Donnerstag, 2. Juli 2020
Was geschah im Frühjahr 15 + im Leinetal ?
Glauben wir Tacitus, dann blicken wir auf eine gescheiterte Militäraktion der Cherusker zurück, weil man einen als „Nachbarschaftshilfe“ für die bedrohten Chatten gedachten Angriff auf Germanicus bereits in der Vorbereitungsphase abbrechen musste. Aus welchen cheruskischen Stämmen oder Sippen sich diese Kämpfer zusammen setzten, welcher Gaufürst es angeordnet hatte oder über sie herrschte erfahren wir nicht. Aber nicht nur das, denn Tacitus berichtet uns auch noch von einem anderen Vorfall. Nämlich von der Belagerung der Segestesburg einem Ereignis, dass sich wie es den Anschein macht nahezu zeitlich zum Erstgenannten ereignete. Und in beiden Fällen waren es Kämpfer aus dem Volk der Cherusker. Wir lesen also von zwei Geschehnissen die sich fasst parallel zueinander im Frühjahr 15 + vollzogen. Aber waren es auch voneinander getrennte zeitgleiche Ereignisse. So kann und muss man sich auch der Frage widmen, ob nicht beide Handlungsabläufe so eng mit einander in Verbindung standen, dass man darin sogar eine Verbindungslinie und eine gewisse Identität erkennen könnte. Gab es da einen gemeinsamen Hintergrund, Auslöser oder Ursprung und standen da etwa die Ereignisse in einem viel näheren Zusammenhang als es auf den ersten Blick den Eindruck macht. Aber so wie uns Tacitus die Abläufe in zwei verschiedenen Kapiteln überliefert, müssen sie auf uns wirken, als ob es zwei räumlich und zeitlich also unabhängig voneinander verlaufende historische Prozesse gewesen wären. Zum einen waren es Cherusker die Segimund gegenüber Germanicus zu einer Gefahr für seinen Vater und seine Familie hoch stilisierte und in denen Tacitus Belagerer sah und zum anderen ein Kontingent Cherusker das eingeschüchtert von Caecinas Erfolg in der Marserschlacht nun den Chatten nicht mehr beistehen wollte. Für Belagerer hätte Tacitus vielleicht auch den Namen „oppugnator oder oppugnatorem“ verwenden können aber er umschrieb es, weil er sich vielleicht nicht so sicher in der damaligen Begründung war. Aber Tacitus konnte oder wollte auf Basis dessen, was er über Segimund nachlesen konnte auch nichts anderes daraus ableiten, als dass es sich um Belagerer gehandelt haben musste, die die Segestes Burg abgeschnürt, abgeriegelt, oder isoliert sprich belagert haben sollen. Aber was war denn da los im Frühjahr 15 + im heutigen Süden Niedersachsens. Das die einen Cherusker gegen Germanicus kämpfen wollten, während die anderen die Burg eines Fürsten belagerten entbehrt eines gewissen Verständnisses bzw. einer Grundlage. Beide Ereignisse mittels einer kombinierten Sichtweise zusammen zu rücken und nebeneinander zu stellen wäre wünschenswert will man sie verständlicher machen. Um dem konträr gegenüberstehendem Tun der Cherusker im eigenen Land auf den Grund zu gehen, könnte es hilfreich sein sie zeitlich einzuordnen und zu versuchen ihre jeweilige Abfolge zu rekonstruieren. Also den abgebrochenen Versuch von Cheruskern sich in den chattisch römischen Konflikt einzumischen, als sich auch dem zu widmen, was sich vor der Segestesburg tat. Beide Darstellungen entstammen dem historischem Stoff den wir dank Tacitus schon seit Jahrhunderten analysieren dürfen. Man müsste bei der schwierigen Frage ansetzen, wie die Cherusker im Frühjahr 15 + die herauf ziehende Gefahrenlage bewerteten die sich bei ihren südlichen und westlichen Nachbarn auftat. Viele Legionen, also Massen an römischen Soldaten sowie weitere Hilfskräfte walzten sich zielgerichtet aus Richtung Westen und Süden auf sie zu, schienen sich unaufhaltsam vorzuarbeiten und erstickten jeglichen Widerstand mit Waffengewalt. Im Westen kämpften sie erfolgreich gegen die Marser und im Süden bezwangen sie die Chatten. Als nächstes mussten sich die Cherusker als Angriffsziel betrachten. Verlängert man über eine gedachte Linie die zu erwartenden Marschrichtungen vom angenommenen nordhessischen Gudensberg wo Germanicus kämpfte, als auch eine aus dem Raum um Atteln südlich von Paderborn wo Caecina gestanden haben könnte, dann ergibt sich ein Schnittpunkt im Weserknie bei Bad Karlshafen. Neben dem Korridor von Nordhessen ins Leinetal über Hedemünden und Ellerode war es eines von zwei historischen Einfallstoren in die Gaue der Cherusker. Arminius zog die Fäden und die Germanen erwarteten von ihm wie gewohnt taktisches Geschick und strategische Vorgehensweise. Aber jetzt wo es begann für die Cherusker brenzlig zu werden, wurden auch wieder die alten Unkenrufe laut. Denn jetzt nach dem sich die Lage zuzuspitzen begann, musste sich auch Arminius den Vorwürfen stellen, dass er es schließlich mit verschuldet hatte, wenn ihm das Imperium nun seine Rachearmeen entgegen schickte. So musste er die Herausforderung annehmen, was er sechs Jahre nach der Varusschlacht nicht mehr erwartet hatte, die sich aber bereits im Vorjahr abzeichnete. Unter den damaligen Umständen wird er kein cheruskisches Heer angewiesen haben die eigenen Stammesgebiete dem Feind auszuliefern um einem Nachbarstamm zumal in aussichtsloser Lage zu Hilfe zu kommen. Aber man sollte auch nicht übersehen, dass die Chatten den Cheruskern in der Schlacht gegen Varus sechs Jahre zuvor ebenfalls zu Hilfe kamen, sodaß ungeschriebene Bündnisverpflichtungen gelten könnten und solidarisches Eingreifen wenn auch nur kosmetischer Natur denkbar ist. Die Chatten im Süden zu unterstützen heißt auch immer eigene Stammesgebiete zu schützen, bedeutet aber keine Selbstopferung. In Arminius sehen wir einen Feldherr der sein Talent als ein weitsichtiger Befehlshaber schon bewiesen hatte und er war kein Mann der voreilige Entschlüsse fasste. Im Frühjahr 15 + musste er definitiv mit einem Angriff auf sein Territorium rechnen, suchte sich also Bündnispartner um den Heeren von Germanicus und Caecina widerstehen zu können und entwickelte Strategien. In solch kritischen Phasen hatte man ein besonderes Augenmerk auf die wichtigen Wegeverbindungen durch die Flusstäler und die Paßstrassen, während man römischerseits sicherlich die Waldgebiete meiden würde. Die Ausguckposten auf den erhöhten Lagen links der Weser zwischen Herstelle und der Nethemündung wird man ebenso wie die Querverbindung ins Leinetal besetzt haben um feindliche Bewegungen frühzeitig erkennen zu können. Und in Krisenzeiten zieht man die eigenen Kräfte zusammen, konzentriert sie an strategisch günstigen Orten und entsendet sie nicht. Germanische Heerhaufen sammelte Arminius in den cheruskischen Gauen und vordringlich da, wo man mit Gefahr zu rechnen hatte. Die Entsendung eines Expeditionskontingentes ins nordhessische Kampfgebiet in dieser Zeit wäre unklug und scheint abwegig. Vermutlich deuteten römische Späher oder germanische Informanten die ersten cheruskischen Sammelbewegungen etwa im Leinetal als mögliche Unterstützung für die Chatten, legten sie dementsprechend aus oder wollten es als eine Begründung für die spätere Kursänderungen des Germanicus so sehen. Denn die Schriften des Tacitus, einem Sympathisanten von Germanicus waren tendenziös geprägt. Wir wähnen uns folglich am möglichen Vorabend eines römischen Angriffs auf die cheruskischen Gaulandschaften von zwei Stoßrichtungen aus. Germancius hatte kurz zu vor den chattischen Hauptort verwüstet und Caecina erwartet seine Befehle. Im Quartier von Arminius wo die Fäden zusammen liefen trafen die Informationen der Kundschafter ein. Staffettenreiter werden die Cherusker auch gekannt haben und sie trugen ihm die Nachrichten zu. Seine Strategie können wir nur erahnen, aber er wird vorsichtig agiert haben solange er nicht wusste was auf ihn und sein Volk zukommen würde aber auch aus welchen Richtungen die Gefahr drohte. Musste er mit Caecina an der Weserfurth bei Godelheim rechnen oder mit Germanicus im oberen Leinetal. Wo sollte er seine Kräfte zusammen ziehen, wo sich ihnen entgegen stellen um den größtmöglichen Geländevorteil auf seiner Seite zu haben. Oder musste und wollte er im Frühjahr 15 + noch die offenen Schlachten wie sie im Jahre 16 + folgen sollte vermeiden und sich nach Norden in die Weiten zurück ziehen. Inmitten dieser angespannten Phase geschieht nun Sonderbares. Denn nun verlässt eine illustre Reiterschar von Unterhändlern unter dem Kommando von Segimund die vermeindliche Segestesburg südlich von Einbeck um das drohende Schicksal dem man sich nun ausgesetzt sah doch noch abwenden zu können. Die Vernichtung der Segestes Sippe und die Verwüstung seiner Gaue schien jetzt nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Wollte er es verhindern, musste er handeln und zwar schnell. So erkannte er in der Teilkapitulation seines Herrschaftsbereiches die einzige Chance mit heiler Haut für sich, seine Familie, Sippe und andere die so dachten wie er dem möglichen Untergang zu entkommen. Segimund ritt nach Süden wo er Germanicus zwar vermutete, aber nicht antraf. Einige Meilen westlich hatte er mehr Glück, denn zum Zeitpunkt des Verlassens von Vogelbeck konnte er nicht damit rechnen, dass sich Germanicus inzwischen und das warum auch immer für einen Schwenk nach Westen entschieden hatte. Segimund präsentierte Germanicus seine gut gewählten Worte und berichtete über alles was er über Arminius und seine Getreuen wusste um sich erkenntlich zu zeigen. So beschrieb er möglicherweise auch wo sich nun der gemeinsame Feind konzentrierte, wie stark er war und welche Taktik er einschlagen könnte. So gab er wohl auch die Informtion weiter, dass sich einige Hundertschaften der Cherusker auch im Leinetal unweit der Segestessitzes zusammen gerottet hatten, um auf Verstärkung zu warten bzw. sich einem möglichen römischen Angriff entgegen stellen zu können. Aber der Wegritt der Segimund Delegation war auch den Kämpfern des Arminius nicht verborgen geblieben und auch ihnen waren die Absichten von Segestes bekannt geworden. Es war also ein unzweideutiger Frontenwechsel der hier seinen Anfang nahm und der sich auch schnell zu Arminius herum gesprochen haben dürfte. Die Annäherung der Segestesippe an Germanicus war bezeichnend für die Lage, denn damit war eine Rückkehr zu den alten Beziehungen zwischen Segestes und Arminius ausgeschlossen und man wird ihn unter den Cheruskern nicht mehr geduldet haben. Das nun erwartete dauerhafte Verlassen seiner Burg war die Konsequenz seiner Entscheidung. Das Stationieren einer aus Cheruskern bestehenden Kampfeinheit mit dem Auftrag der Grenzsicherung und weniger des aktiven Einschreitens auf Seiten der Chatten dürfte eher das Gebot der Stunde gewesen sein. Und das diese Hundertschaften nun das Warten damit überbrückt haben sollen um zum Zeitvertreib den Widersacher von Arminius unter Druck zu setzen ist auch denkbar. Folgt man dieser These, dann wären beide Kriegerscharen möglicherweise identisch miteinander gewesen. In diesem Fall wären es auch jene Germanen gewesen, gegen die Germanicus wie es überliefert ist anzukämpfen hatte. Cherusker die sich gesammelt hatten oder auf dem Weg zu den Chatten waren. Kämpfer die dem Befehl von Arminius folgten und die sich nun Angesichts einer militärischen unklaren Lage im Umfeld der Segestes Festung aufgehalten haben könnten. Es waren aber auch die Germanen die der Erfolg von Caecina gegen die Marser zögerlich gemacht haben könnte. Aber es waren Germanen die auf der Seite von Arminius standen und es waren darunter keine, die Segestes die Treue geschworen hatten, zumindest ist in den Überlieferungen keine Rede davon. Da aber nur ein Teil der Leute um Segestes später zu Germanicus übergingen, darf man davon ausgehen, dass wieder ein großer Teil seiner Männer der Stimme von Arminius folgte und sich letztlich gegen ihn stellte. Es ist aber auch durchaus denkbar, dass die Cherusker, ob sie nun dem Chattenkontingent zuzurechnen sind oder Segestes das Leben schwer machen wollten im Raum Einbeck nur einen Halt einlegten um der weiteren Dinge zu harren. Aber sie taten dies wohl nicht vordergründig in der Absicht Segestes zu belagern. Doch ab hier gehen die Spekulationen fächerartig auseinander. Denn einer Kampftruppe die eventuell auch nur der Abschreckung oder Grenzsicherung dienen sollte stand nicht unbedingt der Sinn danach zur Abwechslung eine Fürstenburg zu umlagern. Sollte Segestes von Cheruskern belagert worden sein und handelte es sich dabei um die Chattenhelfer dann wäre folgendes Szenario denkbar. Unter den Arminen war bekannt geworden das Germanicus nach Westen ritt um sich möglicherweise mit Caecina zusammen zu schließen. Arminius kannte die Rückzugspläne von Germanicus nicht, sodass für ihn die Gefahr auch jetzt noch konkret und nicht gebannt war, denn nun schien den Cheruskern ein Angriff von Germanicus über die Weser und nicht mehr durch das Leinetal zu drohen. Da Germanicus diesen im Verbund mit Caecina angegangen wäre und sich mit ihm zusammen geschlossen hätte brauchte Arminius in dieser Notlage jetzt jeden Mann. Man fühlte sich in Cheruskerkreisen wie in der Ruhe vor dem Sturm. Eine Phase in der die Arminen auch auf die Unterstützung von Männer setzten, die von Segestes angeführt wurden. Was dieser jedoch vermutlich verweigerte und was den Konflikt ausgelöst haben könnte. Denn seine Ablehnung sich gegen Germanicus zu stellen könnte zur Nagelprobe der Loyalität innerhalb der Cheruskerfürsten geführt haben. Die Ereignisse werden sich kurz vor einem möglichen Kriegsausbruch überschlagen haben und wie man annehmen darf entsendete genau in dieser Lage Segestes seinen Sohn zu Germanicus mit der Bitte um Unterstützung. Hier könnte es also zu einer konzertierten Aktion zweier wie parallel erscheinender Ereignisse gekommen sein hinter der jedoch ein und dieselbe Cheruskergruppe stand. Aber was macht diese Schlussfolgerung interessant. Nutzte Segestes das Vorhandensein dieses Cherusker Kontingents oder brachte es ihn überhaupt erst auf die Idee um mit ihnen seine besondere Notlage gegenüber Germanicus glaubwürdiger vermitteln zu können. Segestes bzw. seinem Sohn gelang es jedenfalls auf diese Weise Germanicus zu ihm zu locken auch wenn möglicherweise gar keine Belagerung statt fand bzw. diese nur den Vorstellungen von Tacitus entsprang. Fakt war, dass Germanicus bevor er auf Segestes traf auf cheruskische Kämpfer stieß. Er musste sie verjagen vielleicht auch bekämpfen um sie besiegen zu können und um zu Segestes durch zu dringen. Wo er aber auf sie stieß bleibt unklar, denn der Weg den Germanicus zu Segestes einschlug lässt sich nur in groben Zügen erfassen. Germanicus könnte ihnen also auf seinem Ritt zum vermeintlichen Vogelbeck schon an der oberen Leine begegnet sein und nicht erst unmittelbar vor seiner Burg. So fand das Scharmützel vielleicht schon viele Kilometer vor „Vogelbeck“ und nicht erst am Herrschaftssitz statt. Hätte Segestes jedoch nicht auf das Argument der ihn Belagernden zurück gegriffen, hätte Germanicus ihm bzw. seinem Sohn souverän antworten können, warum er zu ihm komme sollte und warum sich Segestes nicht zu ihm aufmachen wollte. Denn Germanicus wollte sich nicht als Eskorte für einen Cheruskerfürsten missbrauchen lassen. Da klang in den Ohren von Germanicus eine Belagerung schon ganz anders und er konnte die Rolle eines Retters in der Not übernehmen. Und wie sollte Germanicus auch einen Unterschied zwischen einem cheruskischen Chatten - Hilfskontingent oder cheruskischen Belagerern erkennen können, die nur in den Gedankenspielen von Tacitus existierten. Es mögen sich ihm dann auch zweifellos einige Cherusker entgegen gestellt haben, wie es Tacitus schreibt und er bezwang sie auch, aber Segimund drückte es weisungsgemäß krass aus spielte es hoch. Eine Argumentation wie sie ihm von seinem Vater eingetrichtert wurde. Segestes brauchte diesen Grund um sich von Germanicus frei schlagen zu lassen. Natürlich hätte er die Fronten auch anders wechseln können, aber in diesem Fall wäre er wie ein minderwertiger und feiger fahnenflüchtiger Abtrünniger empfangen worden, was seine Glaubwürdigkeit beschädigt hätte. Von eigenen Männern belagert worden zu sein unterstreicht hingegen seine römerfreundliche Gesinnung umso mehr, als wenn er vor Cheruskern geflüchtet wäre, die ihm nicht nach trauerten und auch nicht nach dem Leben trachteten oder sogar seinen Wechsel ins römische Lager begrüßt hätten. Letztlich wollte er auch sicherzustellen, dass er samt seiner Sippe, wenn man sich schon aus freien Stücken zu Germanicus begeben hätte sie nicht doch noch an unübersichtlicher Stelle von den Arminen zur Umkehr oder Schlimmerem gezwungen hätte. So lässt sich erkennen, dass auch im Frühjahr 15 + Segestes wieder Herr der Lage zu sein schien und er die großen seiner Zeit wie Spielfiguren einsetzte und sich sogar dem Zugriff seines Widersachers Arminius noch rechtzeitig entziehen konnte, bevor sich über dem Nethe - und Leinegau das große Brandschatzen ausbreitete. Man kann in der Tat derartige Gedanken verfolgen auch wenn diese Theorie wie an den Haaren herbei gezogen klingt, aber die Geschichte kennt bekanntlich keine glatten und sauber abgeschnittenen Ereignisse, denn es gab immer ein davor und danach, denn das Leben schreibt die Geschichte und die steht in keinem Roman. Das sich arminiustreue Cherusker Germanicus in den Weg stellten, war eine Frage der Ehre, als dieser auf sie zukam was einleuchtet, aber zu einem größeren Gefecht wird es nicht gekommen sein und ist auch nicht überliefert, denn dazu bestand für die Germanen aus strategischer Sicht betrachtet in dieser frühen Phase noch keine Veranlassung. Nachdem Germanicus Segestes in seine Reihen aufnahm, traf er vermutlich auf Caecina und setzte seinen Zug an den Rhein fort. Was erfuhr also Germanicus von Segestes noch und was ihn davon abgehalten haben könnte nun gemeinsam mit Caecina von Westen her die Cherusker anzugreifen. Jetzt nachdem er Segestes in seiner Hand hatte kannte er die Verhältnisse und Interna in den Cheruskergauen. Dieses Wissen könnte den Ausschlag gegeben haben, dass Germanicus im Frühjahr 15 + auf den Angriff verzichtete, den er möglicherweise schon gemeinsam mit Caecina ins Visier genommen hatte. Segestes musste sich erkenntlich zeigen und Germanicus war ein aufmerksamer Zuhörer. Es scheint, als ob es Segestes war, der seinen Beitrag dazu leistete Germanicus von einem Angriff im Frühjahr 15 + abzuhalten. Segestes war aufgrund eigener Machtansprüche daran gelegen, dass Rom die Cherusker in Gänze bezwang, damit seine spätere alleinige Herrschaft nicht mehr gefährdet war. Aber im Frühjahr 15 + mussten sowohl Germanicus als auch Caecina bereits Verluste gehabt haben was einen weiteren Schlag nun gegen die Cherusker gerichtet verhinderte. Segestes wird die Stärke der Cherusker gekannt und beschrieben und wird ebenfalls davon abgeraten haben. Aber mit militärischem Sachverstand ausgestattet, käme noch ein weiterer Aspekt hinzu. Im Frühjahr 15 + erwartete jeder Cherusker den Angriff aus dem Süden und dem Westen und Arminius hatte im Kernland seine Bündniskräfte mobilisiert. Nachdem sich Germanicus aber zum Rhein zurück zog, fiel diese Strategie in sich zusammen, da der Krieg ausblieb. Aber einen aus dem Stand angegangenen Sommerfeldzug in Form eines schnell vorgetragenen Vorstoßes noch im gleichen Jahr, nach einer gewissen Ruhephase mit hinzu gezogenen frischen Kräften, Pferden und guter Logistik erwartete in diesem Jahr kein Cherusker mehr an der Weser. Ein plötzlicher Überraschungsangriff durch die westfälische Bucht hätte auf einen unvorbereiteten Arminus treffen können und mehr Erfolg versprochen, als ein dritter Krieg ausgezehrter Legionen im Frühjahr 15 +. Die Tatsache, dass sich Arminius nicht unter den Kämpfern befand, gegen die Germanicus vermutlich an der Leine antreten musste, bevor er mit Segestes wieder zurück in den Südwesten ritt ist bezeichnend für die Lage. Arminius verhielt sich wie ein Schlachtenlenker, wusste von der voraus gegangenen Seitwärtsbewegung des Germanicus und erwartete daher auch seine Rückkehr wieder zurück etwa an die Örtlichkeit wo ihm Segimund begegnete und sah daher in seiner kurzen Eskapade an die Leine auch keine unmittelbare herauf ziehende Gefahr, auf die Arminius hätte militärisch reagieren müssen. Und das sich Germanicus nach der Kapitulation von Segestes in der fragilen Grenzlage der ihm unterstehenden Gaue nicht für einen Kriegszug entscheiden würde, war nach seinem freiwilligen Überlaufen nicht zu erwarten. Und wogegen hätte er kämpfen sollen denn wer hätte ihm als Gegner gegenüber gestanden, einem Segestes oder einem Arminius treuen Kämpfer. Aufgrund der voraus gegangenen Verhaltensweise von Germanicus erwartete Arminius einen massiven Vorstoß von Westen aus nach der Zusammenführung der Kräfte von Germanicus und Caecina. Aber mit einem Komplettabbruch schon im Frühjahr 15 + hatte wohl niemand gerechnet. Denn das Beendigen eines Krieges war so früh im Jahr für Rom ungewöhnlich, denn es war eine Zeit in der man für gewöhnlich mit dem Kriege führen erst begann. Germanicus war militärisch hoch flexibel, nutzte alle technischen Möglichkeiten seiner Zeit und die jahreszeitlichen Spielräume. Im Jahre 14 + zog er sogar noch im Herbst gegen die Marser und 16 + wählte er die gewagte Taktik auf den Einsatz von Flußschiffen zu setzen. Aber in einem Jahr zu zwei Feldzügen auszurücken musste einen besonderen Grund haben. So wird es verständlicher, dass uns hier so wenig überliefert wurde, denn auf das Wissen derart komplexer Zusammenhänge konnten die römischen Historiker nicht zurück greifen. So stand Tacitus auch nicht viel an Material zur Verfügung und es blieben ihm nur die „vorgefärbten“ Quellen die Segestes nahe standen und die seine Überlieferungen stützten. Wurde aber Segestes gar nicht belagert, befürchtete er es vielleicht nur und nutzte es als Argument um noch Teile seiner Wertsachen aus dem erwarteten baldigen Krisengebiet ins römische zu retten. Dann hätte sich Segestes den Hergang um seine Befreiung aus den Klauen der Arminen möglicherweise ebenso aus den Fingern gesogen, wie seine damals von ihm an Varus ergangene Warnung vor der Intrige des Segimer und seines Sohnes Arminius vor dem Ausbruch der Varusschlacht. Zogen wir etwa seit dem wir uns mit den alten Begebenheiten beschäftigen immer nur an historischen Fäden, an denen sich am anderen Ende immer nur eine Informationsquelle befand nämlich Segestes ? (02.07.2020)