Donnerstag, 24. Oktober 2019
Segestes - Schlüsselfigur zur Varusschlacht ?
Segestes eine Schlüsselfigur zu nennen mag vielleicht eine unpassende Wortwahl sein. Aber möglicherweise lässt sich sein Verhalten besser damit umschreiben in dem man ihm vorwirft, er habe die Nachwelt auf eine falsche Spur gelenkt. So gelang es ihm unbeabsichtigt die Forschung durch seine wie ich annehme nicht ausgesprochene Warnung Varus gegenüber in eine historische Sackgasse zu führen. Er lenkte uns in ein Labyrinth dem man nur auf analytische Weise entkommen kann, in dem man versucht die ihm zugeschriebene Äußerung in Frage zu stellen und seine damalige Notlage zu hinterfragen. Die Lesart der alten Texte ist eindeutig und lässt grundsätzlich keinen Zweifel zu, dass Segestes so handelte wie es mehrere Historiker übereinstimmend beschrieben haben. Zweifellos besaßen diese Texte auch den nötigen Sinn, denn sonst müsste man sie als absurd bezeichnen. Aber die fehlende Plausibilität ließ mich mit dem diesbezüglichen Inhalt hadern. So ließ man uns alle zwangsläufig immer in dem guten Glauben drei erfahrene römische Elite Legionen hätten sich mit Kind und Kegel in ein unwegsames Gelände fernab der Hauptwege begeben, obwohl doch eine sehr deutliche Warnung vorlag, die auf eine latente Gefahrensituation hin wies. In der gesamten römischen Vorgehensweise lässt sich jedoch keine einzige Maßnahme erkennen, die der Abwehr eines möglichen germanischen Angriffs hätte dienlich sein können. Allen Überlieferungen nach hatte der Generalstab keine Vorkehrungen oder Vorbereitungen getroffen, um sich auf ein derartiges Szenario vorzubereiten, da er es offensichtlich nicht für nötig erachtete. Das sich ortskundige germanische Verbände wie die "Auxiliareinheit" des Arminius den Legionen auf ehrenhafte Weise ihren Marschzügen grundsätzlich anschlossen, ist historische Praxis bis weit ins Mittelalter und nicht ungewöhnlich. Zudem war das traditionelle Geleit einer befreundeten örtlichen Stammesmacht eine erwartungsgemäße Pflicht, sie auf dem herbstlichen Rückmarsch bis zum Lippehafen bzw. ins Grenzgebiet des nächsten Stammes zu geleiten. Hier stand also damals nicht der Schutzgedanke im Vordergrund in dem die Cherusker den Legionen bei den Aufrührern beistehen sollten. Diese Erklärung wurde erst zeitversetzt nach geschoben um die Strategie der Germanen zu verdeutlichen. Kein General und keine Landstreitmacht der Welt, hätte die Warnung aus dem feindlichen Lager heraus, die noch dazu ein hoch gestellter Spion aus dem befreundeten Fürstenhaus überbrachte in den Wind geschlagen. Spähtrupps die die Stärke des Gegners in Erfahrung zu bringen hatten, die das Gelände vorher sondieren mussten, also die Wege zu inspizieren hatten, sie wären, hätte es eine Warnung gegeben vielleicht schon Tage vor dem Rückzug voraus geschickt worden. Zumindest aber hätten sie eine berittene Vorauseinheit gebildet denen dann die Legionäre zu Fuß gefolgt wären. Das war die originäre Aufgabe von Schwadronen gewesen, die einer jeden Legion zugeordnet waren. Die Kavallerie etwa geführt unter einem Numonius Vala, den Paterculus wegen seiner einstigen Zuverlässigkeit besonders hervor hob, oder anderen wäre dieser Einsatz zugefallen. Es wurde auch keine Anweisung überliefert, dass eine Marschformation zu bilden sei, die einer Gefahrenlage gerecht geworden wäre, weil man keine Auseinandersetzung erwartete und sich keines Risikos bewusst war. All diese militärischen Zwangsabläufe hielt man nicht für nötig. Man kann diesen Sachverhalt daher drehen und wenden wie man möchte, aber den richtigen Sinn bekommt der Verlauf der sich später entwickelnden Schlacht erst in dem Varus sich in völliger Unkenntnis in den für ihn gelegten Hinterhalt begab, der dann für ihn in einen vernichtenden Überraschungsangriff ausartete. Sollte sich meine These vielleicht mal in ferner Zukunft bestätigen, so würde sie vieles auf den Kopf stellen aber auch erklären helfen. Aber wir können von keinem antiken Historiker aufgrund des damaligen Zeitgeistes erwarten oder ihnen zum Vorwurf machen, dass sie dem Spekulativen hätten Raum geben sollen, möglicherweise der irrigen Annahme einer Vorabwarnung gefolgt zu sein. Sie nahmen es alle als gegeben hin und niemand wagte es auszusprechen, Segestes habe möglicherweise in Rom die Unwahrheit gesagt. Legionen die unvoreingenommen sind und sich sicher fühlen dürfen, da sie sich unter dem Schutz eines Vertragspartners befanden und keinen Gegner zu fürchten hatten benehmen sich so, wie die drei Legionen unter dem Kommando von Varus. Eine warnende Stimme wie die des Segestes passt nicht in die Logik dieser Phase. Man unterliegt oder unterwirft sich, und das auch oft unbewusst einer gewissen Textgläubigkeit, wenn es um die alten Schriften der Weltgeschichte geht. Und wir gehen daher mit ihren Interpretationsspielräumen auch sehr vorsichtig um. Besonders die namhaften historischen Größen genießen einen hohen Vertrauensvorschuss. Nach heutigen Maßstäben nachvollziehbar und überzeugend sollten ihre Werke aber trotzdem sein. Aber die Welt der antiken Überlieferungen folgt eigenen Regeln und wird für uns immer rätselhaft bleiben. Obwohl sie von unseren modernen Methoden nicht allzu stark abweicht. Und nicht vergessen, auch ein Machiavelli ist erst rund 5oo Jahre tot. Ein zufrieden stellendes analytisches Studium alter Manuskripte ist uns oft kaum möglich. Besonders die älteren lateinischen Übersetzungen erscheinen willkürlich, teilweise auch tendenziös und lassen Vorfestlegungen durch schimmern. Das Fehlen von Ort und Datum erschwert vieles zusätzlich. So können bestimmte, einem antiken Historiker zugeschriebene Fragmente aus der Feder völlig anderer Personen stammen und Abläufe können verschoben oder vertauscht worden sein. Aber wir sind willig es zu glauben und zurück haltend bevor wir zweifeln. So als gäbe es da ein ungeschriebenes Gesetz, wonach es sich nicht ziemt den antiken Historikern fehlerbehaftete Angaben unterstellen zu dürfen. Aber auch ihnen könnte und das natürlich ohne das sie es selbst wussten Irrtümliches unter geschoben worden sein. Denn auch sie waren fehlbar und konnten auch immer nur das zu Papier bringen, was sich für sie in Erfahrung bringen ließ, was sie in den Aufzeichnungen ihrer Vorgänger lasen, daraus einfach nur abschrieben, oder was die Quellen insgesamt für sie her gaben. Denn bis auf den in jener Zeit lebenden Reiterpräfekten Velleius Paterculus, bekamen die Historiker die uns ihr Wissen übermittelten nicht mehr die Möglichkeit Menschen persönlich zu befragen, die damals im Teutoburger Wald noch selbst mit dabei waren. Und Historiker denen es noch möglich gewesen wäre die arg gealterten Zeitzeugen zu befragen nutzten es nicht bzw. wurden uns gar nicht erst bekannt. Mit dem Tod von Velleius Paterculus der nach 31 + verstorben sein soll, erstarben auch die letzten Zungen ehemaliger Schlachtenteilnehmer und damit die Originalrede jener, die noch in unmittelbarer Verbindung mit der Verschriftung zur Varusschlacht standen. Und so liefen denn alle nachgeborenen Berichterstatter denen der unmittelbare Kontakt zu den alten Kämpfern auf römischer Seite versagt blieb schnell Gefahr ihr Wissen letztendlich doch nur immer einer einzigen gemeinsamen Urquelle entnommen haben zu können. Bemerkten es viele Jahre später wohl oftmals selbst nicht und konnten oder wollten es auch nicht hinterfragen. Wagt man es trotz dieser bedrückenden Ausgangslage an den Überlieferungen der antiken Historiker, die wir gerne für unumstößlich und fundamental halten zu rütteln oder damit zu hantieren, so kommt dies fasst schon einem Tabubruch gleich. Schaut man sich aber den seltsamen Lebenslauf von Segestes, dem so genannten Römerfreund genauer an, so könnte man in der Tat den Eindruck gewinnen, als ob er sich damals aus der puren Not heraus gezwungen sah, sich so wie im letzten Abschnitt von mir beschrieben, verhalten haben zu müssen. So schien es, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah, als vorzugeben, er habe Varus gewarnt um in Rom an zusätzlicher Glaubwürdigkeit zu gewinnen und sich damit eine bessere Zukunft zu erschleichen. Das ihm nach seinem Erscheinen in Rom alle antiken Historiker und sogar Velleius Paterculus auf den Leim gegangen sein sollen, indem sie es ihm glaubten, klingt da allerdings utopisch, ist aber auch nicht völlig von der Hand zu weisen. Denn keinem Historiker im Imperium schienen die Widersprüche im Kontext der Geschehnisse aber auch die, die in der gespaltenen Person des Segestes zu suchen wären, aufgefallen zu sein. Oder wie ich auch meine sie durften ihnen damals nicht auffallen, weil es der Obrigkeit missfallen hätte da sie die Wahrhaftigkeit zur Staatsdoktrin erhoben hatten. Skeptiker hätten seine Worte später anzweifeln können, hätten den Verdacht äußern können, er habe die Unwahrheit gesagt. Doch wir haben nie erfahren, ob man ihn Jahre danach bezichtigte falsche Angaben gemacht zu haben. Sollte es damals zweifelsfreie, neutrale, zeitnahe oder einfach nur bessere Quellen gegeben haben, hätte man diese gegen seine Rede stellen können. Und auch heute könnte man diese vielleicht noch analysieren, aber es gab sie damals wie heute nicht. Und es fällt auch auf, dass uns kein antiker Historiker verriet, woher er denn erfahren haben wollte, dass Segestes im Jahre 9 + zum Verräter bzw. zum Warner geworden sein soll. Alle schrieben es nieder, aber keiner nannte seine persönliche Quelle. Das Segestes damals diesen überaus mutigen Schritt gewagt haben soll, in dem er den Feldherrn Varus sogar noch in den letzten Stunden vor der Schlacht vor seinen eigenen Landsleuten gewarnt haben soll, stieß offensichtlich auf keinerlei Misstrauen oder Skepsis innerhalb seiner Zuhörerschaft in Rom und unter allen späteren Historikern. So kann man es sehen. Das man damals in Rom in den Germanen die geborenen Lügner sah, schien Allgemeinwissen gewesen zu sein. Aber man zog es bei Segestes offenbar gar nicht erst in Betracht bzw. wollte oder durfte es nicht. Es könnte auch darauf hindeuten, dass es da ein krasses Missverhältnis der Mentalitäten gab. Möglicherweise war man in der antiken Welt zu leichtgläubig, so dass es niemandem in Rom auffiel, welche Geschichten Segestes zu erzählen wusste. Auch das unerschütterliche Vertrauen der Großmacht Rom in die Einhaltung eines mit einem germanischen Kleinstamm geschlossenen Vertrages klingt schon nach Naivität. Man darf nicht außer acht lassen, dass das römische Imperium es über die Jahrhunderte immer gewohnt war mit fortschrittlicheren Zivilisationen in Verbindung zu stehen. Mit festen Strukturen, Königen. Pharaonen oder Tyrannen, im Mittelmeeraum und noch darüber hinaus bis in den persischen Raum und auch den keltischen Reichen und Völkern stand man näher und konnte mit ihnen umgehen bzw. wusste wie man sie einzuschätzen hatte. Überschritt man aber den Niederrhein und bewegte sich nach Osten stieß man auf ihnen fremde noch archaisch geprägte Kulturen für die sie noch kein Konzept des Zusammenlebens gefunden hatten. Jedenfalls gelang es damals Segestes sich mangels gegenteiliger Informationen oder Aussagen sowie fehlender überlebender Zeitzeugen mit seiner Darstellung in der Geschichtsschreibung zu behaupten und sich darin einen bis heute dauerhaften Platz zu sichern. So schlich sich seine alte Schutzbehauptung in die klassische Weltliteratur ein und wurde zur unbestrittenen Konstante. Seit dem prägt sie von ihm das Bild eines Mannes, den es in keinster Weise beeindruckt haben soll, dass er seine eigenen Landsleute hinterlistig und sehenden Auges in die tot bringenden Waffen der römischen Legionäre und somit in ihr Verderben laufen lassen wollte. Ein moralisches Verbrechen, dem sich Segestes indirekt schuldig machte, dass er aber Angesichts seiner persönlichen Lage für absolut legitim und überlebenswichtig hielt. Da es aber bekanntlich in dieser Form nie zur Umsetzung kam, brauchen wir uns auch nicht mit den Skrupeln eines Mannes auseinandersetzen, denen sich der Mann bekanntlich nie aussetzte, da er den Verrat nicht begangen hatte. Aber nun wird auch klarer, warum ein Varus seine Worte nicht ernst nahm und nie ernst nehmen brauchte. Denn die von ihm vorgegebene Warnung war die berühmte Luftnummer, denn es gab sie nicht. Seinen schlechten Ruf den ihm nur die unwissende Nachwelt aufdrückte, hätte sich demnach Segestes selbst zuzuschreiben und er ging mit ihm in die Geschichte ein. In etwa könnte man sein negatives Image mit dem Prädikat vergleichen wie man es später auch den Wandalen zu Unrecht aufdrückte. Eine gegenstandslose Fehlinterpretation wovon es in der Geschichte viele gab, die aber ihren ewigen Niederschlag in den Geschichtsbüchern fanden, wenn keine Gegendarstellungen auftauchten. Aber Segestes konnte es damals natürlich völlig gleichgültig sein, wie die Nachwelt später über ihn dachte oder urteilte, denn der Erfolg gab ihm Recht, sein Lebensabend war gesichert. Seine improvisierte Aussage war für alle die davon erfuhren ergreifend und unvorstellbar zugleich und daher auch wie geschaffen für antike Theaterinszenierungen wo man derartiges liebte. So hatte seine Lüge vor allem deswegen bestand, weil sie so glaubhaft schien, und sich auch sehr gut mit der damaligen politischen Lage vertrug, die nach einem Schuldigen rief. So opferte man Varus wie ein Kalb auf dem Altar dessen was man damals politisch für opportun und notwendig hielt. Ein Feldherr, dem man vielleicht vieles vorwerfen, konnte, aber dem man nicht den Vorwurf machen kann, er habe eine Warnung in den Wind geschlagen von der er nie etwas erfuhr. Und natürlich will ich meine Hypothese nicht der Lächerlichkeit preis geben in dem ich in Germanicus noch einen möglichen Ideenlieferant von Segestes für seine Selbstschutzstrategie sehen möchte. Aber ich möchte Germanicus und dem Kaiserhaus etwas anderes unterstellen. Nämlich das sie die Richtung vorgaben und die Stimmung und Atmosphäre erzeugten aus der heraus man seine Angaben für richtig hielt und als unantastbar erklärte. Das Volk von Rom und alle Historiker hatten sich wissentlich oder unwissentlich in der damals kritischen Lage diesem Gebot der Stunde oder gar dem Diktat des Kaisers zu unterwerfen. Paterculus (2,117 – 119) der Militarist war der erste Historiker, der die Segestes Warnung in die Welt setzte. Ihm könnte die Mär von der Warnung an der Weser ins Konzept gepasst haben. Er war ein Verehrer und vielleicht sogar ein Freund von Kaiser Tiberius und möglicherweise auch von Germanicus den er sehr gut kannte. Unter ihnen herrschte die Sprache des Militärs wie man aus vielen Bereichen seiner Überlieferung ersehen kann. Paterculus nannte Segestes einen treuen und vornehmen Mann und so viel Lob macht eine Charakterbeschreibung für sich genommen schon verdächtig. Man nennt es heute Lobhudeleien, die sich einem Verstorbenen auch leicht hinter her rufen lassen. Eigenschaften die sich aber auch im alten Rom nicht mit einem Verräter vertragen wollten. Aber um es noch mal heraus zu stellen. Für Rom war Segestes der Warner und treue Römerfreund, während man ihn im späteren Deutschland für einen Verräter hielt, der er in meinem Sinne nie war. Und was man damals übrigens auch in Germanien nie erfuhr. Denn es gab in jenen Zeiten keinen Informationsrückfluss aus Rom an die Weser. Den Arminius Cheruskern konnte es also nach dem Jahr 15 + gleichgültig sein, was ein Segestes in Rom erzählte. Es fällt auf, dass die Paterculus Quelle in Absatz 4.) verderbt ist. Denn da, wo Paterculus noch etwas mehr über Segestes sagen wollte, brach sie ab. So wurde möglicherweise die Segestes Behauptung von höchster Stelle doktriniert und dazu benutzt, alle Diskussionen um die schmähliche Niederlage in Ostwestfalen für immer zum Schweigen zu bringen. Einem gefallenen Varus ließ sich alle Schuld bequem nachschieben. Ob seiner Frau Claudia Pulchra an der Reputation ihres Mannes gelegen war lässt sich nicht erkennen, aber diverse gegen sie angestrengte Intrigen endeten später in einem Hochverratsprozess gegen sie. Vor diesem Hintergrund war es jedoch eine respektable Lösung um einen glaubhaften Trennstrich zwischen die besten drei Legionen des Imperiums und den Versager Varus zu ziehen. Die Armee „die auf dem Felde unbesiegt blieb“, einen Ausspruch den wir noch von irgend wo her kennen. Aber so ließ sich der Ruf der Truppe sauber halten und die Moral blieb erhalten, denn das Imperium war auf Macht und Militär aufgebaut. Aber es ist in der Tat eine kühne Hypothese die ich da aufstelle und ich möchte daher im Verlauf der weiteren Darstellung auch wie gewohnt jede Spur aufgreifen und keinen Hinweis übersehen oder auslassen um mich auch selbst immer mit der Frage zu konfrontieren, ob es denn wirklich so gewesen sein könnte. Ich werde mich daher stets bemühen meine These zu hinterfragen, um sie vielleicht sogar letztlich selbst ad absurdum führen zu müssen und daher werde ich immer auf der Suche nach Gegenargumenten bleiben. Sollten diese an Schlüssigkeit missen lassen, oder sich nicht finden lassen, so würde es meine These um so stichhaltiger erscheinen lassen. Aber all das gehört zum historischen Geschäft dazu, denn auch die nötige Stärke eigenen irrigen Vorstellungen eine Absage erteilen zu müssen, sollte man aufbringen. Aber zunächst bedarf es noch mal eines kurzen Rückgriffs in die Zeit bevor Segestes gemeinsam mit Germanicus Rom betrat. Erst danach möchte ich die Schriften jener Historiker analysieren, die auf der Lüge des Segestes ihre Überlieferungen aufgebaut haben bzw.mussten. So beginne ich nochmal bei Ovid dem Dichter. Er verfügte zweifelsohne noch nicht über den umfangreichen Kenntnisstand den nun ein Segestes aus Germanien nach Rom mit brachte und dort verbreitete. Er schrieb seine Metamorphosen noch eindeutig in den Zeiten als Kaiser Augustus lebte denn nur für ihn waren sie in erster Linie bestimmt. Zu Lebzeiten des Kaiser Augustus, also vor dem Jahre 14 + führte Segestes möglicherweise noch ein beschauliches Leben im Solling und freute sich auf sein Enkelkind, dass seine Tochter im Frühjahr 15 + hochschwanger, als man ihn befreite unter dem Herzen getragen haben soll. Ovid in Constanta konnte das detaillierte Wissen um den Verrat des Segestes in Germanien für seine ohnehin mageren Überlieferungen folglich noch nicht genutzt haben, denn vor dem Jahr 14 + hatte unser „Baron“ Segestes noch keinen römischen Boden betreten und konnte seine Version die seiner Reinwaschung diente, auch noch nicht in die Federn der Historiker diktieren. Und so tauchte in seinen knappen Zeilen an Augustus bei ihm auch kein Mann mit Namen Segestes auf. Schließlich dürfte auch sein Informant hinter dem ich Hyginus sehe, Segestes zu so früher geschichtlicher Stunde auch noch nicht gekannt haben. Man kennt jedenfalls keine Schrift die noch zu Lebzeiten des Augustus erschien und die bereits den Verrat des Segestes zum Inhalt hatte bzw. ihn thematisierte. Manilius hingegen war dann der Mann, der schon eine kleine Andeutung zumindest auf einen Familienzwist innerhalb der cheruskischen Fürstenhäuser machte, die zumindest die Tür einen Spalt breit in Richtung Verrat öffnete. So nährt er den Verdacht, er könne auch bereits etwas über die Person des Segestes oder über seine Untat gewusst haben. Aber er geht nicht weiter darauf ein und so müssen wir davon ausgehen, dass auch er nichts davon wusste. Aber dieser kleine Hinweis ist auch einer der Gründe, warum ich seine „Astronomica“ in die Zeit legen möchte, als Segestes kurz zuvor in Rom zur Informationsquelle wurde und die ersten Hinweise auf die innergermanischen Zustände vor dem Ausbruch der Schlacht lieferte. Manilius wusste also vielleicht schon etwas und wurde somit zum Grenzgänger in jener Zeit, als Segestes um die Jahre 16 + / 17 + gerade erst den römischen Boden betreten haben könnte. Immerhin, wusste er schon von Konflikten, aber mehr wollte oder konnte er noch nicht verschriften. Aber nach Manilius können wir auch Spekulation und Simulation um Charakter, Wesen und Verhalten des Segestes etwas vernachlässigen, denn mit der Anwesenheit von Segestes in Rom schlagen wir ein neues Kapitel auf und es beginnen nun auch mehr und mehr die Quellen über ihn zu sprudeln. Denn auf Manilius folgt nun Strabo, dem ich mich in dem folgenden Abschnitt widmen möchte und dem wir interessante Einblicke in die Welt vor 2000 Jahren verdanken. (24.10.2019)

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