Mittwoch, 30. Januar 2019
Zur Begrifflichkeit des „Sommerlagers“ und warum Marbod nicht zu einer Bedrohung wurde
Ohne stark von als unstrittig geltenden historischen Fakten abzuweichen lässt sich auf Basis von Begebenheiten unter Zuhilfenahme von Spekulation und Fiktion ein chronologisches Gerüst hinterlegen, womit sich plausibel, also nachvollziehbar Wissenslücken schließen lassen können. Insbesondere auf die folgenden Ereignisse lässt sich diese Systematik anwenden. Und so könnte es sich zugetragen haben. Varus traf also im zeitigen Frühjahr 6 + auf seinem Weg von Rom nach Vetera in Mainz auf Tiberius. Der dortige Drusus Kenotaph lieferte beiden einen willkommenen Grund für einen gemeinsamen Erinnerungskult. Die Gelegenheit für ein Treffen könnte nicht günstiger gewesen sein und bot sich an, denn es war nach meinem Dafürhalten ein Abstimmungsgespräch zwischen Tiberius und Varus in dieser Phase dringend nötig. Tiberius machte um die gleiche Zeit in Mainz seinen Zwischenstopp auf dem Weg vom „Immensum Bellum“ Krieg nach Carnuntum, wo er im Frühjahr 6 + die Südarmee gegen Marbod von Messallinus übernehmen wollte. Varus könnte in Mainz noch den Auszug der Legionen unter Gaius Sentius Saturninus in den Markomannen Feldzug beobachtet haben, als Tiberius schon nach Carnuntum unterwegs war. Um diese Zeit waren die, wie ich vermute zwei Legionen aus dem Varuskontingent von Vetera bereits über den Haarweg marschierend in Richtung Hachelbich aufgebrochen, um sich Marbod von Norden zu nähern. Und natürlich ist hier die Hypothese noch nicht zu Ende. Varus traf in der Folge in Vetera ein und übernahm dort planmäßig das Kommando über die ihm unterstellten „Rest“ Legionen. Varus ließ das Jahr 6 + aber nicht tatenlos verstreichen und entsandte eine Einheit nach Ostwestfalen die dort die ersten Vorarbeiten für die Landerschließung zu treffen und bereits einzuleiten hatte. Ob er sich selbst schon im Jahr 6 + in Ostwestfalen aufhielt ist denkbar. Ich möchte es aber ausschließen. Varus schätzt man allgemein als Komfort bedacht ein, hatte eine anstrengende Anreise hinter sich und war im Jahr 6 + bereits 52 Jahre alt. Er verbrachte daher möglicherweise das Jahr 6 + noch am Rhein und plante seinen ersten Marsch nach Ostwestfalen erst für das Frühjahr 7 +. Auf Basis dieser Überlegung hätte Varus die Nachricht vom Abbruch des Markomannen Unternehmens noch in Vetera bekommen müssen. Versetzt man sich nun in seine Lage, so hatte er zu entscheiden, wie er die ihm zur Verfügung stehenden Männer richtig einsetzen sollte. Denn Kastelle waren zu besetzen, den Rheinlimes galt es zu bewachen, Infrastruktur war zu schaffen und er selbst wollte noch genügend Legionäre mit nach Ostwestfalen nehmen. Varus war sich der Lage bewusst, dass Marbod nun zur Gefahr werden könnte, richtete seine Strategie danach aus und suchte nach einer Lösung. Tiberius konnte ihm jetzt nicht mehr helfen, denn er kämpfte inzwischen meilenweit weg in Pannonien. Varus war folglich auf sich allein gestellt. Es blieb ihm nun nichts anderes übrig, als seinen germanischen Bündnispartner die Cherusker verstärkter als ursprünglich vorgesehen in die neuen Pläne mit einzubeziehen bzw. ihn auf die Gefahr aus dem Osten einzuschwören.Die Cherusker waren nach dem „Immensum Bellum“ ein geschwächter und untergebener Bündnispartner der um diese Zeit nur in völliger Abhängigkeit und im Einvernehmen bzw. mit Duldung Roms handeln durfte. Sie mussten sich fügen und besaßen keinen Handlungsspielraum für eigenständige Aktionen, wenn sie römische Interessen kreuzten, was sie zu konspirativen Maßnahmen greifen ließ. Durch das tiberianische „Friedensdiktat“ mit Marbod geriet der Erfolgs gewohnte Varus jedoch in die Defensive und musste sich taktischer Schritte bedienen und Marbod gegenüber deutliche Zeichen der Stärke und Entschlossenheit setzen ohne ihm aber direkt die Stirn bieten zu können und zu dürfen. Und symbolische Stoppschilder wie es die Formulierung „bis hierhin und nicht weiter“ gut beschreibt, setzt man nicht einfach nur verbal. Denn eine neue Provinz lässt sich nicht bequem und aus sicherer Distanz von Vetera aus verwalten. Eine feste repräsentative Dependance und Residenz gehört genau da errichtet, wo das zukünftige römische Territorium aus östlicher Sicht betrachtet beginnen sollte und wo es aus westlicher Sicht endete. War dies in den Grundzügen immer schon ein Prinzip von Varus seinen Hauptort prachtvoll aufzuwerten, so stellte sich durch die nach dem Abbruch des Markomannen Feldzuges eingetretene unübersichtliche politische Lage Notwendigkeiten ein, an der Weser Flagge zeigen zu müssen. Je eindrucksvoller neue römische Außenposten am Ende der zivilisierten Welt ausgebaut waren und je aufwendiger, pompöser und voluminöser sich ihre Außenmaße zeigten, um so stärker wirkten auch die Signale, die man davon aussenden wollte. Hier entwarf Varus das, was er sich als das richtige Erscheinungsbild vorstellte und was darauf abzielen sollte, die germanische Welt zu beeindrucken. Um seine bauliche Visitenkarte an der Weser zu hinterlassen blieben ihm bekanntlich nur maximal drei Jahre, die er bis zuletzt nutzte. Gegenüber Marbod steckte darin seit dem Frühjahr/Sommer 6 + bzw. dem unerwarteten Friedensvertrag auch ein gewisses Potenzial an Drohgebärde. Fraglich, ob sich Marbod davon hätte beeinflussen lassen und so könnte auch das Pfeifen im Walde geklungen haben. Aber beschäftigen wir uns bei dieser Gelegenheit nochmal mit einem unserer Hauptdarsteller und werfen einen Blick auf die interessante Vita des P.Q.Varus. Eine wirtschaftlich prosperierende Grenzmark ist seit jeher auch immer Aushängeschild einer überlegenen Großmacht. Kulturelle Errungenschaften sollten die Wirkung eines Schaufenster entfalten, wie wir es nicht nur an der innerdeutschen Grenze im kalten Krieg erlebten. Auch innerhalb der Varusforschung sind sich die Gelehrten über ihn und sein Wesen uneins. Der Literatur ist zu entnehmen, dass er in seinen jungen Jahren enge Kontakte zu Künstlern und Literaten pflegte. Einer von ihnen war der auch in unseren Tagen immer noch häufig zitierte Gaius Cilnius Maecenas besser bekannt unter dem Namen Mäzen. Und bis hier hin klingt vieles nicht nach einer militärischen, sondern eher nach einer schöngeistig, zivilen Karriere und Zukunft des jungen Varus. Man ist sich nicht sicher, ob er in dieser Zeit eine Funktion in der römischen Verwaltung oder beim Militär inne hatte. Schon in den Jahren 21 - / 20 - wurde er von Kaiser Augustus zu seinem persönlichen Finanzfachmann einem Quaestor Augusti ernannt. Des weiteren ist überliefert, dass Varus als Prätor auch Recht sprach. Als Konsul war Varus zudem mit verantwortlich für das gewaltige und nahezu gigantische Bauprogramm des Kaiser Augustus. Und er diente als Proconsul bzw. Statthalter in Africa, wo er für die Rechtsprechung, den Steuereinzug und die Sicherheit der Region verantwortlich war. Die nordafrikanischen Städte Achulla und Hadrumetum die zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörten, prägten zu seinen Ehren sogar Bronzemünzen mit seinem Konterfei. Dem höchsten Beamten einer Besatzungsmacht bereits zu seinen Lebzeiten Münzen mit seinem Antlitz zu prägen, mag für die Zeit üblich gewesen sein, kann aber auch anders ausgelegt werden. Man könnte es in zweifacher Hinsicht bewerten. Zum einen weil man ihm voraus eilend huldigen wollte, damit er es mit seinen „Wohltaten“ im Lande nicht übertreiben sollte, da diese wohl zu Lasten der Städte und den jeweiligen Stadtkassen gingen, man könnte den Stadtoberhäuptern aber auch ehrliche Absichten unterstellen. Dann hätte Varus zweifellos Gutes bewirkt. Sehen wir ihn positiv, so könnte er in diesen Städten Nordafrikas seinem Genius folgend jene Taten vollbracht haben, die ihm in jungen Jahren wichtig waren. Er hätte die Kultur und die Architektur gefördert und hätte das Wirklichkeit werden lassen, wie es seinem Lehrmeister Mäzen gefallen hätte. Die Familie war der Architektur offensichtlich sehr zugetan, denn auch sein Neffe Asprenas, obwohl später ebenfalls Legionskommandeur war nach dem Tod seines Onkels Varus auch zuständig für die öffentliche Bautätigkeit in Rom. Man darf sich daher die Frage stellen, wie man unter diesen Voraussetzungen seine Neigung zum militärisch Notwendigen seiner Zeit einzuschätzen hatte. Zweifellos war er wie es im Imperium unvermeidbar war immer eng damit verwachsen, denn das Imperium war ein auf Expansion ausgerichtetes Staatsgebilde. Er war 15 - an den Kämpfen gegen die Helveter beteiligt und auch in Syria war er für sein militärisches Einschreiten mehr berüchtigt als von der Nachwelt geschätzt. Ob sich daraus letztlich ein Hang zum Militärwesen oder ein besonderer Bezug zur kämpfenden Truppe ableiten lässt sei dahin gestellt. Aber die menschliche Seele ist unergründlich und Charaktere ändern sich. Im römischen Imperium waren die Kontraste allgegenwärtig. Literatur, Dichtung, Architektur auf der einen und brutalste Unterdrückung auf der anderen Seite schlossen sich nicht aus. Was haften bleibt ist seine Hinwendung zum Zivilen in all seinen Formen, vermutlich mehr als zum Militärischen. Sein möglicher Wunsch bleibendes schaffen zu wollen, könnte Antriebsfeder seiner Wertevorstellungen gewesen sein. Prägnante bauliche Hinterlassenschaften könnten Ausdruck seines Sendungsbedürfnisses gewesen sein. Die Züge eines von Augustus geprägten und beeinflussten Machtmenschen. Die römische Kultur in all ihren Facetten von der Rechtsprechung über die militärische Überlegenheit bis zur monumentalen Wucht der Präsentation am Beispiel gewaltiger Bauwerke war das Markenzeichen damaliger Zivilisation. Letztlich gereichte es Varus zum Nachteil. Denn auch das wirkungsvollste und nach Osten gerichtete Portal, wie man es sich vielleicht in Deutz vorstellte, als römisches Aushängeschild ins freie Germanien konnte östlich der Weser nur unter wenigen Germanen das römische Leben erstrebenswert machen. Rom war der Zeit um viele Jahrhunderte voraus, aber in Germanien war man noch nicht so weit. Varus schlug an der Weser zwar den Pflock der Zivilisation ein um Zeichen zu setzen, aber er tat auch gut daran gegenüber seinem Gegenspieler Marbod Vorsicht walten zu lassen. So vollzog er einen Spagat zwischen offensiver Siedlungspolitik aber defensiver Militärstrategie, denn er hatte aufgrund seiner angeschlagenen Truppenpräsenz durch die Vakanz seiner Legionen keine andere Alternative. Denn vergessen wir bei alledem nicht die Worte des Zeitzeugen Paterculus (II, 109) der einen Vermerk hinterließ mit dem man auch damals schon den geplanten aber abgebrochenen Angriff auf Marbod legitimierte oder zu legitimieren versuchte. Denn auch nach dem Friedensvertrag ging von Marbod immer noch die altbekannte Gefahr aus. Waren die Worte von Paterculus wahr, so würde Marbod nicht einmal davor zurück schrecken, in die westlich von ihm liegenden, also in die germanischen Gebiete am Main, ins Noricum oder nach Pannonien einzudringen. Und die Gefahr wuchs wieder an und war wieder allgegenwärtig, nachdem sich Marbod mit Glück den ihm drohenden Fesseln entledigte, die ihm beinahe durch Tiberius auferlegt worden wären. Im Frühjahr 6 + sonnte sich Marbod noch in seinem Erfolg, der ihm ohne sein dazutun in den Schoss fiel und hatte Ostwestfalen „noch“ nicht im Sinn. Um die Gunst der Stunde zu nutzen hätte Marbod bereits im Sommer 6 + gegen Rom bzw. Varus zu den Waffen zu greifen müssen. Aber dazu könnten ihm seine Markomannen die Gefolgschaft verweigert haben. Und ein Winterfeldzug stand bei den Germanen üblicherweise nicht zur Debatte. Erst im folgenden Jahr 7 + könnte Varus, wenn überhaupt von markomannischer Seite aus ein Angriff gedroht haben, aber da hatten sich die Zeiten bereits geändert, wie ich im weiteren Verlauf noch ausführen möchte. Wie steht es nun um den Begriff Sommerlager den man schon im 19. Jahrhundert in die Welt setzte, im Zusammenhang mit einer möglichen Bedrohung aus Südost. Varus verbrachte nach allgemeiner Auffassung drei, nämlich die Jahre 7 +, 8 + und 9 + den Sommer über immer in der Provinz bzw. an der Weser. Und er bzw. die Legionen sollen wie der Name Sommerlager schon suggeriert, es auch nur über die Sommermonate genutzt haben. Allerdings ist eine derartige Lager Konstellation für das Imperium unter den damaligen Bedingungen noch dazu in Grenzlage unüblich, nicht denkbar und auch nicht logisch. In einem früheren Kapitel beschäftigte ich mich bereits mit der Frage, was mit einem Sommerlager im Winter passiert bzw. in ihm vor geht, wenn die römische Besatzung am Rhein im Warmen sitzt. Wurde eine Winterbewachung zurück gelassen, übernahmen gar die Cherusker selbst diese Tätigkeit oder überließ man es ungeschützt den Wetterverhältnissen. Römische Legionen nutzten Marschlager im Normalfall nur kurzzeitig und ebneten später alles wieder ein. Auf die Dauer geplante Anlagen aber waren keine Marschlager und erst recht nicht in diesem Fall, denn hier war ein Verwaltungssitz im Aufbau. Verlässt ein Feldherr ein derartiges Lager alljährlich für fünf oder sechs Monate im Jahr, um es danach wieder neu zu bewohnen, so sind Vorkehrungen zu treffen. Und hier kommt Marbod ins Spiel dem man trotz dem im Frühjahr 6 + geschlossenen Friedensabkommen zutraute, er könne die römische Schwäche an der Weser nutzen und Ostwestfalen und das auch gewaltsam zu seinem Einflussgebiet erklären. Konnte Varus es sich Angesichts dieser denkbaren Gefahrenlage grundsätzlich erlauben, dass „Sommerlager“ über einen so langen Zeitraum nur schwach oder gar völlig ungesichert zurück zu lassen. Sollte es denn in der Tat ein Sommerlager gewesen sein und sollte Varus es tatsächlich immer über die Wintermonate geräumt haben, so muss es für sein Verhalten auch im Hinblick auf den Gefahrenherd Marbod gute Erklärungen geben, warum er sich diese all herbstlichen, nennen wir sie mal leichtsinnigen Rückmärsche genehmigen und sie riskieren konnte. Die Bezeichnung Sommerlager ist bekanntlich eine ins Leben gerufene begriffliche Fehlinterpretation einer nicht deutbaren Sachlage par Exzellenz, wird aber mangels besseren Wissens gerne genutzt. Entweder war es ein Standlager, also ein auf dauerhafte Nutzung ausgelegtes Kastell und somit auch ein Winterlager, oder es war ein kurzzeitig genutztes Marschlager. Drusus errichtete 11 – der Überlieferung nach ein Winterlager am Elison in dem ich den Ellerbach bei Schwaney sehe. Folglich besaß das Imperium bereits 18 Jahre bevor Varus Ostwestfalen betrat die technischen Möglichkeiten, aber auch den Willen in dieser Region ein Winterlager zu errichten. Und Drusus tat bekanntlich noch mehr, denn er positionierte auch schon Wachtposten - Stützpunkte an der Weser und bestückte sie mit Besatzungen, wie es uns Florus (2,30,26) mit den Worten „Praeterea in tutelam prouinciae praesidia atque custodias ubique disposuit per Mosam flumen, per Albin, per Visurgin“ überlieferte. Trennen wir uns also innerlich von der Vorstellung eines Lagers, dass nur für lauwarme Sommernächte geschaffen wurde und sehen der römischen Realität in Germanien tiefer in die Augen. So könnte man sich vielleicht einer Kompromisslösung nähern in dem man das Sommerlager an der Weser zumindest als ein überwinterungsfähiges Sommerlager bezeichnet. Also ein Lager, dass in den Sommermonaten zwar stärker genutzt wurde, aber auch für die Wintermonate ausgebaut war und auch in dieser Zeit immer noch eine feste römische Wachmannschaft besaß. Und diese Wachmannschaft war auch dringend nötig um gegenüber Marbod Flagge zu zeigen, denn ein Germane auf einem römischen Wachtturm hätte nicht nur auf die Markomannen etwas befremdlich gewirkt. Das kein antiker Historiker auf diese Sachlage und den Verbleib der Wachmannschaft einging bzw. darauf hin wies ist verständlich, denn es verblasste letztlich in Anbetracht der für das Imperium weit aus bedeutungsvolleren Niederlage. Das Varus selbst kein gesteigertes Interesse daran hatte sich die Wintermonate an der Weser um die Ohren zu schlagen, wäre ihm zuzutrauen und das er den Rückmarsch auch in stattlicher Begleitung antrat auch, denn das Weserlager hatte noch nicht den erforderlichen und gewünschten Ausbauzustand erreicht und es war nicht vergleichbar mit dem drusianischen Winterlager am Elison, dass man unter anderen Umständen errichtete bzw. errichten musste. Statthalterschaften waren auch im römischen Reich Funktionen auf Zeit und Abruf. Man vermutet, dass Varus etwa von 7 - /6 – bis 5 - /4 – kaiserlicher Statthalter in Syria war. Also hielt er sich demnach auch in Syria nur maximal 3 Jahre, eher sogar noch kürzer auf. Seine Mission und Hauptaufgabe in Ostwestfalen bestand darin, den ersten Schritt zur Schaffung einer neuen Provinz einzuleiten nach ihm sollten sicherlich noch viele andere Römer die Statthalterschaft in Ostwestfalen antreten und ihm in seinem Amt folgen, wenn alles nach Plan verlaufen wäre. Staatsbedienstete die in seine Vorleistungen einsteigen und sie weiter führen sollten um dann auch aus dem winterfesten Sommerlager im Endstadium eine feste römische Provinzhauptstadt zu machen. So wie man es aus Gallien gewöhnt war, wo man auch die keltischen Oppida als römische Keimzellen nutzte. Daraus lässt sich bekanntlich auch schließen, dass sich in der Nähe von Corvey/Höxter ein cheruskischer Hauptort bzw. Fürstensitz befunden haben dürfte. Die Cherusker wurden nun besonders durch das unkalkulierbare Erstarken des Markomannen Königs Marbod wie ich apostrophierte für Varus zu einer wichtigen Stütze. Ebenfalls Germanen wie die Markomannen war für Rom gerade dieser Bündnisvertrag mit den Cheruskern von besonderer Bedeutung und vermutlich bekam dieser Friede zwischen Römern und Cheruskern dadurch noch einen höheren Stellenwert. Dazu will aber das uns von den antiken Historikern überlieferte Wissen nicht passen. Denn einen, wenn auch kleineren Bündnispartner brüskiert man nicht, wenn man ihn noch braucht. Varus aber tat es. Denn es hielt ihn nicht davon ab, den Bogen mit den Cheruskern zu überspannen und ihn auszureizen. Strebt man aber an, sich einen Partner ins Boot zu holen und diesen fester an sich zu binden, der fortan mit helfen sollte die römische Politik in Germanien umzusetzen, so geht man anders vor. Cherusker sollten sich am gesamten Aufbau der neuen Kolonie beteiligen um im Gegenzug von den Segnungen römischer Zivilisation profitieren zu können. Varus könnte in diesem Punkt nun eine eklatante Fehleinschätzung der germanischen Verhältnisse unterlaufen sein. Klaffte das Gefälle zwischen Oberschicht und Unterschicht vom Sklaven über den römischen Bürger bis zum Ritter bzw. Senatorenstand im Kernland Italien und den vom Reich annektierten Regionen auseinander, so existierte in Germanien noch eine Ebene gewisser Gleichberechtigung. Varus beging hier möglicherweise den Fehler anzunehmen, dass Art und Weise seines Umganges mit den germanischen Bauern von der germanischen Oberschicht gedeckt würde. Vermutlich nahm er an, man würde oben weg schauen, wenn Germanen niederen Ranges ausgepeitscht wurden. Die gewachsene germanische archaische Gesellschaftsform kannte und trennte dies jedoch nicht so stark und differenzierte daher auch nicht so wie Varus es vermutete. Sein Verhalten insbesondere seine Rechtsprechung kam daher beim ganzen Stamm und auch im cheruskischen Fürstenhaus gegen seine Erwartungen nicht gut an. Römische Legionäre die auf sein Geheiß hin Leute aus der Mitte des germanischen Volkes bis zum möglichen Tod bestraften waren ein „No - Go“. Nur daraus ließe sich schlussfolgern und begründen, dass Varus der Annahme verfiel, die Oberschicht würde ihm auch bei möglichen Auseinandersetzungen mit Marbod ergeben folgen. Er ging davon aus, dass die einfachen germanischen Kleinbauern im Kriegsfall ihren Fürsten widerspruchslos folge zu leisten hatten. Vermutlich unterschätzte er den Einfluss der Sippen. Denn so funktionierte das Zusammenspiel in Germanien nicht. Varus brauchte die Cherusker in jeder Hinsicht, ob es nun darum ging sie am Aufbau zu beteiligen oder als Auxiliareinheiten gegen Marbod in den Kampf zu schicken und beging hier einen seiner Kardinalfehler in dem er sie gegen sich aufbrachte. Nachdem Marbod das Jahr 6 + passiv verstreichen ließ, schreiben wir nun das Jahr 7 +. Die Strukturen in Ostwestfalen hatten nun Formen angenommen. Landwirtschaftliche Höfe nach römischem Muster waren entstanden, die Verbindungswege wurden ausgebaut und die nötigen Lagerkomplexe und Vorratsgebäude wurden errichtet. Marbod wurde über alles Bericht erstattet. Er ließ sich über das Zusammenwachsen der germanischen Bevölkerung mit den Unterdrückern berichten und erfuhr auch von einer gegenüber Rom stark positiv beeinflussten germanischen Führungsschicht unter dem Fürsten Segestes und damals möglicherweise auch noch Segimer. Marbod musste folglich davon ausgehen, dass ihm in dieser Phase im Angriffsfall sogar noch ein römisch/germanisches Koalitionsheer entgegen treten könnte. So nahm er von seinen Angriffsplänen Abstand, die er möglicherweise hatte. Die Weserfront blieb daher auch 7 + ruhig. Varus konnte also auch im Herbst 7 + Ostwestfalen unbehelligt verlassen, ein Wachkommando hinterlassen und am Rhein das nächste Frühjahr abwarten. Im Frühjahr 8 + bekam Marbod möglicherweise die Nachricht aus Pannonien, dass dem dortigen Aufstand der Zusammenbruch drohte. Ihm war klar, dass danach automatisch wieder römische Legionen für neue Kämpfe frei würden und er musste falls er vertragsbrüchig werden sollte mit einem erneuten Feldzug gegen ihn rechnen. Dieser Einschätzung nach lösten sich spätestens im Sommer 8 + als Bato der pannonische Anführer die Waffen strecken musste, seine Pläne in Luft auf, noch in irgendeiner Form Ansprüche auf Ostwestfalen zu erheben. Selbstverständlich ist diese Darstellung Fiktion, denn Marbod könnte auch noch viele andere Gründe gehabt haben die dagegen sprachen sich kriegerisch in Ostwestfalen bemerkbar zu machen und nicht nur die, die ich hier näher zum Thema gemacht bzw. als mögliche Argumente angeführt habe. Die Spekulationen beruhen einzig auf den vorgegebenen Tatsachen der Zeit und der politischen Einschätzung jener Jahre, aber vor allem basieren sie auf der Aussage von Paterculus, der Marbod die grundsätzliche Neigung unterstellt hat, Kriege nach Gutdünken auch in die Großregion zu tragen. Denn seine Aussage klingt, da er erfahrener Berufsoffizier war nicht danach, als ob er Marbod eine Kriegslust nur unterstellen wollte um damit den Einmarsch von Tiberius besser rechtfertigen zu können. Vorgeschobene Rechtfertigungen hatte das Imperium sicherlich nicht nötig. Natürlich bekam auch Varus die Nachricht von der Niederwerfung des Pannonien Aufstandes und konnte also auch im Herbst 8 + wieder sorgenfrei im Herbst die Weser gen Rhein verlassen. Im diesem Jahr 8 + könnten die Cherusker die römische Unterdrückung auch am Stärksten zu spüren bekommen haben. Denn als Varus die Nachricht bekam, dass die für Marbod und Pannonien abgestellten Legionen zu ihm wieder unterwegs seien, weckte dies wieder seinen alten Ehrgeiz. Seine Sorge vor Marbod löste sich auf und er brauchte die Cherusker nicht mehr für seine Verteidigungspläne. In diese Zeit hinein passen auch die antiken Überlieferungen, wonach die Germanen bedauerten, dass ihre Schwerter schon korrodierten. Möglicherweise war Varus im September 8 + gerade dabei in Anreppen die Lippeschiffe zum Rhein zu besteigen, als sich von Beverungen Weser aufwärts eine Kriegerschar näherte. Bei genauem Hinsehen konnte man feststellen, dass es sich dabei um jene Cherusker handelte, die Tiberius in Pannonien bei der Niederwerfung des Aufstandes halfen und nun wieder in ihre Heimat zurück kehrten. An ihrer Spitze ritt Arminius. An der Weser angekommen trafen sie nach zweijähriger Abwesenheit auf all das, was Varus in der Zwischenzeit mit den Cheruskern gemeinsam aufgebaut hat und sie waren beeindruckt, wenn auch nicht im Positiven. Denn ein winterfestes Sommerlager mit römischer Besatzung hatten sie eigentlich nicht erwartet. Von diesem Moment an wurde an der Weser der historische Zeitenwechsel eingeläutet. Ein Ereignis, dass sich an manchen Stellen noch bis in unsere Tage auswirken und bemerkbar machen sollte, auch wenn man das dazugehörige Denkmal etwas zu weit nordwestlich errichtete. Denn nun begann Arminius im Zusammenwirken mit seinem Vater Segimer eine Strategie zu entwickeln die nötig war, um das römische Joch über Ostwestfalen abzuschütteln. Sie hatten genügend Zeit für Ihre Vorbereitungen. Irgendwann im Sommer 9 + wird auch Marbod erfahren haben, dass im Nethegau ein Konflikt schwelt. Ein Konflikt deren Ausgang er nicht einschätzen und daher gelassen darauf reagieren konnte. (18.2.2019)

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