Samstag, 14. September 2019
Die versteckten Botschaften des verbannten Epikers Ovid
Ovid war ein Visionist im eigenen Auftrag und nahm in seinem Klagelied die römische Gefangennahme der ersten germanischen Garde die sich gegen Varus stellte schon mal Wunschtraum artig vorweg und verkaufte damit das berühmte Fell des Bären. So weit können wir ihm in seiner Notlage folgen. Zudem ließ er im Rahmen seiner begrenzten dichterischen Freiheiten durchblicken, welcher Leidensweg die Cherusker erwartete und welch bitteres Schicksal ihnen wohl noch bevor stand. Im Triumphzug mussten sie es in ihren letzten Stunden für alle sichtbar zur Schau tragen. Ovid musste sich dafür ziemlich tief vergeistigt haben um wie hinter einem Vorhang schemenhaft die gefangenen germanischen Anführer ausmachen zu können. Er kannte den Triumphzug Parcours wusste, was man ihnen zumutete und konnte sich lebhaft vorstellen wie sie die römischen Triumphbögen und prächtigen Tempelanlagen passierten. Wie in dumpfen Nebel eingehüllt empfand er, wie ihnen schon von Ferne die kreischenden Massen entgegen fieberten, noch bevor man die Geknechteten sehen konnte. Dann tauchte Ovid in seiner ureigenen Vision sogar selbst in die hysterischen Menschenmengen ein und blickte als stiller unsichtbarer Zuschauer auf das hektische Treiben im Straßenbild. Er konnte nicht übersehen, dass die Germanen in ihren Nacken und über ihren staubigen und vor Schweiß triefenden Schultern einschneidende grobe Fesseln trugen. Und sie alle mussten vor dem feierlich bekränzten Prunk Gespann des Kaiser Augustus gebeugten Hauptes einher stolpern. Momente die das Volk von Rom zutiefst beglückten, denn es war damit endlich für alle die Stunde der lang ersehnten Genugtuung für den Verlust von drei römischen Elite Legionen im Sumpf Germaniens gekommen. Ovid stellte diese bewegenden Augenblicke in seiner gekonnten Art literarisch dar, so als wäre er tatsächlich selbst dabei gewesen. So kann man sich gut in ihn und seine desolate Lage hinein fühlen, denn bei all seiner Wortgewandtheit und Dichtkunst musste er immer Kaiser Augustus und seine Ziele im Auge behalten, dem all sein Tun und seine „Tristien“ letztlich galten. Sich nun die geschundenen und von Entbehrungen gezeichneten und ausgezehrten Mienen jener in Ketten gelegten Germanen vorzustellen fällt uns auch heute sicherlich nicht schwer. Und der römische Pleb genoss es mit Wohlwollen. Es könnte in Rom ein heißer Tag gewesen sein, als ihnen die grimmigen Germanen vorgeführt wurden. Es waren Menschen mit Gesichtern denen sie alle noch ansehen konnten, wie ihnen einst der trotzige Siegeswillen des Kampfes ins Antlitz geschrieben stand. Einst renitent aufsässige und verbissene Züge, die ihnen nun aber gänzlich aus dem Gesicht gewichen waren. Sie hatten sich in der Zeit nach ihrer Gefangennahme in den Kerkern Roms in Verbitterung verwandelt. Ihre aber immer noch Furcht erregend starrenden Blicke hatten nun einen anderen Ausdruck angenommen. Sie hatten sich verändert und trotzten jetzt nur noch ihrem Schicksal, das man für sie bereit hielt. Sie blickten schon ihrem Tod entgegen oder sahen ihr Leben günstigenfalls im Steinbruch enden. Ovid versetzte sich in seinen Klageliedern auch in die dem Zug beiwohnenden Zuschauer hinein, wie sie sich unterhielten köstlich der Darbietung folgten und sich ihre Kommentare gegenseitig zuwarfen. Er stand förmlich mitten unter ihnen und beobachtete das einfache Volk von Rom, wie es sich auch noch genüsslich für die Details interessierte und gierig die einzelnen abscheulichen Taten der nun vor ihnen wankenden Germanen hinter fragte und sich sogar nach den für sie unaussprechlichen fremden Namen erkundigte. So zeigten sie auch auf einen besonders erhabenen Mann, bei dem sie das Gefühl erschlich ihn sogar erkannt zu haben. Ein Germane, in dem sie meinten den großen Anführer in jenem Kriege sehen zu können. Insgeheim sahen oder wollten in ihm alle den berüchtigten Cheruskerfürsten sehen. Ovid wird nun von seiner eigenen Phantasie überwältigt und er lässt nichts mehr aus. So greift er in einem Fall sogar tief in die wohl damals in Rom immer noch vorherrschende Welt der Klischees und der Vergangenheitsbewältigung, denn er lässt den Germanenhäuptling nun in einer völlig untypischen Parademaskierung auftreten. So soll der vermeintliche Arminius, von Ovid symbolisch zum Ausdruck gebracht in „Sidouischem Gold“, also dem Gold aus Sidon geglänzt haben. Die libanesischen Küstenstädte wie Sidon oder Tyros standen einst unter der Herrschaft Karthagos, und in Rom verstand man darunter auch die Phönizier. Diese setzte man mit den Puniern, ihren ehemaligen Erzfeinden gleich. Ovid stellte Arminius damit also indirekt sogar auf eine Stufe mit den punischen Helden der gleichnamigen Kriege eine der größten Feindnationen, die das Imperium Jahrhunderte zuvor zu bezwingen hatte. Hier kommt also eine deutlich überzogene dichterische Komponente in seinem Stil zum Vorschein um es in die Superlative zu heben. Denn es ist schwer vorstellbar, dass man den vermeintlichen Germanenkönig im Prachtschmuck der Könige von Sidon hätte auftreten lassen. Aber Ovid bezweckte damit, dass maßlose Streben und vertragsbrüchige Verhalten der Cherusker nach Macht und Sieg mit den Ritualen der Sidonier zu vergleichen. Das phönizische Volk, das sogar dafür bekannt war Menschenopfer darzubringen womit er die Germanen mit den alten Kanaanitern in Verbindung brachte. Diese Textstelle innerhalb der „Tristia“ erweckt den Anschein, als ob für Ovid außer Frage stand, dass auch die damals gefangenen Römer nach der Schlacht im Nethegau dieses Schicksal über sich ergehen lassen mussten, zumal dies in seiner Zeit gängige Praxis unter den Völkern gewesen sein könnte. Danach fielen die gierigen Augen der schaudernden Massen die den Triumphzug mehr reihig säumten auf einen weiteren Germanen. Er hielt sich eng in der Nähe des germanischen Oberhäuptlings auf. Ihm stand es selbst noch an diesem Tag deutlich ins Gesicht geschrieben, dass seine Augen und sein Antlitz einst leuchtend funkelten, als er sich noch im Vollbesitz seiner Kräfte wähnte und seine germanischen Waffen trug. Mit ihm konnte Ovid den Kaiser besonders erfreuen, denn dieser konnte nur noch starr und gebrochen, in Fessel gelegt und in tiefster Trauer sinnierend auf den Boden unter sich blicken. Man sah förmlich wie der Kaiser beim Anblick dieses Mannes seinen todbringenden Daumen senkte. Dann folgte wieder ein anderer Gefangener der die johlende Menge wie fasziniert die Hälse recken ließ und sie zum Brodeln brachte. Ein besonders trotziger und scheinbar ungebrochener Germane, der sogar noch in seiner jetzigen verzweifelten Lage seinen glühenden, feindseligen und stolzen Blick immer noch nicht verloren hatte. Und da war sich jeder Römer auch völlig sicher. Dieser Germane musste jener gewesen sein, der an der römischen Niederlage eine große Mitschuld trug. Ihm sah man noch an, dass er der schlimme Drängler und Antreiber zum Kampf und der war, der die Germanen auf hetzte und sie zum Aufruhr brachte, auf das sie gegen das Imperium ihre Waffen erhoben. Alle spürten förmlich, dass dieser Mann die Seele des Krieges gewesen sein musste. Aber damit nicht genug, denn die Phantasie des in Zorn und Wut hoch gekochten Volkes, das sich schon in Rage tobte, begann sich nun erst so richtig zu ereifern. Denn nach dem germanischen Kriegstreiber erschien nun jene Person auf der Bildfläche des Triumphzuges der von allen Gefangenen die größte Schuld am Untergang der drei Legionen hatte. Es war ein Mann, den Ovid, den „Treulosen“ nannte. Besser gesagt, die Begrifflichkeit eines "Treulosen" erschließt sich aus der Übersetzung seiner lateinischen Worte "huc aliquem certo uela dedisse Noto", sodass es sich bei ihm folglich um einen treulosen Menschen gehandelt haben soll. Sein Gesicht soll von herab hängendem struppigem Haar nahezu völlig bedeckt gewesen sein. Aber nun folgt die Textstelle innerhalb der Ovid`schen „Tristien“, die nach Ansicht vieler Historiker einen weiteren und deutlichen Bezug zur Varusschlacht offen legt. Denn dieser Treulose, soll nach Ovid jener Germane gewesen sein, „VON DEM DIE UNSRIGEN EINGESCHLOSSEN UND IN EINER FREMDEN GEGEND GETÄUSCHT WURDEN“. Hier treten in einem unscheinbaren und vielleicht auch bewusst von ihm kurz gehaltenen Nebensatz drei wesentliche Attribute hervor, die vom Grundsatz her nur mit der Varusschlacht kompatibel gewesen sein können. Denn unter „eingeschlossen“, verbirgt sich unzweifelhaft der viel zitierte germanische Hinterhalt, den die Germanen für die Legionen legten und in den sie sie lockten. Und die „fremde Gegend“ spricht ebenfalls eine deutliche Sprache und bezieht sich auf das den Römern unbekannte Terrain, in das die Germanen die Römer führten. Die von Ovid erwähnte „Täuschung“ entspricht der Falle, die die Germanen geschickt auslegten und in die ihnen die Legionen gingen. An welche Schlacht oder an welchen Krieg sollte Ovid hier noch gedacht haben können, wenn nicht an die Varusschlacht. Die einzige Schlacht die sich in der Zeit ereignete, nach dem ihn der Kaiser Augustus aus dem römischen Paradies nach Constanta verstieß und die einzige Schlacht die nach Carrhae 53 - den Totalausfall vieler Legionen durch Täuschung und Hinterhalt herbei führte. Der letzte Hinweis von Ovid in seiner „Tristia“ regt noch einmal zum Nachdenken an. Denn nun soll sich auch noch ein Mann im Zuge der Gefangenen befunden haben, den er als einen Priester bezeichnete. Sollte Ovid in diesem Fall mal sein Gedicht gegen die Realität eingetauscht haben, so wäre das vermutlich einer der wenigen historischen Hinweise darauf, dass es in Germanien bei Kult- oder Opferfesten Priester, also Druiden oder Schamanen gegeben hatte bzw. diese dabei anwesend waren. Eine seit jeher umstrittene Diskussion, zu der es keinerlei Quellen, sondern bislang nur Vermutungen und Annahmen gibt, und die sich dann auch noch auf die Tradition der Kelten beziehen. Dieser von ihm als Priester bezeichnete Mann war nach antiker Sichtweise und Vorstellung der germanische Vollstrecker, der die Opfergabe an den heimischen Gott vorbereitete, praktizierte und ausführte und den wir heute einen Ritualmörder nennen würden. Mit dem Auftreten eines Priesters unter den Gefangenen legt Ovid auch noch eine weitere Spur zur sidonischen Menschenopfer Zeremonie. Aber er liefert uns damit und das wiederum nur indirekt eine Bestätigung der Worte von Tacitus, der im Zusammenhang mit der Knochenbestattung auch erwähnt, dass die Germanen die gefangenen Römer auf ihren Altären ihrem Gott geopfert hatten. Aber man muss hier wohl den Sachverhalt drehen in dem es richtig lauten müsste, Tacitus bestätigt die Aussagen von Ovid. Man könnte jetzt aus alledem auch schließen, dass Gaius Julius Hyginus dem Dichter Ovid in seinen Briefen dies alles mitgeteilt hatte, es also möglicherweise auch aus der Depesche des Asprenas hervor gegangen sein könnte. Geht man noch einen Schritt weiter zurück, so könnte man sogar schlussfolgern, dass die Kavallerie des N. Vala noch Zeuge dieser Taten in der Endphase der Schlacht war, oder es im Verlauf der Schlacht mit ansah. So waren die Schwadronen zum Zeitpunkt der Opferungen also noch nicht abtrünnig geworden. Eine zweifellos gewagte Theorie, aber konstruierbar. Ovid schreibt, „ER (also der Priester) HABE DIE ABGESCHLACHTETEN GEFANGENEN DEM WIDERSTREBENDEN GOTTE GEOPFERT“. Aber warum „DEM WIDERSTREBENDEN“. Man könnte annehmen Ovid wollte glauben machen, dass sogar die germanischen Götter die Opfergabe der römischen Legionäre nur widerwillig an nahmen. Ovid setzt seine „Tristia“ in besonders theatralischer Weise ins Bild, bei der es schwer fällt sie zu interpretieren und auch die Worte mit denen er seine Klagelieder bezogen auf die Varusschlacht enden lässt, bilden da keine Ausnahme. Aber sie bergen viel Interessantes auch wenn sie uns in Sachen „Segestes und seinen späteren „Interviews“ mit den antiken Historiker“ an dieser Stelle nicht weiter bringen. Da ist zum Beispiel der Satz “DER HIER MIT GEBROCHENEN HÖRNERN, MIT GRÜNEM SCHILF NUR DÜRFTIG BEDECKT, WIRD VON SEINEM EIGENEN BLUTE MISFARBENEN RHEIN VORSTELLEN“. Ovid erinnert noch mal an Drusus und stellt damit ein weiteren Bezug zum Unglücksfall des Feldherrn in Germanien her, der sich im südlichen Niedersachsen zugetragen haben soll. Sein sterbender Körper oder bereits sein Leichnam wurde nachdem Tiberius Drusus an unbekanntem Ort vor seinem Tod noch mal lebend antraf und ihn sprechen konnte über die Lippe an den Rhein transportiert, wo er möglicherweise auf einer Barke dürftig unter Schilf aufgebahrt, dann den weiteren Weg nach Mainz antrat. Das dabei auch der Rhein noch mit seinem Blut in Berührung kam, ist auf dichterische Weise sicherlich ohne Mühe darstellbar. Übrigens liegen uns keine Hinweise darüber vor, dass Drusus in Kämpfe bei Kalkriese verwickelt war, was für die Forschung auch sehr interessant gewesen wäre. Für uns ist aber diese Parallele ein weiterer Hinweis darauf, dass Ovid bei seinen Klageliedern in Bezug auf Drusus immer den alten Schlachtenhorizont im Hinterkopf hatte, wo auch die Varusschlacht nicht weit entfernt lag. Ovid schwenkt dann noch mal auf seinen ureigenen von ihm zum Leben erweckten Triumphzug über und zieht das ganze Register seiner Vorstellungswelten. Denn bei Ovid zieht dann sogar „Germania“ im Triumphzug mit. Mit aufgelöstem Haar zieht sie vorüber und sitzt dann voller Gram gebeugt zu Füßen des überragenden Kaisers Augustus und wartet auf ihr Urteil. Auch „Germania“ bei der es sich aus römischer Sicht um die fiktive germanische Hauptgöttin gehandelt haben dürfte, musste für das Verhalten ihrer Stammessöhne büßen. Sie hatte sogar selbst Schuld auf sich geladen, weil auch sie im Kampf gegen Rom die Waffen geführt hat und lag nun ebenfalls vor dem Kaiser in Ketten am Boden. Ein wichtiger Hinweis der uns auch tief in die heidnischen Seelen und Wurzeln damaliger Zeiten blicken lässt, als man noch annahm, dass die Götter dem Himmel entstiegen um selbst mit zu kämpfen. In der germanischen Mythologie wird es uns im Kampf der Asen gegen die Wanen ebenso geschildert. Vermutlich hatten sich in diesen Zeiten die Namen der „wahren“ germanischen Götter noch nicht bis nach Rom herum gesprochen und „Germania“ musste sie in sich vereinen. Die germanische Göttin Germania war geschlagen, also war ganz Germanien besiegt, so die klare dichterische Botschaft von Ovid. So mehren sich im Sinne seiner Dichtung die Hinweise und verdichten sich dahin gehend, dass Ovid der Hoffnung Ausdruck gibt, der Tag der Rache sei nun nicht mehr fern und schon fasst mit den Händen zu greifen. Ein positiver Silberstreif am sonst so eingetrübten Horizont jener Jahre, wenn man in Rom verängstigt nach Norden blickte. Seine Zeilen waren Balsam und geeignet die aufgebrachten Gemüter quer durch alle Bevölkerungsschichten des Imperiums zu beruhigen, und zu besänftigen, waren aber natürlich in erster Linie nur für den Kaiser Augustus persönlich bestimmt. Aber immer wieder kehrt zu uns die eine Frage zurück, nämlich die was wohl aus dem oder vielleicht auch den Schreiben des Hyginus hervor gegangen sein mag und was sie für uns Verwertbares enthielten, dass uns später über die filigranen Hände des Ovid erreichte. Informationen die Hyginus dem Dichter zukommen ließ und die wir erst nach dem sie Ovid in seinem Sinne umwandelte, also „metamorphisierte“ unserem Wissen über den Verlauf der Schlacht einverleiben bzw. eingliedern können. Denn so traurig und Herz zerreißend die Worte des verbannten Ovid auch klingen mochten, wir suchen hier einzig nach möglichen Fakten, die uns den Ablauf Varusschlacht erklären helfen. Was also bescherte uns sein Gedichts Stoff und wie bereicherte uns seine Prosa mit dem sich wichtige Erklärungslücken schließen ließen. Bewegen wir uns also wie so oft nach vorne, in dem wir nach hinten gehen und wir könnten fündig werden. Ovid berichtet in seinem Gedicht über eine Reihe bedeutsamer Germanen die, bevor man sie in Ketten schmiedete an der Schlacht teil nahmen. Er listete sie förmlich der Reihenfolge nach auf und er verlieh ihnen in seinem simulierten Triumphzug Funktion, Gesicht, Ausdruck, Gestalt und beleibte sie förmlich, ganz so wie sie sich einst gebarten, als sie noch gegen Varus kämpften und so wie sie jetzt auf alle wirkten. Und wir können nun rätseln, ob die Wesenszüge die ihnen Ovid zuschrieb alle seiner eigenen Phantasie entsprangen, oder ob Hyginus ihm dabei half und sie ihm in etwa schon so beschrieb, ihm also in seinen Briefen dafür die nötigen Impulse und Anregungen lieferte. Vorstellbar ist, dass Hyginus den Hergang der Schlacht aufgrund seines Wissens umriss und auch die germanische Strategie beschrieb. Auf dieser Basis besaß Ovid alles was er wissen musste, um sich das Weitere zusammen reimen zu können. So zählte er außer einer den Göttern zugewandten Priesterperson, explizit vier weitere heraus ragende Germanen auf, bei denen es ihm darauf ankam uns nähere Beschreibungen ihres Verhaltens in der ihm eigenen spekulativen Art zu hinterlassen. Die Übersetzung seiner „Tristia“ ist im Vokabular nicht unproblematisch. Was unser Interesse darin weckt besteht aus einem zeitgemäßen und daher naturgemäß schwer verständlichen Stoff der sich in den Worten der Übersetzung wie folgt ließt und den ich hier einfüge.

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„Freuen wird sich schon das treue Volk und der Senat und der Ritterstand, wovon ich jüngst noch ein kleines Mitglied war. Mir freilich, dem soweit Verbannten, entgeht die allgemeine Freude, davon kommt in solche Entfernung nur ein schwaches Gerücht. Ja, das ganze Volk wird dann die Triumphzüge schauen können, und mit den Titeln der Feldherrn die eroberten Städte lesen. Man trug Tafeln mit den Namen der besiegten Völker und Abbildungen der eroberten Städte und Länder einher. Die gefangenen Könige auf ihrem Nacken Fesseln tragend, werden vor dem bekränzten Gespann einher schreiten. Man wird in Mienen schauen, die sich mit der Zeit geändert haben. In furchtbare ihrem Schicksale trotzende Blicke. Zuschauer werden nach der Geschichte des Kampfes, nach den Taten und nach ihren Namen fragen. Der da, der erhaben in Sidouischem Gold glänzt, war der "FÜHRER IM KRIEGE". Jener, dem Führer der Nächste; der da, der jetzt den Blick mit tiefster Trauer an den Boden fesselt, hatte ein ganz anderes Antlitz, als er noch die Waffen führte. Jener, der Trotzige, mit noch glühenden feindseligen Blicken, war der Drängler zum Kampfe, die Seele des Kriegs. Dieser "TREULOSE", der das Gesicht mit dem herabhängenden struppigen Haar bedeckt, schloss die "UNSRIGEN" ein, die von der "FREMDEN GEGEND GETÄUSCHT" wurden. Der Folgende soll als "PRIESTER" öfters "DIE LEICHEN" der abgeschlachteten Gefangenen dem widerstrebenden Gotte geopfert haben. Hier der See, hier die Berge, dort die "VIELEN BURGEN", die von wildem Morden mit Blut angefüllt waren. In "DIESEN" Ländern erwarb sich "DRUSUS" einst seinen Beinamen, er, der edle Spross eines würdigen Vaters. Der hier mit gebrochenen Hörnern, mit grünem Schilf nur dürftig bedeckt, wird den von seinem eigenen Blute misfarbigen Rhein vorstellen. Seht! auch "GERMANIA" mit aufgelöstem Haar zieht vorüber, und sitzt voll Gram zu den Füssen des unbesieglichen Feldherrn, und dem römischen Beile trotzig den Nacken bietend trägt sie Ketten an derselben Hand, die die Waffen führte. Über alle diese erhaben hältst du, o Cäsar, deinen festlichen Einzug auf purpurnem Siegeswagen mitten durch die Scharen deines Volkes“.

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Städte zum Erobern wird es in Germanien nicht gegeben haben, hier dürfte Ovid auf die gängige Vorstellung siegreicher römischer Feldzüge zurück gegriffen haben. Tafeln mit den Namen der Gefangenen kann man sich jedoch noch gut vorstellen, soweit man sie wusste bzw. sie sich überhaupt lateinisch oder wie auch immer schreiben ließen. Als Vorlage dieses Gedichtes von Ovid könnten nach meiner Auffassung nur die Informationen von Hyginus als Basis gedient haben. So könnte Hyginus dem Dichter mitgeteilt haben, dass sich der germanische Widerstand in Ostwestfalen bei eingeschränkter Unterstützung der Pristerkaste auf eine vierköpfige Führungsriege stützte, die hinter allem stand. Ovid verlieh dann diesen Personen ihr jeweiliges phantasiereiches Auftreten mit einem dazu passendem Gesichtsausdruck und könnte damit bereits Hinweise auf eine mögliche germanische Befehlshierachie, Strategie und Vorgehensweise geliefert haben. Demnach hätten Hyginus und folglich auch Ovid schon Kenntnisse zur Struktur der germanischen Führungselite vor gelegen. Also Informationen, die sich ursprünglich auf Asprenas zurück führen ließen. Denn Asprenas besaß dieses Hintergrundwissen. Aber letztlich macht soviel realitätsnahe Phantasie wie sie Ovid so treffend einflocht bzw. ausformulierte skeptisch und wirft die Frage auf, wer sich hinter den vier Germanen verborgen haben könnte. Da man sein Gedicht mit der Varusschlacht in Verbindung bringt, könnten die Germanenhäupter auch im Zuge dieser Schlacht zu Bedeutung gelangt sein und darin eine Funktion inne gehabt haben. Schriftlich sind uns nur jene cheruskischen Namen überliefert, die aus der Feder von Strabo stammen und wenn diese in Bezug zum Fürstenhaus standen. Personennamen aus dem einfachen germanischen Volk suchen wir fasst überall bislang vergeblich. Segimer nahm vermutlich nicht oder nur anfänglich an der Schlacht teil, da sein Name später nie wieder erwähnt wird. Man vermutet, er sei darin umgekommen. So dass Arminius die königliche Spitzenfunktion unter den vier Germanen übernahm und sie bekleidet haben könnte. Ihm sollte sicherlich die Hauptrolle im germanischen Trauerzug zustehen, was auch zum Ausdruck kommt. Den Reigen der Darsteller sehe ich daher folgendermaßen. Der Erhabene und „Goldglänzende“ war demnach also Arminius. Der dem Fürstensohn am nächsten Stehende, war seine rechte Hand und sein Berater, vielleicht einer seiner alten Weggefährten aus Auxiliarzeiten. Man kann spekulieren. Der Trotzige war blind vor Wut, trieb die Germanen zum Kampf an, war allgegenwärtig, stand immer in der Hitze des Gefechtes und verkörperte Seele und Gestalt des typischen Kämpfers, wie man ihn sich in Rom vorstellte. Ihn beauftragte Arminius für besondere Kommandoaufgaben. Den vierten im Bunde nennt man der Übersetzung nach aber den Treulosen. Die Treue hielt er zweifellos nur seinem Volk, den Cheruskern. Man hielt das Wort "treulos" im Vergleich zu dem von Ovid verwendeten Originalwort offensichtlich für zutreffend. Auf ihn passen würden sicherlich auch die Eigenschaften, gewissen- oder skrupellos, vor allem muss er die Reitergruppe der germanischen Wegbegleiter die er anführte und die die Legionen geradewegs in ihren Untergang führten äußerst kaltblütig vorgegangen sein. Er ist für mich vor allen anderen die wichtigste Personalie und Schlüsselfigur im Reim ovid`scher Einlassungen. Während die Erwähnung von Drusus im Gedicht einen deutlichen Fingerzeig in den germanischen Norden richtete, und der Priester die Opferungen im Saltus ausführte, verbarg sich hinter dem „Treulosen“ ein sehr gezielter Hinweis auf die Varusschlacht. Denn der Hinweis darauf, dass er die "unsrigen, womit die Römer gemeint sind, „einschloss" ist auch für viele Historiker der deutlichste Bezug zur Clades Variana, denn um die Zeit als Ovid aus der Verbannung schrieb, in der er sich ab dem Jahre 8 + befand, wurde außer der Varusarmee keine andere römische Armee von einem Feind getäuscht und im Hinterhalt eingeschlossen. Mit diesem kurz gehaltenen Hinweis bringt es Ovid auf den Punkt, denn der Treulose „schloss die Unsrigen“ ein in „einer den Unsrigen fremden Gegend“. Wie aber sollte man sich nun das Manöver einer einzelnen „treulosen“ Person vorstellen bzw. wie müsste oder kann es eine einzige Person angestellt haben, gleich drei Legionen also mehrere tausend Soldaten zu täuschen und einzuschließen. Dies ist natürlich nicht nachvollziehbar und es kann sich bei dieser Person daher nur stellvertretend um eine bestimmte Gruppe von Germanen gehandelt haben, die unmittelbar am Kampfgeschehen beteiligt waren und diese besondere Aufgabe übernommen hatten. Aber man sollte sich noch mal mit der Vorstellung des Begriffes „der die Unsrigen einschloss“ beschäftigen. Verfolgt man die Absicht eine Person oder wie in diesem Fall eine ganze Armee einzuschließen, so irritiert natürlich die Wortwahl bzw. Übersetzung „einschloss“. Will man eine größere Anzahl Menschen einschließen, so gehört dazu, dass man diese erst in einen, sagen wir mal ausbruchssicheren Sektor führt, in dem sie sich überhaupt einschließen lassen bzw. wo man sie einschließen kann. Im übertragenen Sinne also hinter ihnen symbolisch betrachtet eine Tür verschließt, um ihnen einen Rückweg oder Ausweg zu versperren. Diese Vorstellung verbindet man in der Regel mit der Wortwahl „einschloss“. Um die Menschen aber erst in diese Ausweglosigkeit zu lotsen, wo man sie folglich einschloss und aus der man ihnen ein Entrinnen unmöglich machte, waren die aus germanischer Sicht nötigen Vorbereitungen zu treffen. Und dazu bedurfte es eines Geleitpersonals, Germanen die den Weg wussten und sie führten. Ich halte diesen Hinweis für wichtig, da man Menschen nur einschließen kann, wenn man sie vorher in eine einschlußfähige Position manövriert bzw. bugsiert hatte. Um also kein Missverständnis aufkommen zu lassen, denn unter „unsrigen einschloss“ kann man auch verstehen „die unsrigen in eine Falle zu führen“. Einschloss bedeutet also nicht zwangsläufig, dass man alle drei römischen Legionen zuvor in eine Mitte trieb, wo man sie dann komplett einkreiste, umzingelte und folglich einschloss. Da im visionären Triumphzug des Ovid nur die Großen des germanischen Widerstandes vorgeführt wurden, muss dieser besagte „Treulose“ also auch wenn man ihn in der Mehrzahl betrachtet, eine wichtige Funktion im Zusammenhang mit dem Hinterhalt, also mit dem „Einschluss der Unsrigen“ gehabt haben. Er war demnach der Mann oder einer der Männer, der die Falle stellte, in der dann „die Unsrigen“ eingeschlossen wurden. Die Falle bzw. der Hinterhalt, den sich die Germanen für Varus ausdachten war jedoch in der Topographie des Nethegau keine Sackgasse oder gar ein Canyon der unvermittelt vor einer hohen Felswand endete. Es war schlicht und einfach nur der Marschweg bis hin zu den vermeintlichen Aufrührern. Germanische Rebellen wie sie von Arminius „an die Wand“ gemalt wurden, die sie auch waren aber anders, als man sie Varus dargestellte und wie er sie sich vorgestellt hatte. Germanen nämlich, die sie schon auf dem Weg ins Aufrührergebiet in ihren Verstecken erwarteten und sich später da konzentrierten, wo man Varus und den Legionen das Zentrum der Aufrührer als Falschmeldung vorgegaukelt hatte und wo das Gerichtslager errichtet werden sollte. Und aus nichts anderem bestand auch der germanische Hinterhalt. Varus nahm die Aufforderung siegessicher an, die Aufrührer dort aufzusuchen, wo sie sich scharten. Und nicht nur dort scharrten sie bereits wahrlich schon ungeduldig mit den Füßen, sondern in alle Gauen der Region. Abtrünnige eines entfernten Stammes die es nun von ihm zu befrieden galt, bei denen es etwas zu schlichten gab, wo er notfalls kämpfen musste, wo es was abzuurteilen gab und wo sein Richterspruch über „Richtig oder Falsch“ über ihre zukünftige Handlungsweise entscheiden sollte. Alles war Varus solange recht, wie sie Ruhe gaben, das Imperium nicht schädigen würden, seine Absichten in Ostwestfalen nicht durchkreuzten und seinen Rückzug an den Rhein nicht zu lange aufhalten würden. Dieser schmale und lange, mal sumpfig morastige, mal bewaldete, mal sandige, mal verstellte und mal lehmige Weg war auf die ersten Kilometer Wegstrecke bestenfalls noch ein Spurweg, aber so sehen Hinterhalte aus. Denn derartige Hinterhalte sind für fremde Truppenverbände in noch dazu unbekanntem Terrain nicht auszumachen. Der Hinweis „unbekanntes Terrain“ verdeutlicht uns ebenfalls, dass sich das Schlachtgebiet weit ab von den sonstigen Routen der Römer, sich also nicht in unmittelbarer Nähe zum römischen Hauptquartier an der Weser befunden haben kann. Folglich in einem noch nicht eroberten Gebiet bei vertragslosen Stämmen. Wohin führte man sie also. Die Germanen entschieden über die Zugrichtung, nur sie wussten wo galt es die richtigen Abzweigungen zu erkennen oder einem anderen Weg folgen zu müssen und wo sich ein Bach am Besten überwinden oder eine Sumpfzone am Schnellstes umfahren ließ . Immer waren sie wie Blinde auf jene „treulosen“ Germanen angewiesen die sie auf ihrem Marsch in den Untergang begleiteten. Und solange man den Legionen den Weg wies, wähnten diese sich auch auf dem direkten Weg zu den Verschwörern und warteten auf Arminius der sie in Kürze einholen wollte. Die berittenen Legionäre des N. Vala werden in der Spitzengruppe und immer auf Tuchfühlung zu den germanischen Wege kundigen geritten sein. Ihnen standen die „treulosen“ Germanen Auge in Auge gegenüber, die sich bewegungslos in ihrer Mimik nichts anmerken ließen. Seine Schwadronen hatten diese germanischen Verräter unmittelbar an ihrer Seite und ahnten nichts von alledem. Aus diesen Germanen setzen sich jene zusammen, die Ovid später unter dem Begriff des „Treulosen“ zusammen fasste, jene die die „Unsrigen einschlossen“. Die die den Inbegriff von Verräterschaft, Betrug, Eid- und Vertragsbruch verkörperten. Das es mehreren Manövern bedurfte, Legionen einzuschließen, war letztlich das Werk hunderter oder mehr Germanen die die Strecke säumten, vor ihnen auftauchten und ihre Wege versperrten. Diesen einen Germanen mehr symbolisch als „den Treulosen“ aus der Menge der gegnerischen Germanen heraus zu greifen und vom römischen Pleb erkennen zu lassen, kann dem dichterischen Talent von Ovid zugeschrieben werden. Für mich war es eine Gruppe Germanen und kein einzelner „Treuloser“. Es waren ausgewählte Männer, die auf Anweisung von Arminius am zweiten Marschtag gemeinsam mit Varus das Marschlager Brakel in Richtung Süden verließen und ihnen als Wegbegleiter zur Seite gestellt wurden. Diese Gruppe hatte zweifellos eine der wichtigsten Funktionen im Verlauf der gesamten Schlacht inne. Denn sie mussten den Hinterhalt einfädeln und die Falle schnappen lassen. Daher nannte Ovid für sie auch stellvertretend eine besonders heraus ragende Person nämlich den „Treulosen“ um an ihm das besondere an der germanischen Strategie und Perfidität von Hinterhalt und Niederlage festzumachen. Dieser Gruppe „Treuloser“ stand die entscheidende Aufgabe zu die drei Legionen in ihren Untergang bzw. in den Hinterhalt zu führen sie einzuschießen um sich dann kurz vor Beginn der ersten Kampfhandlungen abzusondern, sich zurück fallen zu lassen und die Fronten zu wechseln. Sie sorgten dafür, dass Varus den richtigen Weg zu den Aufrührern einschlug und dabei nicht vom Weg abkam. „Er“ war der gesuchte Anführer einer Gruppe, den Arminius den Kampflegionen nach dem Verlassen des Marschlagers Brakel mit gab. Seine im Ovid Gedicht personifizierte Existenz beantwortet mir auch die Frage, woher die drei Legionen wussten, in welche Region sie zu marschieren hatten, denn das war bislang auch immer eine der großen Argumentationslücke, wenn man die Varusschlacht rekonstruieren wollte. Und nur Germanen den Arminius besonders vertraute werden die Aufgabe des Geleitpersonals übernommen haben. Dieser Abschnitt meiner Verlaufsanalyse hatte bis dato eine Schwachstelle, der ich bislang spekulative Gründe entgegen setzen musste. Ovid half mir nun mit seinem Hinweis, dass es da wohl einen „Treulosen“ gab, der die Römer einschloss, womit sich die besagte Lücke schließen ließ. Denn schließlich mussten sich die Legionen auf eine ganz bestimmte Landmarke zu bewegen die sie nicht von selbst hätten finden können, da sie sich nicht auskannten. Ein Gebiet, das die Germanen vorher geschickt ausgewählt hatten und wo man ihnen möglicherweise sogar schon einen geeigneten Platz für die Errichtung des römischen Gerichtslagers vorgeschlagen hatte. Ein leicht erhöhtes Plateau oder einen Höhenrücken nahe eines Bachlaufes und unweit des fiktiven zentralen Siedlungsortes der Aufrührer aber inmitten einer unwirtlichen Landschaft die nur den Germanen entgegen kam. Eine Landschaft passend für die germanischen Vorstellungen und zugeschnitten auf ihre Angriffsabsichten. Das Lager lag in einer topographischen Übergangszone. Nördlich in Richtung Brakel war diese über die Hegge noch von Wald bedeckt und südlich ging sie ins Offenland der Warburger Börde über. Genau so wie es uns auch etwa 200 Jahre nach der Schlacht Cassius Dio beschrieb. Dieses Detail aus dem Gedicht von Ovid wird so zu einem Meilenstein in der Varusschlachtforschung und hilft möglicherweise wichtige Beweislücken zu schließen. Aber gehen wir einen Schritt weiter und betrachten wieder Hyginus den vermeintlichen römischen Bibliotekar und Quellautor nachdem er die Depesche aus dem Römerkastell südwestlich des heutigen Xanten bekam. Hyginus wusste demnach also schon einiges, nämlich sowohl vom Vorhandensein eines germanischen Hinterhaltes, als auch von der Existenz eines oder mehrerer Wege kundiger Germanen sowie eines blutrünstigen Priesters, so dass sein Bericht an Kaiser Augustus schon recht umfänglich ausfiel. Woher hätte Ovid, der seit 8 + in Constanta "schmorte" dieses Wissen auch sonst gehabt haben sollen, wenn nicht von einem Mann wie Hyginus. Und sein Informant wiederum konnte niemand anderes gewesen sein als Asprenas, der alles erst dem Kaiser per Kurier mitgeteilt hatte. Als der germanische Geleittrupp die Legionen ins Verderben führte, befand sich wie dargestellt auch noch die Kavallerie von N. Vala im Marschzug und konnte dazu später Bericht erstatten. Fast man es zusammen, so musste die Depesche an den Kaiser inhaltlich schon sehr detailliert ausgefallen sein und war beileibe nicht, wie ich anfänglich annahm, mehr im Telegrammstil abgefasst worden und klingt eher schon wie ein relativ guter militärischer Bericht über den gesamten Hergang der Schlacht. Ovid hinterlässt uns aber noch einen weiteren versteckten und rätselhaften Hinweis. So erging es ihm ähnlich wie später Florus, der auf seine Weise über das Schlachtgeschehen berichtete. Denn auch Florus war kein Historiker sondern auch ein Dichter wie Ovid und beide mussten sich „post mortem“ deswegen diverse Anzüglichkeiten gefallen lassen. Beide hatten sie daher schlechte Karten, wenn sie vor den kritischen Augen der Wissenschaft bestehen wollen. So fanden auch die Hinweise von Ovid nie die genügende Anerkennung und Bewertung um sie interpretieren zu wollen. Denn wenn Ovid schreibt „Hier der See und hier die Berge“, so wollte er damit vermutlich die maritime vom Mittelmeer geprägte Strukur und die alpine Geographie des römischen Weltreiches von der, der Magna Germania abgrenzen. Den Kontrast aber auch die Lokalisierung offenbart er noch zusätzlich mit den folgenden Worten. „Dort, (also in Germanien) die vielen Burgen, die von wildem Morden mit Blut angefüllt waren“. Entziehen wir seinen Worten das dichterische Talent, so werden wir schnell fündig. Wir erfahren nämlich auch bereits von Ovid, dass sich nicht nur die Schlachten des Drusus schon bei Arbalo im Lande „der Burgen“ ereigneten, sondern in diesem Zusammenhang auch, dass sich dort die Varusschlacht ereignete. Wir sprechen also schon zu Ovid`s Zeiten erstmals von einem „Land der vielen Burgen“ also der Mehrzahl und dieser Hinweis lässt sich wie kaum ein anderer mit der späteren Überlieferung aus der Feder von Tacitus nämlich dem „Teutoburgiensi saltu“ in Verbindung bringen. Ovid beantwortet damit auch die Frage, ob sich die Worte „Teutoburgiensi saltu“ nun auf die Ein- oder die Mehrzahl beziehen würden, in dem er von vielen Burgen und nicht von einer einzigen Burg schreibt. Man kann nun den Eindruck gewinnen, dass Tacitus, neben der Erwähnung des opfernden Priesters in Gestalt der beschriebenen Opferungen in den heiligen Hainen und den Burgen in der Mehrzahl gesprochen auf ältere Aufzeichnungen zurück griff und aus denen Angaben hervor gingen, die mit dem Wissen des Ovid deckungsgleich waren. Tacitus las also rund hundert Jahre später das, was auch Ovid zur Verfügung gestanden haben könnte. Aber wo wurde Cassius Dio fündig, denn er wusste mehr zu berichten. Das nun der gesamte Osning Kamm von Wallburgen gekrönt war, lässt sich nicht leugnen. Diese Region also das Land der Teutoburgen zu nennen liegt somit folglich auf der Hand und Tacitus könnte also wie geschlussfolgert auch dies erstmals bei Ovid gelesen und verwendet haben, er könnte es aber auch schon der vorgeschalteten Quelle „Hyginus“ entnommen haben. Aber damit nicht genug, denn diese Burgen waren auch noch angefüllt mit dem Blut aus wildem Morden. Was nichts anderes bedeutet, als dass sich die schrecklichen Szenen der Schlacht oder auch das Abschlachten der Legionäre nach der Schlacht in eben jenen Wallburgen ereignet haben könnte. Innerhalb der Wallburgen und in deren Umfeld könnten also auch die späteren Hinrichtungen erfolgt sein und die dafür nötigen Altäre gestanden haben. Zwei dieser möglicherweise mörderischen Wallburg artigen Anlagen dürften wir in der „Alte Burg“ und der „Behmburg“ also der später in Karlsschanze umgetauften Festung erkannt haben. Ovid beschreibt uns wie sich die gefangenen Germanen im Triumphzug verhielten, in welchem Bezug sie zu Ostwestfalen standen, nämlich über den Feldherrn Drusus, das sich in dieser Region zahlreiche Burgen - oder Befestigungsanlagen befanden, das die Kämpfe sie mit Blut anschwillen ließen und das unter den Germanen der Drahtzieher des Hinterhaltes mit lief. Ovid hat uns die Augen etwas geöffnet und wir konnten uns mit seiner Hilfe ein Bild über den frühesten Kenntnisstand in Rom über die Varusschlacht machen. Segestes spielte in dieser frühen Phase noch keine historische Rolle, sein Name war zu Ovid`s Zeiten in Rom noch unbekannt und was seinen Verrat am Segimerclan oder seine Warnung oder Warnungen Varus gegenüber anbelangte war auch dieses noch nicht bis in die Hauptstadt vorgedrungen. Aber seine Zeit sollte noch kommen, denn die Historiker die auf den Astronomen Manilius und den Dichter Ovid folgten, zerrten den Cheruskerfürsten Segestes aufgrund seines Verhaltens geradezu in den Lichtkegel der Geschichte. Seine Gestalt nimmt exakt von dem Moment konkrete Formen an, wie er im Jahre 0017 die zweifelhafte Ehre genoss zwar als Freund des Imperiums zu gelten, trotzdem aber mit jenen Germanen den Triumphzug bereichern durfte, die Germanicus während seiner Kriegszüge in Germanien vermutlich wahllos gefangen nahm um in Rom etwas vorweisen zu können. Wer wollte da noch dem Dichter Ovid sein tieferes Wissen absprechen, über das er seine Prosa stülpte. Ovid erscheint mir wie eine unterschätzte Quelle. Ein Dichter der uns mehr sagte, als es auf den ersten Blick auffällt. Ihm nur den letzten Platz am äußersten Rande der Varusschlacht Peripherie zubilligen zu wollen, würde ihm nicht gerecht werden. Und einzig in den vielen literarischen Quellen darauf hinzuweisen, dass es Ovid war, der als Erster etwas über sie verschriftete greift zu kurz.(14.09.2019)

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