Samstag, 6. Januar 2024
Schon im Mittelalter erwachte das Interesse an der Varusschlacht - Eine Belastung für den neuen Glauben.
Obwohl sich schon Otto von Freising im 12. Jhdt. mit der Frage des Varusschlachtfeldes beschäftigt hatte, nahm die Debatte um sie doch erst richtig Fahrt auf, als sich ab dem 16. Jhdt. der Inhalt der „wieder entdeckten“ Tacitus Annalen herum sprach, der vorher nur Lückenhaft verbreitet war. Vergleichbar mit einem seismischen Prozess erschütterte im Jahre 9 + die Varusschlacht Mitteleuropa und die Nachwirkungen reichen bis in unsere Zeit. Sie wurde zur Sternstunde deutscher Geschichte aber pikant wurde es erst, als man auch wissen wollte wo sie einst statt fand, jene Schlacht unserer „First Nation“ gegen die Invasoren aus dem Süden. Otto von Freising trug sich als erster in die Liste der Suchenden ein und es war der Beginn einer scheinbar nie enden wollenden Suche die in eine Auseinandersetzung unterschiedlichster Theorien aber auch Wunschvorstellungen mündete. Ein Phänomen, das Eigendynamik entwickelte die schon fasst die eigentliche Bedeutung der Schlacht überdeckt hat, denn keinem in Deutschland statt gefundenen antiken Ereignis wurde über einen solch langen Zeitraum soviel Aufmerksamkeit geschenkt wie der Suche nach den Varusschauplätzen. Den Austragungsort zu entdecken wurde zum Allgemeingut historisch interessierter Bevölkerungskreise um nicht zu sagen zum Gesellschaftsspiel erhoben und es gibt kaum jemand im Staate der nichts von diesem Erinnerungsschatz weiß. Schon früh erkannte man zunächst in Detmold später in Bramsche, dass sich mit diesem Ereignis auch Geld verdienen lässt und die Suche entwickelte sich zum Vermächtnis von Generationen, dass in ihrer Tragweite das Forschen nach dem berühmten Bernsteinzimmer bei weitem übertrifft. Leider verweigert man diesem komplexen und vergeistigten Thema unserer römisch/germanischen Vergangenheit die ihm zustehende Aufmerksamkeit, denn nach einer diesbezüglichen Eintragung in dem aus 144 Positionen bestehenden deutschen immateriellen Kulturerbeverzeichnis sucht man es vergeblich. Der seit Jahrhunderten andauernde Prozess dieser außergewöhnlichen Forschungsgeschichte die sich wie eine verselbstständigende Geschichte in der Geschichte eingenistet hat. So als ob uns die Historie mit dem Aufspüren eine Pflicht für die Ewigkeit aufgebürdet hätte, übersah unser Zeitgeist das Einzigartige darin, sodass man es als Vorschlag bei der Deutschen Unesco Kommission einreichen sollte. In der Hoffnung im Fall Varus und seiner untergegangenen Armee sachdienliches zur Auffindung des Schlachtfeldes beitragen zu können beteiligten sich über die Jahrhunderte viele Historiker mal mehr und mal weniger erfolgreich mit der Suche. Anstelle belastbarer Beweise ließen sich immerhin gute Indizien präsentieren die für die Zukunft hoffen lassen. Aber selbst das wenige wäre nicht denkbar hätte es den einen antiken Historiker nicht gegeben dem es vergönnt war das Ereignis nahezu von Anbeginn und dann über die Jahrhunderte hinweg im Bewusstsein der Generationen wach zu halten. Es war der besonderen Hingabe und Vielseitigkeit seiner Themenauswahl und Methodik zu verdanken, dass seine Werke über die Zeiten zu Bestsellern wurden und es ihm gelang seine Leserschaft zu inspirieren. Und natürlich ist von Gaius Suetonius Tranquillus die Rede der nach 122 + verstarb und somit zeitgleich mit Tacitus lebte. Und obwohl er einen anderen literarischen Stil pflegte und von ihm abweichende Schwerpunkte setzte, zählte er zu den großen Geschichtsschreibern der Antike. Während die Nordgermanen die ersten waren, die im frühen Mittelalter begannen im trüben Milieu des Sagenhaften nach den einstigen Wahrheiten zu stochern, trug Sueton dazu bei der Varusschlacht ein reales Gesicht zu geben. Am deutlichsten gelang es ihm, in dem er den Aufschrei von Kaiser Augustus nach der Niederlage „seiner“ Legionen in Germanien uns allen auf ewig ins Gedächtnis schrieb. Ein Satz der die Zeiten nicht nur überdauerte, sondern vor allem die Menschen neugierig gemacht hat. Und selbst im Mittelalter in dem man annehmen sollte, dass man andere Sorgen hatte und die Varusschlacht noch bei Augsburg vermutete, setzte man die Suche nach dem Austragungsort fort. Und auch Otto von Freising kannte von Sueton den verzweifelten Ruf des Kaisers, wusste aber auch vom Detail der Knochenbestattung im Jahre 15 +, das uns aber bezeichnenderweise nur von Tacitus überliefert ist. Es könnte ihm aber auch die schon im Altertum viel gelesene Epitoma bzw. die Bambergensis von Florus vom Anfang des 9. Jhdts. vorgelegen haben, sodass ihm die Varusschlacht aus unterschiedlichen Quellen ein Begriff war. Von Otto von Freising ist zudem bekannt, dass er auch über Wissen von Paulus Orosius verfügte der bereits 418 + verstarb, so dass Otto auch bei ihm etwas über die Knochenbestattung gelesen haben könnte. Und selbst die an Opfern reichen Kreuzzüge konnten die Faszination die von dieser Schlacht ausging nicht zum Erliegen bringen. Es muss also im 12. Jahrhundert immer noch ein seltsames Phänomen gewesen sein, dass es da mal eine Schlacht gab die vor langer Zeit die heimischen Völker gegenüber einer hoch gerüsteten Armee für sich entschieden hatten, von deren Existenz und Hergang man aber keine genauen Vorstellungen mehr besaß. Da in der Reichsabtei Corvey seit dem 9. Jhdt. eine in lateinischer Sprache abgefasste aussagefähige Abschrift der Tacitus Annalen vorlag darf aufgrund der darin gefallenen geographischen Bezüge spekuliert werden, inwieweit man sich darauf basierend auch damals schon Vorstellungen zur Lokalisierung der Schlacht gemacht hatte. Da schon den Mönchen in Corvey die Ähnlichkeit der Worte Arminius und Irmin nicht entgangen sein dürfte darf man vermuten, dass auch sie nach einem plausiblen Bezug zwischen der Schlacht und der Errichtung der Irminsul gesucht hat oder versucht haben könnte ihn herzustellen. Wissen, dass man möglicherweise in Corvey zurück hielt und das man vielleicht aus Gründen klösterlicher Räson und Zurückhaltung weltlichen Dingen gegenüber schon seit den Tagen Rudolfs von Fulda nur diskret bewahrte. Was sich an Kenntnissen um die Irminsul erhalten hatte entstammte schon für die Corveyer Mönche die dort ab dem 9. Jhdt. wirkten einer nebulös religiösen Vorzeit. Es waren Geschehnisse die am Selbstverständnis des wahren Glaubens kratzten die man aber aus dem spirituellen Alltag fern halten wollte, da sie nicht mehr in eine Zeit passten in der man glaubte die blutigen Taten der Sachsenkriege hinter sich gelassen zu haben und nur noch für Frieden, Eintracht und christliche Nächstenliebe eintreten wollte. Hinzu kommt, dass man in den Vorbereitungen steckte um Karl dem Großen 1166 für sein „glorreiches“ Wirken und nicht zuletzt für die Zerstörung der Irminsul heilig zu sprechen. Otto von Freising der acht Jahre zuvor verstarb lebte in dieser Zeit und seine Vorarbeiten bestätigen, dass die Varusschlacht ihre Attraktivität nie verloren hatte und an vielen Orten immer noch auf unterschwellige Weise ein eigenartiges Schattendasein führte. Möchte man eine Verschwörungstheorie vermeiden, dann könnte man sich auch auf die reale Suche nach einem möglichen Komplott begeben. Etwa die Überlegung aufgreifen, dass man in Corvey das Wissen um die einstigen Örtlichkeiten der Schlacht und den daraus später erwachsenen Irminkult auch bewusst unter Verschluss halten wollte, da sich die heidnischen Stätten und Geschichten die vom Widerstandswillen der Vorväter zeugten nicht unbedingt für geeignet hielt, um sie mit der christlichen Lehre in Einklang bringen zu können. So wird man ab dem Bekanntwerden über das gesamte Mittelalter versucht haben diesen Vorgang zu kaschieren um dem verwerflichen Tun infolge der Sachsenkriege keine neue Nahrung zu liefern. So tat man alles um das noch vorhandene Wissen, dass die Menschen nicht vergessen wollten zu unterdrücken. Es war ihre Pflicht, die von ihren Glaubensbrüdern begangenen unmoralische Taten auf religiöse Weise sorgsam zu verbergen und auf einen einst aus vorchristlicher Zeit stammenden Nationalhelden namens Arminius durfte kein neuer sächsischer, der eigentlich der alte war mit Namen „Irminius“ folgen. So ließen sich zu keiner Zeit die taciteischen Quellen wie es auch bei Otto von Freising deutlich wird aus der Welt schaffen, sich leugnen oder verbergen. Der Klerus entlarvte sich schon damals im Zuge der Zerstörung der Irminsulstätte in dem er mangels besseren Wissens die in die Irre führenden Namen „Fanum“ oder „Idolum“ gebar, da man in ihr keine göttliche Sinngebung erkennen konnte und bemühte sich um halbherzige Erklärungen. Die Verbindung beider Ereignisse und die frappante Namensähnlichkeit die in Corvey erstmals auf fiel, ließ sich in Ostwestfalen auch im Mittelalter nicht mehr zum Schweigen bringen und so wirkte auch der varianische Schlachtenmythos immer noch nach, spukte im Untergrund und als Drachentöter im höfischen Lebens weiter und hatte das Potenzial die junge religiöse Ideologie wenn nicht zu gefährden, so doch zu stören. Da las man also allein oder im vertrauten Kreise in den Tacitus „Geschichtsbüchern“ von massiven Schlachten die an der Weser ihren Ursprung hatten, aber für die einfachen Menschen des Mittelalters und selbst die Mönche war es kaum vorstellbar, dass es sich dabei so hoch im Norden und fernab von Italien um die gescheiterten Okkupationsanstrengungen eines antiken Weltreiches gehandelt haben soll. Ein Imperium, das sich 1100 Jahre vor ihrer Zeit vergeblich bemüht hatte seine Außengrenzen mit Gewalt zu erweitern. Es fehlte ihnen vielleicht auch der Spürsinn sich ein gigantisches Schlachtengewitter vorzustellen, das „nur“ 30 Jahre andauerte und so schnell wie es begann auch wieder zu Ende war, obwohl die römischen Relikte in ihrer Zeit noch unübersehbar waren. Eine verschwommene und bizarre Vergangenheit die sich seit dem auf spiritistische Weise in den germanischen Hütten wach halten konnte und der Sagen - und Legendenbildung Auftrieb gab und Vorschub leistete. So bekam es die neue christliche Weltordnung mit zwei Sichtweisen und Strömungen zu tun denen sie was entgegen halten musste. Zum einen waren es die schriftlichen Darstellungen wie sie eine gedemütigte und bis dato an Siege gewohnte Großmacht hinterließ und zum anderen das, was man in Germanien daraus machte. Zwei sich in ihrer Lebensweise mental und gegensätzlich voneinander unterscheidende Zivilisationen was in unterschiedliche Betrachtungsweisen münden musste. War es aus römischer Sicht die Schmach der Niederlage, das Versagen des Feldherrn und die Erklärungsversuche wie es dazu kommen konnte, so rückten die germanischen Gegner ihren bedingungslosen Kampfeswillen in den Vordergrund und befassten sich nicht mit der strategischen Auswertung der Schlacht die für Rom zum Desaster wurde. Für die Germanen lag der Erfolg darin, dass es ihnen, einer untergerüsteten Schar Waffen tragender Bauern und Pferdezüchter aus einem Sammelbecken unterschiedlichster Stämme gelang diese Schlacht triumphal für sich zu entscheiden, aber über das wie und warum schwieg sich die Sagenwelt aus weil ihr in tausend Jahren das Hintergrundwissen verloren ging. Man hatte Mut gezeigt und Zusammenarbeit bewiesen und sich nicht davor gescheut sich gegen die stärkste Macht der Zeit zu stellen, wobei der namenlose einzelne Kämpfer verblasste und später nur der Name des germanischen Anführers die Zeiten überlebte. Ihm allein schrieb man letztlich die Glanztat zu, sodass er alles überstrahlte und in den Erinnerungen die Jahrhunderte überdauern konnte. Aber was tat die fortschrittliche fromme Lehre die auf den überholten paganen Götterglauben folgte und wie ging sie damit um. Mit der historischen Wahrheit verhielt es sich eher unproblematisch da man nur die Türen der Klosterbibliotheken schließen musste und sich danach die schlafenden Hunde die Otto von Freising geweckt hatte schnell wieder schlafen legten. Anders verhielt es sich mit der Sagenkomponente und ausgerechnet war es wieder ein Mönch dem es gelang die heile Christenwelt in Verwirrung zu stürzen, denn sein Reisebericht konnte sich sogar bis in unsere Zeit erhalten. Es war der aus Island stammende Gelehrte Nikulas Bergsson, Abt von Munkathvera der mit einer unscheinbaren Randbemerkung aufhorchen ließ. Er erwähnte nach dem er Paderborn verlassen hatte einen Drachen der, wie es Drachen so an sich haben sein Unwesen trieb und wobei strittig ist, ob es sich auf die Region Ostwestfalen bezieht. Es gibt jedoch eine schlüssige Theorie mit der es sich bestätigen läßt. Das in Island schon zu Bergssons Zeiten Drachensagen kursierten ist naheliegend, denn nur 20 Jahre nach seinem Tod wurde der Eddaverfasser Snorri Sturluson geboren der sich damit beschäftigt hatte und für den Nikulas Bergsson kein Fremder gewesen sein dürfte. Möglicherweise ließ sich Snorri auch von seinen Berichten inspirieren die nach dem Tod von Bergsson in Island bekannt wurden und er ergänzte damit sein Wissen über die Sagenwelt der Germanen. Was Nikulas Bergsson auf seiner Reise erfuhr war in der Gegend in der man ihn darauf hinwies ein offenen Geheimnis, sodass auch der damalige Paderborner Bischofs Bernhards von Oesede Kenntnis davon hatte. Wenn die Argumentation zutrifft wonach die im 5.Jhdt. aus dem Nethegau nach Südengland gerufenen Söldner die Vision eines „trahho“ auf der Insel einführten, der sich wohl eher auf Rädern fort bewegte statt mithilfe von Flügeln, so deutet der Nikulasverweis darauf hin, dass sich diese Vorstellung verbreitet hatte und sich mit Erinnerungen an den alten „Drachenkampf“ in Ostwestfalen verband. Hinzu kam der im Volk schwelende mit Zorn verbundene und tief verwurzelte Hass auf die fränkischen Gewalttaten sowie das nebulöse Halbwissen, dass sich um die Person eines Irmin drehte und kultartige Formen annehmen könnte. So galt es zu verhindern, dass das Wiederaufflammen allen Heidnischen für die Geistlichkeit oberste Priorität hatte. Und dazu gehörte es auch die noch im Volksglauben schlummernde Vorstellung einst existenter Drachengestalten zu verbannen die sich über die Sagenschiene immer noch wach hielten. Die Botschafter des Christentums waren nicht zu beneiden und hatte ihre liebe Not darauf zu achten, dass im Volk nicht wieder Unglaube und Ungedanken Fuß fassen konnten. So war der Klerus stets bemüht es mithilfe des kaum verständlichen Latein in die gottgewollten Bahnen zu lenken, kam aber nicht umhin auftretenden Erklärungsnotständen eigene Ansichten entgegen zu halten. Ein seltsames Beispiel für die Nachhaltigkeit ältester Ereignisse lieferten die massiven Zerwürfnisse zu Beginn der 30 er Jahre des 20. Jahrhunderts als der preußische Landtag entschied Teile des sächsischen Westfalens dem fränkischen Rheinland anzugliedern wodurch verkrustete Wunden über Nacht wieder aufbrachen, es zu Gewalttaten kam und vergessen Geglaubtes wieder hervor gespült wurden. Ein Kapitel worauf noch separat eingegangen wird. Einst ausgelöst durch ein urgewaltiges Schlachtenspektakel konnten sich die römerzeitlichen Ereignisse neben der Literatur auf unterschiedlichen Ebenen auch im Volksmund erhalten und verstreuten sich in Mittel- und Nordeuropa. Man kann darin eine Unterstützung dieser Theorie aus unerwarteter Richtung sehen oder eine wundersame Fügung ausgelöst durch heidnischen Unglauben nennen, aber im Mittelalter musste die kirchliche Obrigkeit auf die Geschichten aus der nordischen Sagenwelt reagieren. Nordeuropa war inzwischen nicht nur durch die intensive Missionstätigkeit näher gerückt und was nun bewirkte, dass die Welt der germanischen Götter auf unerwarteten Pfaden und leisen Sohlen wieder nach Ostwestfalen zurück kehrte, wo man doch meinte sie gerade erst erfolgreich eliminiert zu haben. Im Nikulasverweis kommt es zum Ausdruck wie die fabelhaften Geschichten von kaum bezwingbaren schier übermächtigen Gegnern, von Drachentötungen und viel Heldenmut langsam in einen nun lateinisch geprägten christlichen Süden einsickerten. Die Unwissenheit über den historischen Kern und seinen Wahrheitsgehalt vermischte sich mit der naiven Volksseele und die hohen Würdenträger sahen sich genötigt neue Theorien über die alten Geschehnisse zu stülpen. So setzte man dem eine eigene Heilslegende entgegen und entschied sich wie bereits ausgeführt für den heiligen Sankt Michael den Drachentöter. Und auch hier bekommt der abgewandelte Satz von Heinrich Heine seine eigene Bedeutung, wonach nicht alles tot ist, was begraben ist Aber den Humanisten fiel nicht nur die Aufgabe zu die Suche erst richtig zu befeuern, ihnen gelang es auch den Schlachtenhorizont zu lokalisieren.. (06.01.2024)

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Sonntag, 17. Dezember 2023
Wo siedelten die Cherusker - Eine Kernfrage der Varusschlachtforschung - Sie lässt sich beantworten.
Das die Cherusker nicht erst seit der Varusschlacht für Rom ein unberechenbarer Stamm waren und man ihr Verhältnis zueinander nicht partnerschaftlich bezeichnen kann lehrten uns schon die antiken Schriftsteller. Und da man der einhelligen Auffassung ist, dass sich ihre Siedlungsgebiete entlang der Mittelweser erstreckten stellt dies heutzutage auch kein Historiker mehr in Frage. Nach wie vor unklar ist jedoch wie weit sich ihre Stammesgebiete in die Breite und die Länge gezogen haben. Das der Harz für sie eine natürliche Barriere nach Osten bildete klingt plausibel, aber wo schlossen sich die Wohngebiete der Langobarden und Fosen im Nordosten an, wo grenzte man sich im Westen zu den Angrivariern, Brukterern, Marsern, Sugambrern oder Sueben ab und ab wann machte sich der Einfluss der Chatten bemerkbar. Und das, dass Eggegebirge nach Westen und die Dialektgrenze der Diemel nach Süden ebenfalls geographische Landschaftsmarken bildeten die sich auch als Abgrenzungen für die Stämme untereinander eigneten liegt nahe, aber wie stand es um das Verbreitungsgebiet der Cherusker nach Norden. Im Imperium hatte man sich aus taktischen Gründen das Land der Cherusker nicht nur zum Ziel gesetzt, sondern auch setzen müssen da es sich wie ein Riegel verhielt, der ihnen den weiteren Weg über die Nordostroute zur Elbe verstellte. Es unter ihre politische Macht zu bekommen um es als Sprungbrett und Durchzugsgebiet zu nutzen gilt daher in der Forschung als ausgemacht. Da durch die erfolgreichen Schlachten der Vergangenheit die Cherusker als besiegt galten, bestand für Rom in dieser Region keine unmittelbare Kriegsgefahr mehr, sodass sich Varus auf Weisung des Kaisers anschicken konnte die Grenze des Imperiums nach Osten zu verschieben. Die ihm vorgegebene Direktive bestand darin politische Ruhe also möglichst Frieden in die Region zu bringen und dies auf Basis eines Vertrages zu stabilisieren. Das dahinter nicht die Absicht stand mit den Cheruskern auf Augenhöhe verhandeln zu wollen, ließ sich der Geschichtsschreibung mehrfach entnehmen. Ohne die bewährten strategischen Vorkehrungen zu vernachlässigen setzte Varus die Legionäre als Bausoldaten ein wodurch erkennbar wurde, dass für ihn der kämpferisch militärische Aspekt in den Hintergrund trat. Er tat gut daran zumal man in Marbod eine latente Gefahr sehen musste und zur gleichen Zeit zahlreiche römische Legionen in Pannonien im Krieg standen. Wollte man den Auftrag auf friedliche Weise umsetzen. war man auf eine gute Zusammenarbeit mit den Cheruskern und ihren Kriegern angewiesen und vertraute ihnen bis zum bitteren Ende. Es fanden die nötigen Baumaßnahmen statt wie man sie heute noch anhand von Infrarot Luftaufnahmen erkennen kann und wie sie in Form von Erdwällen- und Pflasterarbeiten immer noch oberirdisch im Gelände sichtbar sind. Römische Bautrupps die im Zuge der Eggeüberquerung den Wegeausbau durchführten der auch unter Varus statt gefunden haben könnte. Zeitgemäße infrastrukturelle Projekte aller Art wie es überliefert ist, die sowohl militärischen und gleichzeitig auch zivilen Zwecken zu dienen hatten. Trotzdem gilt unter Skeptikern die Frage als unbeantwortet ob Varus über den „westfälischen Hellweg“ aus Paderborn kommend einmarschierte oder über einen anderen Weg ins Stammesgebiet der Cherusker eindrang um es zu provinzialisieren. War der Hellweg tonangebend dann breiteten sich spätestens an seinem östlichen Endpunkt in Corvey vor ihnen die cheruskischen Siedlungen aus, man erreichte dort den Kern ihrer Wohngebiete und stand vielleicht schon fasst in deren Zentrum, zumindest aber im Grenzgebiet zu ihnen. Dabei denkt man in erster Linie an den Fürstensitz der Segimersippe unter denen man sich auch die Wälsungen vorstellen könnte, um sich der besseren Kontrolle wegen in deren Nähe nieder zu lassen. Aber was kann uns die Forschung dazu bisher an Anhaltspunkten liefern. So wäre es wünschenswert wenn zur Verbesserung der Beweislage dieser Theorie gute Argumente hinzu kommen. Und obwohl es seit längerer Zeit eine Möglichkeit gibt den Siedlungsraum zu identifizieren und einzugrenzen findet man den Namen dieses Stammes bislang in allen modernen, aber auch älteren Kartenwerken immer nur großformatig quer über einen weitläufigen und nicht näher definierten geographischen Raum eingetragen. Dies geschah sowohl aus Uneinigkeit als auch aus Unwissenheit, da man es sich aufgrund mangelnden Wissensstandes nicht zutraute ihn im Detail festlegen zu wollen. Eine Chance über dieses Volk einen abgrenzenden Rahmen zu legen und ihm eine Kontur zu geben scheint jedoch möglich zu sein, wenn man die Grabungsarchäologie mit einbezieht und an die einfachen Dinge des Alltags denkt. Gegenstände die man damals als Grabbeigaben verwendete oder die im Bereich häuslicher Ansiedlungen in den Boden gelangten. Gemeint sind die in traditionell unterschiedlicher Ausprägung und Formgebung produzierten keramischen Töpferwaren. Ihnen lassen sich unterschiedliche Herstellungsmethoden entnehmen wodurch sich auch die germanischen Völker bzw. Stämme untereinander unterscheidbar machen. Der 1908 geborene Prähistoriker und Professor für Vor – und Frühgeschichte Rafael von Uslar schlug diesen Weg ein. Er war vorsichtig riskierte es aber trotzdem Wesentliches zur Lokalisierung beizutragen, in dem er anhand von Keramikfunden eine Region isolierte und sich für die darin siedelnden Germanen für die Bezeichnung „Südhannoversche/Cheruskische Gruppe“ entschied. Sie erstreckte sich ab Hannover südwärts bis ins Leinetal nahe Göttingen, reichte ins Harzvorland und setzte sich teilweise auf dem westlichen Weserufer fort. In den Randbereichen insbesondere was den Betrachtungsraum westlich der cheruskischen Stammlande anbelangt fasst er die Stilrichtung der Gefäßarten als „rheinisch/westfälische Gruppe“ zusammen. So lässt sich umgelegt auf die germanischen Stammesgebiete schlussfolgern, dass sich die in diesen Regionen nachgewiesenen Topfformen den Angrivariern, Brukterern, Marsern, Sugambrern oder Sueben zuordnen lassen, während im Süden die chattische Formengruppe erkennbar wird. Der eingefügten Karte lässt sich auf Basis der Funde entnehmen, dass sich das Kerngebiet der Cherusker wie von Uslar feststellte im wesentlichen östlich der Weser erstreckte. Westlich davon dominierte die Gruppe die er die Rheinisch/westfälische nennt und in der die cheruskische Keramik nur noch lückig in den Randgebieten feststellbar ist. Was anhand der Verbreitungskarte ins Auge fällt ist, dass im Bereich um die Porta Westfalica einschließlich Minden keine Cherusker mehr siedelten. Ihre Spuren werden bereits östlich der Porta immer schwächer und lassen sich dann im unmittelbaren Raum um den Weserdurchbruch gar nicht mehr nachweisen. Es ist jene Landschaft die die Forschung für die Stammesgebiete der Angrivarier hält und wo man den Angrivarierdamm vermutet in der sich die cheruskische Bodenfunde kontinuierlich ausdünnten bis sie gar nicht mehr feststellbar waren. Wenn auch nur lückig so konnten cheruskische Erzeugnisse leicht westlich der Weser auch noch etwa zwischen Steinbergen und Emmerthal aufgefunden werden. Im Betrachtungsraum des Nethegau griff der cheruskische Gefäßanteil ebenfalls nur noch marginal über die Weser, sodass er sich nur im östlichen Nethegau bemerkbar machte. Im Norden hingegen scheint es der Höhenrücken des Deister gewesen zu sein, der das Cheruskerland nach Westen abgrenzte da er sich wie eine natürliche Grenze in Nordsüdrichtung erstreckte. Östlich davon erstreckte sich das cheruskische Kerngebiet während sich westlich des Deister auf Basis der Funde ein Mischgebiet erkennen lässt, in dem cheruskische Töpferwaren nur noch in geringerer Dichte nachweisbar waren um dann wie an der Porta erkennbar völlig zu verschwinden. Möchte man in die römischen Strategiepläne eintauchen, dann hätte Varus unter Nutzung der Hellweg Route das Kerngebiet der Cherusker in seiner Gänze direkt im Visier gehabt, da er es mittig vor sich liegen hatte. Es ließ sich über Höxter ansteuern womit er den ersten größeren cheruskischen Vorposten erreichte hätte, hinter dem sich das Cheruskerland begann in voller Breite auszudehnen. Theorien wonach sich das römische Hauptlager nicht im Weserborgen von Corvey sondern zwischen Hameln und Minden befunden haben könnte würde bedeuten, dass sich Varus ab dem Lippeoberlauf an der westlichen Flanke des cheruskischen Stammesgebietes nach Norden vorgearbeitet hätte und damit den umfänglichen Südteil des cheruskischen Stammesgebietes im Rücken gehabt hätte. Ein gesundes Misstrauen sollte Varus davon abgehalten haben denn er hätte falls sich die Cherusker wieder als feindselig erweisen sollten die Gefahr darin sehen können, dass sie ihm im ungünstigen Fall den Rückweg zur Lippe abgeschnitten hätten. Jede nach Norden ausgreifende Aktion seinerseits hätte für ihn einen langen Rückweg zur Folge gehabt, sodass ihm eine Entscheidung in Hellwegnähe zu bleiben als die ratsamere erschienen sein dürfte. Diverse historische Arbeitsgruppen tragen sich noch mit dem Gedanken die Varusschlacht könnte sich sogar nördlich von Osnabrück zugetragen haben. Dabei verkennen sie zweifellos die erhebliche Marschdistanz die zwischen dem cheruskischen Hauptsiedlungsgebiet das aus östlicher Sicht betrachtet am Deister endete und bis zum Kalkrieser Berg rund 90 km beträgt. Schwer vorstellbar, dass die Krieger der Cherusker über diese Entfernung durch Angrivarier - und auch Chasuarierland Tuchfühlung mit den Varuslegionen gehalten haben sollen bis man sie dann im Schlund von Kalkriese in den Hinterhalt gelockt haben soll um sie dort aufzureiben. Zurück in den Nethegau könnte man auf Basis dieser Herangehensweise zu der Auffassung gelangen, dass er den Funden nach zu urteilen in den ersten drei Jahrhunderten nach der Zeitenwende von Stämmen besiedelt war, die zu weiten Teilen dem rheinisch/westfälischen Typus zuzurechnen ist. Das würde aber auch bedeuten, dass man die Angrivarier der Topfform nach zu urteilen den Rhein – und nicht den Wesergermanen zuzuordnen hätte. Es würde aber auch deutlich machen, dass Marser, Sugambrer, Brukterer und vielleicht auch Sueben dem Stil nach noch als Rheingermanen zu bezeichnen wären, sich also von den cheruskischen Wesergermanen unterscheiden würden. Dies würde dann in die Überlegung münden, mit welchen Stämmen sich Arminius abzusprechen hatte als er, sein Vater und die anderen Fürsten sich entschieden dieser Theorie zufolge Varus in den Kessel bei Borlinghausen zu locken. So könnte man den Eindruck gewinnen, als dass die Nische des Nethegau zwischen Egge und Weser, in der die Cherusker nur den östlichen Teil nahe dem Weserufer besiedelt hatten und die Brukterer nicht sesshaft waren, da ihr Siedlungsgebiet auf dem Eggekamm am östlichen Ende der Münsterländer Bucht endete von jenen Stämmen genutzt bzw. besiedelt wurde die einst Tiberius nach Osten abgedrängt hatte. Der Fundhorizont der zur Auswertung zur Verfügung stand erstreckte sich über die ersten 3oo Jahre nach der Zeitenwende in der es zu Umsiedlungen und Verschiebungen innerhalb der Stammesgesellschaften gekommen sein dürfte, so dass der Anteil der cheruskischen Bevölkerung im Nethegau um das Jahr Null auch noch höher gelegen haben dürfte, als in der Folgezeit in der die Cherusker bekanntlich an Einfluss verloren hatten.



Teilausschnitt der Karte von Rafael von Uslar.
Die starken Schraffuren kennzeichnen die Kerngebiete die schwachen Linien die Einflusszonen. Deutlich erkennbar der Stil der rheingermanischen Topfform westlich und östlich der Porta die ihren Namen "West"falica folglich zu Recht trägt.



Rot gekennzeichnet:
Das Hauptsiedlungsgebiet der Cherusker (Fundregion der cheruskisch/südhannoverschen Topfform)
Gelb gekennzeichnet:
Die Übergangsregion ein Mischgebiet der Topfformen sowohl von Rhein - als auch Wesergermanen
Grün gekennzeichnet:
Die Wohngebiete von Rheingermanen wie sie in den ersten 3. Jhdt. nach Osten ihre Siedlungstätigkeit ausgedehnt haben könnten.
Blau gekennzeichnet:
Die südlich angrenzende chattische Topfform

Auch dank Rafael von Uslar der über die Keramikverteilung etwas Klarheit in die Zusammensetzung der damaligen Bevölkerungsschichten und ihrer Siedlungsgebiete brachte, lassen sich weitere Indizien zusammen ziehen, die diese Gesamttheorie stützen. Abgeschlagen am Nordwestende cheruskischer Siedlungstätigkeit und demnach schon im Angrivarierland liegend, erscheint auf dieser Basis auch die Theorie eines varianisches Sommerlager in der Nähe von Minden als fragwürdig. Da der Hellweg nicht erst seit Menschengedenken begangen wird konnte sich die römische Militärstrategie auch anhand der Verfügbarkeit ältester Straßensysteme orientieren und man könnte ihn ab der Egge auch die Bezeichnung „Cheruskerspieß“geben.(17.12.2023)

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Samstag, 2. Dezember 2023
Schon ab dem Mittelalter wollte man wissen wo Varus starb.
Es lässt sich auch in einer einfachen Frage zusammen fassen, wer wusste wann, was und wieviel von der Varusschlacht. Was wir heute wissen ist, dass seit dem frühen Mittelalter die Klöster die geistigen Zentren der Gelehrsamkeit waren, während die weltliche Macht im “Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“ erst 1348 nach zog und in Prag die erste Universität gründete. So verwundert es auch nicht, dass es mit Otto von Freising nur ein frommer Mann gewesen sein konnte der 1145 erstmals wieder die Tür zum einstigen Geschehen um die Varusschlacht einen Spalt breit öffnete. Was zunächst erstaunt ist die Tatsache, dass dies zu Zeiten der Kreuzzüge geschah und damit 363 Jahre bevor man 1507/8 die Schriften des Tacitus wieder entdeckte. Dem Mann mit dem man die Varusschlacht in erster Linie in Verbindung bringt. Die gebräuchliche Formulierung „wieder entdeckte“ erweckt den Eindruck, als ob die Entdecker die Schriften unter hohen Stapeln anderer verstaubter Büchern fanden, die erst alle gelesen sein wollten, bevor man darunter nach langem Suchen auf das bedeutsame Tacitus Werk stieß. So als ob in Corvey zuvor niemand etwas von der Existenz dieses Buches gewusst hätte. Und doch könnten in der Abtei eine Reihe Personen den Inhalt und den Ablageort gekannt und die italienischen Bücherfanatiker darauf aufmerksam gemacht haben, die erst daraufhin die Schriften „wieder entdecken“ konnten. Aus den Tacitus Annalen geht zwar nichts zum Verlauf der Schlacht hervor so wie bei Cassius Dio, dafür enthalten aber nur sie die bedeutsamen Informationen zum Schlachtort. Wissen, das auch schon vor dem Jahr 1507/8 Verbreitung gefunden haben dürfte. Hinweise die es auch möglich erscheinen lassen, wonach auch schon Otto von Freising im 12. Jhdt. über diese inhaltlichen Kenntnisse verfügt haben könnte, um sie in seiner "Chronica sive Historia de duabus civitatibus" zu verarbeiten. Und dabei handelte es sich explizit um die Beschreibung wie man einst im Beisein von Germanicus 15 + die Knochen der Varusarmee bestattet hatte und was außer Tacitus kein anderer antiker Historiker erwähnte. Da sich Otto auch den antiken heidnischen Schriften von Aristoteles widmete spricht dafür, dass ihn religiöse Hemmungen nicht daran hinderten seinen Wissensstand zu erweitern. Vor allem stützte er sich bei der von ihm verfassten Weltchronik auf den 130 + verstorbenen Gaius Suetonius Tranquillus (Sueton). Seine Schriften über die Varusschlacht waren es die im Gegensatz zu den Tacitus Annalen über die Jahrhunderte durchgängig zur Verfügung standen. Sie wurden daher für viele Kopisten zur Grundlage und von ihnen verbreitet, so dass sich seine Aussagen im Kern bis ins Mittelalter verfolgen lassen. Anders verhielt es sich bei den Tacitus Annalen die uns nach ihrer für Corvey bestimmten Abschrift im 9. Jhdt. bis zur Wiederentdeckung 1507/8 wie verschluckt erscheinen. So lässt sich neben Tacitus und anderen antiken Historikern auch in Sueton ein früher Gewährsmann für das Schlachtenereignis erkennen. Ein Historiker der zwar anders als Tacitus nichts zum Austragungsort beisteuern konnte, der aber andere Details über die Varusschlacht zu Papier brachte aus denen man schon zu Zeiten Ottos von Freising schöpfen konnte. Otto von Freising wusste daher aus dem Sueton Kapitel 23.2 über Divus Augustus unter anderem vom berühmten Aufschrei „Quintili Vare, legiones redde!" aus dem Munde des Kaisers, also in etwa „Quinitilus Varus, bring mir die Legionen zurück!“. der dabei mehrmals seinen Kopf gegen die Wand geschlagen haben soll. Von Suetonius erfuhren wir über die Schlacht nicht viel und es ist lediglich diese Überlieferung in der Übersetzung bekannt: „Augustus erlitt nur zwei schwere und schändliche Niederlagen, die von Lollius und Varus, die beide in Deutschland statt fanden. Von diesen war der erstere mehr demütigend als Ernsthaft, aber der letztere war fast tödlich, da drei Legionen mitsamt ihrem General, seinen Leutnants und allen Hilfstruppen in Stücke gerissen wurden. Als die Nachricht davon kam, befahl Augustus Nachtwachen in der ganzen Stadt, um einen Gewaltausbruch zu verhindern, und verlängerte die Amtszeit der Gouverneure in den Provinzen, damit die Verbündeten von erfahrenen Männern, mit denen sie zusammen waren, an ihre Treuepflicht angehalten waren. Er gelobte auch Jupiter Optimus Maximus große Spiele, damit sich der Zustand des Reiches wieder verbessern konnte. So wie man es auch nach den Kimbern Kriegen tat. Er soll sogar mehrere Monate hintereinander weder seinen Bart noch sein Haar geschnitten haben. Und er feierte den Tag der Katastrophe jedes Jahr als einen Tag der Trauer“. Zusammenfassend kann man sagen, dass Otto von Freising die Episode der Knochenbestattung nur von Tacitus erfahren haben konnte und ihm von Sueton das zuvor angeführte bekannt war. Otto seit 1138 Bischof von Freising war ein an der Geschichte interessierter Vertreter aus höchsten kirchlichen Kreisen und verunsicherte bzw. stellte aus heutiger Sicht die Varusforschung aufgrund seiner Verortungstheorie sie im Raum Augsburg zu suchen auf den Kopf. Aber zunächst fragt man sich welchen Quellenzugriff er auf die Tacitus Schriften gehabt haben könnte und des Weiteren wie er auf dieser Basis zu der Annahme gelangen konnte, wonach sich seine Schlachtentheorie geographisch nicht mit den Tacitus Annalen in Verbindung bringen lässt. Man kann daher den Eindruck gewinnen, als hätten ihm nur Bruchstücke der Annalen zur Verfügung gestanden die er in seine Weltchronik übernahm. Sein 1145 verfasstes Werk "Chronica sive Historia de duabus civitatibus" in der erste Bestrebungen erkennbar werden älteste Ereignisse aufgreifen zu wollen um für sie Erklärungen zu finden, veröffentlichte er lange vor dem Beginn einer als Renaissance bezeichneten Epoche. So gehörte die Varusschlacht eindeutig schon damals zu den Marksteinen deutscher Geschichte und verdeutlicht, dass diese eine Schlacht zwischen dem römischen Imperium und jenen Völkern die damals auf später deutschen Boden lebten, die Jahrhunderte über in den Köpfen der Menschen lebendig geblieben ist. So begann sich erst im Mittelalter der Blick auf die Zeugnisse römischer Vergangenheit zu verändern und es wuchs das Interesse daran der Antike neue Erklärungen abzuringen und die Varusschlacht war 1145 immer noch so allgegenwärtig, dass man sich mit der Frage beschäftigte, was einst passierte und vor allem wo sie denn statt gefunden haben könnte. Otto von Freising traf mit seiner Weltchronik den Zeitgeist und eine Schlacht in der allein auf römischer Seite drei Legionen ihr Leben verloren hatten, wird nicht nur auf ihn faszinierend gewirkt haben. So darf man die Behauptung wagen, dass die Suche nach dem Varusschlachtfeld mit der sich die Mönche in der Spätantike des 9. Jhdt. in Corvey schon befasst haben dürften einen nahtlosen Fortgang nahm. Mehr über die Varusschlacht erfahren zu wollen und damit der Wunsch auch den Austragungsort zu kennen beflügelte demnach schon den Menschen seit dem bekannt wurde, dass es etwas Derartiges einst gegeben hatte. Aber nur aus den Schriften von Tacitus die im 9. Jhdt. als Abschrift nach Corvey gelangten ließen sich schriftliche Rückschlüsse auf das Ereignis ziehen die eine Lokalisierung ermöglichen, wenn es nicht die Einheimischen immer schon oder immer noch wussten. Und denkt der Historiker an die Örtlichkeit so sind immer nur die Hinweise von Tacitus gemeint, wo man nämlich die Knochen der Varusarmee hügelartig aufschichtete, so wie es Germanicus 15 + anordnete als auch die von ihm erwähnte Existenz eines „prima Vari castra“, aber in erster Linie ist die wesentliche Information, wonach sich Germanicus von den Flussoberläufen von Ems und Lippe dem „Teutoburgiensi saltu“ näherte und wo sich unweit davon der Knochenhügel auftürmte. Aber Otto von Freising der Varus übrigens "Verres" nannte ging in seiner Weltenchronik was die Ortsbezogenheit anbelangt einzig auf diese Bestattung ein, äußerste sich aber zu unser Verwunderung nicht zu den weiteren Hinweisen von Tacitus die Rückschlüsse auf den Austragungsort zulassen. Daran ließe sich erkennen, dass er den Inhalt der Annalen wenn er sie nicht selbst gelesen hatte, so aber in Bruchstücken gekannt haben musste. Da es ausgeprägte Verbindungen zwischen den Klöstern, Abteien und Bischofssitzen gab, könnte das frühe Wissen über das die Abteien in Fulda und Corvey und vielleicht auch in Hersfeld verfügten und das einst seinen Ursprung im Kloster Monte Cassino hatte, in späterer Zeit auch seinen Weg nach Freising oder Augsburg gefunden haben. Und da in den bedeutsamen Klöstern über das gesamte Mittelalter hinweg das Vervielfältigen von Büchern zum Tagesgeschäft gehörte wozu auch die Annalen zählten lässt sich schließen, dass die im 9. Jhdt. in Fulda für Corvey kopierten Schriften des Tacitus vielerorts zugänglich waren. Zudem wird man auch an manchen Höfen nicht nur davon gehört, oder darin gelesen haben, sondern sich auch mit ihrem Inhalt auseinander gesetzt und ihn diskutiert haben. Bekanntlich stand Otto von Freising mit zahlreichen Personen auch unter dem damaligen Hochadel wie etwa Friedrich Barbarossa in verwandtschaftlichem Verhältnis, sodass man es auch in diese Kreise hinein kommuniziert haben dürfte. So könnte Otto auch auf diesem Weg an die Information aus den Tacitus Annalen gekommen sein. Man sollte demnach von dem Gedanken Abstand nehmen die Tacitus Annalen hätten unentdeckt und irgendwo verborgen in den Gewölben Abtei Corvey gelegen, wo sie wenn überhaupt nur wenigen Klosterinsassen bekannt oder zugänglich waren. In den etwa dreihundert Jahren die zwischen dem Kopieren der Annalen und der Veröffentlichung in der Weltchronik von Otto von Freising lagen konnte sich ihr Inhalt ob von Fulda oder Corvey ausgehend bereits verbreiten und das schon bevor sie erst rund 360 Jahre später im Jahre 1507/8 in Corvey „wieder entdeckt“ wurden. Genauso wie man rätseln kann was bei Otto den Gedankenanstoß ausgelöst haben könnte sich ausgerechnet mit der Varusschlacht zu beschäftigen, könnte man sich auch darin vertiefen, warum Otto nur den Inhalt aus Tacitus Buch 1 Kapitel 62 (1) zitierte in dem Tacitus auf die Bestattung einging und vom Buch 1 Kapitel 6o nichts erwähnte in dem Tacitus eine Beschreibung hinterließ wonach sich Germanicus von den Flussoberläufen von Ems und Lippe dem „Teutoburgiensi saltu“ näherte wo man dann den Knochenhügel auftürmte. Da Otto vielleicht nur Teile davon kannte fehlte ihm auch zwangläufig die Erkenntnis, wonach man die Varusschlacht in Ostwestfalen suchen sollte und nicht in der Nähe von Augsburg. Er berief sich in seiner Darstellung auf Ortsansässige die, wie er schrieb noch bis heute den Ort zeigen können, wo man die Knochen der getöteten Legionäre bestattet hatte, stellte es als Dorfgespräch dar und schlussfolgerte daraus, dass die Varusschlacht in der Nähe von Augsburg statt gefunden haben muss. Selbst wenn man den Verdacht haben könnte, dass die Augsburger die 955 statt gefundene Schlacht auf dem Lechfeld mit der Varusschlacht verwechselten, so bleibt es doch bei der Eindeutigkeit, dass Otto von Freising von Varus, aber nicht von Otto dem Großen sprach. So schreibt Otto in seiner "Chronica sive Historia de duabus civitatibus" weiter, dass die Augsburger als Bestätigung für die Niederlage auf einen Hügel verweisen, der sich bis heute volkssprachlich „Perleich“ nennt. Es klingt sogar der Verdacht daraus, dass Otto es nicht selbst war, der über das Wissen zur Knochenbestattung verfügte, sondern es letztlich die Dorfbewohner waren, die Kenntnis von der Varusschlacht besaßen bzw. die es noch im Volksgedächtnis aufbewahrt hatten. Ob es nun Otto von Freising selbst wusste oder er es dem Volksmund entnahm, bleibt vor der Geschichte gleich, vielleicht wollte er aber auch verbergen, dass er sich als frommer Mann in gehobener Position getraute Eigenrecherche zu betreiben. Erstaunlich ist, dass uns dieser Sachverhalt überhaupt erhalten blieb und sich daraus erst die diversen Schlussfolgerungen ziehen lassen. Vor allem aber ist es die Tragweite dieses Ereignisses aus dem Jahre 9 + , die die Gemüter noch sehr lange, also rund 1100 Jahre später immer noch berührte. Vor diesem Hintergrund taucht die Frage auf, wie intensiv man sich noch in den Jahrhunderten davor mit der Varusschlacht befasst haben mag und dabei fällt natürlich sofort der Blick auf Einhard den Biographen von Karl dem Großen der sich wie man weiß, ebenfalls sehr intensiv mit Sueton beschäftigt hatte. Sollten es also tatsächlich die Dorfbewohner gewesen sein, die etwas von der Varusschlacht wussten, es also schon die Spatzen vom Dach pfiffen dann dürfte also noch sehr vieles im Sagengut und Volkmundartigem gesteckt haben, das nie zu Papier gebracht wurde. Als sich Otto von Freising zu seiner Zeit auf Basis der Sueton Überlieferung und mit dem Wissen aus den Tacitus Annalen mit der Varusschlacht beschäftigte dachte noch niemand an das, was noch in späteren Jahrhunderten an Wissenswertem über sie ans Tageslicht kommen sollte. So etwa die Erkenntnisse die sich erst im Zuge des Zusammenführens der diversen Fragmente der Schriften von Cassius Dio verbreiteten oder die Paterculus Überlieferung, auf die man erst 1515 stieß. Und während man im vorausgehenden Mittelalter im hohen Norden an den Mythen der Drachensage schmiedete um sich das alte Ereignis auf ihre Weise erklärbar zu machen, sah man es im Reich der Staufer schon realistischer und trennte bereits Sage von Historie. Denn auch dank Sueton wusste man in den höheren Bildungsschichten schon mehr. Trotzdem wird man sich an den wundersamen und unterhaltsamen Geschichten über Siegfried den Drachentöter ergötzt aber das Kuriose mit neuerem Wissenstand abgeglichen haben. Dieser Theorie folgend gab es im germanischen Kernland keine Sagen von drachentötenden Helden, sodass es erst die nordische Sagenwelt war die auf das Inlandsgeschehen Einfluss nahm und die Welt des Mittelalters damit konfrontierte. Vielleicht besser gesagt irritierte dies die Menschen im Mittelalter und der Verdacht wurde geweckt, dass die Sage in ausgeschmückter Form die einstige Realität wieder gab. Beispielgebend dafür könnte der isländische Mönch Nikulas Bergsson gewesen sein, der während seiner Pilgerreise zwischen um 1151 zeitgleich zu Ottos Weltchronik die Drachentötung ins Spiel brachte und damit förmlich in den Zeitgeist hinein platzte. Und nicht nur das, denn aus seinem Bericht geht zu allem Überfluss auch noch die Lage hervor, wo sich diese Tat einst ereignete. Den Verfasser wundert es nicht, dass es sich danach nur „einen Steinwurf“ weg von der Region zutrug, wo sich Varus dieser Theorie zufolge an der Eggekante ins Schwert stürzte. Eine nicht unerwartete Übereinstimmung der Geschehnisse wie man sie aber erwarten konnte, wenn man sich auf die Vortigern Theorie stützt, wonach es einst die Söldner aus Ostwestfalen waren, die ihr heimisches Wissen in Südengland verbreiteten von wo aus es dann seinen mythologischen Siegeszug nach Norden antrat. Außer Otto von Freising ist kein mittelalterlicher Geschichtsforscher aufgefallen, der zwar schriftliches zur Varusschlacht hinterließ den aber der historische Kompass fehl leitete. Und wir kennen aus dieser Epoche auch keinen Historiker der Tacitus zitierte bzw. den „Teutoburgiensi saltu“ erwähnte. So müssen Bemühungen scheitern einzig auf Basis Ottos von Freising neue Örtlichkeitstheorien schmieden zu können. Tacitus berichtete, dass die Germanen Arminius noch lange in ihren Liedern besangen aber noch länger könnten sie gewusst haben, wo man einst die Knochen der Legionen verscharrt hatte. Wenn auch der Verdacht im Raum steht, dass die Corveyer Mönche den Ort der Schlacht früher wussten, so steht doch Otto von Freising das Privileg zu der Erste gewesen zu sein, der die Suche nach dem Varusschlachtfeld aufnahm und es schriftlich dokumentierte (02.12.2023)

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