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Freitag, 6. November 2020
Der Verrat des Segestes - Legte schon Paterculus die falsche Fährte der Tacitus, Florus und Dio folgten
ulrich leyhe, 13:03h
Segestes war eine der Schlüsselfiguren zur Varusschlacht. Seine an Varus ergangene Warnung für die die Historie keine Zeugen nennt, die die Varusschlacht überlebten, ihr also die Beweiskraft genommen ist, soll von Varus nicht ernst genommen und abgetan worden sein. Die Nichtbeachtung durch ihn soll dann wiederum maßgeblich zu seiner Niederlage beigetragen haben. Die Person Segestes, der als der Urheber dieser letztlich nie beweisbaren, also möglicherweise auch nie ausgesprochenen Warnung in die Geschichte einging wurde damit zum Mysterium. In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden wie es die Historiker nach Strabo mit Segestes hielten. Also Paterculus, Tacitus, Florus und Dio. Denn diese vier hatten sich über Segestes und seine ominöse Warnung geäußert. Was schrieben sie also darüber, was glaubten sie selbst, was wussten sie und woher könnten sie es erfahren haben, was sie zu Papier brachten. Hatte Segestes nun Varus gewarnt oder täuschte er die Warnung 17 + nur gegenüber jenen in Rom vor, die er davon überzeugen musste. So könnten seine Äußerungen bei diesem denkbaren Verhör zwar der Wahrheit entsprochen haben, so wie es auch der offiziellen Lesart entspricht, aber sein Verrat an den Germanen bzw. die an Varus ergangene Warnung wurde damit nicht glaubwürdiger. Aber da gibt es noch eine weitere Theorie. Nämlich die, dass ihm seine Aussagen von der späteren Historie nur in den Mund gelegt wurden, er sie aber nie von sich gab. Ein solcher Schachzug ließe sich im politischen Sinne auslegen und man konnte es gegen den in Rom verhassten Varus verwenden. Es demnach also weder eine Warnung 9 +, noch ein Gespräch mit den Sekretären des Kaisers 17 + in Rom über sein damaliges Verhalten gab. Schieben wir aber diesen Verdacht beiseite und folgen zunächst der Spur der offiziellen Lesart, so wie wir es alle vorgesetzt bekamen nämlich in Segestes den Warner als auch den Verräter zu sehen. Dann mag Segestes sich in Rom in der Rolle eines Mannes gesehen und präsentiert ja schon fasst gesonnt haben, der Varus noch hätte das Leben retten können, wenn dieser nicht so uneinsichtig gewesen wäre und auf ihn gehört hätte. Segestes hatte demnach nicht nur sein Schicksal in der Hand gehabt, sondern auch noch das der drei römischen Legionen. Ein Germane wäre dann der Mann gewesen, der dem Imperium die Niederlage hätte ersparen können, hätte er damals doch nur die richtigen Worte gefunden und wäre es ihm gelungen Varus von der drohenden Gefahr zu überzeugen. Wer wollte in Rom auch schon einen solchen Mann Lügen strafen. So weit die allgemein bekannte historische Grundlage wie wir sie jedem Geschichtsbuch entnehmen können. Letztlich erscheint sie uns aber wie eine kaum zu glaubende und schwer verdauliche Anekdote. Würden wir doch vielen Sagen des Mittelalters nur halb soviel Glauben schenken wie dieser um 1000 Jahre älteren „segestinischen Schenkung“. So sollte man die Warnung des Segestes zumindest genauso in Zweifel ziehen, wie man es auch mit diesen alten Überlieferungen hält. Aber offensichtlich genießen die antiken Historiker trotz ihrer widersprüchlichen Angaben über Segestes einen besseren Ruf und erscheinen glaubwürdiger, als die 1000 Jahre jüngeren Erzählungen aus der Edda oder über die Nibelungen. Allesamt hochtrabende Worte von Verrat, Tod und Untergang, aber die Historie hat sie uns so in den Mund gelegt. Hatte Segestes also letztlich die Welt nur getäuscht wofür es begründete Annahmen gibt und Varus wurde gar nicht von ihm gewarnt, dann hätte er auch die Germanen nicht verraten. Denn beides geht miteinander einher. Warnung und Verrat zu gleichen Teilen. Varus verlor allerdings nicht nur die Schlacht wie man weiß, sondern er überlebte sie auch nicht. Vielleicht gerade deswegen oder auch trotzdem, man darf es drehen und wenden. So ist dies zu einem gewichtigen Teil unseres Wissensstandes und zu unserer Ausgangslage geworden, denn hätte Segestes den Feldherrn nicht gewarnt, würde es auch seine Niederlage erklären helfen und somit verständlicher machen. Aber was können uns dazu nun die vier antiken Historiker berichten, woraus wir das, was wir heute unseren Kenntnisstand nennen, ableiten können. Wir können uns vorstellen und wissen es auch zum Teil, dass das Bekanntwerden der Varusniederlage in Rom zu einer kurzzeitigen Panik geführt hat, sie mündete in eine Depression und löste eine gewisse Schockstarre vor einer ungewissen Zukunft aus. Das Desaster und die aufkommende Angst vor den nordischen Nachbarn hinterließ seine Spuren aus denen sich über die Jahrhunderte hinweg das bekannte italienische Volkstrauma entwickelt hat, dass sich bis in den Aberglauben steigerte. Man kann dies die Anfangs- oder Aufbruchphase nach der Demütigung nennen. Im Zuge der daran ansschliessenden Phase II begann man die Dramatik und das Ausmaß zu erfassen und aufzuarbeiten, man zog erste Konsequenzen, wir finden frühe schriftliche Zeugnisse darüber und die Stimmung begann sich langsam wieder aufzuhellen. Es waren die ersten greifbaren Bezugsquellen besser gesagt Erwähnungen und sie stammen von Ovid und Manilius. Aus dem Kaiserhaus ist uns aus dieser Zeit nichts bekannt geworden, denn Tiberius schwieg über Segestes. Sowohl Ovid als auch Manilius versuchten das Geschehene auf ihre Weise und in ihrem Sinne zu verarbeiten. Zu diesen zwei Männern der ersten Stunden, denn Historiker kann man sie nicht nennen, gesellte sich nach 17 + noch der Geograph Strabo hinzu. Alle drei vereint, dass keiner von ihnen berichtete, dass Segestes den Feldherrn vor der Varusschlacht gewarnt haben soll. Dies änderte sich erst im Zuge einer Phase III. Denn damit hob sich der Vorhang für jene antiken Historiker die über das unbewiesene Verhalten von Segestes informiert waren. Und unter ihnen gab es nur einen Mann der nämlich anders als Tacitus, Florus und Dio dem Geschehen am nächsten Stand und schon fasst hautnah dabei war. Es war Velleius Paterculus der als erster erwähnte, dass Varus von Segestes gewarnt worden sein soll. Er war ein dem Kaiser Tiberius nahestehender Offizier und Kampfgenosse aus schweren Zeiten, ein Mensch der Zeitgeschichte, obwohl er nicht in Germanien weilte, als dort die Varusschlacht tobte. Und gerade auf ihn bezogen muss daher die Fragestellung gelten, wann er sein Wissen über die Taten des Segestes verschriftete. Denn in ihm ließe sich die Urquelle von alledem ausmachen, was wir hinsichtlich der Warnung von Segestes erfahren haben. Daher fällt der Frage wie Paterculus es erfahren haben könnte auch eine besondere Bedeutung zu. So lässt die seltsame Gemengelage in jener Zeit wie bereits dargestellt auch den Verdacht aufkommen, dass Segestes die Warnung nie über die Lippen ging. Und ebenso, dass er sich darüber auch nie einem Tribunal gegenüber zu verantworten hatte bzw. stellen musste. Denn man könnte ihm seine warnenden Worte auch als ein Mittel der Intrige später in den Mund geschoben haben um das Versagen von Varus zusätzlich unumstößlich zu machen. Und auf wen wenn nicht Paterculus würde dieser Verdacht fallen, da er der erste war, der über die Warnung des Segestes berichtete. Aber wie hatte sich Paterculus einst geäußert. Von ihm ist überliefert, dass er gemäß Absatz 2,118.(4) sagte, die Verschwörung wäre von Segestes gegenüber Varus aufgedeckt worden und das nach der ersten an Varus ergangenen Warnung, keine Zeit mehr für eine zweite geblieben sei. Auch hier klingt doch unüberhörbar die Stimme der Eigeninterpretation heraus. Denn wie wollte es Paterculus denn ermessen haben, dass damals die Zeit für eine zweite Warnung nicht mehr gereicht haben soll. Wer wollte es ihm gesagt haben oder wo sollte er es abgeschrieben haben. Viel mehr könnte es ihm auch nur so erschienen sein, als wäre es damals so gewesen. So schwingt etwas ultimativ Endgültiges in seinen Worten mit, wodurch auch seine ganze Überlieferung in den Verdacht gerät nur auf vermeintlichen Tatsachen zu basieren. Müssen wir also sogar schon die Urquelle Paterculus in Zweifel ziehen, wenn wir dem Sachverhalt auf die Spur kommen wollen. Und müssten wir damit sogar den eigentlichen Urheber Segestes aus germanischer Sicht völlig frei sprechen, jemals einen Sterbenslaut gegenüber Varus gesagt zu haben. Doch wo könnte das Motiv gelegen haben. Paterculus den man sogar als einen Freund von Tiberius bezeichnen könnte, wollte möglicherweise jegliche Mitschuld des Kaisers am Untergang der drei Legionen ersticken und je mehr man Varus anhängen konnte um so unbescholtener blieb Tiberius vor dem Senat und der Öffentlichkeit. Denn die Ereignisse vor der Varusschlacht verdeutlichen, dass er nicht völlig unschuldig am Desaster war. Und was hätte schlimmer sein können als das Gerücht, Tiberius habe die Varusniederlage mit zu verantworten gehabt ja vielleicht sogar herbei geführt. Als Paterculus es nieder schrieb saß Tiberius noch auf dem Kaiserthron, den er bis 37 + inne hatte. Aber den ungefähren Zeitpunkt seiner Niederschrift können wir nur rekonstruieren. Man hängt es an einer geschichtlichen Begebenheit besser gesagt einer Person auf. Dies war der einflussreiche Prätorianerpräfekt Sejan. Ein Mann der lange in gutem Einvernehmen mit Kaiser Tiberius handelte bevor man ihn, die Gründe dafür liegen im Dunklen, 31 + hinrichtete. Man darf annehmen, dass die Hinrichtung im Sinne von Tiberius oder möglicherweise auch auf seine Anweisung hin geschah, denn er war ihm zu einflussreich geworden und soll sich Dinge angemaßt haben, die ihm nicht zustanden. Paterculus stand zu Tiberius der sich bis zu diesem Vorfall positiv über Sejan geäußert hatte. Man kann daraus schließen, dass sich Paterculus von dem Moment an von Sejan abwendete, als Kaiser Tiberius dem Präfekten Sejan fallen ließ und ihm seine Gunst entzog. Da man bis etwa 30 + kein Zerwürfnis zwischen Tiberius und Sejan feststellen kann, behielt Paterculus seine gute Meinung über Sejan bis in diese Zeit hinein aufrecht. Erst als man Sejan 31 + hinrichtete endeten zwangsläufig auch seine Sympathien für ihn. Danach zu urteilen müsste Paterculus, da er Sejan noch in guten Zeiten bzw. zu Lebzeiten begegnete, seine „Historia Romana“ vor 31 +, dem Jahr seiner Hinrichtung vollendet haben. Ein umfängliches Werk was uns von Paterculus in zwei Teilen erhalten blieb. Man geht nicht davon aus, dass er den auf die Varusschlacht bezogenen Schlußteil schon vor dem Jahr 30 + zu Papier brachte, sodass bereits viel Zeit zwischen einem noch lebenden Varus und der Paterculus Überlieferung verstrichen ist. Sicherlich waren es turbulente und ereignisreiche 21 Jahre. Eine Zeitspanne in der Paterculus sein Wissen, also auch das über Segestes aus unterschiedlichen Quellen gespeist haben könnte. Er könnte es aber auch wie dargestellt im Sinne seines Kaisers verfälscht haben. Etwa dreizehn Jahre bevor Paterculus schrieb, saß Segestes im Jahre 17 + noch mit auf der Tribüne des zu Ehren von Germanicus veranstalteten Triumphzuges. Geht man wieder zurück auf den Stand unseres Schulwissens, dann fand sich anlässlich dieser spektakulären Darbietung sicherlich auch ausreichend Gelegenheit für Segestes um seine Sicht von den Geschehnissen, wie sie sich vor der Varusschlacht zutrugen in seinem Sinne in Rom kund tun zu können bzw. er wurde danach befragt. Der Haupttheorie folgend und einmal abgesehen von einer möglichen Einflussnahme durch Paterculus wurde Segestes nach seinem Erscheinen in Rom, vermutlich im Frühjahr 17 + zu den Vorgängen vor der Varusschlacht befragt und berichtete darüber mit Worten die er mit viel bedacht gewählt hatte, dennoch muss seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt werden, denn bekanntlich hatte Segestes für seine Version keine Zeugen mehr zu befürchten. So konnte er frei und forsch auftreten und musste lediglich überzeugend genug auf die römischen Beamten einwirken. Was ihm offensichtlich gelang. So kann man natürlich auch annehmen, dass sich auch Paterculus auf eben diese Befragung gestützt hatte und die Protokolle und das Wissen darüber wurde mangels anderer authentischer Berichte auch zur Grundlage seiner eigenen Überlieferung, so wie wir es in seiner „Historia Romana“ nachlesen können. Dann hätte sich Paterculus natürlich keiner Geschichtsverfälschung schuldig gemacht. Man muss also der Gerechtigkeit wegen in Erwägung ziehen, dass Paterculus der erste Historiker war, der Segestes bzw. seinen Verlautbarungen aufsaß oder dem Gesagten mangels besseren Wissens glauben schenkte. Somit wurde auch die Person des Paterculus zu einer Quelle für andere Historiker die seine Darstellung aufgriffen, da sie sie für zuverlässig hielten. Denn Paterculus genoss im alten Rom einen tadellosen Ruf. Auf Paterculus der 31 + verstarb, folgte für lange Zeit kein antiker Historiker mehr, der sich mit der Warnung des Segestes befasste. Erst später kamen Florus, Tacitus und Dio hinzu, die dann gemeinsam mit Paterculus den erweiterten Historikerkreis innerhalb der Phase III bildeten. Sueton war nicht unter ihnen, da er sich nicht mit der Person des Segestes beschäftigt hatte bzw. uns nichts dazu überliefert ist. Tacitus, Florus und Dio betraten lange nach Paterculus die Welt der Geschichtsschreibung und bestätigten in ihren Berichten ebenfalls, dass Segestes den Feldherrn auf die Gefahr eines Aufstandes hingewiesen haben soll. Alle konnten sie auf Quellen zurück greifen, die in Rom schriftlich hinterlegt waren und sich auf Segestes bezogen. Aber genau so konnten sie sich auch nur auf die eine Angabe von Paterculus gestützt haben. Aber letztlich waren alle vier Historiker von ihren Vorlagen abhängig und nur ihnen entnahmen sie die von Segestes an Varus ergangene Warnung, gleich von wem sie stammte. Wer um das Jahr 17 + in Gestalt des „ab epistulis“ als Vertrauter von Kaiser Tiberius an den angenommenen Gesprächen mit Segestes beteiligt gewesen sein könnte ist nicht nachvollziehbar, es könnte sogar der später in Ungnade gefallene Sejan oder auch Seianus genannt gewesen sein. Und diesen Faden aufzugreifen würde auch einen Sinn ergeben und es ließe sich vertiefen. Tiberius förderte Sejan in dem er ihn parallel zu seiner Thronbesteigung 14 + zum Prätorianerpräfekten ernannte. Und wer wäre besser geeignet das klärende Gespräch bzw. Verhör für die Senatsakten im Jahr 17 + mit Segestes zu führen als er. Ein aus judikativer und exekutiver Sicht qualifizierter Prätorianerpräfekt der noch dazu mit den Weihen des Kaisers ausgestattet war. Sejan dürfte dafür gesorgt haben, dass alles in den richtigen Bahnen verlief, Segestes sich keinen Ausrutscher erlaubte und kein Konflikt mit dem Kaiserhaus entstehen konnte. Und über Sejan wird auch eine Nähe zu Paterculus deutlich der auf diesem Wege erfuhr, was sich nach den Worten von Segestes einst in Ostwestfalen zugetragen haben soll. Hier wäre auch die Anknüpfstelle zu sehen wo es noch einmal sicherzustellen galt, dass nur Varus der große Versager war. Es war eine Zeit, als Sejan noch im Einklang mit Tiberius handelte und Paterculus seinen Wissenstand übernahm. Man könnte also in Sejan den Mittelsmann in der historischen Kette sehen der dabei half, dass die Rechtfertigungen des Segestes die Geschichtsbücher erreichten. Aber auch Naevius Sertorius Macro hätte schon an den Gesprächen mit Segestes teilgenommen haben können. Auf alle die Segestes damals in Rom befragten, muss es befremdlich und nahezu schockierend gewirkt haben, was er vor dem Ausbruch der Schlacht Varus gegenüber ausgesprochen haben will oder soll. Aber was auffällt ist die Tatsache, dass es immer nur Varus und kein anderer war, der zum Empfänger der Warnung aus dem Munde von Segestes wurde und sie entgegen nahm. Zeugen also Zuhörer die bei der Warnung des Segestes an Varus zugegen waren, konnte keiner der vier Historiker namentlich benennen. Es klingt demnach so, als ob Varus immer nur im Rahmen eines Zwiegespräches von Segestes gewarnt wurde. So liest man es bei Paterculus, dass nur Varus von Segestes informiert wurde mit den Worten: „….id Varo per virum eius gentis fidelem clarique nominis, SEGESTEN, indicatur. postulabat etiam“. Und auch nach Tacitus wurde ebenfalls nur Varus von Segestes informiert: „….Arminius turbatur Germaniae, SEGESTES parari rebellionem saepe“. Und genauso bei Florus. Auch von ihm wurde Varus nur von einer Person nämlich Segestes informiert „cum interim tanta erat Varo pacis fiducia, ut ne prodita quidem per SEGESTEM unum principum coniuratione commoveretur“. Nur Cassius Dio der letzte der antiken Berichteratter macht eine etwas abweichende Angabe. Bei ihm lesen wir, dass zwar auch nur die Einzelperson des Varus gewarnt worden sein soll, aber sogar von mehreren Personen und nicht nur von Segestes allein. Dieser Unterschied zu den anderen drei Historikern führt, wenn es denn so war, zu weiteren Überlegungen. Denn wer sollte außer Segestes Varus noch gewarnt haben. Aber auch wenn es nach Cassius Dio doch noch weitere Zeugen für die Warnung gegeben haben soll, so steht damit fest, dass es wieder außer Varus keinen anderen Römer gab, der von der Warnung im Sommerlager etwas gewusst zu haben schien. Da Varus und sein Generalstab seit dem Herbst 9 + nicht mehr lebte, hatte Segestes die freie Wahl der Darstellung. Segestes hätte bei einer Abweichung durch Dio demnach Varus immer nur persönlich, sozusagen unter vier Augen auf die bevorstehende Gefahr hingewiesen. Offensichtlich erreichten die Warnungen von Segestes immer nur Varus allein und es gab dafür in allen Überlieferungen keine weiteren römischen Zeugen die auf der Seite von Varus standen und es mit hörten. Ein Sachverhalt der nachdenklich macht und gleichzeitig verdächtig ist. Wir man sich denken kann, herrschte vor dem Ausmarsch aus dem Sommerlager einer nervöse Anspannung. Segestes wusste von der Gefahr und versuchte Varus zu überzeugen, stieß aber bei ihm bekanntlich auf taube Ohren. Aber eines tat Segestes den Überlieferungen zufolge nicht, denn kein Historiker schrieb, dass er auch versucht habe andere Personen aus dem Führungsstab von Varus auf die Gefahr eines germanischen Überfalls hinzuweisen. Segestes kannte die Generäle von den gemeinsamen Banquetts und er hätte in Anbetracht des hohen Risikos auch sie einweihen oder informieren können. Wenn es ihm also schon nicht gelang Varus die Problematik bewusst zu machen, so wäre es doch ein logischer Schritt gewesen, wenn er versucht hätte auf andere Personen Einfluss zu nehmen. Von Seiten der angedachten römischen „Untersuchungskommission“ hätte man ihn dies fragen können, aber über weitere Zeugen schweigen die Quellen. Letztlich musste es Segestes ohne diese Mitwisser darstellen, da er andernfalls dem hoch geachteten Militär indirekt eine Mitschuld am Versagen gegeben hätte. Eine Unverzeihbarkeit, denn die drei Legionen waren in den Augen aller die unantastbare Crème de la Crème des römischen Militärapparates die er nicht beschmutzen durfte. So könnte dahinter ein weiterer Ballanceakt von Segestes gestanden haben um sich keiner Gefahr auszusetzen. Diese Abschweifung zeigt aber erneut, auf welch fragilen Gerüst die Argumentationslage von Segestes aufgebaut war und es spricht wieder für die Theorie, dass es von seiner Seite keinerlei Frühwarnungen gab. So glaubte man ihm in Rom alles, weil man es ihm glauben wollte. Unabhängig davon wird der Nachrichtenfluss über das, was sich unmittelbar vor dem Ausbruch der Varusschlacht zutrug Rom nur noch als ein Rinnsal erreicht haben. Die Aussagen derer die Überlebten, die später frei gekauft wurden oder flüchten konnten und die etwas hätten sagen können oder wollen, dürfte verschwindend gering gewesen sein. Nach Jahren oder Jahrzehnten wollte in Rom niemand mehr wissen was damals geschah. Alle Äußerungen die die vier Historiker der Phase III über das Gesagte von Segestes machten und die uns bekannt geworden sind beruhen wie man annehmen darf auf den Schutzbehauptungen, die Segestes erst im Jahre 17 + aus Gründen seiner persönlichen Reputation und seiner Überlebensstrategie in Rom der Öffentlichkeit preis gab. Im Krisengebiet des östlichen Westfalens des Jahres 9 + dürften ihm diese gefährlichen Hinweise an Varus sicherlich nicht über die Lippen gegangen sein. Falls doch hätte er die Konsequenzen daraus wohl nicht überlebt. Demzufolge sollte man alle Überlieferungen die auf diesem von Segestes inszenierten Konstrukt basieren, aber von den späteren antiken Historikern wider besseren Wissens aufgegriffen wurden für fragwürdig halten. Man könnte sie als tendenziös beeinflusst bezeichnen, da sie sich aus einer menschlichen Notlage heraus ergaben, in der Segestes damals steckte. Und dazu gehören auch die von Tacitus gemachten Angaben darüber, dass Segestes sich sogar selbst angeboten haben soll, sich in Fesseln legen zu lassen. Und nicht nur das. Varus sollte auf seinen Vorschlag hin auch noch Arminius und die anderen Anführer der Cherusker gefangen nehmen, um so die Wahrheit heraus finden zu können. So könne Varus dann ganz sicher sein, dass das dadurch führerlos gewordene germanische Volk keinen Aufstand mehr gegen ihn riskieren würde. Widmet man sich dem Segestes „Ausredenkatalog“ etwas genauer, so fällt bei seinem Plan ins Auge, dass er nur auf den ersten Blick plausibel erscheint. Ein rhetorisches Manöver, dass er seinen Fragestellern in Rom als glaubwürdig anbot. Denn er konstruierte für sie einen Vorschlag für sein damaliges Verhalten, das in der Praxis nicht umsetzbar gewesen wäre und den kein Varus der Welt akzeptiert hätte. Aber eine Idee mit der sich die Theoretiker im Tribunal des Palatin überzeugen ließen und auch zufrieden gaben. Gemeint ist sein Einfall, man könne alle hohen germanischen Fürsten und ihn gleich mit in Fesseln legen, um auf diese Weise den Aufstand zu ersticken. Aber denken wir seinen Plan und sein Ringen um Reputation einmal zu Ende. Dann hätte also Varus wie von ihm empfohlen gehandelt. Er legte also ein Dutzend ehrwürdiger Germanen in Ketten. Und schon stellt sich die nächste Frage, nämlich wie lange er sie denn in Ketten liegen lassen wollte. Aber was wäre dann passiert. Man könnte die Schlussfolgerung daraus ziehen in dem man die Frage aufwirft, ob denn die Varusschlacht ausgeblieben wäre, wenn er wie von Segestes vorgeschlagen gehandelt hätte. Hätte er es sich denn überhaupt erlauben können, sich den Marsch zu den Aufrührern zu ersparen. Wäre ihm etwa ein Signal oder ein plötzlichen Zeichen der Verständigung aus dem südlichen Nethegau zugegangen, dass der Aufstand durch das in Fesseln legen der Aufrührer in sich zusammen gebrochen wäre, oder hätten die Unruhen angehalten. Hätten also die Germanen den Aufruhr trotzdem fort gesetzt und daher immer noch um den Besuch von Varus als Schlichter und oberstem Gerichtsherr gebeten. Denn nach wie vor musste Varus davon ausgehen, dass im südlichen Nethegau Germanen ansässig waren die sich im Aufruhr befanden und denen an seiner Schlichtung gelegen war. Oder hätte Varus entschieden die Aufrührer nun nicht mehr zu beachten, sie links liegen zu lassen und den Aufstand als Finte durchschaut. Wie verlässlich war Segestes in diesem Moment und was wäre, wenn sich der Aufstand ohne sein Einschreiten später gegen Rom gerichtet hätte, selbst wenn man die vermeintlichen Anstifter in Fesseln gelegt hatte oder dann erst recht. Ganz so wie es ihm Arminius geschildert hatte musste Varus damit rechnen, dass die Rebellion auch bei einem in Fesseln liegenden Arminius weiter gehen könnte. Das in Fesseln legen war also keine sichere Option um mit den Aufständischen die eigentlichen Ursachen für den Aufruhr abklären zu können. Um sicher zu gehen, dass im Süden Ruhe herrschte sollte man daher annehmen, dass er sich davon selbst überzeugen wollte und sogar musste. Diese nur ansatzweise führbare Diskussionstiefe zeigt bereits, dass sich hier eine Gemengelage zusammen braute, die Varus auch bei einer Gefangennahme der Cherusker keinen Schritt weiter gebracht hätte. Segestes konnte demzufolge Varus auch nicht davon überzeugt haben, dass der Aufstand mit einem in Fesseln liegenden Arminius in sich zusammen gebrochen wäre. Und ohne eine cheruskische Schutztruppe im Rücken zu wissen, hätte Varus wiederum nicht ins Aufstandsgebiet ziehen wollen und hätte einen möglichen Krisenherd zurück gelassen. So wäre es zweifelhaft gewesen, ob Varus auch ohne cheruskische Unterstützung in den Süden gezogen wäre. Aber so ließ sich nicht der durchschlagende Beweis erbringen, mit dem man Arminius und seine Männer mit einem Komplott in Zusammenhang hätte bringen können. Denn so wie es Arminius dargestellt hatte wollten die Arminen lediglich einen Aufruhr mit Hilfe von Varus verhindern. Wie hätte sich später Segestes auf den Standpunkt stellen können, dass man es ihm zu verdanken hatte, dass Varus nichts zugestoßen wäre. Und genauso hätte Varus ihm vorwerfen können, die Männer um Arminius auf sein Geheiß hin zu unrecht in Fesseln gelegt und sie sich zu Feinden gemacht zu haben. Wie also hätte Segestes jemals beweisen sollen, dass dieser Schritt bzw. sein Vorschlag einen Aufstand verhindert hätte. Denn mit dem in Fesseln legen allein, ließe sich nicht beweisen, dass deswegen der Aufstand ausblieb. Segestes wäre folglich die entscheidende Beweisführung schuldig geblieben und das hätte ihn in arge Schwierigkeiten gebracht. Anders ausgedrückt. Die Cheruskerfürsten wären eingekerkert worden wo und für wie lange auch immer, Varus wäre dem falschen Ratschlag gefolgt, ihm wäre zwar nichts zugestoßen aber die Arminen seine „getreuen“ Vertragspartner hätten sich zu Unrecht verdächtig gefühlt und darüber hinaus sogar bestraft gesehen. Und sie hätten dies glaubhaft vorbringen können. So hätte Segestes zwar recht behalten, aber Varus hätte sich aufgrund der Unschuldsvermutung einen folgenschweren Fehler geleistet. Mit einem derartiges Argument ließen sich von Segestes nur Beamte in Rom beeindrucken, aber ein Varus der sich mitten im Feindesland unter vermeintlichen Freunden bewegte, hatte sich den realen Dingen des Alltags zu stellen und da wäre selbst wenn es so gewesen wäre, kein Platz für Phantasiegebilde aus dem Munde eines Segestes gewesen. In der Tat wäre das in Fesseln legen einer ganzen Oberschicht wahrlich nicht gut angekommen. Varus saß auf einem Pulverfass und wäre ein erhebliches Risiko eingegangen. Ein Eklat mit ungewissem Ausgang in alle Richtungen wäre denkbar gewesen. Hätte Varus auf Segestes gehört, so hätte allein schon diese Tat für sich genommen, einen Aufstand auslösen und ihn selbst Kopf und Kragen kosten können. Denn Varus standen nur drei Rumpflegionen zur Verfügung und er brauchte gerade die Cherusker die Segestes bezichtigte. Hinzu kommt, dass er das Land an der Weser vom September bis in den März hinein wieder der Stammesherrschaft der Cherusker überantworten musste und er wollte das Land im Frühjahr 10 + so vorfinden wie er es im September verlassen hatte. Ein morsches Argumentationsgebilde was Segestes da in Rom auftischte. So muss man auch aus heutiger Sicht, den Varus gegenüber gemachten Vorschlag schon als abwegig bezeichnen. Denn er trägt schon nahezu naive Züge in sich, die wir uns bis heute gezwungen sehen sie ernsthaft diskutieren zu müssen. Möchte man Segestes in die Karten schauen, dann könnte er sich damit in Rom auch einen argumentativen Freiraum verschafft haben war Teil seines Planes um Glaubwürdigkeit zu erringen, der auch aufging. Voraus gesetzt man wollte sich dieser Theorie zu neigen. Auf diese Weise gelang es ihm auch indirekt gegenüber den Beamten des Senats der römischen Provinzialverwaltung in Germanien zu mehr Achtung zu verhelfen. Denn ein römischer Statthalter, der den unterworfenen Völkern eine gewisse Selbständigkeit ließ, der aber in kritischen Situationen, wenn die römische Herrschaft in Frage gestellt wurde imstande war, mit der nötigen Härte vorgehen zu können. es aber nicht darauf anlegte. Eine kraftvoller Auftritt der sich in Rom glaubhaft verkaufen ließ, wo man meilenweit vom Ort des Geschehens und somit von der Realität entfernt war. Segestes könnte daher dieses Szenario passenderweise zusätzlich mit in sein Argumentationsgerüst aufgenommen haben. Schließlich war er Taktiker und musste alles auf eine Karte setzen, damit man in ihm in Rom nicht einen Menschen erkennen konnte, der seinerzeit nur halbherzig und mit hintergründigen Absichten die Fronten wechselte. Er musste den Verdacht entkräften, vielleicht damals der gemeinsamen germanischen Sache doch nicht gänzlich abgeschworen zu haben. Denn er ließ sich bekanntlich letztlich an der Seite von Arminius doch noch in den Krieg gegen Varus hinein ziehen. Greift man in die Kiste des „Wenn und Aber“, so hätte Segestes auch annehmen können, es würden sich Germanen finden lassen, die die Fürsten Segimer und Arminius in Ketten liegend noch nachträglich der Aufrührerschaft bezichtigt hätten. Germanen die auf der Seite von Segimer und Arminius standen, hätten wohl nicht ihre eigenen Anführer verraten. Es sei denn man hätte gedungene Verräter gefunden die sich dazu bereit erklärt hätten. So lässt sich hinter allem was Segestes vortrug ein irreales Fundament ausmachen. Doch zurück zu den vier antiken Historikern der Varusschlacht – Geschichte und wie sie ihr Wissen um das Verhalten von Segestes formulierten. Paterculus saß am Nächsten zur Quelle und äußerte sich relativ eindeutig. Seine Worte lassen sich der Übersetzung nach etwa wie folgt greifen „aber nach der ersten Warnung von Segestes fand sich keine Zeit mehr für eine zweite Warnung“ (Paterculus 2.118.4“. Anders ausgedrückt, Segestes konnte ihn nur einmal warnen, hätte es vielleicht auch noch ein zweites Mal versucht, aber da war es bereits zu spät. So zumindest interpretierte es Paterculus. Varus hatte schon das Sommerlager verlassen und ließ sich durch nichts und auch von Segestes nicht mehr umstimmen bzw. von seinem Marsch zu den Aufrührern abhalten. Diese Überlieferung lässt jedoch einen unmissverständlichen Unterschied zu dem erkennen, was Tacitus überliefert hat. Denn er schrieb, „Segestes habe Varus mehrfach und sogar noch anlässlich des letzten Gastmahl enthüllt, dass man einen Aufstand vorbereiten würde“ (Tacitus 1.55.2).Glauben wir Paterculus warnte Segestes den Feldherrn nur einmal, glauben wir Tacitus warnte Segestes ihn mehrmals. Somit haben wir es also mit abweichenden und unerklärlichen Quellenangaben zu tun. Mehrfachwarnungen sollte Segestes sie ausgesprochen haben, hätten seinem Ruf vor dem Tribunal sicherlich besser zu Gesicht gestanden, als wenn er Varus nur einmal auf die Gefahr hingewiesen hätte. Dazu passt auch die Textstelle 1.58.2 in der Tacitus Segestes sagen lässt „also habe ich Arminius bei Varus angeklagt ... wurde aber vertröstet“. Auch dieser Hinweis unterstreicht die schon flehentlich wirkenden Worte von Segestes, wirklich alles getan zu haben um Varus zu überzeugen, sich aber immer nur eine Abfuhr ein handelte. Der arme Segestes, der doch wirklich nichts unversucht ließ um Varus zu schützen. Die Worte von Florus (2.30.33), dass die Verschwörung Varus gegenüber von Segestes aufgedeckt wurde, birgt keinen Interpretationsspielraum, als das bereits bekannte. Aber die Worte von Cassius Dio 56.19.3 genießen einen besonderen Stellenwert. Denn während der erste Informant Paterculus noch Zeitzeuge war, lagen zwischen seiner und der Überlieferung von Cassius Dio rund 200 Jahre. 200 Jahre die viel verwässerten, in der aber auch manches aktenkundig geworden sein könnte, von dem Paterculus 200 Jahre zuvor noch nichts wusste. Dio schrieb der Übersetzung nach (56.19.3) „und allen, die mit Argwohn die Entwicklung (im Vorfeld der Varusschlacht) beobachteten und (Varus) zur Vorsicht mahnten, denen schenkte er nicht nur keinen Glauben, sondern warf ihnen auch noch vor, dass sie sich grundlos erregten“. So veränderte sich über die Jahrhunderte das Gesicht der Überlieferung. Denn auf Paterculus der berichten konnte Varus wäre nur einmal von Segestes gewarnt worden folgte 100 Jahre später Tacitus, der schon „wusste“, dass Varus von Segestes sogar mehrfach gewarnt worden sein soll. Und am Ende der Historikerriege der Phase III erscheint Cassius Dio der 236 + verstarb und seine Worte bilden den Abschluss im Reigen um die Frage was in den Stunden vor dem Verlassen des Sommerlagers besprochen worden sein soll. Cassius Dio sichtete und las vieles, verarbeitete es und versuchte sich noch nach 200 Jahren einen Überblick zu verschaffen um sich in die alten Ereignisse hinein zu denken. Er machte vieles passend was ihm verwirrend erschien, brachte eine gewisse Kontinuität und einen Zusammenhang in den Verlauf der Varusschlacht, was vor ihm niemand tat. Er war bemüht das Stückwerk zu verbinden und es aufzuhellen. Dabei bemühte er seine Phantasie in dem er sich die verregneten germanischen Wälder und die stürmische Wetterlage in Ostwestfalen vorzustellen versuchte. Die Tiefe der Empfindsamkeit die Dio dem Feldherrn Varus entlockte in dem er sich bemühte noch nach 200 Jahren seine Worte nach zu empfinden baut auf dem Wissen auf, das ihm seine Vorfahren als Vorlagen hinterließen. Und was diesen Wissensstand anbelangt, so sind wir bei einem den Zeiten nahe stehenden Paterculus vermutlich besser aufgehoben auch wenn der sich vermutlich nur auf den uns bekannten Segestes stützen konnte, der letztlich nur überleben wollte. Bei der Betrachtung der Historie zur Varusschlacht gehen viele Geschichtsinteressierte auf den ersten Blick davon aus, dass die Darstellungen der vier großen Berichterstatter unterschiedlicher kaum sein können. Dies lässt sich jedoch als Irrtum entlarven, denn sie sind alle sehr gut kompatibel zueinander und lassen sich sehr wohl mit einander vereinbaren. Man muss sich „nur“ der Faktenlage bewusst werden, dass wir es immer nur mit einer Urquelle zu tun haben. Denn es lassen sich keine kreuz und quer verlaufenden Informationsstränge erkennen. Die Zahl der Anwesenden vor dem Ausmarsch war überschaubar. Segestes kannte sie alle und wusste wer von ihnen die Schlacht überlebt hatte und wer nicht. Es war für ihn ein einfaches sich auf Basis von Verstorbenen ein Alibi für seine Taten aufzubauen. Zur Theorie gehört auch die Akribie, denn auch die Mehrtagesschlachtdarstellung wie sie uns Cassius Dio rekonstruiert hinterließ, lässt sich nur auf dieser Basis Leben einhauchen. Ohne diese Vorgehensweise und eine an den Details orientierte Herangehensweise wäre es nicht möglich gewesen, dem bislang unentdeckten Marschtag auf die Spur zu kommen. Gemeint ist hier der erste Marschtag, an dem sich noch kein Schlachtgeschehen entwickelte. Aber es finden sich noch weitere Beweisketten mit denen sich unterstreichen lässt, dass Segestes einen großen Anteil an der Varusniederlage trug, da er dieser Theorie folgend Varus wider alle Annahmen nicht warnte. Jeder der vier großen Historiker hat sich unabhängig voneinander mit seinem ureigenen Szenario in der Geschichtsschreibung verewigt, konnte aber wie sich inhaltlich offenbart immer nur einer Quelle folgen und die lautete Segestes. Eine Quelle in der die späteren Historiker Florus, Tacitus und Dio mit Ausnahme von Paterculus vermutlich schon gar nicht mehr den eigentlichen Urheber Segestes erkannten. Kanalisiert man die Überlieferungen, dann betonte Paterculus als Offizier natürlichen den militärischen Aspekt und war weniger daran interessiert, was ein Segestes von sich gab. Tacitus konnte uns nur über das Auffinden des Schlachtgebietes und die Bestattungsrituale sechs Jahre nach der Schlacht etwas verraten. Für die Warnung des Segestes hatte er nicht viele Zeilen übrig. Florus trumpfte mit der Lagerüberfallvariante am zweiten Marschtag auf und bei ihm erschien Segestes nur als Randfigur. Cassius Dio beschrieb die gesamte Mehrtagesschlacht und auch er folgt hinsichtlich Segestes auch nur der Quelle die alle nutzten. Trotzdem ist bei geringer Abweichung alles miteinander kompatibel. Betrachten wir aber möglichst unvoreingenommen die Überlieferungen dieser vier Geschichtsschreiber so fällt eines auf. Denn obwohl sie auf den ersten Blick alle nicht in voller Gänze zueinander passen wollen, so ist ihnen doch eines gemeinsam. Denn gleich wann sie schrieben, ob Paterculus ( um 30 + ) Tacitus (um 116 + ) Florus (um 120 + ) oder Dio (um 200 + ), waren sie sich alle darin einig, dass Segestes den Feldherrn gewarnt und damit die Germanen verraten hatte. Nur Cassius Dio wich etwas davon ab, da er den Namen von Segestes nicht erwähnte und von mehreren sprach die Varus gewarnt haben sollen. Was muss an dieser Ur - Quelle für die späteren Historiker so glaubhaft gewesen sein, dass keiner daran zweifelte und alle die Warnung in ihren Schriften erwähnten. Die Antwort klingt einleuchtend. Sie schrieben über die Jahrhunderte verteilt und das nur in Nuancen also bei minimalen Abschweifungen nahezu immer nur deswegen das Gleiche, da es neben Segestes keine zweite Quelle gab auf die sie sich hätten beziehen können. Und das obwohl Dio eine Mehrtagesschlacht und Florus den Lagerüberfall innerhalb dieser Mehrtagesschlacht beschreibt nähern sich beide wieder an, wenn sie über das berichten, was Segestes tat. Diese Feststellung lässt erkennen, wie identisch Florus mit Dio schrieben, was vielen Historikern wie abweichend erscheint. Das Verhalten von Segestes hat demnach bei allen nicht nur einen tiefen sondern auch einen nahezu identischen Eindruck hinterlassen. Vieles ihrer Überlieferungen wirkt nur scheinbar nicht kompatibel, aber das Thema „Segesteswarnung“ verband sie alle und keiner von ihnen ließ es aus. Es zieht sich wenn auch nicht als ein Hauptthema, so aber doch durch alle antiken Schriften von Paterculus über Florus, Tacitus bis hin zu Dio, der 2oo Jahre nach Paterculus schrieb. Trotz der insgesamt mager zu nennenden Ausbeute an Zeilen die sie für die Varusschlacht übrig hatten, wollten sie uns doch diesen bedeutsamen Sachverhalt nicht verschweigen. Nämlich den, dass ein römischer Feldherr einem Warnhinweis nicht folgen wollte und darauf hin zur Strafe selbst und mit ihm noch drei Legionen unter gingen. Dieser Hinweis den Strabo noch nicht verarbeitete, weil er es vermutlich nicht wusste, hat sich ab dem Jahr 17 + durch alle antiken Quellen gezogen, hat sich immer wieder fort gesetzt und jede weitere Abschrift des Urtextes machte ihn um so glaubhafter. So weit, dass Cassius Dio zu Beginn des 3. Jahrhunderts den Namen von Segestes schon gar nicht mehr explizit nennen brauchte, da ihn schon jeder kannte. Während man in Rom darauf achtete, dass die Tat des Segestes und das nachweislich bis ins 3. Jahrhundert nicht mehr in Vergessenheit geraten sollte, schien sich für den detaillierten Verlauf der Schlacht auf sehr lange Zeit niemand mehr zu interessieren. Rund 80 Jahre mussten nach Paterculus verstreichen bis Tacitus und Florus die Thematik wieder aufgriffen und weitere 1oo Jahre dauerte es dann noch bis Cassius Dio auch auf die Idee kam, die alten Akten noch einmal aufzurollen. Es war damals eine schier unglaubliche Geschichte die Segestes in Rom zum Besten gab und sie verhalf dieser Legende zu einer erstaunlichen Langlebigkeit. Niemand durfte aufgrund höherer Weisungen in den ersten Jahrzehnten nach der Zeitenwende an der Aussage zweifeln, da sie gut ins kaiserliche Konzept passte und später legten sich die Nebel der Zeit über die einstige Realität. So ging es in die Geschichte ein als die Worte eines treuen Römerfreundes. Und man vergas über die Jahre in welchem Dilemma doch dieser Mann damals steckte, als er sich in die Obhut des Gegners flüchtete um nach den Kriegen als Germanenfürst von Roms Gnaden zurück kehren zu können.(06.11.2020/Ergänzungen 07.11.2020)
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Dienstag, 20. Oktober 2020
Welche Schuhgröße hatte Varus ?
ulrich leyhe, 15:05h
Wer mein Vorwort vor rund drei Jahren gelesen hat, der hat noch in Erinnerung, dass mir daran gelegen ist, Geschichte nie langweilig erscheinen zu lassen. Kapitel einzuschieben die vom großen Geschehen um die Varusschlacht etwas ablenken sollen, waren daher beabsichtigt. So soll auch diese Thematik die Diskussion etwas bereichern helfen. Betritt man den altehrwürdigen Kaiserdom zu Speyer oder die Stiftskirche St. Servatius in Quedlinburg und steigt dann in die dazugehörige Gruft ab spürt man wie die Temperatur abfällt, sich der Sauerstoffgehalt verändert und die Erwartung steigt. Auf die Hektik der Parkplatzsuche folgt dann plötzlich eine seltsame Stille. Umgeben von Sarkophagen und dem Wissen um die darin liegenden Gebeine fühlen sich die Jahrhunderte wie ein Wimpernschlag an. Das Gefühl der Nähe zu längst Vergangenem weckt gleichzeitig einen Eindruck von Vertrautheit, so als ob die Verstorbenen noch Leibhaftig wären. Wir bewegen uns als gingen wir in ihren Fußspuren und für Sekundenbruchteile blicken wir mit ihren Augen auf die Welt. Es gibt kaum einen Ort an dem man sich näher an der Geschichte wähnt, als in einer mittelalterlichen Grablege, wo die alten Zeiten greifbar erscheinen. Ob es Kaiser Konrad II oder Mathilde die Tochter Otto des Großen war, in der kurzen Zeit unserer Anwesenheit fühlt man sich mit ihnen verbunden. Varus hingegen ist aus der Geschichte entschwunden und wir kennen keinen Ort, der sich mit ihm verbinden ließe. Wir können uns zwar ausmalen, dass er vom Castra Vetera I in Birten auf die Lippe Mündung hinüber blickte, aber damit endet auch schon unsere Phantasie. Dank der Geschichtsforschung, der Geologie, der Topographie oder der Geographie und natürlich dank Heribert Klabes lässt sich der römische Hellweg von Aliso zur Weser rekonstruieren. Inmitten dieser Zugtrasse stößt man mit Hilfe des digitalen Geländemodells auf eine Vielzahl verdächtig eingefärbter roter Linien die je nach Höhe mehr oder weniger stark hervor gehoben sind. Parallel zueinander verlaufende doppelreihige Strukturen, Kreise oder einfach nur Linien. Sie können vieles bedeuten aber auch nur vortäuschen und reichen vom Forstweg bis zu den einst in der Region stattgefundenen Kriegshandlungen die ebenfalls ihre Spuren hinterließen. Aber unter und zwischen ihnen verbergen sich auch Hinweise aus ältesten Zeiten die sich kaum noch erkennen lassen sich aber durch die besagten roten Farbmarkierungen sichtbar machen lassen. Heribert Klabes beschrieb den Wegeverlauf in Teilen in seinem Buch "Corvey - Eine karolingische Klostergründung an der Weser". Blickt man auf das Lidar Luftbild wecken insbesondere Doppellinien, wenn sie etwa 6 bis 7 Meter auseinander liegen und sich über größere Distanzen hinziehen die besondere Aufmerksamkeit der Geschichtsfreunde, wobei zu beachten ist, dass die kurz vor Kriegsende in der Region eingesetzten Panzer VI lediglich eine Breite von 3,75 Meter aufwiesen. Aber oft beginnen und enden sie im scheinbaren Nichts und darüber liegende zeitlich nähere Wegeführungen verdecken vieles. Da aber Varus laut Cassius Dio an die Weser gelockt wurde, könnte sich unter diesen schwer definierbaren Strichen oder Wegeführung auch jene befinden, an denen Varus vorbei kam. Sollte die Theorie zutreffen, so wären hier möglicherweise die Örtlichkeiten zu suchen, wo sich einst Varus bewegte und seinen Fuß auf ostwestfälischen Boden setzte. Aber auch wenn die Theorie stimmig klingt, die Bodenarchäologie muss letztlich das Problem lösen. Wenn sie dort auch nicht mehr den Fußabdruck von Varus finden kann, so wäre es aber möglich zwischen Schwaney und dem Netheberg auf die Reste der Varusstraße zu stoßen, mit der vielleicht schon Lucius Domitius Ahenobarbus begonnen haben könnte. Auf dem Wege einer Expedition ließe es sich vielleicht schon näher ergründen und die Chancen stehen gut.(20.10.2020)
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Nicht 17 + sondern 18 +. Das Gefecht von Kalkriese. Gab auch Thumelicus eine Antwort.
ulrich leyhe, 14:52h
Dieses Kapitel knüpft an die Theorie an, dass sich die Kämpfe östlich von Bramsche im Jahr 18 + ereigneten. Sie geschahen in dem Zusammenhang, als der Gefangenenaustausch der 16 + schiffbrüchig gewordenen Römer eingefädelt von den Angrivariern unter Beteiligung der Ampsivarier und der Cherusker eskalierte. Ein Gefecht bei dem die Germanen das Lösegeld und die Wertsachen an sich brachten, die ein römischer Marschzug für sie im Gepäck mit führte und was man im Gegenzug in Grenznähe den Germanen zu übergeben hatte. Einen neuen Mosaikstein dazu könnte Thumelicus beisteuern. So beginnt es damit, dass uns Strabo und Tacitus eine ungewöhnliche Unstimmigkeit hinterließen. Denn Thusnelda die Mutter von Thumelicus, die laut Tacitus noch im Frühjahr 15 + sichtbar schwanger war, kann nicht schon zwei Jahre später im Mai 17 + ein dreijähriges Kind gehabt haben, so wie es uns von Strabo überliefert wurde. Aber wo verbergen sich die Gründe für die abweichenden Überlieferungen der beiden Historiker. Die an sich als zuverlässig gelten. Strabo überliefert also, dass das Kind 17 + drei Jahre gewesen sein soll. Tacitus hingegen schrieb, dass die Mutter noch im Frühjahr 15 + schwanger war. Infolgedessen kann ihr Kind im Jahr 17 + nur zwei Jahre, allenfalls noch ein paar Wochen älter gewesen sein, aber keine drei Jahre alt. Natürlich gilt die Version von Strabo als die stärker Belastbare von beiden, da er Zeitzeuge war und er den Kleinen sah. Andererseits wissen wir nicht, wer ihm damals das Alter von Thumelicus mitteilte. Und ob er es schon während des Triumphzuges oder erst später erfuhr. Tacitus schrieb etwa 1oo Jahre nach Strabo, war also auf eine oder auch mehrere dazwischen liegende Quellen angewiesen. Sicherlich ist diese Episode vor der großen Geschichte nur eine unbedeutende und somit nebensächliche Randnotiz. Trotzdem blieb sie nicht völlig wirkungslos auf die Nachwelt. Jedenfalls berührte die traurige Gestalt des kleinen Thumelicus die antike Geschichtsschreibung, obgleich wir wenig über ihn wissen. Die Etymologie des Wortes Thumelicus war immer schon Objekt wissenschaftlicher Analysen. Man suchte nach Erklärungen aufgrund seiner mütterlichen Herkunft kam aber auch zu anderen Überlegungen. Zum Beispiel wird der kleine antike griechische Altar des Dionysos im mittleren Bereich des Orchesterkreises Thymel genannt. Darum gruppierte sich der Chor. Wer dort auftrat wurde der Überlieferung nach mit dem Namen Thymelicus verspottet. Daraus schloss man, das Thumelicus in seinem späteren Leben verlacht wurde. Der Grieche Strabo stellte diesen Vergleich jedoch nicht her. Er nennt ihn Thoumelikos also nicht Thymelikus oder Thymelikos. Im römischen Imperium könnte man ihn trotzdem so genannt haben, es kam Strabo nur anders zu Ohren. Dieser Pfad muss also nicht unbedingt ein Holzweg gewesen sein. Ob man den Kleinen aber bereits in diesem Alter verspottet hat, sei dahin gestellt. Aber wie wird daraus ein Untersuchungsgegenstand im Zusammenhang mit der Varusschlacht Forschung. Bekanntlich hat sich die Frage etwas fest gefahren, um welche Schlacht es sich gehandelt haben soll, die sich damals nördlich des Kalkrieser Berges zugetragen hat. Man erschloss sich bislang einen Blickwinkel in dem man sich zuerst auf, wen auch sonst nämlich auf Varus konzentrierte, dann aber wegen wachsender Widerstände aus Fachkreisen auch die Germanicus Feldzüge mit in Betracht ziehen musste. Diese endeten jedoch 16 +. Den Horizont erweiterte man jedoch nicht nach vorne. Das Jahr 17 + in Betracht zu ziehen stand überhaupt nicht zur Debatte, da für dieses Jahr keine römischen Schlachten in Germanien überliefert sind, es also an der Germanenfront aus römischer Sicht ruhig blieb. Was allerdings nicht für die Germanen untereinander galt. Denn man lieferte sich in diesem Jahre 17 + eine heftige Schlacht mit den Markomannen die für die Arminius Koalition siegreich endete. Im Jahr 18 + könnte sich jedoch eine andere Situation eingestellt haben. Denn nun gab es möglicherweise wieder einen Grund sich einer Auseinandersetzung mit Rom zu stellen. Strabo hinterließ bekanntlich im Zuge seiner Berichterstattung über den Triumphzug für Germanicus, der am 26. Mai 0017 statt fand den viel sagenden Hinweis, dass Arminius „jetzt immer noch kämpfen“ würde. Dies zieht nun die Frage nach sich, wann Strabo seinen Bericht über den Triumphzug verfasste. Tat er es in der zweiten Hälfte des Jahres 17 + könnte er damit jene Schlacht der Elbe/Weser Germanen gegen Marbod gemeint haben, in der „Arminius immer noch kämpfen“ würde. Tat er es erst im Jahre 18 + so könnte es sich auch um die Anspielung auf ein Gefecht zwischen Germanen und Legionen gehandelt haben. Ob Strabo mit seiner Niederschrift des „jetzt noch kämpfenden Arminius“ an den Krieg der Cherusker gegen die Markomannen dachte, kann nicht ausgeschlossen werden. Hat er es jedoch erst 18 + zu Papier gebracht, dann kann es sich auch um ein römisch germanisches Duell gehandelt haben. Allerdings drückt die Bemerkung von Strabo auch ein gewisses Erstaunen darüber aus, dass Arminius immer noch nicht des Krieges müde war. Strabo wusste, dass das Imperium bereits im Jahre 16 + den einseitigen Waffenstillstand ausgerufen hatte. So drückt seine Bemerkung vermutlich auch Verwunderung darüber aus, warum Arminius trotzdem noch kämpfen würde. Einer Recherche bedürftig ist der Zeitpunkt, wann Strabo erfuhr, dass Arminius jetzt noch kämpfen würde und wann er es nieder schrieb. Da ein kriegerisches Aufeinandertreffen zwischen Germanen und Römern für das Jahr 17 + nicht überliefert ist, gibt es nur die besagten zwei Alternativen. Erstens, er hörte vom Markomannenkrieg noch im Jahre 17 +. Dann bekam er diese Information sehr zeitnah und konnte sie schon in der zweiten Jahreshälfte 17 + in seinen Bericht über den Triumphzug mit einfließen lassen. Dies setzt natürlich auch den schnellen Nachrichtenfluss von der Oberelbe oder dem Ostharz nach Rom bzw. je nach dem wo die Heere aufeinander trafen, voraus. Ob es für Strabo allerdings erwähnenswert gewesen sein könnte, dass sich zwei Germanenvölker gegenseitig bekriegten sei dahin gestellt, denn innergermanische Konflikte dürften im Imperium nicht auf besonderes Interesse gestoßen sein. Andererseits wissen wir, dass es der Wunsch von Tiberius war, dass sich die Germanen in Zwistigkeiten untereinander aufreiben. Man könnte es also vielleicht auch so auslegen, dass Strabo zum Ausdruck bringen wollte, Arminius würde gegen Rom immer noch keine Ruhe geben, da ihm ein rein germanisches Duell irgendwo im Nordosten wenig berührte. Die Schlussfolgerung geht dahin, dass Strabo seinen Bericht über den Triumphzug nicht unmittelbar nach dem Triumphzug und auch nicht in der zweiten Jahreshälfte 17 + nieder schrieb, sondern sich damit Zeit ließ und sich erst 18 + mit dem Erlebten befasste. In dem Jahr, indem er sich auch mit der Geographie Germaniens explizit dem Quellgebiet der Elbe beschäftigte. Die Arbeit war für Strabo teil seines Lebenswerkes und auch in damaliger Zeit widmete man sich für gewöhnlich derart umfänglichen Schreibarbeiten nur mit der nötigen Muße und Abstand und nicht kurzfristig bzw. erst im Alter. Schlussfolgernd daraus kann angenommen werden, dass Strabo seine Erinnerungen an den Triumphzug erst 18 + nieder schrieb und er mit dem „jetzt noch immer kämpfenden Arminius“ nicht die Markomannenschlacht meinte. Aber der Überlieferung von Strabo lässt sich noch ein weiterer Hinweis dazu entnehmen, dass er erst im Jahre 18 + zur Feder griff. Woraus sich die Theorie entwickeln ließe, dass Strabo mit dem „jetzt immer noch kämpfenden Arminius“ die Schlacht meinte, die sich denkbarerweise 18 + zutrug und im Zuge der Gefangenenübergabe, also dem Raubüberfall bei Kalkriese statt gefunden haben könnte. Dazu das Strabo seinen Bericht über den Triumphzug erst 18 + verfasste und sich damit auch auf den in diesem Jahr kämpfenden Arminius bezog, gibt auch der kleine Thumelicus der Sohn von Arminius Anlass. Denn Strabo schreibt, dass Thumelicus am Tag des Triumphzuges, dem 26.5.0017 drei Jahre alt gewesen sein soll. Damit ließe sich zwar nicht auf den Monat genau, aber doch in etwa seine Geburtszeit zurück rechnen und so müsste er um den 26.5.0014 zur Welt gekommen sein. Nach Tacitus war aber seine Mutter Thusnelda im Frühjahr 15 + noch sichtbar schwanger, als Germanicus sie mit nahm. Diese Rechnung geht also zeitlich nicht auf. Da möchte man nun fragen, wer von beiden recht hatte, Tacitus oder Strabo. Hochschwanger lässt uns erahnen, dass die Geburt zeit nah bevor stand und unmittelbar nach der „befreienden Gefangennahme“ im Frühjahr 15 + statt gefunden haben könnte, womöglich noch auf der Rückreise zum Rhein. Thumelicus der nach Strabo am 26.5.0017 drei Jahre alt war, dürfte also nach Tacitus am 26.5.0017 erst zwei Jahre und einige Monate alt gewesen sein. Zwischen den historisch überlieferten Altersbestimmungen des Knaben Thumelicus liegt also etwa ein Jahr. Aber zuvor sei noch die Zuverlässigkeitsfrage gestellt. Tacitus hatte das Jahr 15 + in dem Thusnelda schwanger von Germanicus oder seinen Begleitern aufgegriffen oder erfahren bzw. aus uns nicht bekannten Quellen, die er aber für korrekt hielt. Es muss danach also Personen gegeben haben, die aus dem Anblick heraus bestätigen konnten, dass Thusnelda als Germanicus die Segestes Burg aufsuchte hochschwanger war. Diese Aussage beruhte folglich auf Tatsachen und wurde wohlweislich von Segestes nicht beeinflusst. Wer sagte aber Strabo, dass Thumelicus im Mai 17 + drei Jahre alt gewesen ist. Oder kann man einem Kind in dieser Zeit das Alter ansehen. Könnte er mit zwei Jahren schon wie ein drei Jähriger ausgesehen haben, sicherlich ja und genauso auch umgekehrt. Aber besteht die Möglichkeit, dass vielleicht Tacitus und Strabo auch beide gleichzeitig Recht gehabt haben könnten. Strabo stellt mit seinem deutlichen Hinweis darauf, dass Arminius „JETZT“ also in diesem Moment, folglich hoch aktuell immer noch kämpfen würde, einen klaren Zeitbezug zum Augenblick her. Strabo hielt also sozusagen die Schreibfeder noch fasst in der Hand, während Arminius zur gleichen Zeit also „JETZT“ immer noch kämpfen würde. Aber in diesem gleichen Moment bzw. Satz berichtet Strabo auch, dass Thumelicus „nun“ drei Jahre alt sei. Bezog Strabo das Alter von drei Jahren also auf den 26.5.0017 oder schon auf das Jahr 18 + als er seinen Bericht verfasste. Hatte Strabo möglicherweise dem am 26.5.17 + erst zwei jährigen Sohn im Jahr 18 + ein weiteres Jahr hinzu gerechnet. Dann würde dazu auch die Schwangerschaft von Thusnelda im Frühjahr 15 + passen und es gäbe somit auch keinen Dissens zur Überlieferung von Tacitus. Thusnelda stand 15 + kurz vor ihrer Niederkunft, Thumelicus war 17 + zwei Jahre und Strabo gab sein Alter im Jahr 18 + mit drei Jahren an. Es ergäbe sich auf Basis dieser Altersrechnung auch, dass Arminius demnach im Jahre 18 + noch immer in Kämpfe verstrickt war. Dies ermöglicht eine weitere Schnittstellenbetrachtung. Sie könnte zu dem Ergebnis führen, dass bereits im Jahre 18 + wieder Germanen gegen Römer kämpften. Und das Jahr 18 + war demnach das Jahr in dem Arminius „jetzt“ noch kämpft. Etwas geschmeidiger formuliert lautet der Originaltext von Strabo, den er über den Triumphzug im Jahre 17 + hinterließ „Arminius, der den Krieg der Cherusker anführte und die Treue gegen Quintilius Varus brach und der „JETZT“ noch den Kampf fortsetzt; sowie Thusnelda mit ihrem dreijährigen Sohn Thumelicus,“. Auf den Punkt gebracht kann man sich nun eine Meinung bilden was Strabo unter „JETZT“ verstanden hat. Schrieb er es noch 17 +, dann kämpfte Arminius auch noch in diesem Jahr gegen wen auch immer, bzw. Strabo erfuhr vom Krieg gegen die Markomannen. Schrieb er es erst 18 +, dann trug Arminius einen Kampf in diesem Jahr aus, aber gegen wen ? So entsann sich Strabo möglicherweise im Jahr 18 + auch noch mal des kleinen Thumelicus zurück, dessen Schicksal ihn offensichtlich bewegt hatte, denn sonst wäre ihm seine Anwesenheit und sein mögliches Alter keine Zeile wert gewesen. Auf Entfernung das Alter eines Kleinkindes zu bestimmen, ist ohnehin unmöglich, so könnte er auf Strabo schon wie ein kräftiger Dreijähriger gewirkt haben, obwohl er erst zwei Jahre alt war. Er rekapitulierte im Jahre 18 +, dass dieses Kind heute etwa drei Jahre alt „gewesen sein müsste“. Und sein Vater ? Der hielt in diesem Jahr immer noch seinen Kopf für eine Sache hin, die eigentlich schon längst als abgeschlossen galt. Denn Rom hatte sich 16 + entschieden, Germanien für die nächste Zeit nicht mehr zu bekriegen und sich zurück zu ziehen. Aber Überfälle auf Transportzüge standen immer noch auf seiner Agenda. Eben einer wie jener, der sich 18 + bei Kalkriese zugetragen haben könnte und wovon auch Legionäre der Legio I Germanica betroffen waren. Eine in der Tat schwierige Diskussionsgrundlage. Aber die nur auf den ersten Blick voneinander abweichenden Altersangaben von Strabo und Tacitus auf Thumelicus bezogen, könnten das Ereignis von Kalkriese auf das Jahr 18 + verdichten helfen. Zweifellos gewinnt diese Querverbindung mit Bezug auf das Alter von Thumelicus für sich allein genommen nicht an Plausibilität. Sie lässt sich jedoch damit steigern, wenn man sie in Kontext zu den vielen anderen Hinweisen setzt. Damit ließe sich der Verdacht erhärten, dass auch Arminius 18 + am Kalkrieser Berg selbst noch mit dabei gewesen sein könnte, als man den Gefangenenaustausch vollziehen wollte. Allerdings war Varus da schon neun Jahre tot. (20.10.2020)
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Montag, 5. Oktober 2020
Zwei ungleiche Brüder Strabo und Ovid - Ein Sugambrer und ein Schamane zeitgleich in Rom.
ulrich leyhe, 16:22h
Kontrovers und Paradox erscheint uns einiges an den Darstellungen von Strabo und Ovid. Aber besonders die Anwesenheit eines Sugambrers mit Namen Deudorix im Gefolge von Segestes wie er auch auf Strabo`s Triumphzug Liste stand, gibt uns in der Tat ein Rätsel auf. Wirkte er etwa selbst mit als die Stämme im Jahre 9 + gegen Varus antraten und entschloss er sich dann im Frühjahr 15 + die Seiten zu wechseln. Was waren seine Beweggründe sich Segestes anzuschließen und sich dann in die Hände von Germanicus zu begeben. Alles geschah vor dem Hintergrund, dass man in Rom ungute Erinnerungen an die Sugambrer hatte da man mit ihnen böse Erfahrungen machte und das lag nicht allein nur an der „Clades Lolliana“ die im Jahre 16 - oder 17 – statt fand und durch die Anwesenheit von Deudorix einem Sugambrer in Rom wieder wach gerufen wurden. Es war eine siegreiche Schlacht in der die germanischen Usipeter, Tenkterer aber auch die berüchtigten Sugambrer über den römischen Statthalter Lollius triumphierten. Der von den Germanen damals eroberte Adler der 5. Legion soll in ihrem Besitz geblieben sein, was den Stolz des Imperiums an einer verwundbaren Stelle traf. Die Anwesenheit eines Sugambrers in Rom wirft aber nicht nur die Frage auf in welchem Verhältnis Deudorix zu Segestes stand, sondern auch die Frage, wie die Sugambrer zu den Cheruskern standen. Vieles lässt sich denken, aber mit dem Erscheinen eines Germanen aus dem Stamm der Sugambrer anlässlich einer feierlichen Großveranstaltung konnte man im Rom des Jahres 17 + nicht rechnen. Denn was sollte damals im Jahre 15 + einen Sugambrer soweit nach Osten zu den Cheruskern verschlagen haben, dass sich dieser Segestes anschloss. Die Tatsache, dass ihn uns Strabo mit Namen und Herkunftsstamm hinterlassen hat, lässt viele Schlussfolgerungen zu. Aber die Gewissheit die aus dieser Information spricht zeugt auch von Strabos Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit, denn solche Details saugt man sich nicht aus den Fingern. Deudorix, den man sicherlich auch als einen Häuptling ansprechen darf, war der Sohn von Baitorix einem Sugambrerhäuptling. Mehr Argwohn in römischen Kreisen dürfte jedoch die Tatsache ausgelöst haben, dass der Angriffslustige Maelo sein Onkel war. Maelo der offensichtlich keine Gelegenheit ausließ den Rhein zu überqueren um sich römischen Besitz anzueignen und zu Brandschatzen war sicherlich in Rom kein unbeschriebenes Blatt. Aber die Anwesenheit eines Sugambrers im Beisein von Segestes lässt aufhorchen. Denn Deudorix war nicht mit den anderen Germanenhäuptern aus dem Hause Segestes verwandt mit denen er nun gemeinsam auf der Tribüne saß. Natürlich mit Ausnahme des chattischen Priesters Libes, den man als Gefangenen betrachtete und der sicherlich in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zu Segestes stand. Aber warum ein Sugambrer und was verband Segestes mit ihm. Was sich zumindest daraus schließen lässt, will man die Phantasie nicht zu weit dehnen, dann gab es eine gewisse Siedlungsnähe in der die Stämme der Sugambrer und der Cherusker zueinander standen. Denn man möchte nicht gleich annehmen, dass Deudorix aus privaten Gründen gezwungen war, sich nach Osten absetzen zu müssen. Es könnte die Stämme also keine allzu große Entfernung getrennt haben. Im Gegensatz zu den Chatten sind zwischen den Cheruskern des Segestes Clans und den im näheren Bereich siedelnden Marsern oder Bruktereren keine verwandtschaftlichen Beziehungen bekannt geworden. Aber zu den Sugambrern auch nicht. Ramis bestätigte die Verbindung der Fürstenhäuser untereinander, denn sie war eine chattische Fürstentochter und folgte damals ihrem Mann Sesithakos einem Cherusker. Dies stellt eine interessante Konstellation dar, wenn man bedenkt, dass Germanicus noch kurz zuvor die Siedlungen ihres Heimatstammes den Chatten verwüstete. Trotzdem wechselte sie, da vermutlich machtlos und abhängig, auf die römische Seite über. Aber grundsätzlich verwundert dies nicht, denn offensichtlich existierte innerhalb aller germanischen Fürstenhäuser der Zeit in Germanien sowohl eine pro als auch eine kontra Fraktion gegenüber Rom. In Anbetracht der Theorie, dass Segestes in Vogelbeck nahe Einbeck seinen Stammsitz hatte, bedarf es noch folgender Analyse. Denn wenn Cherusker und Sugambrer nicht weit voneinander ihre Siedlungsgebiete hatten, wäre es interessant zu wissen, wo sich damals der Siedlungsraum der Deudorix - Sugambrer befand. Wie man weiß wurde wegen ihres aufrührerischen Verhaltens auf der „schäl Sick“ wo die Sickambrer, pardon die Sigambrer siedelten, ein großer Teil der Sugambrer im Jahre 7 – von Tiberius in die Region westlich von Xanten und Kleve zwangsdeportiert. Einem weiteren Teil von ihnen war es möglich gewesen, in ihrem ehemaligen, nun vom Rhein abgerückten Siedlungsgebiet sesshaft zu bleiben. Er lässt sich möglicherweise noch in einem schmalen Sprachkorridor, der so genannten niederländischen Varietät östlich von Köln aufspüren. Einem Siedlungsgebiet, das sich dialektisch zwischen Duisburg mittig durch das Wupper Tal bis an die Sieg nachweisen lässt. Aber einer weiteren Abspaltung der Sugambrer gelang noch rechtzeitig gemeinsam mit den Marsern die Flucht nach Osten. Dieser marsisch/sugambrische Mischstamm verblieb demnach nicht im zugewiesenen und vermutlich vom Imperium geduldeten Siedlungskorridor und konnte sich auch der Zwangsumsiedelung entziehen. Unberührte Siedlungsgebiete im Osten dürften sowohl für Marser, als auch für Sugambrer sicherlich nicht beliebig zur Verfügung gestanden haben und man musste sich mit dem Land begnügen, was die dort bereits ansässigen Stämme akzeptieren konnten. Regionen mit minderwertigen Böden die andere Stämme verlassen hatten oder nicht wollten, könnten für sie zur Notlösung geworden sein. Viele Orte im Sauerland bis ins Waldeck angefangen von Altena über Grevenbrück bis Wirmighausen/Waldeck berufen sich auch auf die Sugambrer als ihre älteren Vorfahren. In Grevenbrück leistete man es sich sogar bar jeglicher Spurenlage eine Skulptur des Sugambrerfürsten Maelo im Orte aufzustellen. Da die Lebensbedingungen in den waldreichen Mittelgebirgslagen unwirtlich waren, wird man sich längst der Tallagen auch um Schmallenberg und Kirchhundem angesiedelt haben. Möglicherweise erstreckten sich ihre neuen Siedlungsgebiete noch bis in die Übergangsregionen hinein wie sie sich auch am Oberlauf der Diemel oder an der Itter und um Korbach anboten. Aber auch der Nordrand des Sauerlandes, wo sich aufgrund der Tallagen große Städte auch bis heute nicht bilden konnten. Östlich davon stießen die Neuankömmlinge bereits an die südlichen Wohngebiete der Cherusker nahe dem Nethegau und näherten sich den nördlichen Gauen der Chatten an. Man besetzte folglich eine Landschaft von wo aus man auch Kontakt zu den Segestes Cheruskern an der Leine aufnehmen konnte. Und hier vor den Wohngebieten der Chatten und Cherusker endete wohl zwangsläufig ihr neues Zuhause. Es ist überliefert, dass die Marser aufgrund eines bei ihnen aufgefundenen Legionsadler und der gezielten Racheaktionen des Germanicus unstrittig als Teilnehmer der Varusschlacht fest standen. Man kann aber auch die Ansicht vertreten, dass die gemeinsam mit den Marsern geflüchteten Sugambrer aufgrund ihrer Vorgeschichte für Rom zum roten Tuch wurden. Und ihr Name daher aus den Annalen und Erinnerungen ausgelöscht wurde, denn dem Imperium entkommene Germanenstämme wie die Sugambrer duldete man nicht mehr in der späteren Geschichtsschreibung. Strabo schien 18 + der letzte Berichterstatter gewesen sein, der den Namen Sugambrer noch verwendete. So dauerte es ein halbes Jahrtausend bis ihn Bischof Remigius um das Jahr 500 anlässlich der Taufe Chlodwig I, wieder aussprach. In den beschriebenen Siedlungsgebieten des nördlichen Sauerlandes und des angrenzenden Waldeck stiegen die Sugambrer etwa zwischen 7 - als man einen Teil von ihnen deportierte bis ins Jahr 9 + dem Jahr der Varusschlacht erneut zu einem ernst zunehmenden Widersacher gegen Rom und zu einem einflussreichen Stamm innerhalb der Germanen auf. So lässt sich schlussfolgern, dass sie unter dem Namen Marser auch an der Varusschlacht teilnahmen. Eine Schlussfolgerung des Verfassers beruht darauf, dass Arminius den römischen Feldherrn Varus mithilfe eben jener abgewanderter Sugambrer köderte, indem Arminius sie Varus gegenüber als die Aufrührer betitelte. Neben den Cheruskern gab es in dieser Zeit kaum einen anderen Germanenstamm als wie die besonders kampfesfreudigen und widerspenstigen Sugambrer, die dem Imperium mehr Probleme bereiteten als sie. So könnte dieser in räumlicher Nähe zur Südegge liegende Siedlungsbereich die Sugambrer auch zu Gegnern von Varus werden lassen. Obwohl dies die antiken Historiker an keiner Stelle erwähnten um nicht der römischen Staatsräson zu missfallen. Denn dieser Stamm sollte als getilgt gelten. Ebenso erfolgreich praktizierte man es später in Rom auch noch mit einem anderen wehrhaften Germanenstamm, was jedoch ein eigenständiges Kapitel beansprucht. Um zu versuchen das neue Siedlungsgebiet der einst aus der breiten Region östlich von Köln geflüchteten Sugambrer zu definieren, könnte man also auch das Waldecker Land in die Betrachtung mit einbeziehen. Karl der Große setzte dort um das Jahr 813 die frankentreuen Esikonen ein, die ihre Besitztümer im Ittergau, dem alten Gau „Nitherga“ hatten. Und Esiko besaß auch Ländereien im sächsischen Leinegau. Einer Landschaft in der sich vermutlich der Fürstensitz von Segestes in Vogelbeck befunden haben könnte und der rund 95 Kilometer Luftlinie von Dorfitter im „Gau Nitherga“ entfernt liegt. Eine für die damalige Verhältnisse recht große Distanz die auf eine Zerissenheit hindeutet aber auch ältere Verbindungen anzeigen und was Besitzansprüche, Traditionen oder Privilegien umfassen könnte. Weitere Hinweise die die Theorie stützen könnten, dass es auch noch traditionelle Kontakte zwischen dem „Sugambrergau Nitherga“ an der Itter bis in die alten Siedlungsgebiete des Bergischen Landes gegeben haben könnte, da wo sie einst ansässig waren, bevor man sie mit Gewalt vertrieb sind möglich, da es Anhaltspunkte dafür geben könnte. Es ist schwer zu sagen, ob man den Bogen so weit spannen darf, aber als sich der verschuldete Wilhelm III, Herzog von Berg der auf Schloss Burg an der Wupper residierte 1505 nach Gläubigern umsah war es Graf Philipp II von Waldeck der ihm aushalf und Wuppertal – Beyenburg mit seinen Besitztümern als Pfand annahm. Dies gestattet natürlich keine Linienziehung aus alten Traditionen heraus, aber es war die Faktenlage. Hinzu kommt eine gewachsene Affinität zwischen den Bewohnern des Waldecker Landes und Wuppertal, dass man auch als die heimliche Hauptstadt des Waldeck bezeichnet hat. Man begründete dies immer mit der Tatsache, dass die aufstrebende Textilindustrie in Wuppertal mit Beginn der Garnnahrung 1527 massiven Bedarf an Arbeitskräften hatte. Aber verschüttet geglaubte Verbindungen können langlebiger sein als man denkt und so gab es vielleicht noch einen alten Anker der beide Regionen mit einander verband. Denn warum fühlten sich ausgerechnet die Menschen im Waldeck`schen angesprochen ihren neuen Lebensmittelpunkt nach Wuppertal (zurück) zu verlegen um also dafür rund 120 Kilometer nach Westen auszuwandern. Was aus anderen östlichen Regionen nicht überliefert ist. Aber da gibt es noch den Fluss - oder Bachnamen Itter und den findet man zwar auch noch einmal am Neckar und auch einmal in Niedersachsen. Aber man findet ihn auch im Bergischen Land etwa 10 Kilometer südwestlich von Wuppertal – Elberfeld und gleich zwei Mal im Waldeck, wo sie als Nebenflüsse von Eder und Diemel bekannt sind. Im 13. Jahrhundert schrieb sich die Rheinnahe Itter noch „Itre“ und man vermutet ihren Ursprung im Indogermanischen. Sollte dies eine Theorie rechtfertigen, dass die Itter nahe Wuppertal bereits zu Sugambrerzeiten diesen Namen trug und sie ihn in ihre neue Heimat ins „Gau Nitherga“ mitnahmen. Aber nun lebten die abgespaltenen Sugambrer zusammen in einem aus vielen Stämmen bestehenden Überschneidungsraum, einer Berührungszone der vier germanischen Stämme von Marsern, Chatten, Cherusker und Brukterer. Dort bildeten sie sich wieder die besagte Eigenständigkeit heraus und könnten wie dargestellt auch unweit von Segestes gesiedelt bzw. mit einem Kontingent möglicherweise auch an der Varusschlacht teilgenommen haben. Nach Strabo sollen die Sugambrer sogar an oder nahe der Weser gesiedelt haben, was sich mit einem Siedlungsgebiet am Oberlauf der Diemel noch vereinbaren ließe. Er schloss es vermutlich daraus, dass ein Sugambrer dem Triumphzug im Beisein des Cheruskers Segestes beiwohnte. Und die rebellischen Sugambrer waren immer schon Durchsetzungsfähig und blieben über die Jahrhunderte betrachtet ihrer Stammesgeschichte treu. Somit war der Sugambrer Deudorix der Abstammung nach auch ein greifbarer Vorfahre des späteren Frankenkönigs Chlodwig dem Ersten, der ebenfalls aus sugambrischen Geblüt stammte. Aber der besagte Deudorix, der das Privileg hatte dem Treiben im Mai 17 + zusehen zu dürfen, war auch der Sohn des Sugambrerfürsten Baitorix und damit ein Neffe jenes berüchtigten Sugambrers Maelo. Er wird aber, folgt man diversen Theorien auch als der bevorzugte Wunschkandidat nämlich der perfekte Schwiegersohn von Segestes gehandelt, dessen stiller Wunsch es gewesen sein könnte, ihm die Hand seiner schwangeren Tochter Thusnelda zu geben. Ein Gedanke den man wohl unter den „Blaublütigen“ aufgrund ihrer Schwangerschaft verwerfen darf. Aber Segestes dürften in dieser Zeit auch andere Sorgen geplagt haben, als Heiratspläne für seine Tochter zu schmieden. Die Wahrscheinlichkeit könnte daher größer gewesen sein, dass Deudorix aus ganz anderem Grunde am Hofe des Segestes weilte, als dieser den erhofften und herbei gebetenen Besuch von Germanicus bekam. Deudorix mögen die gleichen Beweggründe getrieben haben wie Segestes. Denn in seinem anzunehmenden Herrschaftsgebiet möglicherweise an der oberen Diemel oder westlich davon gelegen, tobte im Frühjahr 15 + Caecina gegen die Marser und damit wohl auch gegen Teile der Sugambrer und Germanicus der gerade in Nordhessen wütete und danach die Region verließ konnte auch für ihn zur Gefahr werden. Sollte er zur romfreundlich gesinnten Fraktion der Sugambrer gezählt haben hatte er sich dem Kampf seines Volkes eher nicht angeschlossen. Er hätte dann die Absichten seines Freundes Segestes geteilt bzw. setzte auf einen furiosen Siegeszug der Römer gegen die Arminen, in dessen Sogwirkung auch er dann wieder hätte nach Germanien zurück kehren können. Hinzu könnte gekommen sein, dass Deudorix als ein Neffe nur der Bruderlinie des mächtigen Maelo entstammte, so das er sich die Machtübernahme über den Maelo Clan erhoffte. Folglich musste das Herz von Kaiser Tiberius und vor dem auch schon das von Germanicus sehr groß gewesen sein, wenn man diesem Mann Asyl gewährte. Aber es gehörte überall zur römischen Clientelpolitik Adelsschichten zu gewinnen die sich in Abhängigkeit begeben wollten. Was hätte also sonst einen Sugambrer veranlasst haben sollen, sich später unter den Ehrengästen des 26. Mai 0017 wieder zu finden. Denn eigentlich wollten doch er und Segestes im Jahre 17 + schon die unumstrittenen Regenten in ihren Heimatregionen sein und nicht im fernen Rom sitzen oder in Gallien einen Ruhesitz beziehen. So war der ehrenvolle Platz im Kreise der Segestes Familie eher den gescheiterten Bemühungen des Imperiums geschuldet, dem es nicht gelang Germanien zu unterjochen. Deudorix ein Mann dem vielleicht in der Heimat die Stammesführerschaft versagt blieb und sich mit Segestes darin einig war, noch rechtzeitig gemeinsam die weiße Fahne zu hissen, bevor Germanicus vollendete Tatsachen schuf. Vielleicht lag seine Absicht auch darin zu verhindern, dass Germanicus sein angestrebtes Herrschaftsgebiet, den in Betracht gezogenen Gau Nitherga zerschlug. Deudorix mit der verdächtigen keltisch/germanischen Endung im Namen wird zwar im Triumphzug im gleichen Atemzug mit der Segestes Familie genannt, aber nach den Festivitäten findet er wie so viele andere auch keine weitere Erwähnung mehr. Wagen wir aber noch einen Sprung ins 11. Jahrhundert, denn im „Nitherga Gau“ dem „Itter Gau“ im Waldeck begegnet uns später auch der Esikone Graf Dodiko. Ein Name mit dem sich auch die Onomastik beschäftigen könnte um möglicherweise Ursprünge zur Namenstradition eines Deudorix heraus zu arbeiten. Der Tatsache, dass Deudorix offensichtlich ohne familiären Anhang und verwandtschaftliche Verbundenheit Segestes folgte deutet zumindest darauf hin, dass über geordnete Interessen beide zusammen führten. Beide standen in Gegnerschaft zu Arminius und ihnen stand Rom näher als die germanische Sache so strebten es beide an einer römischen Abhängigkeit den Vorzug zu geben. Ovid hingegen stellte sich die Teilnehmer des Triumphzuges aus dem Exil heraus nur mit geschlossenen Augen vor. Ihm erschienen sie alle nur in seinen kühnsten Träumen, Visionen und verschwommenen Zügen vom „was wäre wenn“. Namensnennungen von Teilnehmern musste er, anders als Strabo es schon konnte weglassen und auf Phantasienamen verzichtete er. Am Ovid Triumphzug nahmen Silhuettenhaft nur jene Germanen teil, die sich in die unmittelbaren Ereignisse der Varusschlacht einbinden ließen, so wie er sie alle in seinen Träumen gegen Varus kämpfen sah. Bei Ovid finden wir weder Hinweise oder Rückschlüsse auf den Stamm der Cherusker noch auf cheruskerfremde Kämpfer anderer Germanenstämmen geschweige denn Angaben zu den Germanicus Feldzügen, da er von ihnen vermutlich auch noch gar nichts wusste, denn er soll im Jahr des Triumphzuges 17 + verstorben sein. Bei Strabo wird allerdings eine, ich nenne sie mal vermeintliche Trennlinie zwischen schlechten und guten Germanen sichtbar, denn er rückt die vorgenannte Gruppe jener Germanen die Rom gegenüber in offener Feindschaft standen von jenen Germanen ab, die Rom in Freundschaft verbunden waren. Machte also einen Unterschied zwischen den Germanen die man in den Kriegen gefangen nahm und den Überläufern aus dem Hause Segestes. So zählt er auffällig zahlreich die Stammesangehörigen vieler unterworfener Völkerschaften auf. Zudem nennt Strabo gefangene Kämpfer aus den Stämmen der Chauken, Ampsivarier, Brukterer, Usipeter, Cheruskern, Chatten, Kattuariern, Lander und Tubanten. Stämme, von denen einige gar nicht an der Varusschlacht beteiligt waren, aber möglicherweise an den Folgeschlachten gegen Germanicus teil nahmen. Ob einzelne Kämpfer aus diesen Stämmen auch gegen Varus kämpften, dürfte für Strabo als er etwa 18 + schrieb, nicht mehr nachvollziehbar gewesen sein. Denn kein Gefangener wird sich freiwillig dazu bekannt haben auch schon gegen Varus mitgekämpft zu haben. Möchte man hinter dem Personenkreis den uns Strabo real nennt, jene Germanen entdecken deren aussehen und gebaren uns schon Ovid so plastisch beschrieben hat, dann tun sich zwei Welten auf, die sich nie miteinander verbinden lassen. Strabo hat und brauchte die Metamorphosen des Ovid nicht als Vorlage seines realen Triumphzug heran zu ziehen, denn seine Kenntnislage stand bereits auf stabilen Füßen, als die des Wunschdichters, Träumers und Verfassers trauriger Epen nämlich Ovid. Ungeachtet dessen hat das dichterische Talent von Ovid und damit die Zeit in der er lebte und aus der er berichtete sein Phantasiewerk für eine gegenüberstellende Analyse unentbehrlich gemacht, und auch aus ihm eine ernst zu nehmende Gestalt der historischen Auseinandersetzung werden lassen. Nicht umsonst hat die Historie ihn an die vorderste Stelle gesetzt. Ihm also den Spitzenplatz eingeräumt als Erster wenn auch nur indirekt über die Varusschlacht berichtet zu haben. Wofür auch immer er es dann literarisch verwendete, denn seine Absichten haben wir durchschaut und es wird zur Zweitrangigkeit. Aber seine Metamorphosen waren daher alles andere als nur ein Randwerk in der Betrachtung der Varusschlacht. Für Strabo besaß die Bedeutung der zahlreichen eingefangenen und versklavten Stammeskrieger jedenfalls nicht den nötigen Stellenwert und ihr Bekanntheitsgrad reichte nicht aus, um sich auch noch nach ihren Namen zu erkundigen, oder sie sich zu merken. Sie dienten dem Feldherrn Germanicus als schmückendes Beiwerk und nur dem einen Zweck den Triumphzug auf eine optisch imponierende Zahl Gefangener anwachsen zu lassen. Strabo bezeichnet die Familienmitglieder des Segestes und damit offensichtlich auch noch den Familien fremden Deudorix als vornehm. So könnte man den Eindruck gewinnen, dass alle Personen und wohl auch die des Segestes Clan für Germanicus nicht mehr als nur einen, wenn auch präsentierfähigen, so aber doch letztlich nur bequemen „Beifang“ darstellten. Und bei weitem keine dem Imperium gleich gestellte und erst recht nicht eine auf Augenhöhe angesiedelte germanische Fürstenfamilie. Möglicherweise versuchte Segestes noch die Hand über seinen Familienclan zu halten, aber der Ehefrau des schlimmsten Römerfeindes konnte und wollte man in Rom wohl nicht den nötigen Respekt erweisen. Ebenso nicht einem Segimund der schon einmal die Fronten gewechselt hatte wie es ernst wurde, als er auf die Seite des Arminius überwechselte. Und sicherlich auch nicht den anderen Personen einschließlich eines Deudorix. Aber wir haben es noch mit einer sonderbaren Parallele zu tun. So fällt wie auch schon im Ovid Gedicht auf, dass erneut aber dieses Mal bei Strabo wieder von einem Priester in den Reihen der Germanen die Rede ist. Ovid beschrieb ihn noch als blutrünstigen Schlächter, der die besiegten Römer den Göttern opferte, während Strabo seinen Priester nur einen Chatten nannte und seinen Namen mit Libes angibt. Es ist aber in der Tat eine erstaunliche Duplizität der Darstellungen sowohl bei Ovid als auch bei Strabo erkennbar, was diesen einen bzw. beide Priester im jeweiligen Triumphzug anbelangt. Germanische Gottesdiener müssen in der Antike folglich eine feste Größe gewesen sein und waren ein Begriff für alle antiken Historiker, die sich mit dem germanischen Brauchtum zu Zeiten von Kaiser Augustus oder Tiberius beschäftigten. Denn besser als an diesen zwei Beispielen lässt es sich in so früher Zeit aus keiner anderen historischen Überlieferung heraus lesen, welchen hohen Stellenwert sie hatten. Es gab sie also demnach doch, die Schamanen, Opfer, Druden- oder Zauberpriester und sie sind kein Hirngespinst kruder, druider Mirakulix Geschichten. Wurden sie in Triumphzügen mitgeführt, so galten sie für Ovid als Feinde die man auf Kriegszügen dingfest machen musste. Aber Strabo rückte sie wie es auch deutlich wird schon recht nahe an die germanische Führungsschicht heran, denn sie gehörten schließlich zu deren unmittelbaren und vertrautem Personenkreis. Möchte man nun Ovid`sche Traumwelten mit Strabo`scher Realität verbinden, so könnte man sich die Frage stellen, warum nicht damals auch ein chattischer Priester an den Ritualtötungen nach dem Ende der Varusschlacht auf den Altären der Cherusker im Saltus mit gewirkt haben könnte. Denn Chatten sollen ebenfalls zu den Gegnern von Varus gezählt haben und Libes könnte einer von ihnen gewesen sein. Germanische Priester gehörten demzufolge immer zur traditionellen Kriegsbeute römischer Feldzüge, fanden in antiker Zeit Beachtung, wurden möglicherweise auf Triumphzügen standardmäßig mit vorgeführt und zur Schau gestellt. Erschwert wird die Interpretation der Strabo Überlieferung insofern, als dass nicht klar ersichtlich wird, ob Strabo den chattischen Priester Libes mehr auf der Seite der Segestes Familie oder auf jener der vorgeführten Gefangenen sah. Saß Libes also auf der Tribüne oder musste er das Schicksal mit den gefesselten Germanen teilen. Strabo stellt es so dar, als ob der Name Libes lediglich fiel, aufgeführt bzw. genannt wurde. Den Satz vollendet Strabo aber mit dem Hinweis auf die anderen Personen aus den unterworfenen Völkern. Und dies waren die Gefangenen, aber nicht der ehrenwerte Segetesclan. Man kann daraus schließen, dass sich demnach der chattische Priester nicht in der Segestes Burg aufhielt, als dort Germanicus erschien um sie zu „befreien“. Mit der Präsentation eines Dieners der einem fremden Gott huldigte, ließ sich auch die Schwäche der feindlichen Götter untermauern und die römischen Götter erfuhren dadurch ihre eigene Aufwertung. Beim Priestervergleich blitzte also doch noch mal ganz zaghaft eine bereits verworfene, nebulöse und unwirklich zu nennende Ähnlichkeit zwischen den beiden seltsamen Triumphzügen auf. Der „Strabo“ Priester Libes war ein Chatte und bei Ovid nahm der Priester die Rolle eines Racheengels über die besiegten Römer ein. Ritualhandlungen waren also aus den damaligen Zeiten nicht weg zu denken. Warum sollte sich nach der Varusschlacht im heutigen Sinne gedacht, nicht auch ein chattischer Priester schuldig gemacht haben, in dem er die Cherusker nach der Schlacht dabei unterstützt hatte, die gefangenen Römer zu Ehren ihrer Götter zu opfern. So wie es Tacitus berichtet hatte. Libes wurde von Strabo zwar in einem Atemzug mit den germanischen Fürsten genannt, aber bei genauem Hinsehen fällt auf, dass Strabo in ihm mehr die Beute sah, denn er brachte ihn mit dem Triumph in Verbindung. Und rückte ihn wie dargestellt in die Nähe der vorgeführten Gefangenen aus den diversen germanischen Stämmen. Demnach schonte man ihn nicht, sondern setzte ihn auf die Sklavenliste. Spinnt man den Gedanken weiter kommt man unwillkürlich auch an den Punkt zu fragen oder zu kombinieren, wie ein unmittelbarer Teilnehmer der Varusschlacht aus dem Stamm der Chatten noch sechs Jahre nach der Schlacht in römische Hände gelangt sein könnte. Es scheint aber plausibler zu sein, dass Libes in römische Gefangenschaft geriet, als Germanicus die chattischen Wohngebiete verwüstete und ihn schon mit sich führte bevor er zur Segestes Burg aufbrach. Als Ersatz für chattische Fürsten die ihm nicht in die Hände fielen könnte er ihm recht gewesen sein. Im Umkehrschluss klingt aber alles nur so, als sei der Priester im erträumten Teilnehmeraufgebot des Ovid der gleiche gewesen wie der Chatten Priester mit Namens Libes, den Strabo erwähnt, so wie er 17 + an Kaiser Tiberius vorbei zu paradieren hatte. Defacto aber lagen Kontinente zwischen beiden Triumphzügen. Letztlich standen aber beide Triumphzüge, wenn auch zeitversetzt zu Papier gebracht, also sowohl der reale Triumphzug für Germanicus, als auch der nur als Wunschtraum in Szene gesetzte Triumphzug des Ovid in letzter Konsequenz in Zusammenhang mit der Varusschlacht. Während Ovid mit seiner Darstellung seine Rückkehrabsichten und Hoffnungen bekräftigen wollte, sollte der Triumphzug des Jahres 17 + das Scheitern von Germanicus nach drei Jahren Germanenkriegen, als auch seine misslungene Rache an den Varusbezwingern in Germanien kaschieren helfen, denen er letztlich nie habhaft werden konnte. Der von Strabo beschriebene Festakt für Germanicus wurde letztlich zu einem Triumphzug „light“ und hatte mehr den Charakter einer Pflichtübung, als einer Siegesfeier. Möchte man es vereinfachen, so finden wir in den beiden Triumphzügen sowohl dem von Ovid als auch dem von Strabo die gewünschten Bezüge zur Varusschlacht die uns bei der Aufarbeitung hilfreich sein können. Nämlich bei der Bewertung, dass der Auftritt des Segestes im Jahres 17 + zu einem Paukenschlag der Geschichte wurde, mit dem ein neues Kapitel der Varusschlachtforschung aufgeschlagen wird. Denn es kam mit Segestes eine Wahrheit ans Licht, die sich nur auf den ersten Blick wahrhaftig anhörte. Nämlich die Frage beantworten hilft, ob der hier erstmals erwähnte Segestes mit seinen Aussagen in Teilen die Varusforschung möglicherweise aus Eigennutz in die Irre geleitet und damit die Historie auf den Kopf gestellt hat. Strabo könnte auch von den Metamorphosen, also den verschrifteten Wunschträumen über das unbekannte Wissen des Ovid zur Varusschlacht gewusst und damit auch die Beschreibung des fiktiven Triumphzuges aus der Feder des Ovid gekannt haben. Er könnte Ovid im Wissen darum, dass es später zu einem realen Triumphzug kam dem er selbst beiwohnte, belächelt und darin die Ironie der Geschichte gesehen bzw. Ovid für seine hellseherischen Talente bewundert haben. Denn erst Strabo ließ uns die wahren Details wissen. Details die uns die Suche nach der Schlachtenregion zwar nicht erleichtern helfen, die aber dazu beitragen Segestes und das Wesen der Zeit besser einstufen zu können. Segestes der wie ich apostrophiere Varus eben nicht warnte und damit eine erhebliche Mitschuld an seinem Untergang trug. Denn er hätte Varus in der Tat auch warnen können, wenn er es gewollt hätte. Um sich der Tragweite dieser Überlegungen bewusst zu werden muss man annehmen dürfen, dass es möglicherweise nie eine Varusschlacht gegeben hätte, wenn Segestes ihn tatsächlich auf die drohende Gefahr hin gewiesen hätte. Nun aber gilt meine Aufmerksamkeit wieder uneingeschränkt Segestes dem germanischen Insider im Dunstkreis des Palatins. Er hatte nun dank seiner Strategie die gefährliche Nagelprobe überstanden und sie vielleicht auch nur wegen seiner geschickten Argumentationskette überlebt. Es ist für ihn noch mal gut ausgegangen oder wie der moderne kölsche Germane sagen würde „Et hät no mo jot jejange“. Man kreidete ihm nicht die langjährige verdächtig friedliche Nachbarschaft zu Arminius an, die immerhin sechs Jahre währte. Man blendete bei der römischen Inquisition auch aus, dass er es sogar zuließ, dass seine Tochter Thusnelda noch im Sommer oder Frühherbst des Jahres 14 + von seinem Widersacher Arminius geschwängert wurde. Und man stellte auch keine weiteren Fragen mehr, warum die räumliche Nähe beider Konfliktparteien in den langen Jahren keine Nachteile für Segestes mit sich brachte. Eine „angebliche“ Feindschaft die erst im Jahre 15 + aufbrach als sich justament wieder Römer in kriegerischer Absicht auf Ostwestfalen zu bewegten. Die Spatzen pfiffen es damals vom Dach, dass die Zeiten rauer werden würden und es stieg die Gefahr für den einfachen Germanen aber auch die hohen Fürsten der Cherusker um ihr Leben bangen zu müssen. Denn in Ostwestfalen war bekannt, was man in Rom unter Rache nehmen bzw. sie auszuüben verstand. Möglicherweise getrieben von der nackten Angst, die Legionen würden in Bälde verwüstend über Ostwestfalen den Leinegau aber auch über die Siedlungen der Sugambrer her fallen und Segestes und seinen Anhang aber auch Deudorix töten oder abführen, da auch er in die Varusschlacht hätte verstrickt sein können, ließ alle den rechtzeitigen Schwenk vollziehen. (05.10.2020)
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