Samstag, 17. Februar 2024
Abraham Ortelius rückte den Nethegau in den Focus der Varusschlacht
Was die Verortung des Schlachtfeldes anbetrifft, so könnte es damals unter den historisch interessierten Humanisten heiß her gegangen sein, denn anders lässt sich die vom Kartographen Ortelius zum Ende des 16. Jahrhundert relativ kurzfristig vollzogene kartographische Kehrtwende weg vom westlichen Westfalen und hin zum östlichen Ostfalen nicht erklären. In der zweiten Hälfte des 16. Jhdt. kam es in der Gesellschaft hinsichtlich der Ansichten zum möglichen Varusschlachtfeld zu einem gedanklichen Umbruch. Bewirkt wurde es durch den Umstand, dass um diese Zeit von den humanistischen Kopisten etwa 30 Abschriften der Tacitus Annalen erstellt wurden und noch weitere fünf bis zum Ende des 16. Jhdt. folgten aus denen Details zur Positionierung hervor gingen. Ortelius nutzte sie für sein neues in Arbeit befindliches Werk auf das er sich nach der Karte „Belgii veteris typus“ konzentrierte und sich dabei auch auf die geographischen und völkischen Namensbezeichnungen des Altmeisters Ptolemäus stützte. Es war der Moment eingetreten als die Literatur den rund 1650 Jahren zuvor verstorbenen Cheruskerfürst Arminius wieder zum Leben erweckte und sich seiner erinnerte um nach den richtigen Zusammenhängen zu suchen. An Ortelius ging die Diskussion nicht spurlos vorüber, in seiner heraus ragenden Position als Vertreter des neuen Berufstandes der Kartographen betrachtete er es als seine Aufgabe den neuen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und versuchte aufgrund des eintretenden Sinneswandels den neuen Wissenstand in seine Kartenwerke einzuarbeiten. Ob der 1488 geborene Ulrich von Hutten der sich schon früh mit den Tacitus Annalen befasste der erste war, der darauf basierend die Ansicht vertrat, dass die Varusschlacht an der Weser statt gefunden hatte und infolge dessen in Arminius einen Sachsen erkannte, lässt sich schwer sagen. Ortelius hatte es sich zum Ziel gesetzt auf der Höhe der Erkenntnis zu bleiben und suchte soweit man damals davon sprechen kann, die Nähe zu Forschung und Wissenschaft. So stand er auch mit Konrad Peutinger in Verbindung, obwohl dieser zu den Verfechtern der Theorie zählte, die sich für eine Schlacht im Raum Augsburg ausgesprochen hatten, ließ sich bei ihm von der römischen Straßenkarte inspirieren, wog sein Wissen ab und verglich es mit den anderen Ansichten der Zeit. Man erkennt es daran, dass Ortelius in seiner letzten Ausgabe von „Theatrum orbis terrarum“ 1624 eine Reproduktion der Tabula Peutingeriana im Anhang abdrucken ließ. Ortelius stand sicherlich auch mit seinem Zeitgenossen, dem Maler und Kartographen Pieter Pourbus mit dessen Schwiegervater Blondeel und mit Gemma Frisius in Verbindung tauschte sich mit ihnen aus und kannte daher auch die neuen Methoden der Vermessungstechnik. Wie hätte Ortelius auch sein Werk zur „Germania magna“, das er auf die Zeit um Christi Geburt zurück datieren musste schaffen können, wie hätte es aussehen und wie hätte er es abbilden sollen, ohne sich in gewisser Weise auch der Spekulation zu bedienen wobei er sicherlich auch auf umstrittene Ratgeber setzen musste. Eine Vorgehensweise wie sie bei Mercator auf Kritik stieß der es ihm vielleicht zum Vorwurf machte. Ein Einwand aus berufenem Munde mit der er indirekt auch seine Glaubwürdigkeit und damit seine Reputation infrage stellte. Aber man sollte es nicht überbewerten da Mercator an anderer Stelle seine Werke würdigte und es Konkurrenzdenken zu allen Zeiten gab. So scheint es als ob man ihm, einem flämischen Kartographen der sich Einblicke in die geschichtlichen Abläufe verschaffte anfänglich den nötigen wissenschaftlichen Stallgeruch absprach. Eine nicht unwesentliche Rolle in diesem Prozess der Umorientierung könnte auch der einflussreiche Philologe Henricus Stephanus aus der berühmten Pariser Buchdruckerfamilie Stephanus gespielt haben in dem dieser mit dazu beitrug eine Neuausrichtung herbei zu führen. Ortelius war vier Jahre älter als er und beide verstarben im gleichen Jahr 1598, konnten sich also kaum aus dem Weg gegangen sein. Hinweisgebend für diesen den beiden Herren hier unterstellten persönlichen Kontakt könnte gewesen sein, dass 1548 im Hause Stephanus in Paris erstmals die Bücher von Cassius Dio (editio princeps) heraus gegeben wurden, sodass Ortelius auf diesem Wege weitere Informationen über den Schlachtenverlauf und die Örtlichkeiten erfahren haben könnte. Obwohl die Schriften schon vor dem Jahr 1548 bekannt waren verbreitete sich ihr Inhalt doch verstärkt erst in der zweiten Hälfte des 16. Jhdt. und so bekam Ortelius auch Kenntnis darüber was sich während des mehrtägigen Verzweiflungskampf der angeschlagenen römischen Armee zutrug von der immer nur zu lesen ist, dass es drei Legionen gewesen sein sollen aber ohne das jemals Klarheit über ihre genaue Kopfzahl herrschte. Wie sich seiner Karte „Belgii veteris typus“ von 1584 entnehmen lässt, war den Humanisten zur Mitte des 16. Jhdt. die Bedeutung der imperialen Schaltstelle, dem heutigen Xanten zwar bekannt, aber die Schlacht war ein Ereignis, dass sich nur schwerlich mit der niederrheinischen Landschaft in Rheinnähe und den taciteischen Angaben in Verbindung bringen ließ. Unübersehbar hatte man um diese Zeit noch die gigantischen Ruinenreste der linksrheinischen Römerstadt „Colonia Ulpia Traiana“ vor Augen und konnte diese auch noch vom deutlich erkennbaren römischen Militärlagerkomplex bei Birten trennen und wusste wie es der Karte zu entnehmen ist, auch von der einst dort stationierten Legio XXX Ulpia Victrix. Trotzdem entschied der Zeitgeist darüber den Verlauf der Varusschlacht in dieser Region suchen zu müssen. Da die Erkenntnisse mit Bekanntwerden der Tacitus Annalen in Widerspruch gerieten und sich weiten Kreisen die einstige Logik entzog, sich das römische Fluchtkastell Aliso hinter dem nur etwa 2o Kilometer nördlich von Vetera/Xanten gelegenen Isselburg vorstellen zu können, einem Ort den die Karte „Belgii veteris typus“ dafür vorsah begann auch Ortelius unter Mitwirkung seiner Hinweisgeber an seiner ursprünglichen Verortung zu zweifeln. Ebenso dürfte es allen als unwahrscheinlich erschienen sein, dass sich der germanische Hinterhalt der „ Teutoburgiensi saltu“ nur 26 Kilometer nördlich des größten rechtsrheinischen Römerlagers Haltern befunden haben soll. Ein mit Vetera vergleichbares waffenstarrendes Drehkreuz, dass sich ebenfalls im 16. Jhdt. noch in auffälliger Weise gezeigt haben dürfte und Funde dazu beitrugen. Betrachtungen die dazu führten, dass Ortelius die Angaben in seiner Karte „Belgii veteris typus“ neu bewerten musste. Denn nun gab es neben den Tacitus Annalen mit Cassius Dio noch einen weiteren antiken Gewährsmann der bei aller Irritation nun auch noch die weit östlich fließende Weser in den Mittelpunkt des einstigen Geschehens rückte, sodass es um die Varusschlachttheorie samt einem „Teutoburgiensi saltu“ bei Billerbeck und einem „Aliso“ in Isselburg argumentativ und plausibel betrachtet eng wurde. In relativer Nähe zum Rhein einer von Rom dominierten Region zwischen den kleinen Flüssen Berkel und Issel meinte ein Zweig der humanistischen Forschergemeinschaft eine Trasse für ein dreieinhalb Tage andauerndes Marschgefecht mit den dazugehörigen Nachtlagern finden zu können. So dürfte die Zeit dafür reif gewesen sein in der sich Ortelius vom einstigen Sammler, Kartographen und Drucker hochwertiger Atlanten zum Geschichtsforscher aufgeschwungen haben könnte. Er reagierte nicht mehr nur auf den inzwischen um sich greifenden neuen Forschungsstand so wie er an ihn heran getragen wurde, sondern begann damit eigenständig zu agieren. Sein Kartenwerk „Belgii veteris typus“ hatte bereits eine beachtliche Verbreitung und damit auch Glaubwürdigkeit erfahren und es war ihm angeraten behutsam mit neuen Einsichten umzugehen. Aber er sah sein Kartenwerk auf den Prüfstand gestellt und hatte sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ein an sich normaler dokumentarischer Prozess der aber überlegt sein will, denn die von Tacitus und Dio hinterlassenen Fakten ließen sich nicht mehr leugnen. Ortelius reagierte entschlossen und trug dieser neuen Weltanschauung schon drei Jahre nach Herausgabe der Karte „Belgii veteris typus“ Rechnung in dem er unter dem Namen „Germaniae veteris typus“ eine neue Karte auf den Markt brachte, der sich mit der Betonung auf „auch“, auch der neue Sachstand bezogen auf die Varusschlacht entnehmen ließ. Dafür musste er vielleicht auch eigene Überzeugungen opfern, hatte aber auch in seinem noch anders denkenden Zuträgerkreis für die neue Sichtweise zu werben, da nicht alle seine Meinung geteilt haben dürften. Mit den Vorarbeiten wird er früh begonnen haben und es gelang ihm hinsichtlich der Darstellungsart, Ausdehnung und Datenfülle wieder ein sehr ambitioniertes Projekt. Sie zeigte erneut die alte „Magna Germania“, bezog wie zuvor auch die heutigen Benelux Staaten mit ein, nahm zudem aber auch Teile der Schweiz und Österreich mit auf und reichte im Groben bis an die Weichsel. Vor diesem Hintergrund erscheint die Vermutung des Orteliusexperten und Kartographiehistorikers Peter Hans Meurer irritierend, der die Karte „Belgii veteris typus“ als auch die Ausgabe „Germania veteris typus“ „Ortelius Eigenschöpfungen“ nannte, weil sich für ihn die Frage nach der Urheberschaft nicht klar beantworten ließ. Denn was den Inhalt seiner Karte anbetraf wird sich Ortelius durchaus auch bei der Neubewertung den Ansichten anderer Zeitgenossen angeschlossen haben, die ihm empfahlen den „Teutoburgiensi saltu“ wie es auf seiner Karte ersichtlich ist nun in Ostwestfalen statt im westlichen Münsterland einzuzeichnen. Man darf ihm aber gleichermaßen auch Eigenlogik unterstellen, da er sich im Zuge seiner Arbeiten historisch weiter entwickelt hat, sodass es nicht mehr unbedingt der Inspiration seiner Berufskollegen bedurfte und er auf den Rat und Sachverstand der ihn Umgebenden nicht mehr unbedingt angewiesen war. Auch Mercator dürfte letztlich einer derjenigen gewesen sein mit dem er sich beriet denn sowohl er selbst, als auch Mercator verkörperten und dominierten die kartographische Sachkenntnis um die Mitte des 16.Jhdt. Beide sahen sie auf ihren Wegen durch das alte Ober - und Untergermanien immer noch an vielen Stellen die Reste römischer Zivilisation und Bausubstanz, blickten auf die imposanten Trümmer der einstigen Großmacht und auch das gesamte öffentliche Leben war zu ihrer Zeit immer noch tief vom antiken Wissen und Geist einer lateinisch geprägten Kultur durchdringt. Nach Bekanntwerden der „taciteischen Offenbarung“ ab 1517 und der Herausgabe der Schriften von Cassius Dio 1548 schien es für beide zunehmend plausibel zu werden, sich eine römische Präsenz an der Weser vorstellen zu können, was anderen Gelehrten noch schwer gefallen sein könnte, da ihnen Verständnis und Grundeinstellung dafür fehlte. Die nun einsehbaren taciteischen Schriften die auch nicht erst nach der Eröffnung der „Bibliotheca Medicea Laurenziana“ in Florenz im Jahre 1571 Verbreitung fanden gepaart mit dem allgegenwärtig vorhandenen und monumental unübersehbaren römischen Erbe inspirierte Ortelius und er verlieh dem ein neues kartographisches Gesicht. Ortelius erschloss sich seine Möglichkeiten in Form einer logischen Herangehensweise und nutzte was Zeit, Technik und Wissenstand hergaben um sein neues Weltbild, das er „Germaniae veteris typus“ nannte anzugehen. Schaut man auf sein Werk, dass er 1603 in Antwerpen auch erstmals drucken ließ, so fällt sein umfassender antiker Wissenstand ins Auge. Historische Ortsnamen wie sie schon Ptolemäus nieder schrieb waren ebenfalls vertreten, wie auch viele germanische Stammesnamen. Ebenso konnte er auf die seit antiken Zeiten bekannten Bezeichnungen für Waldgebiete oder Gebirgszüge zurück greifen und sich noch auf Quellen beziehen, die heute längst verschollen sind. Er hinterließ ein einmaliges und umfassendes Quellenverzeichnis das einen eigenen Forschungsansatz rechtfertigen würde der mindestens genauso bedeutungsvoll sein könnte wie sein Kartenwerk selbst. Während Cassius Dio für die regennassen Gebirgsregionen Westgermaniens keine Worte wusste, lassen sich eine Vielzahl von Namen die Ortelius in seinen Karten verwendete unschwer auf die Handschrift von Tacitus zurück führen und ermuntern zu neuen Analysen. Aber auch aus anderen Begriffen lässt sich ihre Herkunft ableiten. Natürlich konnte man nicht erwarten, dass ihm in Anbetracht der Machart der Karte das Kunststück gelang den Schlachtort an die Stelle zu setzen, die Tacitus mit seinen Hinweisen umschrieben hatte. Aber Ortelius war uns rund 440 Jahre voraus, was ihm den unschätzbaren Vorteil der zeitlichen Nähe zum Geschehen einbrachte. So konnte er noch auf die Informationen Ortskundiger zurück greifen die noch eine unbebaute Landschaft vor Augen hatten und vererbtes Wissen nutzen. So darf man ihm unterstellen, dass es im 16. Jhdt. noch deutliche auch oberflächlich sichtbare Spuren sowie zwischenzeitlich verschollene Artefakte in Hülle und Fülle von dem gab, was erst in neuerer Zeit dem Boden entlockt werden konnte. Mit dieser Herangehensweise kam Ortelius der Logik die diesem Internet Buch zugrunde liegt schon recht nahe und seine neu aufgelegte Karte „Germaniae veteris typus“ lässt erkennen, dass der dank Tacitus und Dio neu gewonnene Wissenstand nun auch einen festen Platz in seinem Kartenwerk gefunden hat. Aber nun beginnt man bei ihm auf die bereits angedeutete Zwiespältigkeit zu stoßen, denn er stand offensichtlich vor der Herausforderung das vermutlich Unstrittige in der „Belgii veteris typus“ aufrecht halten zu wollen und das sich als Überholt erwiesene in der „ Germaniae veteris typus“ an ihre neuen Positionen zu setzen, ein Werk das von Beginn an den strengen Blicken einer aufstrebenden Wissenschaft ausgesetzt war. Bevor er die Karte „Belgii veteris typus“ schuf existiert von ihm kein Kartenwerk, dass den Osten der „Magna Germania“ abbildete. Somit war die Karte „Germanae veteris typus“ innerhalb der damaligen kartographischen Forschungslandschaft beispiellos. So betrat er Neuland was ihm die Möglichkeit bot den neuen Wissenstand zu nutzen ohne den bisherigen in Gänze fallen lassen zu müssen. Die „Germaniae veteris typus“ aus heutiger Sicht grundsätzlich als forschungstechnisch zuverlässig oder brauchbar zu bewerten widerspräche einer nüchternen Denkungsweise, lässt aber eine eindeutige Hinwendung erkennen und ist eine Absage an frühere Auffassungen. Aber Ortelius stand vor der Herausforderung zumindest zu versuchen, dass eine zu tun ohne das andere zu lassen, also den Spagat zu vollbringen die „Belgii veteris typus“ mit der „Germania veteris typus“ in einen gewissen Einklang zu bringen was ihn zu einer Vorgehensweise veranlasste, die man zweigleisig nennen könnte. Tacitus hat den Begriff „Teutoburgiensi saltu“ in die Geschichtswelt gesetzt den man im 17. Jhdt. zum „Teutoburger Wald“ deformierte und der sich neben „Aliso“ zum Inbegriff aller die Varusschlacht betreffenden Begriffe hoch schaukelte. In ihm steckte das germanische Wort „Teutoburg“ hinter dem sich germanische als auch die Schutzanlagen anderer Völker verbergen und die Vorstellung von Volksburg und Fliehburg auf sich vereint. „Saltu“ hingegen steht für eine Waldschlucht, einen Gebirgspass bzw. einen Weg dahin, oder in ihre Nähe. Ptolemäus von dem nicht überliefert ist, ob er die Tacitus Annalen gelesen hatte erwähnte im 2. Jhdt. mit „Teutoburgium“ ein ähnlich lautendes Wort, verortete es jedoch an der Donau. Eine Bezeichnung die Ortelius aus der „Tabula Peutingeriana“ kannte und sie für sein Kartenwerk „Belgii veteris typus“ nutzte. Teutoburgen waren auf den Höhen allgegenwärtig und wurden für das Vorhandensein einheimischer Befestigungsanlagen zu feststehenden Begriffen im Wortschatz der damaligen Zeit. Auch „Teutoburgium“ war demzufolge einst eine schützende Volksburg in strategisch guter Position die man in Römerzeiten ausbaute und als Reiterkastell nutzte. Da es Humanisten wie Georg Spalatin gab, der 1535 eine Verbindung zur Silbe „Teuto“ erkannte und sie mit „Duis“ verglich favorisierte er Duisburg, sodass man später davon ausging, dass es sich dabei auch um die alte Hansestadt Doesburg an der Issel gehandelte haben könnte, die dort nach Ortelius bzw. der „Belgii veteris typus“ in den Drususgraben, die heutige „Schwarze Scheere“ mündete. Um Doesburg, dass man daher zu Ortelius Zeiten für das römische „Teutoburgium“ hielt gruppierte man die bekannten taciteischen Begriffe und entwickelte daraus eine Theorie zum Verlauf der Varusschlacht. Für das Fluchtkastell „Aliso“ bot sich Isselburg in der Nähe des historisch „triefenden“ Namens Römerrast in der Isselniederung an. Den eigentlichen Schlachtort nahe dem „Teutoburgiensi saltu“ wo man nach Tacitus sechs Jahre danach die Knochen der Legionen bestattete verlegte man nach Billerbeck an die Berkelquelle und auf halber Strecke bis Isselburg/Aliso vermutete man den als heilige Haine beschriebenen germanischen Kultplatz und nannte ihn „Arae Barbarorum“. Darstellungen die zu Zeiten der frühen humanistischen Forschung als stimmig erschienen. Vergleicht man nun die „Belgii veteris typus“ von 1584 mit der „Germania veteris typus“ von 1587 dann fällt ein Unterschied zwischen beiden Karten schnell ins Auge. Denn während man sich im Zuge der Vorarbeiten zu „Belgii veteris typus“ noch sicher zu sein glaubte, das sich der taciteische „teuto burgiensi saltu“ im Quellgebiet der Berkel bei Billerbeck nahe den Siedlungsgebieten der Usipetes und Tubanten in einer relativ flachen Landschaft befand, in der keine nennenswerten Flieh- bzw. Volksburgen bekannt sind, rückte Ortelius nun davon ab und verschob den „teuto burgiensi saltu“ in der Karte „Germania veteris typus“ in eine Mittelgebirgsregion näher an die Weser. Was er allerdings nicht mit an die Weser transferiert hatte, war „Teutoburgum“, dass vermeintliche Doesburg, sowie „Aliso“, das er „Castellum et Fluvius“ nannte. Für den Fluss der Isselburg mit Doesburg verband die heutige Issel verwendete er in seiner Karte „Belgii veteris typus“ weiterhin den Namen Alisofluss für den er die Kurzbezeichnung „flu“ wählte und übernahm ihn nicht in die Karte „Germania veteris typus“. Ebenso verzichtete er in der Karte „Germania veteris typus“ auf die Bezeichnung „Arae Barbarorum“, so dass insgesamt drei Abweichungen deutlich werden. Man könnte es damit begründen, dass die Karte „Germania veteris typus“ in diesem Bereich keinen Platz mehr für weitere Eintragungen bot, wäre da nicht die auffällige Neuverortung des taciteischen „teuto burgiensi saltu“, den er wie zuvor auch „Teutoburgensis Saltus“ nennt. So ist es also einzig die von ihm notierte Bezeichnung „Teutoburgensis Saltus“ für die er sich nun entschieden hatte, sie in seiner neuen Karte „Germaniae veteris typus“ rund 170 km weit nach Osten zu verschieben. Was sollte ihn also dazu bewogen haben nur den „Teutoburgensis saltus“ in eine andere Region zu verlegen, aber den anderen Hauptbegriff aus der Varusschlachtforschung, nämlich „Aliso“ noch an dem Ort zu belassen, wo er auch schon in der Karte „Belgii veteris typus“ seinen Platz hatte. Es muss dem folglich ein Umdenkungsprozess voraus gegangen sein dessen Verlauf sich uns im Detail nicht erschließt, da wir nicht wissen wie diese Umorientierung zustande gekommen ist. Es könnten zeitgenössische Forscher gewesen sein, die Ortelius auf die Diskrepanz zu den taciteischen Angaben aufmerksam gemacht haben, wonach seine ältere Eintragung, dass die Schlacht an Issel oder Berkel statt fand nicht mehr zu halten war. Aber warum er daran fest hielt „Teutoburgum“ und „Aliso“ nicht neu also nach Ostwestfalen zu verlegen, beide an der Issel beließ und damit die Schauplätze der Varusschlacht auseinander riss bleibt unklar. Angesichts der erheblichen Distanz die zwischen beiden Regionen liegt eine Vorgehensweise die sich logisch nicht begründen lässt und daher auf Zwiespältigkeit hindeutet. Auch in diesem Fall darf man rätseln und Spekulationen müssen wieder dazu beitragen Wissenslücken zu schließen. So liegt der Verdacht nahe, dass man sich möglicherweise unterschwellig immer noch in einem Wettstreit der Überzeugungen befand, sodass sich Ortelius bei diesem Thema zwischen die Stühle gesetzt sah. So scheint es, dass er sich für einen nicht nachvollziehbaren Mittelweg entschieden hat und das vielleicht deswegen, weil er seine hochrangigen Berater nicht enttäuschen, oder sich eine Tür offen halten wollte falls man zu neuen Überzeugungen gelangen sollte. Vielleicht war es aber auch nur der Ausdruck von Unschlüssigkeit und Unsicherheit der ihn bewog zwei Richtungen zu folgen und entsprechend zu kartieren. So war ihm hier möglicherweise ein Kompromiss gelungen mit dem er die Anhänger der alten „Aliso“ Theorie und „Römerkastellfraktion“ Isselburg versöhnte, aber vermutlich selbst dazu überging die Varusschlacht im Osten für glaubhafter zu halten. So hielt er die Tür für die Verfechter der alten Theorie offen, während sich seine Überlegungen auf die Dauer verfestigen sollten. Letztlich wurde er damit auch jenen gerecht, die die Schlacht möglicherweise immer noch vor ihrer Haustür am Niederrhein sehen wollten, griff aber auch die neuen Hinweise auf und vollzog den kartographisch/historischen Schritt einen Schwenk in Richtung Weser zu machen, so wie es Tacitus und Dio vorgaben und vermied damit einen offenen Dissens. Es kamen letztlich zu viele Ungereimtheiten zusammen, sodass man davon ausgehen könnte, dass Ortelius im Falle eines dritten Kartenwerkes wohl völlig auf die Isseleintragungen verzichtet hätte und sich auch im Falle Aliso für eine Position in Ostwestfalen entschieden hätte. Denn bekanntlich siedelten an Issel oder Berkel keine Cherusker, Germanicus zog auf seinem Rachefeldzug gegen sie die Ems aufwärts, überquerte dann auf dem Weg zur Weser die Oberläufe von Ems und Lippe und marschierte bis zu den äußersten Brukterer. Zudem spricht die kurze Distanz von nur etwa 16 bis 22 km zwischen der Issel und dem römischen Hauptlager und Winterkastell dem Doppellegionslager Vetera I auf dem Fürstenberg bei Birten gegen die Annahme massiver Kampfhandlungen im nahen Umfeld. Und über den Standort der zwei Asprenas Legionen die zwar Zeit hatten noch schnell über den Rhein nach Vetera überzusetzen aber nicht imstande waren Varus zu Hilfe zu kommen braucht man in diesem Zusammenhang ebenso wenig zu philosophieren wie über den erwähnten Ausbau der Römerstraße von von Aliso/Isselburg zum Rhein nördlich Xanten, eine Distanz von gerade mal 14 Kilometern. Es war in der neu erwachenden Welt der Humanisten ein stark bewegendes Thema denn sogar der Reformator Martin Luther hatte sich intensiv mit der Geschichte des Cheruskerfürsten Arminius auseinander gesetzt. Letztlich musste er genügend Rückendeckung gehabt haben um den Schauplatz wenn auch nur halbherzig von Westwestfalen nach Ostwestfalen zu verschieben. Eindeutig auf Tacitus stützend und vielleicht nach diversen Diskussionen und Rücksprachen mit anderen Forschern und deren Empfehlungen entschied sich Ortelius also den „teuto burgiensi saltu“ in der Schreibweise „Teutoburgensis saltus“ westlich der Weser einzutragen und er tat es auffälliger Weise nicht in Quer - sondern in Längsrichtung. Warum die Varusforschung seit dem 19. Jhdt. die Karte „Germaniae veteris typus“ nicht zur Hand nahm und man in Bezug auf die Varusschlacht die Karte „Belgiie veteris typus“ bevorzugte in der sich der Saltus“ noch nahe der Berkelquelle befand und diese Verortung teilweise sogar noch bis heute ihre Verfechter findet muss unbeantwortet bleiben. Aber im Hinblick auf die Dominanz und Überzeugungsfähigkeit einflussreicher möglicherweise auch finanzkräftiger Persönlichkeiten wie wir sie auch in der Neuzeit kennen mag es erklären und verrät zu allen Zeiten, dass es möglich war auch eigene verquere Vorstellungen erfolgreich in den Geschichtswissenschaften zu etablieren. Es fällt schwer anhand der Kartengestaltung den Bereich zu lokalisieren den Ortelius nun in Ostwestfalen für den „Teutoburgiensi Saltus“ hielt, da er mit Bezugspunkten geizte. Die germanischen Hauptorte, die auf ptolemäischen Namensquellen beruhen und die zunächst in griechischer Sprache nieder geschrieben wurden bevor man sie ins Latein übersetzte, lassen sich wegen der Verzerrung schlecht für eine Lokalisierung heran ziehen lassen. Im Gegensatz dazu eignen sich die geographischen Hinweise um so mehr. Dabei fallen bei der Betrachtung der „Germaniae veteris typus“ fünf geographische Merkmale ins Auge:

Es sind dies der untrügliche und gradlinig eingetragene Ostwestverlauf der Lippe.
Eine südlich der Lippequelle beginnende und sich nach Süden erstreckende Baumstruktur die die Egge darstellen soll.
Der mittels Baumstruktur gekennzeichnete und zur Weser hin abfallende Osthang des Oberwälder Landes.
Die große Weserschleife im Bereich die Diemelmündung bei Karlshafen/Herstelle.
Und der Harz, der sich als ein scharf abgegrenzter Bereich darstellt und den Namen „Herculi sacra silva“ trägt.

Hinzu kommen als weitere Verortungshilfen zwei Städte, die Ortelius in Silhuettenform darstellte.

Es ist dies das an der Weser liegende Höxter, dass sich exakt in der östlichen Verlängerung des Lippe befindet.
Sowie Warburg unweit der Weserschleife und an an der Stelle gelegen, wo die Südegge in Richtung Marsberg eine Kehre nach Westen vollzieht.

Die beiden bedeutsamen Stämme der Varusschlacht die Chatten und die Cherusker verortete Ortelius ebenfalls. Während er die Chatten südlich der Diemel also exakt dort vermerkte, wo sie auch die heutige Geschichtsforschung sieht, vermutete er die Stammesgebiete der Cherusker südlich des Harzes den Ortelius allerdings zu weit westlich einzeichnete ihn also mit dem Solling vermischte, sodass Ortelius ihre Wohnstätten demnach im Raum Göttingen also im Leinegau ihren nach heutigen Wissenstand südlichsten Siedlungsgebieten sah.

Wie hielt es Ortelius mit dem Schriftzug „Teutoburgiensis Saltus“:

Da setzte er den Anfangsbuchstaben „T“ in den nördlichen Teil der Egge etwa da, wo sich Horn befindet. Die erste Silbe „Teuto“ deckt das Oberwälder Land nördlich von Brakel ab, während die Zweitsilbe „burgen“ in etwa bei Ottbergen ansetzt und nahe Beverungen endet, also den östlichen Teil des Nethegau umfasst. Die Beschriftung „sis Saltus“ nimmt ihren Anfang bei Schwaney, endet bei Eissen und umfasst den westlichen Teil des Nethegau.
Folglich gab Ortelius den Namen „Teutoburgiensis Saltus“ jenem Waldgebirge, das sich von Horn bis Scherfede erstreckte und das der späteren Umbenennung in Teutoburger Wald entging und seinen Namen Egge behalten durfte, obwohl es ursprünglich den altgermanischen Namen Osnegge trug der sich später Osning nannte. Möchte man es präziser ausdrücken, dann entschied sich Ortelius erst im zweiten Anlauf die Kampfregion vom Niederrhein in den Nethegau unmittelbar östlich der Egge zu verlagern. Das es sich bei dem „Teutoburgiensis saltus“ statt um ein Waldgebirge auch um eine Gebirgspassage gehandelt haben könnte, konnte Ortelius im Gegensatz zu den Corveyer Mönchen die es im 9. Jhdt. noch besser gewusst haben könnten, den Annalen nicht entnehmen. Hätten ihm Hinweise vorgelegen, dass sich dahinter nicht nur ein lang gestrecktes Waldgebirge verborgen haben könnte, sondern das man damit auch eine Schlucht bzw. einen Paßweg artigen Aufstieg nahe den Volksburgen nannte, hätte er vielleicht das Symbol zweier kleiner parallel verlaufender Querstriche bei Borlinghausen eingezeichnet. Vielleicht unbeabsichtigt beschriftete er mit dem Namenszug „Teutoburgensis Saltus“ das gesamte Gebiet zwischen Egge und Weser. Darf man es aber als einen Zufall werten, dass er damit genau den zentralen Zugkorridor der Varuslegionen traf, so wie es sich nach Cassius Dio rekonstruieren ließ und wie er der Theorie dieses Internet Buches zugrunde liegt, oder tat er es weil er es genauer wusste. Wobei es zweifellos schwer fällt sich unter diesen Umständen den puren Zufall vorzustellen. Ortelius ließ nahezu alle der als Varusschlacht verdächtigen Regionen wie die Sparrenberger Egge, die Externstein Passage, die Grotenburg, sowie die Werre Niederung und natürlich den Kalkrieser Berg sehr weit links liegen. Mit seiner Verortung setzte Ortelius den Namen in eine Region in der sich zahlreiche Hinweise verdichten und bündeln lassen und legte damit einen weiteren Grundstein, um das mutmaßliche Schlachtgebiet zu identifizieren. In dem jungen Danziger Geographen und Historiker Philipp Clüver hatte Ortelius einen eifrigen Anhänger, denn bei ihm stießen seine kartographischen Forschungen auf fruchtbaren Boden. Als Ortelius schon zwei und Mercator bereits sechs Jahre tot waren kam Clüver im Jahre 1600 mit 20 Jahren ins südholländische Leiden wo Abraham Ortelius zu Lebzeiten gewirkt hatte und Clüver selbst vier Jahre nach Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs verstarb. Dort lernte er und profitierte somit von den Vorarbeiten dieser bedeutsamen Kartographen. Er war ein Mann der über die Geschichte und die klassischen Autoren den Weg zur Kartographie fand und später als ein Mitbegründer der historischen Geographie galt. Die 1603 erstmals auch gedruckte Karte „Germaniae veteris typus“ befügelte wohl jetzt auch noch den letzten an der Sache interessierten Forscher der Epoche sich mit dem Thema zu befassen, was offensichtlich auch für Clüver galt der sich inspirieren ließ. Aus der Überzeugung heraus die er nach Einsichtnahme in die Karte „Germaniae veteris typus“ von Ortelius gewann bestand für ihn kein Zweifel, dass es sich bei dem „Teutoburgensis Saltus“ so wie ihn Ortelius verortet hatte um die heutige Egge, bzw. den Osning handelte der sich in früheren Zeiten Osenegge nannte und schlug 1616 vor diesen Bereich in „Teutoburger Wald“ umzubenennen.

In eigener Sache:
„An dieser Stelle möchte sich der Verfasser beim Wikipedia Auditor bedanken. Da dem Text zu diesem Thema bislang ein überholter Wissenstand zugrunde lag erfolgte aufgrund meiner Anregung vom 21.12.2023 eine Korrektur. Es wurde der Tatsache Rechnung getragen Philipp Clüver das Recht zuzugestehen derjenige gewesen zu sein, der schon im Jahre 1616 die Auffassung vertrat, man könne den Osning in Teutoburger Wald umbenennen, während Wikipedia dieses Privileg bis dato einer anderen späteren Person zugeschrieben hatte.“.

Clüver stellte seine These in seiner „Germaniae antiquae libri tres“ vor und begründete sie mit der Existenz des Teutberges, dem Namen des Berges auf dem die Grotenburg steht. Seine Annahme war nicht ganz abwegig, da der Schriftzug in der Orteliuskarte „Germania veteris typus“ offen ließ wie weit er ihn nach Nordwesten ausgreifen lassen wollte und so könnte er folglich, obwohl man auch gegenteiliger Auffassung sein darf auch noch die Grotenburg mit einbezogen haben. Die große Bedeutung, der Zeitgeist und der lange Schatten den die Varusschlacht noch im frühen 17. Jhdt. warf überwog vieles, stand dem Namenstausch Pate und schien Begründung genug gewesen zu sein, den alt ein gesessenen germanischen Namen Osenegge bzw. Osning zu opfern und dafür den „Teutoburger Wald“ an seine Stelle zu setzen. Ferdinand von Fürstenberg der Fürstbischof von Paderborn griff Clüvers Idee 1669 in seinem Werk „Monumenta Paderbornensia“ auf, wendete aber den Namen „Teutoburger Wald“ nur auf den Höhenrücken zwischen Horn und Hörstel an. Die Egge aber, der eigentliche und ursprüngliche „Teutoburgensis Saltus“ so wie es Ortelius seinerzeit kennzeichnete, bezog Fürstbischof Ferdinand von Paderborn nicht mit ein und so behielt sie ihren Namen bis in unsere Tage bei. Ursächlich dafür könnten die in Corvey verwahrten Tacitus Annalen gewesen sein. Auf dieses ältere Wissen stützend könnten die Äbte die Varusschlacht für ihr Hoheitsgebiet beansprucht haben was Ferdinand von Paderborn missfiel, der mit ihnen in Dauerfehde stand. So wurde die Varusschlacht schon im 17. Jhdt. nicht nur zum Prestigeobjekt sondern auch zum Politikum und das blieb sie bekanntermaßen bis in die Neuzeit wenn man daran denkt, dass die seinerzeitige Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Annahme das Varusschlachtfeld zu besichtigen der Niederung vor dem Kalkrieser Berg einen Besuch abstattete. Ob in Covey noch bekannt gewesen sein könnte, dass es sich bei der Bezeichnung „Teutoburgiensi saltu“ um das steile Hohlwegebündel gehandelt haben könnte, das sich durch die Egge vom Nethegau zum Sintfeld hoch schlängelte und von wo aus es nur noch rund 4 km zur Behmburg einer alten Fliehburg sind, der man später den Namen Karlsschanze gab, wurde bereits thematisiert. Als eine der größten Wallanlagen in Westfalen umfasst sie rund 2o ha und obwohl sich in ihr nur eine Tonscherbe aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert fand spricht man sie aufgrund ihrer exponierten Lage und Dimension als eine germanische und vielleicht sogar keltische Fluchtburg der vor römischen Eisenzeit an die man zu Varuszeiten wohl auch nicht zu unrecht für eine Teutoburg halten konnte. Hätten die Corveyer Mönche im 9. Jhdt. eine Skizze oder Schriftliches hinterlassen, dann hätte man der Position des vermeintlichen „taciteischen Saltus“ schon früher auf die Schliche kommen können, aber das wäre wohl zu viel verlangt. So musste es im Groben die Kartographie des 16. Jhdt. nachholen, damit sich die Nachwelt für den Nethegau interessiert. Als Ortelius den kartographischen Grundstein für die Lage des "Teutoburgiensis saltus" in Ostwestfalen legte konnte er nichts von den Wünschen späterer Generationen ahnen, die daraus den „Teutoburger Wald“ machten, obwohl Tacitus selbst ihn „teuto burgiensi saltu“ nannte. Es könnte Ortelius auch geschmeichelt haben, dass man aufgrund seiner Vorleistungen den Osning zumindest zwischen Horn und Hörstel umbenannte. Das man ihn dann aber statt in der Egge zu suchen wie er es vorgegeben hatte in den Nordosten verlegte dürfte ihn erstaunt haben, denn das war nicht seine Intention. Die psychologische Wirkung, die Kraft und Macht der Worte ist bekannt. Begriffe haben sie sich einmal eingeprägt, behaupten und verfestigen sie sich und gewinnen schon deswegen an Glaubwürdigkeit weil man sie „schwarz auf weiß“ lesen kann. Mit der späteren Festlegung des Teutoburger Waldes auf die vorgenannte Gebirgskette hatte man, wenn auch unbewusst eine Vorfestlegung getroffen in der die Nachwelt ein Vermächtnis erkannte. So war fortan das Ansinnen vieler darauf gerichtet den Verlauf der Varusschlacht in dieser Region erkennen zu wollen, bezog die Egge daher auch nicht mehr in die Betrachtung mit ein und suchte fortan an anderen Orten nach der dazugehörigen Logik. So implementierte man das Geschehen mal in die Nähe der Grotenburg zu den Externsteinen und auch mal in die Nähe von Bramsche an den Kalkrieser Berg und eben anfänglich auch auf das Niederrheingebiet. Dabei vergaß man aber, dass es sich bei dem Gebirgsende nahe Bramsche nie um den „Teutoburger Wald“, sondern um das Weser – und Wiehengebirge handelte und erst recht nicht um die Egge, der Abraham Ortelius vor 450 Jahren den Namen "Teutoburgiensis saltus" gab. Dort wo sich nach dieser Theorie auch der dazugehörige von Tacitus erwähnte Saltus befindet. Ein Schluchtweg der zu dem „haargenau“ nicht nur einer Luftlinie folgt sondern sie auch trifft und die die Rheinlande über Westfalen den Haarweg und späteren Herßweg mit dem ostwestfälischen Weserknie bei Herstelle verbindet, der sich östlich von Borlinghausen Bördenweg nennt. In der Renaissance wollte man sich nicht mehr mit dem althergebrachten Kenntnisstand zufrieden geben und über besseres Wissen zur Geographie Mitteleuropas verfügen. In dieser Zeit betrieb auch der 1514 geborene Kartograph und Theologe Johannes Gigas der in seinen ersten 16 Lebensjahren noch Zeitgenosse von Ortelius war im Betrachtungsraum des Nethegau kartographische Grundlagenforschung. Ihm ist die präzise Darstellung einer historisch bedeutsamen Wegeführung zu verdanken, die schon vor rund 1500 Jahren von strategischer Bedeutung gewesen sein könnte. Es ist die zeichnerische Darstellung einer schon in prähistorischen Zeiten genutzten karrentauglichen Route, die die alten Zentren der Zivilisation Brakel und Warburg miteinander verband. Das Besondere an dieser nordsüdlich ausgerichteten Streckenführung die ebenfalls den Namen Hellweg trägt ist die Tatsache, dass sich bei Nutzung dieser Trasse aufgrund der Höhenlage die versumpfte Auenlandschaft des Nethetales vermeiden und umgehen ließ. Auf ihm trat dieser Theorie nach Varus seinen Marsch in den Untergang an der ihn durch den Fahlenbruch bei Schweckhausen führte in dem er an einem unpassenden Ort wie es Dio beschrieb sein Unglückslager errichtete und der Warburger Hellweg führt etwa 200 Meter südlich am vermeintlichen Notlager vorbei. Hier kam für Varus der Wendepunkt der Schlacht und sein Fluchtweg führte im 90 ° Winkel zur Egge. Johannes Gigas half damit im 16 Jhdt. auf kartographische Weise eine wichtige Argumentationslücke zu schließen, der sich entnehmen lässt, dass die Legionen zwar einen waldreiches Höhenrücken passieren mussten, jedoch nicht stolpernd durch undurchdringliches Unterholz irren brauchten, sondern zu den vermeintlichen Aufrührern einen unverdächtigen, da bekannten und karrentauglichen Weg nutzen konnten. Was mit Ptolemäus begann, Ortelius fortsetzte, durch Gigas bereichert wurde, führte Le Coq zu Ende in dem er die Bedeutung des Altwegedrehkreuzes auf der Eggehöhe nahe der "Alte Burg" ins Licht der Varusforschung rückte.

belgii veteris typus (PNG, 2,415 KB)
Die "Belgii veteris typus" von 1584
bildet die Rheinregion ab und beinhaltet:

Teutoburgum/Doesburg
Aliso /Isselburg et Aliso flu.
Arae Barbarorum
Teutoburgensis Saltus an der Berkelquelle
mit Berkel

germaniae veteris typus westteil (PNG, 1,025 KB)
Der Westteil der "Germaniae veteris typus" von 1587
bildet die Rheinregion ab und beinhaltet:

Teutoburgum/Doesburg "EINGEZEICHNET"
Aliso Castellum/Isselburg et flu."EINGEZEICHNET"
Arae Barbarorum "FEHLT"
Teutoburgensis Saltus und Berkel "FEHLT"

germaniae veteris typus (PNG, 2,539 KB)
Der Ostteil der "Germaniae veteris typus ostteil" von
1587 bildet die Weserregion ab und beinhaltet:

Teutoburgensis Saltus/Nethegau "NEU"

(17.02.2024)

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Dienstag, 6. Februar 2024
Auf die Forschung folgte die Kartographie - Abraham Ortelius widmete sich der Varusschlacht.
Wenn man das Wissen um die Örtlichkeit der Varusschlacht nicht schon im 9. Jhdt. vertieft hatte, als die Corveyer Mönche eine Abschrift der Urhandschrift aus Fulda bekamen, so wissen wir doch dank der Vorarbeiten Otto von Freisings, dass man schon im 12. Jhdt. die Suche nach dem Varusschlachtfeld aufgenommen hatte, wenn man sie nicht sogar fortsetzte, das Thema also auch schon die Menschen im Mittelalter beschäftigte. Danach schien es lange Zeit so, als wäre das Interesse daran erloschen und auch der 1464 verstorbene Kartograph Nikolaus von Kues ein früher Humanist sparte das Thema Varusschlacht noch aus. Mit Beginn der Renaissance als man begann sich der Bedeutung von Kunst und Literatur bewusst zu werden, brach eine neue Zeit an und damit wuchs auch das Interesse am Besitz alter Schriften. Und als man die Bibliotheken Italiens gründlich untersucht hatte, warf man den Blick über die Alpen. Die näheren Umstände sind nicht bekannt, aber es war entweder 1507 oder 1508 als man in Corvey die Tacitus Annalen aus dem 9. Jhdt. einem päpstlichen Steuerbeamten aushändigte. Er trat als weltlicher Gelehrter auf und es dürfte sich bei ihm um Niccolo Niccoli  gehandelt haben, der sie wie man sagt gestohlen haben soll. Ein schwer nachvollziehbarer Vorgang und unklar bleibt, ob man es damals schon gegen die Zusage tat eine Kopie zurück zu bekommen, man in Corvey an den Annalen kein Interesse hatte, Geld geflossen ist oder man sie wie überliefert auf andere Weise aus dem Kloster „schleuste“. Aber was wäre passiert, hätte man im Kloster die Annalen dem freundlichen Herrn aus Italien nicht übergeben hätte. Wäre es nicht so gekommen, dann müsste man sich Gedanken darüber machen, ob man in Corvey die Annalen die nächsten Jahrhunderte so aufbewahrt hätte, wie wir es uns heute wünschen würden. Ob behütet für die Ewigkeit an einem sicheren und unzugänglichen Orte unter klimatisch besten Bedingungen, oder vernachlässigt in feuchten Kellern im Überschwemmungsbereich der Weser und einem steten Verrottungsprozess ausgesetzt. Sie hätten auch im Zuge kriegerischen Wirren zerstört werden oder auf alle erdenkliche Weise verschollen gehen können und wären somit möglicherweise nie an die Öffentlichkeit gelangt. Es sollten, wie etwa der Dreißigjährige Krieg noch viele Schlachten und Kämpfe und auch die Hexenverfolgung über Corvey hinweg fegen und auch brennende Bücher können Landsknechte oder napoleonische Soldaten im Winter warm halten. Und dann könnte man in diesem insgesamt negativ erscheinenden Zusammenhang zu dem Schluss kommen und sagen „um Himmels Willen“ wurden sie „Gott sei Dank“ noch rechtzeitig in ihr Ursprungsland zurück geholt. Im Zuge der „Mitnahme“ verbrachte man sie in den sonnigen trockenen und milden Süden wo das Mittelmeerklima für bessere Bedingungen sorgte als das Nebel verhangene Wesertal. Und in ihrem Heimatland Italien würdigte man die Annalen vermutlich auch mehr und maß ihnen die Bedeutung zu die ihnen zustand. So entgingen sie auch der Gefahr von einer willkürlichen Obrigkeit oder einem Mob der hinter Vielem ketzerisches Wirken vermutete, vernichtet zu werden. So müssen wir uns vielleicht posthum bei dem damals in Corvey vorstellig gewordenen Interessenten für seine Tat sogar noch bedanken. Man entwendete die Tacitus Annalen 1507/1508, also noch Jahre bevor die Bücher von Cassius Dio erstmals durch Henricus Stephanus (editio princeps) 1548 in Paris heraus gegeben wurden. Man könnte sagen, dass sich in dieser Zeit die Ereignisse überschlugen, denn nur 18 Jahre später entdeckte Beatus Rhenanus 1515 im Kloster Murbach ebenfalls einer Benediktinerabtei die Schriften von Paterculus. Sie gingen zwar im Original verloren, überlebten aber in einer Abschrift in Basel. Da die Werke von Florus bereits im Mittelalter bekannt waren und somit auch seine Überlieferungen zur Varusschlacht, standen den Gelehrten bis zur Mitte des 16. Jhdt. alle für die Bewertung der Varusschlacht bedeutsamen Schriften zur Verfügung. Die von Cyriacus Spangenberg 1572 verfasste Mansfelder Chronik bestätigt es, denn sie verdeutlicht den historischen Wissenstand der Zeit, da darin mit Plinius, Sueton, Tacitus, Dio, Paterculus, Florus und Strabo bereits jene antiken Berichterstatter die auch für die Varusforschung relevant sind zitiert werden und geht im Rahmen der Überlieferung auf sie ein und erwähnt zu dem auch den Teutoburgiensi saltu. Der Schlacht am Angrivarierdamm widmete er sich jedoch im besonderen Maße stützt sich dabei auf Quellen unbekannter Herkunft und bringt auf dieser Basis sogar seine Vorstellungen zur Örtlichkeit und zum Schlachtverlauf in die Chronik ein. Das er es nach dieser langen Zeit dem Volksmund entnommen haben könnte darf man ausschließen, so dass die Vermutung nahe liegt, dass ihm schriftliche Unterlagen in lateinischer Sprache vorgelegen haben könnten, wobei er als Theologe auch einen Zugang in die Klosterbibliotheken der Zeit gehabt haben könnte. Bezüge zur Örtlichkeit der Varusschlacht lassen sich bei ihm nicht entdecken aber die Möglichkeit, dass man sich im 16. Jhdt. zur Örtlichkeit der Schlacht am Angrivarierdamm schriftlich geäußert haben könnte weckt auch den Verdacht, dass es nähere Berichte zum Verlauf der Varusschlacht gegeben haben könnte.
Aber über allem stand der wie in Stein gemeißelte Satz des nach 122 + verstorbenen Historikers Sueton „Quintili Vare, legiones redde = Quintilius Varus, gib die Legionen zurück“ der ohne einen Bruch erlebt zu haben, die Zeiten überdauert hatte. Möglicherweise entdeckte man Teile der Textsammlung von Cassius Dio sogar nahezu zeitgleich mit den Tacitus Annalen, denn diese erschienen in einer italienischen Übersetzung von Nicolo Leoniceno bereits 1526, dürften also bereits davor existiert haben. Da Cassius Dio nur wenige und Florus oder Paterculus gar keine Hinweise hinterließen aus denen sich engere Bezüge zur Schlacht entnehmen lassen, traten diese im Gegensatz zu den Tacitus Annalen aus kartographischer Sicht in den Hintergrund. Das es ausgerechnet der in seiner Person umstrittene Papst Leo X war, der die Veröffentlichung der 1507/1508 entwendeten Tacitus Annalen veranlasste in dem er Filippo Beroaldo den Jüngeren in seiner Funktion als Präfekt der Vatikanischen Bibliothek beauftragte sie 1515 zu drucken, lässt sich schwer mit seinem Wirken und seiner Lebensführung in Einklang bringen. Vermutlich wegen der voraus gegangenen Illegalität schickte er aus Gewissensgründen ein frühes Faksimile nach Corvey zurück, deren Existenz 1517 als Franz von Ketteler noch Fürstabt von Corvey war bestätigt wurde. Während des 30 jährigen Krieges ging es verloren womit sich die geäußerten Befürchtungen bestätigten, was die sichere Einlagerung in Corvey anbetrifft. Aber dank der noch erhaltenen seinerzeit entwendeten Originalhandschrift die im Eigentum der Familie de Medici verblieb, kann sie heute noch in der Bibliotheka Laurenzia in Florenz eingesehen werden. Somit gelangte bereits eine Reproduktion in die Reichsabtei Corvey noch bevor bei Beatus Rhenanus 1519 die Tacitus Annalen in Druck gingen, die dann in der Renaissance große Verbreitung fanden. Was in diesem Zusammenhang verwundert ist, dass Ulrich von Hutten die 1507/1508 in Corvey entwendeten Tacitus Annalen bereits 1515 im Jahr des Druckauftrages in Rom einsehen konnte, also noch bevor sie Corvey erreichten und 1519 in Basel gedruckt wurden. Ob es ein Zufall war, dass Ulrich von Hutten auf sie stieß oder er sich explizit darum bemühte mag zweitrangig sein, deutlich wird jedoch wieder das überaus starke Interesse der deutschen Humanisten am Inhalt der Schrift. Vielleicht schlug in diesem „Huttenjahr“ 1515 auch die Stunde für die Erforschung der Varusschlacht samt Verlaufsgeschichte und Örtlichkeitssuche. Zu den Humanisten die sich in der Varusschlacht ein Forschungsgebiet erschlossen hatten gesellten sich auch die Kartographen die sich bemühten den Wissensstand der Zeit zu Papier zu bringen. Nach der Entdeckung der hinweisgebenden Tacitus Annalen rückte es in den Bereich des Möglichen den Ort der Varusschlacht, wenn nicht ausfindig zu machen, so aber doch einzugrenzen. Um auf der Höhe von Diskussion und Erkenntnis zu bleiben suchten die Kartographen den Kontakt zu jenen Personen die sich dieser Thematik verschrieben hatten, bis insbesondere einer von ihnen selbst zum Forscher wurde. So tastete man sich im Team nach vorne und es bahnte sich unter ihnen eine spannende Allianz an um dem Schlachtfeld auf die Spur zu kommen. Man wendete für die bildliche Darstellung bereits die neuen Technologien an wodurch sich auch die Lage der Räume sowie die Distanzen zueinander besser verdeutlichen ließen. Im Zuge der Publizierung der Annalen 1519 wurde die Thematik aus den unterschiedlichsten Beweggründen aufgegriffen, ihr Inhalt öffnete sich weiten Bevölkerungsschichten in Italien und Mitteleuropa und alle interessierten Kreise konnten sich nach Kräften an der Suche beteiligen. Man zögerte nicht lange und sollte annehmen, das das Zielgebiet der Varusschlacht, das den Corveyer Mönchen die den Ereignissen noch um ein vielfaches näher standen schon seit dem 9.Jhdt. bekannt gewesen sein dürfte und es sich nun rund 600 Jahre später im Groben abstecken ließ. Aber dem war nicht so, denn in der damaligen Forschungslandschaft herrschte trotz der den Annalen entnehmbaren Deutlichkeit hinsichtlich der Verortung Uneinigkeit, die sich auch auf die frühe Kartierung auswirkte. Denn obwohl sich die Tacitus Annalen aus Rom möglicherweise schon ab 1517 wieder in Corvey befanden und nach 1519 auch die Druckerzeugnisse aus Basel für die Interessierten einsehbar waren, vertrat der Historiker Georg Spalatin im Jahre 1535 immer noch die Auffassung die Varusschlacht habe sich aufgrund des Gleichklangs des Wortes Teutoburg in Duisburg zugetragen. Ein Hinweis darauf wie lange und wie schwer sich die Forschung trotz besseren Wissens dank neuester Erkenntnisse noch tat, die Varusschlacht da zu verorten wohin die Tacitus Annalen den Fingerzeig hin richteten. Was aber die Kunst der Kartenmalerei anbetraf so sprechen wir hier von keinem anderen als vom gebürtigen Antorffer Abraham Ortelius, dass sich heute Antwerpen nennt. Um die Mitte des 16. Jhdt. hatte er einen großen Kreis an Humanisten um sich geschart, bzw. man hatte seine Nähe gesucht, stand untereinander im regen Austausch und versorgte sich gegenseitig mit Informationen. In dieser Phase käme für Ortelius auch besagter Georg Spalatin als Zuträger und Diskutant infrage, der für ihn ebenfalls ein Ideengeber gewesen sein könnte, obwohl er eine andere Ansicht zum Schlachtverlauf vertrat und es mag noch viele andere sich widersprechende Überlegungen gegeben haben. So wird sich der wissenschaftliche Gedankenaustausch auf schriftlicher und persönlicher Ebene über viele Jahre hingezogen haben in der Ortelius auf die Unterstützung und Zuarbeit namhafter Gelehrter angewiesen war und er dürfte und musste sich um seine ehrgeizigen Ziele erreichen zu können auch in die Abhängigkeit einflussreicher Personen folglich Geldgeber begeben haben, sodass er auf deren Vorstellungen und Meinungen einzugehen hatte. Es war auch eine Zeit in der die Neuentdeckungen im Zusammenhang mit der Varusschlacht sprichwörtlich an Fahrt aufnahmen. Die Bedingungen hatten sich verbessert was durch eine verstärkte Reisetätigkeit innerhalb der Oberschicht zum Ausdruck kam. Das Thema faszinierte, das Interesse wuchs und man weckte den Bedarf. Aber damit nahmen auch Rivalität und Einflussnahme zu was zu Interessenskonflikten führte, denen sich die frühe Kartographie ausgesetzt sah. In dieser Epoche war der Kartograph Abraham Ortelius zwar eine unbestrittene Autorität und Koryphäe seines Faches weit über Flandern hinaus, musste aber auch diesen Gegebenheiten Rechnung tragen. Er wurde im April 1527 geboren, trat 1547 der Antwerpener Sint Lukasgilde bei, übte den Beruf eines Karten- und Buchhändlers aus und bildete sich zum Kartografen weiter. 22 Jahre später im Alter von 43 Jahren publizierte er am 20. Mai 1570 in Gestalt des ersten je in Europa erschienenen Atlanten im Sinne zeitgemäßer Auffassung auch gleichzeitig sein erstes Eigenwerk auf Grundlage einer umfänglichen Sammlung von Karten die er dafür zusammen getragen hatte. Eine Leistung die nach Tacitus nicht nur einen weiteren Meilenstein im Sinne der Varusschlachtforschung setzte, sondern auch deutlich machte welchen Weg die Entwicklung nahm und wie sie voran schritt nachdem 1519 die Annalen in Umlauf kamen und die Theorien begannen aus dem Boden zu schießen. Ortelius war vielseitig, schrieb nicht nur Werke zur alten Geschichte und Numismatik, sondern war auch der erste der die Kontinentalverschiebung entdeckte. Man nennt ihn auch den Erfinder des Atlasses, eine Bezeichnung die zu seiner Zeit noch den Namen Theatrum trug. Mit zahlreichen heimischen und auswärtigen Gelehrten stand er im regen Austausch, konnte den Kenntnisstand der Zeit nutzen und abwägen und auch vieles Ungeschriebene und uns heute Unbekannte aufgreifen und verarbeiten. Besucher sollen sich bei ihm wie in einem Museum gefühlt haben. So verfügte er zwangsläufig über Quellen von denen heute nicht klar ist ist wo er sie auftat, von wem sie stammten und wo sie abgeblieben sind, verblüffte mit seinem Wissen die Fachwelt bis in unsere Zeit und ließ sie über einige seiner Verortungen rätseln. Mit dem Einstieg in die verbesserte Methodik der Kartographie und dem neu gewonnenen geographischen Wissensstand stieg die Präzision der Darstellung und man näherte sich dem an, was heute die Höhendraufsicht, also die Luftaufnahme leistet. Aber was tat Abraham Ortelius bzw. wie floss das Wissen nach dem Fund der Annalen in sein Kartenwerk ein. Vergleichbar mit dem Spürsinn den uns Tacitus abverlangt hat um seine lateinischen Wortfindungen richtig deuten zu können, haben wir uns nun in die Vorgehensweise von Ortelius einzuarbeiten, der sich erstaunliches entnehmen lässt, was sich in zwei Schritten vollzog aber letztlich zusätzliche Indizien für das Varusschlachtfeld liefert. Mit dem ebenfalls aus Flandern stammenden 1512 geborenen und 1594 verstorbenen Gerhard Kremer der sich später Gerardus Mercator nannte und der 1569 auf Basis des neuen Wissensstandes die kugelförmige Erde auf die Ebene projizierte, stand Ortelius in enger Verbindung. Seine Schlussfolgerungen dürfte er mit Ortelius geteilt haben. Und obwohl Mercator mit ihm und seinem Werk in kritischen Dialog stand würdigte er es. So äußerste er auch Kritik an seiner Vermischung von Wahrheit und Unwahrheit, wodurch die tatsächlichen Realitäten verwischt worden sein sollen. Es wird jedoch nicht deutlich, ob damit auch Verortungen gemeint sind die sich auf Begriffe beziehen die er dem antiken Vokabular der Tacitus Annalen entnommen hatte. Was an seiner Kartographie faszinierte und wie bahnbrechend wirkt ist die Tatsache, dass er es sich sogar zutraute sie zu positionieren. Dadurch wird deutlich, dass Ortelius mit Historikern in Verbindung stand von deren Ansichten er sich leiten ließ. Atlanten sind immer Objekte die der Forschung dienen, wie es besonders in der Geographike Hyphegesis des Ptolemäus zum Ausdruck kommt und die auch wie in diesem Fall bei der Aufhellung historischer Ereignisse helfen können. Ortelius leistete Basisarbeit und schuf ein umfängliches Kompendium sah sich selbst aber in erster Linie als Sammler seiner Zunft. Er nahm in alle erreichbaren Bibliographien der Zeit Einblick, kannte die meisten, legte dann die für ihn geeigneten seinen Kartenwerken zugrunde und reicherte sie mit dem Wissen der Zeit an. Sein Hauptwerk bestand aus 53 Kartenblättern und er veröffentlichte es unter dem Namen „Theatrum Orbis Terrarum“. Im Jahr 1584 ergänzte er es mit dem Nebenwerk Karte 6 „Belgii veteris typus“ und 1587 bzw. nach Meurer 1590 erschien die 19. Karte „Germania veteris typus“. Karten die die Varusforschung bis heute stark inspirieren und die Türen für diverse Spekulationen geöffnet haben. Damit gelang ihm der Durchbruch in eine neue Ära der Kartographie und er erfuhr Würdigung in höchsten Kreisen. In den Jahrzehnten danach ergänzte er sein Werk mit zahlreichen Einzelkarten und Nachträgen. So erfuhr auch die Karte „Belgii Veteris typus“ 1595 noch einen Neustich, aber ohne das eine inhaltliche Abweichung zum letzten Ausgabejahr 1590 erkennbar war. Er prüfte jeweils seine Vorlagen, optimierte sie nötigenfalls und legte auf die Deutlichkeit der Darstellung großen Wert, veränderte dabei aber gelegentlich auch die Schreibweisen lateinischer Namen. Großräumige Landkarten konnten in dieser Zeit die Details und Feinheiten der Landschaft und ihrer von der Natur geprägten Ausgestaltung noch nicht abbilden. So bestanden sie zu seinen Lebzeiten noch vielfach aus Phantasie und Spekulation, zeichnerisch gestaltete zeitgemäße Elemente die miteinander verschmolzen, aber nicht dem Wahrheitsgehalt dienten. Für die Varusforschung begann es interessant zu werden als Ortelius 1584 die Karte „Belgii veteris typus“ veröffentlichte und mit keinem anderen Kartenwerk gelang es die Varusforschung mehr zu irritieren als mit dieser einschließlich seiner Nachträge, sowie der später erschienenen Karte „Germaniae veteris typus“. Er verortete darin die Siedlungsgebiete germanischer und keltischer Stämme, Flussverläufe, Gebirge, Waldgebiete und platzierte dazu die antiken Namen so wie sie sich zu seiner Zeit recherchieren ließen und Tacitus sie in seinen Annalen erwähnt hatte. Insbesondere sind es die magischen Worte „Teutoburgiensis saltus“, „Aliso“ und „Aliso Fluss“ die er in sein Kartenwerk übertrug. Was im Wesentlichen erstaunt ist die Feststellung, dass er die Namen auf die Ostseite des Niederrheins ins westliche Münsterland rückt kurz bevor dieser die heutige niederländische Grenze passiert und somit auch die Geschehnisse um die Varusschlacht dort spielen lässt, obwohl er es schon hätte besser wissen müssen. Dort trug er u.a. die Siedlungsgebiete der Usipeter, Tubanten und Amsivarier und das auch nach heutigem Wissenstand relativ korrekt ein. Unklar bleibt jedoch, dass er völlig auf die Nennung der Cherusker verzichtete die im Zusammenhang mit der Varusschlacht eine heraus ragende Rolle gespielt haben. Es scheint als ob die Cherusker seine Theorie von einer Varusschlacht in relativer Nähe zum Rhein ins Wanken gebracht hätte da die antiken Historiker sie deutlich mit der Weser in Verbindung brachten. Das von ihm verwendete Wort „Teutoburgium“ wird zu einem weiteren Rätsel, da uns Tacitus diese Worte nur in der Schreibweise „Teutoburgiensi saltu“ hinterlassen hat, aber an keiner Stelle als einen einzelnen Ortsnamen. Aber nicht nur das, Ortelius lokalisiert es sogar und verortete es in etwa da, wo sich heute der niederländische Ort Doesburg an der Jssel befindet was auf Spalatin hindeuten könnten der in der jeweiligen Erstsilbe eine Identität erkannte. Der Ort wo die Jssel vermutlich zu Römerzeiten in den Drususgraben mündete. Vielleicht hatte Mercator in diesem Fall mit seinem Vorwurf recht. Als „Teutoburgium“ ist es uns nur eine Bezeichnung aus ptolemäischer Feder bekannt und ließ sich als ein Kastell „Teutoburgium“ an der Donau aufspüren. Ortelius nutzte also in diesem Fall für sein Kartenwerk nicht nur das Grundwissen von Tacitus, sondern auch das von Ptolemäus. Aber Ortelius verwendete wie man am Beispiel der Cherusker erkennt nicht alles von dem was Tacitus inhaltlich hinterließ, denn auf den engen Zusammenhang der geographischen Bezugspunkte der von ihm genannten Flussnamen Lippe, Ems und Weser ging er ebenfalls an keiner Stelle in seiner Karte „Belgii veteris typus“ ein, wodurch er zu anderen Schlussfolgerungen hätte gelangen müssen. So legte Ortelius „Aliso“ das die neuzeitliche Forschung aufgrund der taciteischen Hinweise nahe den Oberläufen von Ems und Lippe ansiedelt zwischen Doetinchem und Isselburg und den „Teutoburgiensi saltu“ der sich nach Tacitus unweit der Oberläufe dieser beiden Flüsse befunden haben soll, verschob Ortelius ins Quellgebiet der Berkel nahe Billerbeck, die sich damals Berckela nannte. Es will nicht zu Ortelius passen, der sich um ein gewissenhaftes Quellenstudium bemühte und so darf man sich die Frage stellen, wovon er sich leiten besser gesagt verleiten ließ und was ihn bewogen haben könnte als er sich entschied Teile der Annalen von Tacitus in dieser Hinsicht zu ignorieren. Folglich ist Hintergrundrecherche zu seinen Motiven angesagt die ihn dazu gebracht haben könnten die Varusschlacht von der Wesernähe ins westliche Münsterland zu rücken. Die nicht bestatteten Knochen der Legionäre befanden sich nach Tacitus vor ihrer Bestattung in der Nähe einer Örtlichkeit mit Namen „Teutoburgiensi saltu“ die sich großräumig zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe und Weser befand, den aber Ortelius nahe Billerbeck eintrug. Tacitus schrieb des Weiteren, dass man nach der Varusschlacht das Gebiet zwischen dem Kastell „Aliso“, das Ortelius zwischen Doetinchem und Isselburg einzeichnete und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschlossen und gesichert hat. Aber von Isselburg wo Ortelius „Aliso“ verortete bis Rees am Rhein liegen nur magere 10 Kilometer. So erschließt sich weder der Sinn, warum Rom dort neue Heerstraßen und Dammwege hätte erschließen und sichern sollen, als das sich auch wieder die Frage stellt, warum es für Ortelius hier nur zu einem halbherzigen Quellestudium reichte. Ein weiterer Blick auf die Landschaft zwischen Berkel und Issel verrät, dass diese rheinnahe Region zum zentralen Aufmarschgebiet der Xantener Legionen zählte, in der sie nach Belieben agieren und ihre von Gewalt bestimmte Siedlungspolitik ausüben konnten. Billerbeck befindet sich nur 28 Kilometer nördlich des großen römischen Lagerplatzkomplexes von Haltern von wo aus die Distanz zum römischen Rheinkastell Xanten 67 Kilometer beträgt. Sich hier im ebenen Münsterland eine siegreiche und zudem von den entfernt lebenden Cheruskern eingefädelte Hinterhaltstrategie vorzustellen fällt ebenso schwer wie die abwegige Vorstellung die Schlacht könne sich östlich von Bramsche nahe Kalkriese zugetragen haben. Hinzu kommt der fehlende Kontext in Bezug auf die späteren Germanicus Rachefeldzügen sowie der Standort der zwei Asprenas Legionen die zwischen dem Schlachtgebiet und Xanten operiert haben sollen, die Varus nicht zu Hilfe kommen konnten oder wollten und sich statt dessen in das römische Kastell Xanten zurück zogen und die Rheinbrücke hinter sich abbrachen um sich vor möglichen germanischen Einfällen zu schützen. Die „Schwemme“ an antiken Schriften von Tacitus, Dio und Paterculus in der ersten Hälfte des 16. Jhdt. mag seinerzeit die Geschichtsfreunde und mit ihnen die Kartographen überrascht wenn nicht sogar überfordert haben. Aber kopierte Exemplare werden auch nicht über Nacht für alle verfügbar gewesen sein, sodass die Auswertung noch weitere Jahre in Anspruch genommen haben dürfte. Ein Grund dafür, dass es um die Mitte des 16. Jhdt. was Bezüge zur Varusschlacht anbelangt ruhig bestellt war und sich die Kartographie erst später an den neuen Erkenntnissen bedienen konnte. Aber nicht nur was die Verortungstheorien hinsichtlich der markanten "Varusschlagworte" anging überschlugen sich möglicherweise in der zweiten Hälfte des 16. Jhdt. die Dinge. Der junge Ortelius mag sich anfänglich auch unschlüssig gewesen sein und musste vorsichtig sein welchen Historikern er sich, was seine Karte „Belgii veteris typus“ anbetrifft zuwenden wollte. Aber ungeachtet dieser Theorie veröffentlichte er seine Karte „Belgii veteris typus“ 1584 noch mit den Hinweisen die man ihm gegenüber bis zur Veröffentlichung gegen Ende des 16. Jhdt. gegeben hatte wonach die Flüsse Issel und Berkel im Zentrum der Varusschlacht gelegen haben sollen. Aber Fortschritt und Zeitgeist entschieden schnell und schon nach kurzer Zeit, vielleicht sogar schon während die Karte in Druck ging dürfte sie überholt gewesen sein. Trotzdem stößt jeder der sich mit Ortelius und der Varusschlacht näher beschäftigt zunächst auf seine Karte „Belgii veteris typus“ so wie es auch die freie Enzyklopädie vorschlägt. Das es aber von Ortelius noch eine weitere und weitaus zielführendere Karte gibt, in der er sich erneut mit dem Thema Varusschlacht beschäftigt hatte, stieß in der Forschung auf weniger Gehör. Da sich der Wissenstand auch damals stetig verbessert haben dürfte, schien auch die damalige Annahme das Varusereignis habe sich nahe Issel und Berkel zugetragen nicht von Dauer gewesen zu sein. Wie sich die neuen Ansichten verbreiteten entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen, es könnte aber eine Person die Wege von Ortelius gekreuzt haben die ihn mit neuen Informationen versorgt hat und ihn damit überzeugen konnte. In Verdacht gerät dabei ein Mann, mit dem er vermutlich auch beruflich in Verbindung gestanden haben könnte. Dieser Kontakt könnte ihn dazu bewogen haben, dass er wie sich noch zeigen wird in vorsichtigen Schritten von seinen früheren „Issel/Berkel“ Ansichten abrückte und jetzt eine andere Region ins Auge fasste. So warf er seine bisherigen Überzeugungen über Bord und folgte der neuen Denkweise. Die Annalen hatten ihre Wirkung nicht verfehlt und er griff die sich daraus ergebenden Erkenntnisse auf, so dass er sich und das relativ kurzfristig genötigt sah zu reagieren. Die Mehrheit der Humanisten hatte sich dem bereits angeschlossen und er entschied sich dies bei seiner nächsten Drucklegung mit einfließen zu lassen. Eine auf Tacitus basierende These die zu dem Ergebnis führte, die Varusschlacht nahe der Egge im Nethegau suchen zu müssen.(06.02.2024)

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Sonntag, 21. Januar 2024
Wo suchte die Renaissance die Varusschlacht - Die Humanisten waren auf dem richtigen Weg.
Ohne Otto von Freising der uns in der ersten Hälfte des 12. Jhdt. eines besseren belehrte hätte man den Eindruck gewinnen können, als ob das Mittelalter eine Epoche war in der man der Varusschlacht keine Bedeutung beimaß. Das so genannte Mittelalter ist eine im Grundsatz zeitlich nicht definierbare Zeitspanne weswegen man ihr Ende auch an geschichtlichen Großereignissen wie etwa der Entdeckung Amerikas 1492 oder dem Tod von Kaiser Maximilian 1519 festmachte, interessierte sich demnach nicht nur für unterhaltsame Drachentöter Geschichten, sondern auch für die realen Dinge der Vergangenheit. Aber nach Otto verging viel Zeit bis man sich wieder mit der Varusschlacht beschäftigen wollte. Genau 204 Jahre mussten zwischen seinem Tod im Jahr 1158 und dem im Jahre 1362 geborenen und aus dem 32 km östlich von Corvey gelegenen Einbeck stammenden Lateinlehrer Dietrich Engelhus vergehen bis uns dank seiner schriftlichen Aufzeichnungen wieder Informationen zur Schlacht vorliegen die etwas Licht auf die alte Großtat warfen. Durch seinen Tod im Jahre 1434 verpasste er den Wiederfund der Tacitus Annalen im Jahre 1507/1508 und so konnte er sich nicht an den Auswertungen beteiligen. Dadurch entgingen ihm zwangsläufig auch die darin enthaltenen geographischen Hinweise zum Austragungsort und gelangte zu der abweichenden Schlussfolgerung ihn in Mainz zu suchen. Was aber hier mehr überwog war weniger seine Theorie die sich später als unzutreffend erwies, als unsere Verwunderung darüber was auch bei ihm den Ausschlag gegeben haben könnte dieses aus seiner Sicht über 1300 Jahre zurück liegende Ereignis wieder aufzugreifen, mit dem auch wir uns über 2000 Jahre nach der Schlacht immer noch beschäftigen. Allerdings ohne geographische Hinweise zu hinterlassen so wie es Tacitus tat, beschäftigten sich auch andere antike Historiker mit dem Thema Varusschlacht, sodass es seit jeher durch die Jahrhunderte geisterte. Auf diesen Wegen dürfte das spärliche Wissen auch bis zu Engelhus durchgedrungen sein, der es in seiner zwischen 1419 und 1429 erschienen „Chronica nova“ verarbeitete und es mit Mainz verband. Der Gedanke an die Schlacht war nicht tot zu kriegen und es ging von ihr immer noch eine unerwartete Strahlkraft aus, so dass sich Ereignis in der Geisteswelt des ausgehenden Mittelalters immer noch einer hohen Beliebtheit erfreute. Resümierend lässt sich sagen, dass auch in einer Zeit als die Deutschen Ordensritter noch in Ostpreußen kämpften und die Annalen des Tacitus in Corvey irgendwo unter Verschluss lagen oder in verstaubten Regalen standen, die gebildeten Bevölkerungsschichten die antiken Schriften nicht aus der Hand gelegt hatten. In der Zeit nach dem 9. Jhdt. als die Corveyer Tacitus Annalen in Vergessenheit geraten waren ist festzustellen, dass es neben anderen uns unbekannten Überlieferungen vor allem die Schriften von Sueton und Florus waren, die das Interesse an die Schlacht wach hielten. Sie waren offensichtlich nördlich der Alpen weit verbreitet, sodass sich aus ihrem Inhalt der nichts an seiner Attraktivität verloren hatte schöpfen ließ. Daraus, dass sich selbst ein Einbecker Lateinlehrer wie Engelhus von diesem Thema angesprochen fühlte lässt sich schließen, dass das alte Ereignis wenn auch sicherlich nicht überall, so doch mit zum Lehrstoff in manchen Stadtschulen seiner Zeit gezählt hatte. Man kann zudem daraus schließen, dass man sich ungebrochen, also auch in den zwei Jahrhunderten die davor lagen mit der Schlacht auseinander gesetzt hatte. Wenn auch nebulös und durchsetzt mit viel Unkenntnis hatte sich das Wissen über diese Schlacht erhalten können und bewegte die Gemüter zu allen Zeiten auf eigenartige Weise. Man möchte das neu entstandene Interesse an ihr gerne mit dem in der Renaissance erwachten germanophilen Zeitgeist begründen, hätte es da nicht schon im zwölften Jahrhundert einen Otto von Freising gegeben. Wissen das sich verbreitet hatte, lange bevor den Humanisten der große Sprung nach vorne gelang und man zusätzlich zu Tacitus auch noch die Schriften von Cassius Dio und Paterculus entdeckte, sie intensiv studierte vor allem aber miteinander verglich und auswertete. Nach Engelhus betraten weitere „erbarmungslos“ fortschrittliche Humanisten der Renaissance die Bühne des Zeitgeschehens. Sie kannten kein Pardon, rüttelten am Althergebrachten vor allem aber besannen sich wieder der Antike. Dazu gehörte, dass sie sich auch an das scheinbar sorgsam gehütete Tabuthema wie jene Verbindung zwischen Arminius und der vermutlich später zu seinen Ehren errichteten Säule heran wagten. Am Vorabend der Reformation war es eine gewagte Zeit historische Forschungen unter Wahrung religiöser Überzeugungen zu betreiben. Ungeachtet dessen tastete sich im 16. Jhdt. eine mutige und wissensdurstige Schar Humanisten, die sich trotz anfänglicher Fehltritte kaum beirren ließ langsam wieder an die einstigen Geschehnisse auf der Suche nach den Örtlichkeiten heran. Etwa Georg Spalatin, ein Sammler römischer Quellen der mit Lucas Cranach dem Älteren, Philipp Melanchthon und Erasmus von Rotterdam in Verbindung stand. Ihm wird nachgesagt, er habe die Rettung von Martin Luther organisiert und auch mit ihm widmete sich nach Engelhus wieder ein Theologe der „Clades Variana“. Aber bis zur Varusschlacht im Nethegau sollte es noch ein weiter Weg sein. Spalatin wird der Satz nachgesagt Arminius „von hertzen lib“ zu haben und war wie man heute sagen würde der Medienberater von Martin Luther. Und obwohl Spalatin einer derjenigen gewesen sein sollte ja sogar müsste, der die 1507/8 in Corvey wieder entdeckten Tacitus Annalen las oder ihren Inhalt gekannt haben sollte, da sie 1517 in gedruckter Form wieder zurück nach Corvey gelangten und aus denen die geographischen Hinweise zu Ems, Lippe und Weser hervor gingen war er der letzte Humanist, der immer noch die Auffassung vertrat, der Ort der Schlacht habe sich am Rhein bei Duisburg, statt in Ostwestfalen befunden. Erst der 1485 in Lippstadt geborene Priester und Humanist Johannes Cicinnius der auch Johannes Kruyshaer genannt wurde und dem Benediktinerkloster Essen – Werden nahe stand war es der, man möchte fasst sagen endlich als erster die „geographische Wende“ in der Varusforschung einleitete. Ihm ist 1539 nachweislich der deutliche Zusammenhang zwischen den Informationen aus den Tacitus Annalen und dem Osning aufgefallen was voraus setzt, dass er sie gekannt also gelesen haben musste. Unter dem Titel: „VAn der niderlage drijer Legionen vn[d] meren Römische[n] krijgßfolcks/ mit jrem Capitaneo Quintilio Varo/ by tyden der gebort Christi/ vnd Julio Cesare/ vnd Octauiano Augusto/ gescheit in Westphalen/ tuschen den wateren der Emesen vnd der Lippen/ by den Retborge vnd jn der Delbruggen“ veröffentlichte er in diesem Jahr eine historische Abhandlung. Dem pflichtete auch der 1559 geborene Philipp Melanchthon bei während Martin Luther noch zum Harz tendierte. In dem man sich nun von Süddeutschland distanziert hatte und und vom Rhein abgerückt ist, hatte sich der Suchhorizont nur rund 20 Jahre nach der Rückführung der gedruckten Tacitus Annalen unübersehbar nach Ostwestfalen genau genommen zum Osning verschoben. Die gewachsene Erkenntnis beeinflusste den Forschergeist aber nicht nur hinsichtlich der Tatsache die Schlacht jetzt in Ostwestfalen suchen zu müssen. Bekanntlich spielt ein weiteres historisches Großereignis in die Varusschlacht Forschung hinein, dass auch die Humanisten beschäftigte. Es war jener seltsame Vorfall der Irminsul Zerstörung im Jahre 772 den man augenscheinlich mit in Betracht ziehen sollte, wenn man nach der Örtlichkeit der Varusschlacht Ausschau hält. In diesem Zusammenhang führt die Spur zu Georg Spalatin der die Schlacht noch auf Duisburg bezogen hatte, aber nach unserem Wissenstand der erste war dem der namentliche Zusammenhang auffiel. Er erkannte den Gleichklang von Irminsul und Arminius und kannte demnach auch den Inhalt der fränkischen Reichsannalen die maßgeblich von Einhard beeinflusst waren und in denen von der Irminsul die Rede ist die Karl unweit von Marsberg zerstört hatte. Er tat es in seiner Schrift „Von den thewern - Deudschen Fürsten Arminio“ (Wittemberg 1535), wobei man das Wort “thewern“ in einen Zusammenhang mit „teuren und hochgeschätzten“ sehen kann. Man kann Spalatin der statt dem Osning die Region Duisburg favorisierte daher nicht unterstellen neben den nahezu identischen Worten Irmin und Armin auch schon die beiden Schauplätze miteinander in Verbindung bringen zu wollen. So kann er nicht in Verdacht geraten die Stätte der Varusschlacht da suchen zu wollen wo einst die Irminsul stand, die zwischen Marsberg und Willebadessen gelegen haben soll und die sich nach dieser Theorie auf halber Höhe unweit von Borlinghausen befand. Hätte sich Spalatin den Inhalt der Tacitus Annalen zunutze gemacht der bereits zu seiner Zeit bekannt war, dann hätte dies dazu führen können, dass auch er von seiner Duisburg Theorie abgewichen wäre und sich den Meinungen der anderen Humanisten angeschlossen hätte die zum Osning tendierten. In diesem Fall wäre ihm dann auch die geographische Nähe zwischen dem Osning und der Irminsul Stätte nicht entgangen und hätte als früher Forscher der erstmals hier aufgestellten Theorie Pate gestanden. Er wäre dann der erste gewesen, dem die Verbindungslinie zwischen den beiden Austragungsstätten Varusschlacht am Osning und Irminsul am Osning schon vor 5oo Jahren aufgefallen wäre. Möchte man davon absehen, dass schon die Corveyer Mönche den Zusammenhang im 9. Jhdt. erkannten, dann wäre es auch Georg Spalatin gewesen, der sich in einer langen Reihe von Forschern aus vielen Disziplinen die auf ihn folgten schon der Frage gewidmet haben könnte, ob die Irminsul nicht ein Denkmal für Arminius gewesen sein könnte. Hätte Spalatin gar gewusst, dass die Sachsen unter denen sich auch Falen aus dem Nethegau befanden, die Vortigern im 5. Jhdt. in die einst Römische Provinz Britannia rief, die sich inmitten des heutigen London ansiedelt hatten die ihre Traditionen mitnahmen und u.a. „verantwortlich“ für den dortigen Straßennamen "Ermine Street" waren, dann hätte Spalatin dies mit für seine Theorie nutzen können. Vielen im Mittelalter und der folgenden Renaissance wirkenden Historikern war es nicht vergönnt sich bis unsere Zeit Gehör zu verschaffen oder blieben namenlos da sie nichts schriftliches hinterließen. Aber in gemeinsamer Anstrengung gelang es dann doch noch dank des Wegweisers Cicinnius den Austragungsort von Augsburg, Mainz oder Duisburg nach Ostwestfalen zu verlegen, wo er ihn sich zwar im Osning vorstellen konnte, aber dennoch die Region um die heutigen Städte Rietberg und Delbrück favorisierte wo er vermutlich annahm, das sich dort das Varuslager befunden haben könnte. Damit pirschte man sich langsam an den vermeintlichen „Teutoburgiensi saltu“ nahe Borlinghausen heran, während es in den letzten Stunden der Renaissance und kurz vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges der Historiker Johannes Gigas war, der noch 1616 die Legionen bei Oelde - Stromberg marschieren sah. Daran, dass nun die Mehrzahl der Humanisten die Auffassung vertrat die Schlacht habe sich an jenem Gebirgszug zugetragen der sich sichelförmig östlich um die Städte Rietberg, Delbrück oder Oelde wölbte lässt sich erkennen, dass man den Fächer zwischen Bielefeld und Scherfede im Visier hatte woran sich bis heute nichts geändert hat. Das die frühe Kartographie dem folgte und den neuen Wissensstand zum Anlass nahm nachzuziehen war zu erwarten. (21.01.2024)

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