Mittwoch, 8. November 2017
Inbesitznahme nach römischem Recht
Spätestens der aus römischer Sicht erfolgreiche Ausgang des von V. Paterculus überlieferten Immensum Bellum mit der genauen lateinischen Bezeichnung “immensum exarserat bellum”  also in etwa ein mit einem Weltenbrand zu vergleichender Krieg, der unter der Führung von Tiberius von 1 + bis 5 + den Norden und die Mitte Germaniens erschütterte, ließ unterschwellig keinen Zweifel mehr daran, wie es in Germanien um die neuen Machtverhältnisse stand. Paterculus selbst nahm bekanntlich an der Varusschlacht nicht teil, stand aber diesem Ereignis als Zeitgenosse, wie auch Auffidius Bassus sehr nahe. Ihm waren die Stärken vor allem aber Schwächen eines Varus daher wohl gut bekannt, denn er wurde zum glühenden Verfechter, man würde heute sagen Fan von Tiberius von dem er wohl beeindruckt war. Und dies wohl nicht zuletzt deswegen, weil der die Attribute eines erfolgreichen Feldherrn besaß, die er bei Varus später so schmerzlich vermisste. Wie der Name Immensum Bellum vermittelt, waren die Kämpfe unermesslich, umfangreich und erstreckten sich über große Räume und Landstriche. Germanien wurde mit allen Formen kriegerischen Handelns unterworfen und sogar die entfernt lebenden Langobarden an der Elbe mussten sich nach einem verlorenen Kampf gegen die Legionen auf die Ostseite der Elbe retten und erlebten erstmals mit welcher militärischen Präzisionsarmee sie es da zu tun hatten. Jeder Widerstand schien in diesen Zeiten zwecklos. Nein, nicht jeder, denn Tiberius sah sich auf dem langen Rückmarsch zum Rhein doch noch einem germanischen Überfall unbekannten Ausmaßes ausgesetzt. Möglicherweise boten sie in Unterzahl „wie üblich“ den Stämmen eine schwache Flanke in einem Hinterhalt oder in unübersichtlichen Gelände. Wer wollte es bei den leidigen Erfahrungen im Umgang mit der Großmacht jenen Cherusker verdenken, wenn sich diese mit den Zähnen knirschend, gegen eine Vertragsregelung mit Rom stemmten. Germanien war nach dem Immensum Bellum offensichtlich entgegen den Augustus Äußerungen doch nicht überall befriedet. Aber die Cheruskerhäupter übten sich in ungewohnter Diplomatie und stimmten einem Bündnis, allerdings nach ihrem Rechtsverständnis zu. Und ungeachtet der unübersehbaren Missstimmung zwischen den ungleichen Partnern, war man im Lager des Varus natürlich aus rein strategischen Erwägungen heraus sehr zufrieden, den nun Treue signalisierenden Widersachern einen Vertrag in ihrem Sinne aufgedrückt zu haben. Der letzte Feldzug im Jahre 5 + im Rahmen des Immensum Bellum wurde noch tief ins Land geführt und war umfangreich, so dass er sich bis in den Herbst hingezogen haben könnte. Nach der anschließenden Lagebesprechung in einem Winterlager am Rhein, wird es eine Beurteilung gegeben haben, die Tiberius Kaiser Augustus vorgetragen haben dürfte. Daraufhin wird dieser in der Folgezeit die weitere Vorgehensweise bestimmt haben und sich für einen Konsul mit Namen Varus als Statthalter in Germanien entschieden haben. Auch mit Varus wie, mit den meisten großen römischen Häuptern auch, die er in Germanien einsetzte, war er verwandtschaftlich verbunden. Er berief ihn folglich in Palästina ab, um ihn nach Germanien zu entsenden, wo er vermutlich erst bzw. schon je nach dem welche Reisezeiten man zugrunde legt 6 + oder 7 + eintraf. Man wird nun damit begonnen haben, viele kleinere und größere römische Posten, Marsch- und Legionslager vom Signalturm über den Burgi bis zum Standlager die der militärischen und wirtschaftlichen Erschließung dienten, über die Weiten des Weserberglandes zu verteilen. Diese wurden alle zur Machterhaltung des Imperiums Romana und zum Schutz der nötigen Handelswege aufgrund einer permanent unsicheren Lageeinschätzung durch hohe Palisaden, tiefe und breite Gräben, angespitzte Schanzpfähle und heimtückische Annäherungshindernisse gesichert werden. Freizügig- und Durchlässigkeit sieht anders aus. Die Überlandwege führten vom Umschlagplatz am Oberlauf der Lippe fächerförmig vermutlich auch begleitet von Signaltürmen in die wichtigsten Richtungen. Dem Weserraum wird man aber Priorität eingeräumt haben. Die Verbindung des römischen Schnellweges von „Ad Ripam“ über Schwaney und Brakel steuerte gradlinig den Mittellauf der Weser südlich Höxter zum Übergang über den Fluss an und sie musste nur auf die geologischen Bedingungen wie die Ab- und Anstiege und die Umgehung wie zum Beispiel des Gradberges Rücksicht nehmen. Für Varus war Waffengewalt, auch wenn er davor seinen Richterspruch setzte, immer Mittel zum Zweck. Dafür das er nicht sehr zurück haltend war sie einzusetzen sprechen die von ihm überlieferten drakonischen, aber wohl für die damalige Zeit üblichen Strafmaßnahmen in Syrien und auch die Germanen sollten sie noch zu spüren bekommen. Hier an der Weser wollte er römischen Prunk und Machtentfaltung sehen und etwas Abseits davon gesellte sich dann auch die nötige Abschreckung zur Diplomatie. Anfänglich wollte er die Germanen noch von den Segnungen seiner Kultur überzeugen und das sollte nicht unbedingt im Angesicht waffenstarrender Legionäre statt finden und so trennte er nach seinem Gutdünken die Judikative von der Exekutive und konnte auf diese Weise seine Hände immer in Unschuld waschen bis man seine Taktik durchschaute. Römischer Methodik folgend, wurde das religiös/politische Zentrum davon fern gehalten. Während man die Legionslager bzw. Arrestanstalten die der Exekutive zugeordnet waren, in einem gewissen strategischen Sicherheitsabstand weiter südlich oder nördlich an der großen Weserbiegung ansiedelte bzw. im Bereich der heutigen Dörfer Godelheim, Wehrden und Amelunxen an der Nethemündung. Bei der Auswahl ihrer Lager- und Siedlungsplätze haben die Römer schon im Vorfeld darauf geachtet, dass die Versorgung für Mensch und Tier mit gutem Trink- und reichlich Brauchwasser gewährleistet war. Regenwasser, das in Zisternen aufgefangen, oder oder über die Dächer der Lagerinnenbauten gewonnen wurde, sowie die Trinkwasserbeschaffung über Brunnen und Quellen, das mittels Leitungen transportiert wurde, waren die wichtigen Stützpfeiler römischer Wasserversorgung und Infrastruktur. Quelleinfassungen, ein Rinnensystem aber auch die Ableitung der oberirdischen Niederschlagswässer und der Fäkalienbeseitigung mittels Gefälle waren demzufolge Standard für jedes Römerlager oder jede Römersiedlung, ob zivil oder militärisch genutzt. Die Nethe in Verbindung mit einem recht hohen Grundwasserstand wird sicherlich auch eine Bedeutung für die Wasserversorgung gehabt und für günstige Siedlungsbedingungen gesorgt haben. Bildauswertungen der im Boden liegenden luftarchäologisch nachgewiesenen Spuren römischer Gutshöfe in der Region rechtfertigen die Annahme, dass hier auch Versorgungszentren lagen, die im Zuge stärkerer Besiedlung mit der Kapitale zusammen gewachsen wären. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Setzt man voraus, dass Varus erst nach seiner allerdings nicht sicher beweisbaren Ernennung zum "legatus Augusti pro praetore" seine neue Funktion antrat, könnte man annehmen, dass er das Weserbergland auch erst im Frühjahr 7 + erreichte, obwohl manche Historiker auch das Jahr 6 + für möglich halten und so konnte er auch dann erst seine größeren Bautätigkeiten in Angriff nehmen. Varus und Arminius kamen in etwa zeitgleich im heutigen Ostwestfalen an. Etwa 7 + oder 8 + soll Arminius aus Pannonien in seine Stammesgebiete zurück gekehrt sein. Das cheruskische Fürstenhaus stand um diese Zeiten vermutlich noch relativ widerspruchslos trotz einiger Heißsporne auf der Seite der römischen Eroberer. Segimer der Vater von Arminius, sein Onkel Inguiomer, sein Bruder Flavus und natürlich Segestes fanden sich mit der neuen Lage ab, dass nun Varus ihr Stammesgebiet beherrschte und als neue Provinz ins römische Reich einverleiben wollte. Dies war sein Ziel und mit der Hilfe der Cherusker ließ es sich besser erreichen. Arminius, etwas heroisch dargestellt noch mit unverheilten Kampfspuren am Körper und als halber Fremdling, dafür aber mit brauchbaren lateinischen Sprachkenntnissen und einer Portion Wut im Bauch traf nach langem Ritt in der alten Heimat ein. Er hatte seinen „Wehrdienst“ für Rom abgeleistet und Rom brauchte den wie man annahm domestizierten Germanen in Germanien für neue politische Aufgaben. Um diese Zeit hatte er noch nicht seine spätere Führungsposition innerhalb seiner Familie inne, aber es gab Familienangehörige die ihn schon vorsichtig aber in ihrem Sinne darauf vorbereiteten. Sein Vater dürfte um diese Zeit trotz allem noch die Weichen gemeinsam mit Varus und Segestes ganz im Sinne römischer Expansion gestellt haben und musste Realist sein. Varus und Segimer und die ihnen nahe stehende Führungsschicht haben die weiteren Schritte untereinander abgesprochen. Unklar bzw. nicht überliefert ist auch, wie viel cheruskische Fürstenhäuser sich das gesamte Stammesgebiet unter sich aufgeteilt haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Sollingraum und Nordharz noch Raum für weitere Stammessitze vorhanden war, die noch nicht zum engeren aktiveren Kreis der Protagonisten zählten oder schon zu den Langobarden tendierten. Varus dominierte die Gespräche kraft seiner Überlegenheit, aber er wird seinen Spagat trotzdem nicht überzogen haben, um die fragile Allianz nicht zu gefährden und die Cherusker nicht zu entehren. Die gemeinsame Festlegung bzw. Einigung auf den wichtigen Weserstützpunkt bzw. Übergang war von großer Bedeutung. Logistische und militärische Fragen haben dabei die entscheidende Rolle gespielt. Im Vordergrund stand immer die Versorgung der Legionen, die Auswahl der Örtlichkeit im Sinne territorialer Machtentfaltung. Die punktuelle Lage im geographisch günstigsten Mittelabschnitt der Weser zwischen Lippe und Elbe also die Suche nach dem besten Zentralort zu den nahe liegenden Germanenstämmen der Großregion um deren Kontrolle und Anbindung sicher zu stellen, war ausschlaggebend. Die Cherusker waren ein kleiner aber mitbestimmender Partner. Welchen Einfluss konnten sie bei der Festlegung des neuen Hauptortes geltend machen ? Wollten, konnten oder durften sie sich überhaupt an der Entscheidung beteiligen, bzw. durchsetzen oder ließen es Varus und seine Legaten gar nicht erst zu und verbaten sich sogar jede Einmischung. Zu diesen Anfangszeiten wird es wenn, dann nur geringe Spannungen zwischen beiden Parteien gegeben haben und man stand sich trotz vergangener Zwistigkeiten im großen und ganzen noch relativ unbelastet gegenüber. Die römische Dominanz war trotzdem unübersehbar, maßgebend und präsent. Wo könnte es bei allem noch Schnittmengen in der Interessenlage beider Lager gegeben haben ? Waren die jeweiligen Cheruskerfürsten bemüht, dass neue römische Zentrum in die Nähe ihres Stammessitzes zu holen, argumentierten sie gar selbst für einen Standort unterhalb des Fürstenberges an der Furt oder nahe Corvey oder hätten sie es gar vorgezogen, wenn das römische Hauptlager möglichst auf Distanz zu ihnen blieb. Rechneten sie sich gar mit zunehmender Nähe zu ihren Wohnsitzen einen Machtgewinn gegenüber anderen Stämmen aus, oder wollten die Cherusker auch damals schon die Römer letztlich doch nur an die Weser locken um ihren Rückmarsch zum Rhein zu verlängern ? Varus hingegen wollte alle seine Juniorpartner auch unter Betrachtung anderer nicht cheruskischer Stämme im Auge behalten und so entschied man sich letztlich für eine räumliche Nähe zu allen regionalen Stämmen aber mit dem jeweils nötigem Sicherheitsabstand aber den Cheruskern als einheimischer Schutzmacht. Kritischen Situationen bzw. Notfällen sollte der schnelle Rückweg zur Lippe dienen, der noch ausbaufähig war. Das cheruskische Fürstenhaus arrangierte sich mit “Bigbrother” und stimmte der Standortwahl zu. Die Bedingungen für die Versorgung der Kavallerie stimmte und die Entfernung von etwa 47 Kilometern zum römischen Lippe Hafen passte noch gerade so in die Logistik von zwei Tagesmärschen. Es wird sich ab dem Jahr 7 + ein Pendelverkehr zwischen Lippe und Weser eingespielt haben. Maultierkolonnen haben die nötigen Güter heran geschafft und es wird in den üblichen Abständen bereits erste Raststationen und Posten gegeben haben, die man noch weiter ausgebaut hätte. Rom fühlte sich in dieser Zeit an der Weser sicher, die Stimmung war gut und es stellten sich erste Erfolge ein, indem sich die Germanen als lernfähig erwiesen und wie man so hört auch schon Märkte besuchten. Varus wird die Zeit bis zum jeweiligen Herbstrückzug an den Rhein genutzt haben, um sich von seiner besten Seite zu zeigen und wird weiteren hochgestellten Oberhäuptern und Fürsten die ihn umschmeichelten das römische Bürgerrecht angeboten und sich ihrer Unterstützung versichert haben. Damit verlief sein erstes Jahr in Germanien schon mal ganz ordentlich nach Plan. Doch schon nach dem ersten Winter im Frühjahr 8 + hörte man bei den Germanen die Nachtigall trapsen oder anders ausgedrückt, es fielen ihnen so langsam die Schuppen von den Augen. Ungeheuerliche Geschichten und Begebenheiten der Südländer machten die Runde und schaukelten sich hoch, die ihnen so gar nicht in den Kram passten. Und in der Tat im Jahr 8 + gingen die Römer auch schon mehr zur Sache und wurden mutiger. So fielen ins Jahr 9 + hinein auch schon erste dunklen Schatten voraus, denn die römischen Gewalttaten und die Zahl ungerechter Urteile wuchsen. Dieser neue auf dem römischen Reißbrett geplante Mittelpunkt ihrer Kolonialmacht im Inneren Germaniens baute sich auf guten Versorgungsstrukturen und den Erfahrungen aus früheren Städteplanungen auf. Ackerbau und Viehzucht waren genau so notwendig wie die Salzgewinnung, die Bauholzbeschaffung und die Verhüttung von Rohstoffen. Dies verschaffte um diese Zeiten vielen Menschen bessere Lebensbedingungen, vielleicht blieb auch schon mal eine römische Münze hängen und es wehte schon etwas der zarte Hauch von Wohlstand in die Hinterhöfe uralter Traditionen. Hätten es nun die Römer verstanden die Menschen an ihrer örtlichen Kulturstufe abzuholen und sie als Gleichberechtigte zu integrieren, wäre vielleicht vieles anders verlaufen. Doch diese Klaviatur verstand man in Rom nicht. Aber wie man so sagt, “hätte hätte Fahrradkette”, so war der Lauf der Dinge ein anderer. Die Römer zeigten vermehrt und zu offen ihre Dominanz, denn sie besaßen ja schließlich die Macht, die Waffen und die Technologie und wer wollte denn von ihnen verlangen, dass sie sich auf eine untere barbarische Kulturstufe zu bewegen sollten. Damit hat übrigens auch bis in die heutige Zeit betrachtet so manch andere Weltmacht immer noch so ihre Probleme. Alles in allem lief es doch auch so schon ganz prächtig und warum sollte man von alten erfolgreichen Rezepten abweichen. Viele ehemalige auch starke Mächte am Mittelmeer, mussten sich schon dem alten Stadtstaat Rom beugen, so war örtlicher Widerstand für die römischen Besatzer auch nichts Ungewöhnliches und wenn er denn in Form von Aufständen irgendwo ausbrach, so galt es eben ihn im Keim zu ersticken und zu brechen. Man reagierte also recht zeitnah auf drohende sich anbahnende Konflikte. (zuletzt bearbeitet 08.11.2017 - 12:27)

... link