistet seinen eigenen Beitrag zur Aufklärung und widmet sich der Fülle einzelner Aspekte. Eine mühselige aber lohnenswerte Recherche die nicht nur eine Grundlagenarbeit darstellt, sondern auch die Lösung in sich birgt. Was aber in der Mitte des Buches nicht zu kurz kommen darf ist die Feststellung, dass Heribert Klabes das Privileg zusteht, der Steigbügelhalter für die gesamte Theorie zum Verlauf der Varusschlacht gewesen zu sein. Denn er lenkte erst die Blickrichtung in den verträumten Nethegau. Eine Region die man seit jeher vernachlässigt hat, mit der sich niemand ernsthaft beschäftigte und die es noch nicht einmal wert genug war, in ihr einen möglichen Tatort zu erkennen. Und selbst die identifizierte so genannte Südvariante von vier Theorien reicht nur bis ins Bergland südöstlich der Westfälischen Bucht und klammerte den Nethegau zwischen Egge und Weser komplett aus. Heribert Klabes legte den Suchhorizont auf den römischen Hellweg von Anreppen nach Corvey und stellte damit indirekt heraus, wo man auch auf die Ereignisse rund um die Varusschlacht stoßen könnte. Was aber seine Vorarbeit kurios macht ist die Tatsache, dass Heribert Klabes keine Mühe daran verschwendete sich mit der Varusschlacht zu beschäftigen, sich mit ihr näher auseinander zu setzen, oder gar nach denkbaren Örtlichkeiten zu suchen. Für ihn ging es ursächlich und einzig nur darum die antiken baulichen Bezüge der Abtei Corvey an den Stellen aufzuspüren und aufzuzeigen, wo sie bis in die Römerzeit zurück reichen könnten und das scheint ihm auch gelungen zu sein. Indirekt lassen sich seine Ergebnisse insofern stützen, als dass man für die Abtei insbesondere aber das karolingische Westwerk ein bauliches Forschungsverbot ausgesprochen hat. Es verstärkt daher die Annahme, dass es dort einiges zu verbergen gibt. Das sich dann sozusagen als ein Abfallprodukt daraus auch der Verlauf der Varusschlacht rekonstruieren lassen könnte, lag nicht in seiner Absicht und kam ihm nicht in den Sinn. Aber ohne seine tief greifende Vorarbeit wäre die Rekonstruktion kaum möglich gewesen. Denn erst dadurch ließ sich die Spur nach dem Schlachtverlauf aufnehmen und es konnten den Örtlichkeiten auch Namen gegeben werden. Da man was dies anbelangt den Fuß nun schon tief ins Altertum gesetzt hat gilt es grundsätzlich anzumerken, dass immer wieder gerne über das Thema „verschollener antiker Schriften“ spekuliert oder gerätselt, aber mit Vorliebe sinniert wird. Auf Corvey bezogen fasziniert besonders der schriftliche Hinweis darauf, dass dort an der Weser schon vor der Errichtung der Abtei die steinernen Gebäude einer „Selicasa“ standen, was baugeschichtlich definitiv nicht in die Zeit der gerade zu Ende gegangenen Sachsenkriege passen will. Alte Aufzeichnungen die sich noch auf überschriebenem Pergament hinter mittelalterlichen Buchrücken verbergen, wo sie unentdeckt blieben oder in anderen vergessenen Bibliotheken dahin dämmern, so wie es uns mit den Merseburger Zaubersprüchen erging, wäre auch zur Varusschlacht wünschenswert. Man hat also die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben auch in Bezug auf diese Schlacht noch den Tag erleben zu dürfen, an dem sich die Schleier lüften und wir zu einer endgültigen Klarheit über die Örtlichkeit gelangen, wo sich Varus einst ins Schwert stürzte und vielleicht auch mehr. Ein ferner Wunschtraum, der über allem wie ein Trugbild schwebt und auf dem man sich trotzdem nicht ausruhen möchte, denn solange zu warten bis ein vergilbtes schriftliches Zeugnis oder vielleicht sogar ein Tagebuch auftaucht ist natürlich auch keine Lösung. Denn geschichtliches Wissen fällt nicht immer wie Schuppen von den Augen. Und es darf auch nicht zum K.-o.-Kri­te­ri­um für jene werden, die versuchen die antiken Zeiten immer noch über die althergebrachten Schriften erhellen zu wollen. Stoßgebete zum Himmel reichen nicht, und sind auch nicht nötig, denn das bereits Bekannte hat sich noch nicht in Gänze erschöpft, als dass man es nicht mehr neu zu lesen braucht. Denn die Annahme, es ließen sich darin keine neuen Hinweise finden, trifft erwiesenermaßen nicht zu. So kommen wir also nicht umhin uns auch weiterhin auf die Inhalte der antiken Schriften zu konzentrieren, so wie wir sie kennen und wie sie uns vorliegen. Die vielen Freunde der Varusforschung die nicht erst auf den alle selig machenden Bodenfund warten möchten, sondern immer noch davon ausgehen in der klassischen Literatur einen Schlüssel für die Ereignisse aufspüren zu können, haben noch nicht kapituliert. Wir müssen akzeptieren, dass Menschen auch schon in der Vergangenheit imstande waren durchdacht zu agieren, sie waren beweglich und zu konkreten Handlungen fähig, was gerne übersehen wird. Und darin waren sie nicht minder begabt, als wir es heute sind. So passierte damals so manches wovon wir nichts erfahren haben und was uns auch nie erreichen wird. Dies sollte uns aber nicht als Vorwand dafür dienen um das Wenige, das wir wissen nicht hinterfragen zu dürfen oder gar zum Tabu zu erklären, wie man es mit der Abtei Corvey gegen jegliche wissenschaftliche Freiheit betreibt. Aber der Zeitgeist will Varus partout noch nicht ruhen lassen und fordert uns immer wieder auf`s Neue heraus Anläufe zu wagen um ihm das Geheimnis seines Untergangs zu entlocken. Bei Friedrich dem Ersten machte man es sich vor dreißig Jahren leicht. Denn auf der für ihn nach rund 800 Jahren vom deutschen Botschafter enthüllten Gedenktafel am türkischen Göksu Fluss, dem antiken Kalykadnos auch Saleph genannt schrieb man lapidar, „unweit dieser Stelle“ ertrank Kaiser Barbarossa. Für Varus würde man sich ähnliches wünschen, wenn man nur wüsste wo „unweit“ ist. Dabei wissen wir es doch, denn Tacitus sagte es uns mit dem Satz „haud procul teutoburgiensi saltu“, als man sich zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe befand. Und von dort aus betrachtet fand die Schlacht „unweit des teutoburgiensi saltu“ statt. Was Kaiser und Statthalter im Schicksal vereint, ist unser weniges Wissen um den Verbleib ihrer sterblichen Überreste. Während der Torso des Varus irgendwo im Nethegau wieder zu Erde wurde und sein Kopf vermutlich in der Grablege der Quintilier nahe der Via Appia in Rom seine letzte Ruhestätte fand, könnte man den Körper von Kaiser Barbarossa noch bis ins „heilige Land“ transportiert und ihn dort an unbekannter Stelle beigesetzt haben. Wird ihn aber aufgrund der hohen Temperaturen eher hastig dem Wüstensand übergeben haben. Viele Historiker bemühten sich schon mit mäßigem Erfolg, besser gesagt bissen sich in den Jahrhunderten vergeblich die Zähne daran aus heraus zu finden, wo Varus der Tod ereilte, aber vielleicht kommen wir im Verlauf dieser Rekonstruktion der Örtlichkeit doch noch etwas näher. Möglicherweise gelingt es mit viel Anschauungskraft und etymologischen Fakten sogar den Ort der Tragödie bis auf einige Quadratkilometer oder sogar weniger einzugrenzen. Da bin ich aufgrund diverser Hinweise relativ optimistisch. Aber auch die heißeste Phase die unmittelbar auf die Varusschlacht folgte, wo in Rom noch alles Kopf stand, der Eindruck noch frisch und die Gemüter erhitzt waren, ging einmal vorüber. So verwundert es die Nachwelt seit Jahrhunderten, wie es die antiken Historiker mit der Themenauswahl, oder den nachrichtlich bedeutsamen Begebenheiten hielten, wenn sie über das Varusereignis berichteten. Jeder antike Geschichtsschreiber setzte die Akzente auf eigene Weise und so wie er sie für erwähnenswert hielt. War man im Zweifel und haderte mit dem was man vorfand, dann hatte jeder seine Methode, aber auch seine Mühe damit richtig umzugehen. Und auch Tacitus bildete da keine Ausnahme. Den Verlauf der Schlacht ließ er völlig aus, da ihm dazu möglicherweise das Wissen fehlte. Und auch Germanicus hinterließ für ihn vielleicht bis auf den einen, offensichtlich keine landschaftsbezogenen Fixpunkte. Möglicherweise entstammte der besagte Saltus einzig seiner Hinterlassenschaft. Aber Tacitus hatte uns damit den näheren Schlachtenraum gut beschreiben können und ein Saltus also eine Schlucht befindet sich nun mal definitiv nicht in einer ebenen Landschaft. Wo er aber letztlich die Worte „teutoburgiensi saltu“ aufschnappte wird für immer ein Rätsel bleiben. Was mag der Grund gewesen sein, dass Tacitus keine Worte über den Hergang verlor. Stand ihm keine Quelle zur Verfügung aus der es hervor ging, wollte er etwa gar nicht darüber berichten, oder haben wir es auch hier mit „Verschollenem“ zu tun, was nicht bis zu unseren Augen vordrang. Aber immerhin verdanken wir nur ihm den Namen für die Örtlichkeit, wo die Varusschlacht exakt statt fand oder aber wo sie endete. Und das war nicht an irgend einem beliebigen Platz sondern da, wo sich ein Saltus also eine Schlucht auftat. Und in Jahrtausenden entstandene nutzbare Durchgang- in diesem Fall besser gesagt Aufstiegsmöglichkeiten die auch schon vor 2000 Jahren erwähnenswert waren, finden sich in der Regel nur innerhalb von Gebirgen, was in Ostwestfalen die Mittelgebirge sind. Ein solcher Höhenzug dehnt sich über etwa 70 Kilometer von der Diemel bis nach Bielefeld aus, wo er aber noch nicht endet und man nennt ihn Egge. Aber der Begriff „Saltus“ trifft darin nur auf wenige begehbare Kerben oder Durchlässe zu. Passagen die wir alle kennen, die aber vor 2000 Jahren noch nicht so aussahen wie heute. Eine davon und zwar die besagte Karrentaugliche, befindet sich unmittelbar westlich von Borlinghausen. Es ist die Schlucht die unter der magischen Bezeichnung „Teutoburgiensi saltu“ in die Geschichte einging, der Schlacht ihren Namen gab und am Kopfende noch die Reste einer uralten Fliehburg bewahrt. Die Schlacht in der Schlucht, in der Nähe bzw. „unweit“ der oder einer Schlucht. Nämlich jener enge Passweg, der sich in der Nähe zweier Flucht- also Volksburgen befand. Und der Name lokalisiert und punktiert damit auch schon fasst den Ort wo Varus Suizid begann. Aber zurück in die Zeiten frühester Berichterstattung und historischer Auswertungen zur Clades Variana. Als Paterculus um 30 + schrieb, war Plinius der Ältere etwa 7 Jahre alt. Da sein verschollenes oder nie geschriebenes Werk aber nicht zur Verfügung steht, vollziehen wir direkt den Sprung von Paterculus zu Tacitus, geben ihm gegenüber Florus den Vorzug und ziehen Tacitus noch vor Florus zu Rate. Denn man darf annehmen, dass Tacitus vor Florus schrieb. Tacitus, den man auch den Schweigsamen nennt, war nach Paterculus der erste antike Geschichtsschreiber der die lange Stille nach der Schlacht unterbrach. Wann Tacitus Zeit und Muße fand sich dem Thema zu widmen wissen wir nicht. Er soll sein Werk zwischen 110 + und 120 + vollendet haben. Tacitus beendete damit die historische Ruhe, die sich bis zu diesem Zeitpunkt schon 70 bzw. maximal 80 Jahre nach Paterculus über die Varusschlacht ausgebreitet hatte. Gebildete Menschen wie Tacitus es einer war, gehen derartige Werke in der Regel erst im fortgeschrittenen Lebensalter an. Den Forschungen zufolge soll er nach 104/1o5 + damit begonnen haben, was ihn aber auch nicht daran gehindert haben dürfte, mit der Recherche über Germanien, das er nie betrat, schon weit aus früher begonnen zu haben. So könnte er sich dabei zweifellos auch auf die Schriften von Plinius dem Älteren der 79 + verstarb oder andere gestützt haben, die wir nicht mehr einsehen können. Bei Tacitus, der um 58 + geboren wurde, könnte ein verstärktes Interesse am Land Germanien und seinen Bewohnern frühestens um 78 + im Alter von etwa 20 Jahren geweckt worden sein. Ein Land, das er nur vom Hörensagen, also ähnlich zu Karl May nur aus der Ferne kannte. Somit begann er also rund 7o Jahre nach dem Ende der Varusschlacht sich mit den Dingen die sich dort vor seiner Geburt zutrugen näher zu beschäftigen. Obwohl sich auch in seinen Annalen keine Aussagen zum unmittelbaren Verlauf der Varusschlacht finden lassen, denn er hat sich ihr mit keiner Silbe gewidmet, lassen sich daraus doch wesentliche Hinweise entnehmen. Es sind bei Tacitus aber keine Episoden aus der Hitze der Gefechte, denn in seinen Schriften war die Schlacht schon lange kalt. Aus seinen Berichten spricht also nicht das direkte Kampfgeschehen, so wie man es etwa bei Paterculus, Florus oder Cassius Dio nachlesen kann. Aber Tacitus liefert uns trotzdem etwas Bemerkenswertes, denn er trifft mit seiner Beschreibung exakt den Kernbereich der Schlacht, indem er auf die eigentlichen Hauptschauplätze zielt und steuert damit bedeutsame Erkenntnisse bei, die uns weitere Schlussfolgerungen gestatten. Denn eine Schlacht besteht unter dem Gesichtspunkt der historischen Aufarbeitung nicht nur aus den Beschreibungen von Kämpfen Mann gegen Mann. Der Analyst will auch wissen was, wann. wo und wie geschah und möchte den chronologischen Ablauf der Schlacht kennen lernen, aufspüren, vor allem aber verstehen. Wer siegte in der Schlacht, wer verlor sie und was trug dazu bei. Und genau darin liegt der Wert dessen was Tacitus uns hinterließ. Denn er beschrieb den maroden Zustand von zwei Varuslagern, so wie Germanicus sie antraf. Das erste Marschlager wie es sich nach dem zweiten Marschtag zeigte und das zweite Marschlager am Abend des dritten Marschtages. Das Lager in dem bis zuletzt erbittert gekämpft wurde und wo vermutlich Varus aus dem Leben schied. So decken sich seine Darstellungen und Beschreibungen in Gänze mit dem, was uns auch aus den Federn aller anderen Historiker bekannt geworden ist.(12.12.2020)

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