Sonntag, 31. März 2019
Die „zweite Offenbarung“ des C. Dio - Chronologie war nicht seine Stärke
Das nun folgende und recht lange Kapitel wird Sie auch dementsprechend beschäftigen. Bitte nehmen Sie sich die Zeit und die Ruhe und lesen Sie es nötigenfalls auch zwei Mal. Einen antiken Historiker wie Cassius Dio nach rund 1800 Jahren angemessen bewerten zu wollen, kommt dem Unmöglichen sehr nahe. In dieser längst versiegten Quelle immer wieder zu schürfen liegt aber in der Notwendigkeit der Sache und meiner Zielsetzung. Das von Cassius Dio geschilderte Szenario zu ergründen wird auf eine sonderbare Weise erschwert und erschließt sich erst nach mehrfacher Lesung. Denn in seiner Überlieferung steckte gleichzeitig ein hohes Maß an Nachvollziehbarkeit aber gepaart mit Rätselhaftem. Das verleitete zu scheinbar schlüssigen Interpretationen, die dann ein vorschnelles Ende fanden. Den Lesern meiner Zeilen auf diesen mühseligen Weg mit zu nehmen erfordert seine Geduld und Aufmerksamkeit. Der Komplexität bewusst habe ich eine Form der Darstellung gewählt, die mich auf die Idee gebracht hat, mich der Thematik nicht nur einmal an zu nähern. Ich habe den Blickwinkel darauf daher immer wieder neu justiert um den möglichen Sachverhalt von verschiedenen Positionen aus betrachten zu können. Was wie Wiederholungen erscheinen mag, soll unser Einfühlungsvermögen schärfen damit kein Gedankengang verloren geht. Nach der Sisyphus Arbeit die erste Offenbarung aufzuspüren, folgt nun daraus resultierend eine weitere Schlussfolgerung. Cassius Dio hatte uns wissentlich, unwissentlich oder auf Basis seiner eigenen Auslegung der ihm vorliegenden Quellen einen gut versteckten, aber umso wichtigeren Hinweis überliefert. Ich hatte diesen Hinweis den „verschwundenen Marschtag“ genannt. Im letzten Kapitel bin ich detailliert darauf eingegangen und habe dazu einen Erklärungsstrang gelegt. Durch diese Entschleierung wurde es mir auch erst möglich das Geschehen um die Varusschlacht auf maximal vier Marschtage einzugrenzen. Aber nicht nur das. Im Zuge dieser Erkenntnis gelang es, wenn auch nur zum Teil, die an diesen Tagen jeweils statt gefundenen Handlungen, ob sie von germanischer oder von römischer Seite ausgeführt wurden, zu- bzw. einzuordnen. Dies wurde mir erst möglich, in dem ich die von Cassius Dio erzählten Ereignisse auf ihren jeweiligen Zeitbedarf hin analysierte. Mein Fazit bestand letztlich darin, dass es Arminius nie und nimmer möglich gewesen konnte, alle geschilderten Aktivitäten nach dem Verlassen des Sommerlagers an einem einzigen Tag bewältigen zu können. Aber auch Varus brauchte für alles seine Zeit. So kam man nicht ohne den besagten zweiten Marschtag aus. Das mir diese Aufdeckung auch noch dabei half mit ihr die Zweiteilung des Marschzuges ab Brakel zu untermauern, führte zu einer weiteren Erleuchtung eines dunklen Kapitels deutscher Frühgeschichte, sozusagen einem Nebenprodukt. Hat man aber erst einmal einen Ansatzpunkt gefunden, so wäre man schlecht beraten, wenn man dieses Wissen nicht auch für den weiteren Verlauf der Mehrtagesschlacht nach dem Marschtag Nr. 1.) nutzen würde. Und natürlich habe ich diese Spur auch weiter verfolgt. Denn sie macht neugierig darauf, wie Cassius Dio denn nun die Abfolge der Ereignisse in die vier Tage ein sortierte bzw. auf sie verteilen würde. Um eine gewisse Ordnung beizubehalten blieb es ihm nicht erspart sich eine Form der Chronologie der vier Marschtage auf zu erlegen. Aber nicht vergessen, erst nach dem Aufspüren des „verschluckten“ Marschtages wurde es überhaupt erst möglich, in diese interessante Methodik der Verkettung einzusteigen. Und nur diesem Wissensgewinn ist es letztlich zu verdanken, dass es jetzt einen Weg geben könnte, der uns mehr Einblick in den Verlauf der Varusschlacht ermöglichen könnte. Cassius Dio und seine Zeit, schließlich begann nur 50 Jahre nach seinem Tod schon das, was wir die Spätantike nennen, die ihm vorliegenden Quellen, aber auch die Resultate zahlreicher Übersetzungsarbeiten der Altphilologen haben uns einen umfänglichen Stoff zur Analyse hinterlassen. Wo endete der erste Marschtag, dieser fiktive 24.9.0009, welche Ereignisse können wir an ihm fest machen. Wie begann der zweite und was trug sich am dritten oder vierten Marschtag zu und was lässt sich all diesen Tagen und Nächten zuordnen, die dazwischen lagen. Wir stoßen auf interessante Details, aber wir spüren auch die Unsicherheit von Cassius Dio wie er wankt und mit sich selbst zauderte und mit den Quellen gehadert haben dürfte. Wir erkennen es in der Art und Weise, wie er alles wieder gab. Dieses zweite Kapitel nach der Aufdeckung der nötigen Marschtage befasst sich nun mit der Textgestaltung, Formulierung und dem Textaufbau, so wie es Cassius Dio pflegte bzw. gewohnt war, es nieder zu schreiben. Und ein Blick auf seine besondere Schreibweise, aber vor allem seine suspekte Chronologie verrät uns viel. Denn nun öffnet sich erst langsam die Tür und gibt den Blick frei auf die textuellen Brüche die zwangsläufig die gesamte Chronologie stören müssen. Cassius Dio konnte dies wegen seiner diffusen Quellenlage auch bei bestem Willen nicht vermeiden. Er hatte selbst Mühe genug, nach dem inneren Zusammenhalt bzw. dem roten Faden einer Mehrtagesschlacht zu fahnden, von der er sich 200 Jahre nach der Schlacht selbst kein klares Bild machen konnte. Da man die Ereignisse von zwei Tagen nicht in einen einzigen Tag drücken kann, blieb es also nicht aus, dass darunter die zeitliche Abfolge litt und ins Hintertreffen geriet was zu Irritationen führt. Alle Tageszeiten wie Morgen, Mittag, Abend und Nacht beanspruchten ihren Platz im Kontext der Geschehnisse und sollten ineinander greifen. Wo das eine unklar oder unausgesprochen bleibt, hinterlässt es woanders neue Rätsel. Und man kennt es aus der Mathematik. Ein einmal übersehener Fehler setzt sich fort, zieht sich durch die ganze Rechnung und führt zum falschen Endergebnis. Cassius Dio war bestimmt kein Zyniker und hat uns sicherlich nicht auf eine Fährte gelockt hat, damit wir uns unser eigenes Urteil bilden sollten. Er wusste es einfach nicht besser. Aber er ließ bekanntlich sogar einmal selbst durchblicken, dass auch er damals, schließlich schrieb er 200 Jahre nach der Schlacht, schon Probleme damit hatte, die Dinge richtig wieder zu geben oder zuzuordnen. Womit er sich übrigens auch angreifbar machte. Denn viele Historiker führen seine Selbstzweifel auf eine als restriktiv geltende Herrscherklasse zurück, die ihn angeblich daran gehindert habe, unliebsame Wahrheiten auszusprechen. Eine Verunglimpfung des Staates sollte demnach unterbunden werden. Ich halte das für eine falsche Auslegung. So hinterließ er uns Räume für neue Gedanken, die auch er selbst nicht imstande war schlüssig und verständlich zu füllen, wir aber vielleicht aus der Retrospektive beantworten können. So sprang er „Nonchalance“ über vieles einfach hinweg in dem er keine Verbindung herstellte bzw. darauf verzichtete oder aus eigener Unklarheit heraus nur Halbsätze formulierte. Die Freilegung des zusätzlichen Marschtages aus der sich dann wie von selbst die chronologischen Verwerfungen innerhalb seines Textaufbaus entwickelten und man sie heraus lesen kann, bildet den Kern dieses Kapitels. Beides, sowohl der entdeckte bzw. bislang immer gesuchte Marschtag in Verbindung mit den darauf aufbauenden chronologischen Brüchen führt bzw. mündet aber in die gleichen von mir aufgestellten Theorien. Aber Stop, hat man denn überhaupt jemals nach einem fehlenden Marschtag plausibel und ernsthaft gesucht, hat man die Möglichkeit in Betracht gezogen bzw. hat man einen Marschtag schon mal vermisst ? Hatte man denn nicht immer nur gerätselt und sich gewundert, dass das alles irgendwie nicht stimmen konnte, wusste aber nie woran es lag ? Aber nun bringt uns die Schriftenerforschung dazu zu mutmaßen, dass Varus am Morgen des zweiten Marschtages den Marschzug in Brakel aufteilte, ja sogar aufsplitten musste. Er setzte die Frauen und Kinder im Marschzug eben nicht der Rebellengefahr aus und machte daher auch aus einem Marschzug zwei Marschzüge. Einen militärischen der nach Süden ins Kampfgebiet zog und einen Zivilen, der sich auf sicheren Pfaden nach Westen bewegen sollte. Sie merken, dass es unvermeidbar ist von Zeit zu Zeit im Verlauf meiner Darstellungen zurück greifen zu müssen, um den Faden nicht zu verlieren. So auch jetzt und hier. Zu Beginn seiner Berichterstattung, als die Legionen ihr Sommerlager verließen, hat Cassius Dio die Geschehnisse dermaßen stark zusammen gestaucht, in meiner Heimatstadt Wuppertal sagte man früher dazu auch zusammen gestuckt, dass es uns allen hätte eigentlich früher auffallen müssen. Möglicherweise ist es auch aufgefallen. Mir sind aber keine Personen bekannt geworden die ebenfalls darauf stießen. Einem Militärhistoriker oder einem Paterculus als Schriftsteller, wäre es vielleicht schon vor 2000 Jahren aufgefallen, Cassius Dio könnte es übersehen haben. Denn auch damals konnte man nicht an der Feststellung vorbei kommen, dass sich diese Abläufe gar nicht an einem einzigen Tage bewältigen ließen. Man brauchte dafür also zwei Tage statt einem Tag. Nämlich den ersten Tag vom Sommerlager zum ersten Marschlager nach Brakel und den zweiten Tag vom Marschlager Brakel zu den Rebellen ins Aufrührergebiet. Ich hatte es im voraus gegangenen Kapitel ausführlich und hoffentlich verständlich dargestellt. Denn so einen langen Tag gibt die Natur sprich das Tageslicht nicht her. „Der längste Tag“ ist übrigens schon reserviert, es wurde der 6. Juni 1944 und der begann schon kurz nach Mitternacht. In diesem Abschnitt kann ich nun wie angekündigt eine weitere Interpretation nachschieben. Denn basierend auf dem letzten Kapitel zum entschlüsselten Marschtag lässt sich nun erst eine weitergehende Theorie entwickeln oder besser gesagt darauf aufbauen und die nimmt Formen an, wenn man sich der weiteren chronologischen Abläufe zu wendet. Denn die Ereignisse wollen ja nun plausibel auf zwei Tage verteilt sein. Cassius Dio vermittelte uns leider den Ablaufhergang ohne die beiden Marschtage nachvollziehbar voneinander zu trennen. Also möchte ich mich daran versuchen die Zeiten und Handlungen die uns wie zusammen gebacken erscheinen, zu entzerren. Wir können also wenn überhaupt, nur schwerlich erkennen, welche Handlung in den ersten und welche in den zweiten Marschtag gehörte, aber es könnte gehen. Aber wie kam es überhaupt dazu. Eine Erklärung dafür sah ich in der Quellenunsicherheit, der sich Cassius Dio selbst ausgesetzt sah. Er sah deutlich ein Missverhältnis vor seinen Augen, aber seine Quellen gaben nicht mehr her, um es für uns kenntlicher machen zu können. Zudem lagen ihm keine Terrainstudien vor und er konnte sich kein Bild von der Landschaft, dem Wegezustand, den Entfernungen, dem Wetter und den Zugzeiten machen. Er musste folglich auf ein plausibles chronologisches Gerüst verzichten. Sich in unsere penible moderne Welt hinein zu versetzen, die später den Hergang unbedingt möglichst minutiös analysieren wollte, wäre wohl von ihm zuviel verlangt gewesen. Es kam ihm nicht darauf an und interessierte ihn nicht, ob spätere Generationen einmal wissen wollten, über wie viel Marschtage sich denn nun die Varusschlacht erstreckt hatte, wo sie statt fand, wie viel Legionäre den Tod fanden, wo diese vorher schliefen oder wann sie morgens aufstanden. Am Anfang nach dem Verlassen des Sommerlagers harmonierte sein Text noch halbwegs und man kann die Dinge noch dem ersten Marschtag zuordnen. Dann aber bleibt ihm wohl keine andere Wahl mehr, sie entglitten ihm zunehmend und er beginnt den ersten mit dem zweiten Marschtag zu vermischen. Zum Ende zu, lassen sich die Handlungen dann wieder recht gut dem zweiten Marschtag zuordnen. So gut, dass ich mich sogar etwas in die Details vor wagen kann. Dies versetzte mich zudem noch in die Lage den zweiten Marschtag in eine erste und eine zweite Tageshälfte zu unterscheiden. Fest machen lässt sich das konfuse Erscheinungsbild der ersten Marschtage gut im Zuge jener wichtigen Textstelle, in der er sich auf die Anwesenheit von Frauen und Kinder im Marschzug bezieht. Zugegeben, ein Frontberichterstatter wäre uns lieber gewesen, aber wir sind da nach 1800 Jahren nicht mehr so wählerisch. Sein Arbeitsfeld war mehr der Schreibtisch und das spürt man bei all seiner Wortwahl, die seiner Chronik zugrunde liegt. Seine Systematik, die Struktur und den Aufbau kann man also würdigen oder bemängeln, es bleibt sich gleich, denn wir können ihn nicht mehr befragen. Es als Konsul und Senator gewohnt zu sein, viele Dinge aus der Distanz heraus zu bewerten also eher der bürokratischen Richtung zu folgen und weniger der praktischen Richtung, muss zuerst einmal seiner Qualifikation als Historiker keinen Abbruch tun. Was aber nur gilt, wenn er sich auch an die ungeschriebenen Gesetze eines Chronisten gehalten hätte, was er aber nicht tat. Wir müssen es ihm also nachsehen, wenn seine Prioritäten anderen und uns unbekannten Zielrichtungen folgten. Diverse Darstellungen aus seiner Feder erscheinen uns da schon recht fragwürdig, aber Fragen lässt er sich nicht mehr. Man würde Cassius Dio Unrecht tun, täte man ihn mit Karl May vergleichen, aber auch er hatte nie das Land seiner Berichte und Erzählungen bereist. Aber auch Tacitus war übrigens nie in Germanien. Wie wäre es doch von Vorteil gewesen, beide Historiker hätten sich vorher einmal selbst in Ostwestfalen umgeschaut um das Terrain zu sondieren, bevor sie sich über die dortige Landschaft und die Menschen ausließen. Zudem nennt Cassius Dio Germanien nach griechischer Tradition und Lesart auch noch zu seinen Lebzeiten und das war im 2. bzw. im ins dritte Jahrhundert übergehenden Zeitalter immer noch die „Keltike“. Denn er war sich scheinbar immer noch nicht sicher, was denn den Unterschied zwischen Germanen und Kelten ausmachte und wo die einen und wo die anderen lebten. Wenn er schreibt „einige von den Kelten, die wir Germanen nennen”, so zeugt das doch von erheblicher Unsicherheit. So als ob er die ältere Taciteische etwa aus dem 1. Jahrhundert stammende Benennung „Germanorum“ gar nicht gekannt hätte. Dabei hatte es doch Tacitus so gut beschrieben, als er feststellte, dass der Rhein sich vor dem Batavergebiet in zwei Ströme teilte. Nämlich der Rhein der Germanien streifte und der seine Strömung bis zum Ozean beibehält und der andere, der breiter und sanfter am gallischen Ufer entlang fließt und von den Anwohnern nicht mehr Rhein, sondern Waal genannt wird. Deutlicher kann man keine Trennung mehr zwischen Kelten und Germanen bzw. Galliern und Germanen zum Ausdruck bringen. Man könnte hier den Anschein bekommen, dass Cassius Dio die Aufzeichnungen von Tacitus möglicherweise gar nicht eingesehen hatte. Um so erstaunlicher ist es daher, dass sich meiner Auffassung nach letztlich beide Historiker in ihren Aussagen zum Verlauf der Varus Ereignisse dann doch wieder einig sind. Denn sie hinterließen schlüssige Darstellungen die zusammen passten und letztlich zum gleichen Ergebnis kommen. Was übrigens auch für Florus gilt. So könnte man vermuten, dass die Schriften des Tacitus und die des Florus den Weg in die häufig zitierten Senatsakten gar nicht gefunden haben, mit denen Cassius Dio gearbeitet haben soll. Was den Stil von Cassius Dio anbelangt, so läge es sicherlich auch nicht in unserem Interesse zu viel schriftstellerisches oder bellestristisches Talent im Sinne überzogener Ausschmückung bei ihm zu entdecken. Denn was wir suchen und für die Rekonstruktion der Varusschlacht brauchen, sollte weniger lebendig oder gar blumig klingen, sondern vielmehr faktenorientiert geschrieben sein. Alles was C. Dio über das Varusschlachtfeld auch immer schrieb, er entnahm es älteren Vorlagen deren Herkunft nicht eindeutig geklärt ist. So könnten sich auch die Tacitus Schriften gar nicht unter seiner Stoffsammlung befunden haben. Seine Beschreibung der ostwestfälischen Landschaft ist überzogen, erscheint bei ihm topographisch extrem unwirtlich, nimmt urgewalte Formen an und wirkt auf uns daher tendenziell belastet, was uns nicht gefällt. Denn wer mal im gebirgigen Apennin unterwegs war, oder die schroffe italienische Riviera erkundet hat, der würde die eher harmlos und überwindbar wirkende Mittelgebirgslandschaft zwischen Egge und Weser nicht in derart drastischen Farben beschreiben. Nicht zum Frontberichterstatter geboren versuchte er sich rund 200 Jahre nach der Varusschlacht in der Rolle uns Nachgeborenen ein Kampfgeschehen, samt Ursache und Wirkung bis zum letzten Akt nach Möglichkeit verständlich zu machen und nachvollziehbar zu vermitteln. So gewährte er uns zwischen den Zeilen auch phasenweise interessante Einblicke in seine Methodik vor allem aber in die Besonderheit seiner speziellen Art von chronologischer oder besser gesagt eben leider auch anachronistischer Wiedergabe. Was auf den „verschluckten“ Marschtag zurück zu führen ist. Denn in diesem Punkt ließ er sich aufgrund seiner schwammigen Quellen verleiten und bringt sich wider besseres Wissens und ungewollt selbst vom Pfad der Kontinuität ab. Saubere Recherche blieb auch schon ihm 200 Jahre nach der Schlacht verwehrt. Wir haben es noch aus dem letzten Abschnitt gut in Erinnerung, wie er uns, und das in seiner Lage unbeabsichtigt einen ganzen Marschtag verschweigt. Obwohl es für ihn ein leichtes gewesen wäre, und nur eines einzigen erklärendes Satzes bedurft hätte, hätte er über bessere also ausführlichere Quellen verfügt. Aber genau darin liegt ein weiteres und interessantes Problem begraben, mit dem ich mich ja nun in diesem Abschnitt beschäftigen möchte. Denn eine Chronologie in Form zeitlich ineinander greifender Abfolgen zum Geschehen suchen wir bei ihm aufgrund der geschilderten Komplikationen in einigen Textabschnitten leider vergeblich. So zieht er Abläufe vor, stört dadurch den Zusammenhang und reißt, für unsere kritischen Blicke einige Textstellen aus dem Lesefluss. Damals ließ man es ihm ohne besseres Wissens durch gehen, heute wollen wir es genauer wissen. Diese Versatz Elemente und eine sich daraus entwickelnde neue und andere Struktur geben jedoch ein verändertes Bild zum Präludium der Schlacht wider, was uns einen neuen Blickwinkel gestattet. Und was zwangsläufig in eine andere Logik der gesamten Schlachten Interpretation mündet. Aber eine Logik, die meine Theorie über die mit marschierenden Frauen und Kinder im Zug stützt und bestätigen würde. Die aber nicht für den zweiten Marschtag zutrifft, denn ich sehe die Frauen und Kinder vor meinem geistigen Auge nur im Streckenabschnitt zwischen Höxter, Brakel bzw. Anreppen marschieren und keinesfalls auf dem Weg ins Rebellengebiet. Die sich für uns daraus erschließende neue Sichtweise auf seine Überlieferung verändert dadurch wie angedeutet den ganzen Kontext, sowohl bezogen auf die Anfangsphase im Verlauf des ersten Marschtages als auch auf die Aufmarschphase zur bzw. in die eigentliche Varusschlacht. Nämlich hin orientiert zu meiner Hypothese zweier Marschzüge, die das Lager Brakel am Morgen des zweiten Marschtages in zwei unterschiedliche Richtungen verließen. Sein mit zivilen Aspekten aber auch emotionalen Darstellungen durchsetzter Stil kann schon mal den Leser etwas verwirren. In seiner Zeit setzte man vermutlich die Schwerpunkte mehr auf allgemeine Verständlichkeit, als auf die Information im Detail. Cassius Dio war ein Staatsbeamter und eben kein Julius Cäsar. Cäsar hätte uns wie wohl auch Carl von Clausewitz die Mehrtagesschlacht aus der Sicht eines Militaristen völlig anders beschrieben. Voll gepackt mit strategischen Erwägungen hätten diese den Manövern und den taktischen Schritten im Kampfe mehr Raum gegeben und sich nicht mit Nebensächlichkeiten abgegeben. Cäsar erwähnt zwar in seiner „De Bello Gallico“ auch Frauen, Kinder und Greise, aber nur dann wenn sie bei Fluss Überquerungen ertrinken. Cassius Dio hingegen erwähnt sie, um damit die erschwerten Marschbedingungen zu begründen. Cäsar weist ihnen also mehr die Opferrolle zu. Sicherlich gibt es viele wissenschaftliche Studien, die die Werke von Dio mit denen des Cäsar in Gänze abgleichen. Es in diesem Zusammenhang mit der Varusschlacht zu thematisieren würde jedoch zu weit ausgreifen und wäre damit nicht zielführend. In diesem Abschnitt möchte ich nur die folgenden Textstellen aus seiner Überlieferung heraus greifen und sie näher betrachten bzw. kommentieren. Cassius Dio leitete also, nachdem er sich mit den größeren Zusammenhängen der Varusschlacht beschäftigt hatte, die für diese Analyse nicht von unmittelbarer Bedeutung sind auf die näheren Umstände der Schlacht über. Er beschreibt uns darin auf Basis der von ihm studierten und von ihm zugrunde gelegten Quellen die Ausgangslage bis zum Beginn der Kämpfe. Dann geht er einen Schritt weiter und vermittelt uns sein Untersuchungsergebnis bzw. seinen Eindruck den er vom Kernverlauf der Varusschlacht hat. Er machte aber von seinen journalistischen Freiheiten Gebrauch und berichtete so, wie nur er es für richtig hielt. Wie er es für uns sortiert oder besser gesagt für uns vorsortiert und aufbereitet hat. Seine Niederschrift wird für uns zu einer Bibel über den Verlauf der ganzen Varusschlacht, denn es gibt nichts umfassenderes. Dabei wird schnell verkannt, dass nur ihm es oblag heraus zu filtern, welche Quellen er nutzen und aufbereiten wollte. Aber vor allem auf welche Weise er sie uns Preis geben wollte. Eine protokollarische Vorgehensweise oder Rangordnung einzuhalten war vor 1800 Jahren nicht der Standard. Nach welchem Prinzip ging er also vor. Ich hatte der Analyse breiten Raum gegeben und begründet, warum es aus Zeitgründen Arminius und Varus nicht gelungen sein konnte, die zahlreichen Handlungen in der Abfolge an einem einzigen Tag, nämlich dem ersten Marschtag zu bewältigen. Sie also letztlich zwei Tage dafür benötigten. Dies mündete in die Theorie, dass hier ein ganzer Marschtag aus dem Blickfeld geriet, der die Struktur der Schlacht verwirbelte. Das Varus folglich die Frauen und Kinder nicht mit in die Schlacht nahm, sondern sie auf schnellstem Wege nach Anreppen führte war ein Resultat der Logik. Aber Cassius Dio bestätigt uns diese Schlußfolgerung zusätzlich auch noch selbst im Zuge seiner chronologisch abgefassten Textstellen, die ich teilweise eher als anachronologisch also anachronistisch einstufe. Mit dem Aufspüren des bislang verdeckten zweiten Marschtages könnte man annehmen, Cassius Dio habe sich selbst ein Bein gestellt. Denn im Gewirr der Aufmarschaktivitäten zur Varusschlacht verlor er selbst etwas die Übersicht und die Orientierung und hinterließ uns dadurch erst die offenen Fragen. Und die Abläufe die er sich selbst nicht richtig erklären konnte, überließ er indirekt uns. Dies gilt es weiter zu erforschen und heraus zu finden an welchen Textstellen er für uns den ersten Marschtag fest machte, wann er in einem Hinweis zwei Marschtage mit einander verband und wann er eindeutig den zweiten vom ersten Marschtag erkennbar abkoppelte. Indem wir diese Reihenfolge entschlüsseln in die er die einzelnen Episoden der Handlung setzte, hilft es uns bei der Auflösung bestehender Unsicherheiten, die uns die Varusschlacht hinterlassen hat. Und wir können uns ein Bild über den Verbleib der Frauen und Kinder im Marschzug machen. Wie ging er also vor. Zuerst musste er den Hunger seiner Zeitgenossen und wohl auch den der Nachwelt stillen um dem allgemeinen Begehren nach zu geben, Varus für die Ewigkeit negativ abzustempeln. Er legte folglich, und das sehr ausgeprägt die Betonung auf die diversen Fehleinschätzungen und taktischen Irrtümer die Varus beging und berichtet dann über die außerordentlich schlechten Marschbedingungen, die Wetterverhältnisse, bis hin zu den ersten germanischen Angriffen. Dazwischen aber schiebt er uns dann jene Information, die sich nicht klar einem Marschtag zuordnen lässt. Grund dafür ist meine auf empirische Weise gewonnene hypothetische Erkenntnis, dass Cassius Dio zwei Marschtage zu einem Marschtag verschmolzen hat bzw. bei mir diesen Eindruck erweckt hat. Unstrittig ist die Textstelle, dass im Herbstzug auch Frauen und Kinder mit liefen bzw. sie auf Karren mit geführt wurden. Strittig ist allerdings, wann sie zur Auflösung der Marschordnung beitrugen. Sie waren definitiv dabei, aber mit ihrer Positionierung im Text hat Cassius Dio sie meines Erachtens in der Reihenfolge verschoben. In die Bredouille brachte er sich unbewusst selbst, da er sich mit dem „übersehenen“ zweiten Marschtag ein Bein stellte. Es folgt nun der Versuch ihnen meine gedankliche Zielrichtung mit möglichst wenigen Erklärungen und Argumenten plausibel zu machen. Ich habe daher die Darstellung in zwei Orientierungshilfen gegliedert. Die erste Hilfe konzentriert sich unmittelbar auf die Textstellen von Cassius Dio.

1. Und zwar die Ziffern:
56,19,1 bis 56,20,5
(versehen mit entsprechender Kommentierung).
Wobei der Textstelle 56,20,2 mit großer
Aussagekraft über die
„Frauen und Kinder“ im Marschzug meine
besondere Aufmerksamkeit gilt.

unter 56,19,1
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lesen wir, dass Varus „der Versager“ seine Truppen nicht konzentrierte. Man es ihm also ankreidete, dass er wichtige Truppenteile, nämlich die so genannten Abstellungen in die Peripherie schickte, obwohl er bereits rechtzeitig von einer drohenden Gefahr wusste, bzw. davor gewarnt war und er sie möglicherweise noch vor Marschbeginn zur Verstärkung hätte zurück beordern können. C. Dio bietet hier der Nachwelt eine griffige und allgemein gehaltene Fassung über Ursache und Wirkung an, in dem er Varus schon an dieser Stelle für seinen groben Schnitzer brandmarkt. Es ist allerdings eine übergeordnete und anachronistische Feststellung, da man sie keinem konkreten Marschtag zuordnen kann.

unter 56,19,2
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erfahren wir von seiner Schwäche die Gefahr unterschätzt zu haben, die von Arminius und Segimer aus ging bzw. von ihnen ausgenutzt wurde, zumal sie doch ständig seine Gäste waren. Hier legt C. Dio schonungslos sein Unvermögen offen. Auch dies ist wieder eine übergeordnete und anachronistische, also eine zeitlich keinem Marschtag zuordnungsfähige Feststellung.

unter 56,19,3
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wird seine dumpfe stoische Gutgläubigkeit unterstrichen, indem er sich sicher zu sein glaubt, dass ihm nichts zustoßen würde und er daher den Mahnern keinen Glauben schenkte. Ich sah dies bekanntlich anders, da Varus eine besondere Affinität zu den Cheruskern gehabt haben könnte, da sie ihm möglicherweise gegen Marbod beigestanden hätten. In diesem Fall ist es aber ebenfalls eine anachronistische Aussage, denn auch diese lässt sich an keinen bestimmten Tag fest machen.

unter 56,19,4
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gipfelt alles in der Darstellung seiner völligen Ahnungslosigkeit, nämlich die Taktik der Germanen in Gänze nicht durchschaut zu haben, die ihn erst Vertrauen erweckend begleiteten, dann aber bekanntlich an griffen, als er selbst bereits weit ins Feindesland vorgedrungen war. In diesem Fall ist es eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Beschreibung. Denn es wird hier sehr gut deutlich, dass es sich um den ersten Marschtag handelte. Aber interessanterweise erwähnt er in dieser Phase nicht die Frauen und Kinder im Marschzug, obgleich sie gemeinsam mit Varus das Sommerlager verlassen hatten. So stellten sie möglicherweise am ersten Marschtag noch kein Hindernis dar, oder Cassius Dio erwähnte es nicht explizit. Was verstand Cassius Dio unter der Wortwahl, „trugen zur Auflösung des Marschzuges bei“. Man kann es sich vorstellen, denn es werden wohl Disziplin und Ordnung gewesen sein. Und diese ließen sicherlich auch schon am ersten Marschtag zu wünschen übrig, als man noch alles recht locker anging. Im zweiten Teil der Darstellung gewährt uns Cassius Dio schon einen Ausblick bis weit in die zweite Tageshälfte des zweiten Marschtag bzw. deutet es uns uns schon vorsichtig an. Aber die dargestellten Handlungen sind allesamt noch dem ersten Marschtag zuzuordnen, als noch keine Angriffe einsetzten. Er beginnt aber bereits zum Ende der Textstelle 56,19.4 hin mit der Vermengung beider Tage und leistet damit einen Vorschub auf die gewaltigen Ereignisse des zweiten Marschtages, was dann erst in der folgenden Textstelle deutlicher wird.

unter 56,19,5
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lesen wir, dass die Arminen die germanischen Hilfstruppen übernehmen wollten. Was vermutlich kurz vor dem Erreichen des Etappenlagers Brakel geschah. Die Germanen trennten sich also von den Römern und entschwanden in den Nachmittag bzw. in die Dämmerung des frühen Abends hinein. In dem Moment also, in dem die Cherusker den Marschzug verlassen, endet für Cassius Dio der erste Marschtag und es mehren sich nun die Anzeichen, die für den zweiten Marschtag sprechen, denn nun werden möglicherweise schon in der Nacht die Abstellungen nieder gemacht und Arminius greift im Hellen des zweiten Marschtages mit den Germanen die Legionen an. Auch hier liegt uns eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung vor. Das Wegreiten der Arminen und die Mobilisierung der Hilfskräfte fällt für Cassius Dio schon in das Geschehen des zweiten Marschtages. Der angekündigte Angriff der Germanen auf die Legionen kam nach dem Zeitbedarf zu urteilen aber erst in der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtag zustande.

unter 56,20,1
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beschreibt er uns die Marschbedingungen auf nahezu unbegehbaren Wegen, die deswegen erst von den Pionieren herzurichten waren. Und er weist darauf hin, dass diese Arbeiten „noch vor“ den ersten germanischen Angriffen statt fanden. Hier vollzieht Cassius Dio einen sehr deutlichen Wechsel vom ersten auf den zweiten Marschtag. So ist hier auch eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung möglich, denn die Handlung kann zweifellos der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages zugeordnet werden. Am ersten Marschtag war man bekanntlich noch auf der gut begehbaren Strecke von Höxter nach Brakel unterwegs. Da man aber am zweiten Marschtag morgens ab Brakel den gut ausgebauten Hellweg verlassen hatte, begannen die Wege auch erst am zweiten Marschtag und folglich in der ersten Tageshälfte unbegehbar zu werden und in der zweiten Tageshälfte setzten die Angriffe der Germanen ein. In der ersten Tageshälfte am zweiten Marschtag also nach dem Verlassen des Brakeler Lagers gab es auch wie uns überliefert ist, noch keine germanischen Angriffe. Diese entwickelten sich erst im Verlauf der fortgeschrittenen Zeit, also der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages. Cassius Dio sagt es ja deutlich, denn die ersten Wegearbeiten fanden noch „vor“ den germanischen Angriffen statt. Nach meiner Hypothese fanden die Wegearbeiten erst in der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages statt, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht angegriffen wurden. Am ersten Marschtag waren wegen der gut ausgebauten Verbindung noch keine Wegearbeiten nötig.

aber unter 56,20,2
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wird es nun spannend, denn jetzt (erst) folgt der verdächtige eingeschobene Hinweis, dass ihnen auch „FRAUEN UND KINDER“ folgten, die zur Marschauflösung beitrugen. Wollte er uns damit sagen, das sich die „FRAUEN UND KINDER“ auch noch am zweiten Marschtag innerhalb der Legionen bewegten, die zu den Rebellen zogen. Oder wollte er damit nur grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass sie zu einer permanenten Auflösung der Marschordnung beitrugen. Im zweiten Fall wäre diese Aussage eine pauschale übergeordnete und anachronistische, also keine tagesbezogene zuordnungsfähige Darstellung, denn man kann sie sowohl dem ersten, als auch dem zweiten Marschtag zuordnen. Blickt man auf die Reihenfolge, dann kommt nach der Textstelle 56,20,1 die Stelle 56,20,2 und es war somit zweifellos der zweite Marschtag angebrochen. Cassius Dio könnte die Textstelle 56,20,2 auch verschoben haben und wollte sie noch unter dem ersten Marschtag statt dem zweiten Marschtag verstanden wissen. Er brachte den Hinweis relativ spät, was uns verführt sie dem zweiten Marschtag zuzuordnen. Also dem Tag an dem man schon begonnen hatte die Wege her zurichten um sie passierbar zu machen. Das spricht auch für ihre Anwesenheit noch am zweiten Marschtag. Grundsätzlich könnten die Frauen und Kinder die Marschordnung natürlich sowohl schon am ersten als auch am zweiten Marschtag gestört haben. Ich vertrete nun die Theorie, dass die Frauen und Kinder den Marschzug bereits ab dem ersten Marschtag gestört haben mussten, und nicht erst am zweiten Marschtag. Zweifellos könnten sie aber am zweiten Marschtag als die Wege schwieriger wurden besonders gestört haben, so dass Cassius Dio sie auch aus diesem Grunde erst zu diesem Zeitpunkt erwähnt. Meiner Überzeugung nach waren sie jedoch an dem Marsch zu den Rebellen schon gar nicht mehr beteiligt, da man sie von Brakel aus direkt nach Anreppen schickte. Für Cassius Dio und seine Quellen waren Frauen und Kinder in einem Marschzug der einem militärischen Kampfauftrag folgte grundsätzlich ein Störfaktor, der sich zweifellos von Anfang an also vom ersten Marschtag an bemerkbar gemacht haben dürfte und nicht erst am zweiten Marschtag. Es schien sich aber sehr gut in die heikle Dramaturgie einzufügen um dem späteren Leser damit auf die besonders schweren Bedingungen des zweiten Marschtages hinzuweisen. Ob die Frauen und Kinder da noch dabei waren oder nicht spielte nicht unbedingt eine Rolle, aber es fügte sich gut in das ab hier beginnende Desaster. Weiterhin vertrete ich die Auffassung dass Cassius Dio von einem zivilen Marschzug von Brakel nach Anreppen gar nichts wusste, denn es ging aus seinen Quellen nicht hervor. Seinem Wissenstand folgend musste er annehmen, Varus habe sie auch mit ins Rebellengebiet genommen. Daher blieb es für Cassius Dio auch gleich zu welchem Zeitpunkt er uns auf die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug aufmerksam machte. Da aber Cassius Dio den ersten und den zweiten Marschtag hinsichtlich seiner literarisch, technischen Darstellung nicht voneinander isoliert betrachtete, ziehe ich daraus den Schluss, dass dieser Teil der Textstelle darauf hin deutet, dass wir den Schluss wagen können, dass Cassius Dio die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug nur für den Teilabschnitt von Höxter nach Brakel dokumentierte und ihre Anwesenheit nicht im zweiten Marschtag zu den Rebellen sah. Aber gestatten Sie mir den Hinweis, dass sie es hier nur mit einer Hypothese zu tun haben.

unter 56,20,3
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kommt dann die Erklärung, dass sich die Marschbedingungen durch die Wetterbedingungen extrem problematisch entwickelten. Innerhalb dieser Textstelle erwähnt er erneut keine „FRAUEN UND KINDER“ mehr und auch noch keinen Angriff der Germanen. Aber innerhalb dieser Textstelle hätte die Erwähnung der Frauen und Kinder und der ersten Kämpfe gegen die Germanen Sinn ergeben. Bei mehrfacher Anmerkung, dass sich Frauen und Kinder im Marschzuge zu den Rebellen befanden, hätte ich gezögert meine Theorie aufzustellen. Eine Darstellung die folglich noch gut in den Kontext der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages passt.

erst unter 56,20,4
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erfahren wir, dass nach zögerlichem Beginn nun die heftigen Angriffe folgten bis hin zu den ersten Nahkämpfen. „FRAUEN UND KINDER“ finden erneut keine Erwähnung mehr. Die Überlieferung von Cassius Dio hätte aber besonders unter diesen Bedingungen stark an Glaubhaftigkeit gewonnen, wenn er auf ihr Schicksal auch nur mit einer kurz gehaltenen Bemerkung eingegangen wäre. Denn genau in diesem Moment dürfte ihm eigentlich klar gewesen sein, das nun jeder Leser seiner Schriften etwas über sie erfahren wollte. Aber er schwieg. Und er schwieg deswegen, weil ihm seine Quellen nichts mehr dazu verrieten. In der Konsequenz schließe ich daraus, dass ihm die Quellen auch nicht mehr dazu sagen konnten, weil sich die Frauen und Kinder ab Brakel schon gar nicht mehr im Zug zu den Rebellen befanden. Wenn denn Cassius Dio berichtet, dass sich „nicht wenige“ Frauen und Kinder im Marschzug aufhielten und nicht wenige ungefähr dasselbe sind wie viele, so ist das plötzliche Ausbleiben jeglicher Erwähnung von ihnen zumindest erstaunlich. Es folgten nun jene Ereignisse die sich ab der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages vor dem Erreichen des „Gerichtslagers“ zugetragen haben könnten. Die Kämpfe nahmen an Heftigkeit zu. Es handelt sich bei der Textstelle 56,20,4 folglich um eine recht gute chronistische, also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung.

unter 56,20,5
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geht Cassius Dio nun intensiv ins Detail in dem er berichtet, dass nun die Verluste erhebliche Ausmaße annahmen und die Legionäre den Germanen bereits hilflos, ohmächtig und handlungsunfähig zusehen mussten wie sie von ihnen dezimiert wurden. Denn sie konnten ihnen schon nichts mehr anhaben. Es klingt bereits wie ein Abschlachten. Er spricht nicht mehr vom Wegeausbau, denn dazu kamen die Legionäre in der Hitze des Kampfes auch gar nicht mehr und er erwähnt wiederum keine „FRAUEN UND KINDER“ in dieser Extremsituation. Es handelt sich meines Erachtens nun um die schon späte zweite Tageshälfte des zweiten Marschtages an dem sich für die Legionen die Niederlage anbahnt. Jetzt folgt bei Cassius Dio die Textstelle 56,21,1. Er berichtet darin wie man nun nach diesem, man möchte schon fasst sagen Blutbad, dass „Prima Vari Castra“ errichtet wird. Aber dies soll Gegenstand eines anderen Kapitels werden. Ab hier wird aber langsam deutlich, welche Konsequenzen es annimmt, oder annehmen kann, wenn sich hinter der Überlieferung aus der Feder des Cassius Dio plötzlich ein weiterer Marschtag am historischen Horizont abzeichnet bzw. auftut. Der erste vom Sommerlager ins Marschlager Brakel, der zweite vom Marsch- oder Etappenlager Brakel ins Gerichtslager dem „Prima Vari Castra“, der dritte Marschtag vom Gerichtslager in die Fluchtrichtung zum „teutoburgiensi saltu“ und der vierte Marschtag der letzten Überlebenden in die Schlucht und damit in ihren Untergang. Wir erkennen nun verstärkter, dass Cassius Dio in einer literarisch, historischen Not- oder Zwangslage steckte. Aber ich kann ihm nach so langer Zeit „post mortem“ letztlich doch noch eine Lösung für die Marsch Ereignisse inform der Marschaufteilung anbieten. Er braucht nun nicht mehr mit sich und seinen Quellen hadern, an welche Stelle er sich den Frauen und Kindern im Marschzug widmen wollte und brauchte sich nicht mehr mit der Überlegung zermürben, ob Varus tatsächlich Frauen und Kinder der Gefahr aussetzen wollte. Varus wollte sie vor Unheil bewahren und er bot ihnen an, bzw. befahl ihnen ab Brakel den direkten Verbindungsweg zur Lippe zu nehmen. All dies wusste Cassius Dio nicht, da die Quellen von keinem zivilen Zug wussten bzw. es dazu keine Augenzeugen und nichts schriftliches gab. Aber es war nicht allein den Frauen und Kinder im Marschzug zu verdanken, dass durch sie eine neue Sicht auf die Abläufe erkennbar wurde. Es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der meine Überzeugung wachsen ließ eine neue Erklärung für den Verlauf der Varusschlacht vorlegen zu können. Da sich das Zuggeschehen um einen ganzen Tag verschob, stieß ich auf eine weitere Textstelle, die ebenfalls offenbart, wie weit und tief sich Cassius Dio verstricken musste, um etwas halbwegs plausibles zur Varusschlacht hinterlassen zu können. Denn diese Textstelle symbolisiert ein Gefühl heilloser Verwirrung in der sich Cassius Dio wähnte, um nicht völlig die Orientierung zu verlieren. Da ich mir aber der Komplexität bewusst bin, möchte ich, bevor ich in diese Textstelle einsteige, noch den Versuch einer Zusammenfassung der bisherigen Analyse wagen.
Zuvor aber noch ein kurzes Fazit.

FAZIT:
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Die römischen Pioniere hatten lt. 56.20.1 Mühe sich einen Weg (ins spätere Kampfgebiet) zu bahnen.

Lt. 56.20.2 werden (einen Abschnitt später) von Cassius Dio, nicht wenige Kinder, viele Wagen, Lasttiere und zahlreiche Trossknechte erwähnt, die zur Marschauflösung beitrugen.

Allein dieser Hinweis rechtfertigt es aus meiner Sicht nicht anzunehmen, dass sie sich in der Phase des Wege bahnens noch im Zug aufhielten.

Kurz bevor dieser schon vor dem ersten Feindkontakt stand.

Man kann den Hinweis auch aus dem Kontext lösen und ihm eine allgemein gültige Aussagekraft unterstellen.

Eben nicht mehr und nicht weniger, als dass Frauen und Kinder den Marschverlauf störten. Ungeachtet, ob sie es am ersten Marschtag, den ich favorisiere taten, oder am zweiten Marschtag.

Denn Cassius Dio gab einer chronologisch präzisen Ablauffolge nicht die von uns erwünschte Priorität.

Zur Zusammenfassung
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Zunächst gaben die Quellen auf die Cassius Dio zurück griff und in der Konsequenz daraus natürlich auch er Cassius Dio selbst, Varus persönlich die Schuld. Dann gaben die Quellen sie auch den Wegeverhältnissen. Dazwischen gaben sie indirekt auch noch den Frauen und Kindern und dem Tross durch die von ihnen mit bewirkte Marschauflösung eine gewisse Mitschuld. Und letztlich waren es, man möchte schon sagen mal wieder die Wetterverhältnisse. Man bedient sich da gerne der französischen Fremdsprache und nutzt aus ihr geeignete Worte wie „fable convenue“, für etwas Erfundenes, das man als wahr gelten lassen möchte. Meine Absicht besteht aber in diesem Abschnitt nicht darin, dem uns sicherlich allen hinlänglich bekannten und mannigfach durch gekauten Allgemeinwissen der Schriften des Cassius Dio nahezu Gebetsmühlenartig nachzuspüren um es wieder aufzuwärmen, sondern einen besonderen Anhaltspunkt darin näher zu beleuchten. Nämlich den, der von Cassius Dio meines Erachtens chronologisch in die falsche Reihenfolge geschobenen Textstücke. So wie ich es zu Beginn des Kapitels auch dargestellt hatte. Und bei dieser von Cassius Dio gewählten spezifischen Methode möchte ich inne halten und insbesondere seinen Hinweisen bezogen auf die „FRAUEN UND KINDER“ innerhalb seiner Berichterstattung nachgehen. Der „FRAUEN UND KINDER“ Bezug, berührt immer wieder einen äußerst neuralgischen Nerv im gesamten Kontext um die Varusschlacht, auf den ich schon mehrfach einging. Man spürt förmlich, dass uns Cassius Dio damit etwas sagen wollte. Nämlich die alte Frage, wie Varus mit ihnen verfahren haben könnte. Cassius Dio tat sich vermutlich selbst schwer damit zu erkennen, an welcher Stelle er auf sie eingehen sollte und wollte. Ich meine nicht seinen Hinweis auf die durch sie erschwerten Marschbedingungen, sondern denke an seine Mühe die er damit hatte aufgrund seiner Quellenanalyse den „FRAUEN UND KINDERN“ nun den richtigen Platz im gesamten Geschehen zuzuweisen. Er wollte es möglicherweise selbst kaum glauben, dass Varus sie alle mit in die Schlacht nahm und Varus ihnen eine bedauerliche Opferrolle mitten im Gefecht zumutete bzw. zuwies, aber seine Quellen gaben nichts anderes her. Nur Cassius Dio überlieferte uns überhaupt die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug, ohne ihn wüssten wir nichts von ihnen im Vorfeld der Varusschlacht. Er entschied sich dann aber die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ in seinem Text an einer Stelle zu erwähnen, wo ihr hinsichtlich einer Plausibilität die chronologische Überzeugungskraft fehlt. Denn er schob sie wie bereits dargestellt chronologisch in den Teil ein, der zum zweiten Marschtag passt, aber besser im ersten Marschtag aufgehoben wäre. Da aber Cassius Dio keine Trennlinie zwischen dem ersten und zweiten Marschtag zieht, bleibt es letztlich unserer Interpretation überlassen, wo wir die Anwesenheit der Frauen und Kinder als plausibel erachten. Ich erkenne sie wie zuvor argumentiert am ersten Marschtag im Marschzug, aber nicht mehr im abgetrennten Marschzug zu den Rebellen. Cassius Dio soll sich besonders in die Senatsakten eingelesen und sie für sein Werk genutzt und verarbeitet haben. Er nutzte auch die sich ihm darin bietenden Spielräume, wenn sie ihm für seinen Abriss dienlich waren, Überzeugungskraft besaßen und ihm glaubhaft erschienen. Er wird sich kleinere Freiheiten aufgrund des großen zeitlichen Abstandes und dem vor ihm liegenden Informationsmaterial zum Schlachtgeschehen herausgenommen haben. Wer wollte auch seine Arbeiten kontrollieren, zensieren bzw. sie ihm inhaltlich noch rund 200 Jahre nach der Schlacht streitig machen wollen, oder ihm Fehlaussagen gleich welcher Art zum Vorwurf machen. Es wäre so, als wolle man das Protokoll des Wiener Kongresses von 1815 nochmal neu aufrollen und hinterfragen, aber wen würde das heute, außer den Historikern, noch ernsthaft interessieren. Cassius Dio griff also mutig zur Feder, die „FRAUEN UND KINDER“ flossen an einer ihm passenden Stelle in sein Machwerk ein, gleich ob es der erste oder der zweite Marschtag war. Denn er wusste es selbst nicht besser, was ihm sicherlich Kopfschmerzen bereitete. Aber indem er dies tat, kehrte auch erst die aus seiner Sicht nötige Plausibilität und damit die Ruhe in seine Überlieferung ein. Mit seiner Varusschlacht Geschichte wollte er dem Leser sowohl einen Gesamtüberblick offerieren, was ihm zweifellos gelang, als auch den diversen menschlichen Unpässlichkeiten und anderen Details etwas mehr an Raum verleihen. Dies war erforderlich um ein gewisses Verständnis des Lesers für die, in seiner Zeit schon sehr lange zurück liegende Varusschlacht zu wecken und um den Lesern Erklärungen für den Untergang der Varus Legionen anzubieten. Eigentlich das gleiche, was wir auch heute 1800 Jahre nach Cassius Dio auch immer noch versuchen, wenn wir nach Erklärungen und Motivationen suchen um ehemalige geschichtliche Abläufe aus unserer Epoche besser verstehen zu können. Aber was die Varusschlacht anbelangt, so können wir mit seiner Hilfe auch die Örtlichkeiten lokalisieren, die er als bekannt voraus gesetzt hatte. Oder sie für unwichtig hielt. Die Irrtümer des Feldherren Varus, die unangenehme Wetterlage, die dadurch ausgelösten widrigen und erschwerenden Marschbedingungen und eben den für alle zur Belastung werdenden zivilen Tross warf Dio mitsamt seiner Bemerkung zu den „FRAUEN UND KINDER“ zusätzlich in die Waagschale um ein Erklärungsgerippe zu entwerfen. Möglicherweise auch um Varus nach 200 Jahren teilweise zu entlasten und um etwas von seinem Versagen abzulenken. Sozusagen, die Zeit heilt alle Wunden auch die im Saltus. Das Aufhübschen der Gestalt des Varus schien im möglicherweise doch noch wichtig gewesen zu sein. Alles sollte in seinem Bericht nicht zu kurz kommen, ob sich dann noch alles in die richtige Chronologie der Geschehnisse einfügen ließ oder nicht, war für ihn in diesem Zusammenhang zweitrangig und nicht von unmittelbarer Bedeutung. Für ihn war es für den Verlauf nicht so schwerwiegend, an welcher Textstelle er nun in seiner Überlieferung die „FRAUEN UND KINDER“ erwähnte. Ob er sie früher oder später erwähnte, hatte letztlich auch keine Bedeutung für den Ausgang der Schlacht. Wir sehen das heutzutage natürlich völlig anders. Wir wünschen uns eine klar geordnete und wohl strukturierte Darstellung der zeitlichen Begebenheiten und keine Brüche oder Erklärungslücken. So sind wir es gewohnt und dulden eigentlich keine unlogischen Heeresprotokolle, obwohl auch diese in der Regel beschönigend wieder gegeben werden. Aber wie gesagt, Cassius Dio war eben kein gelernter Frontberichterstatter. Und warum muss auch jedes antike Wort von uns heute mit Gold aufgewogen werden. Und so vermisst man hier wie auch an anderen Stellen seiner Überlieferung den sterilen Ablauf, den wir für schlüssig halten, weil wir ihn mit modernen Maßstäben messen wollen. Einfacher ausgedrückt, für Cassius Dio hatte es stark geregnet und gestürmt, die Wege waren schlecht, die „FRAUEN UND KINDER“ haben das Durcheinander komplett gemacht und Varus war die Ursache allen Übels. Denn er wollte ja unbedingt die Aufrührer kennen lernen, richten für Ruhe sorgen und sein Winterlager ansteuern. Auch die Fragen danach, wann wie und wo alles geschah, war in den Augen von Cassius Dio nachrangig. Und wie schon gesagt, Cassius Dio schrieb sein Werk auch nicht für uns. Er konnte ja nicht ahnen, dass er für die Ewigkeit schreiben würde und ging vielleicht von wenigen Jahrhunderten aus, in denen man sich für seine Zeilen noch interessieren würde. Kommen wir aber nun dem Kern näher, also zu den von mir infrage gestellten chronologischen Verwerfungen in denen man erkennen kann, dass für Cassius Dio die Abfolge nicht die Bedeutung und den Stellenwert besaß, den wir darin sehen möchten. Im letzten Abschnitt hatte ich dargestellt, dass die Ereignisse zu einem frühen Beginn im Zuge der sich anbahnenden Varusschlacht einen weiteren Marschtag erkennen lassen, da die Germanen nicht imstande waren, alle ihnen zugeschriebene Aktivitäten auf einen einzigen Tag zu konzentrieren. Ich deutete bereits an, dass dieser übersehene erste Marschtag, nämlich die Distanz von Corvey/Höxter nach Brakel die zu überwinden war, weitere Türen öffnet. Des Weiteren baute ich eine Argumentationskette dahin gehend auf, als dass Varus die Anweisung gab, dass man die „FRAUEN UND KINDER“ zusammen mit den Wertgütern auf direktem Wege nach Aliso schaffen sollte. Beide Strategieschritte zusammen gefasst lassen sich nun durch einen weiteren Hinweis untermauern und bekräftigen. Die Essenz dieser Theorie beruht also darauf, dass der Hinweis von Cassius Dio auf die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug genau in das Geschehen des ersten Marschtages hinein passt, also den Anmarschweg von Höxter nach Brakel und weniger in den Verlauf des zweiten Marschtages. Im nächsten Kapitel folgt ein weiteres Synonym, was sein seltsame Vorgehensweise für historische Aufarbeitung anbelangt. (31.3.2019)

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