Dienstag, 18. Mai 2021
Die Tage der Entscheidung rücken näher - Im Sommerlager blühten die Intrigen - Jeder verfolgte seine Interessen.
Faktoren die häufig ausgeblendet werden und die man nicht genügend einbezieht, weil man sie für nicht relevant genug hält um sie im Zusammenhang mit einer Schlacht wie der des Varus zu betrachten beziehen sich auf die unterschwellige Stimmungslage, wie sie auch im Weserlager vor dem Ausmarsch geherrscht haben muss. Sie entzogen sich auch deswegen neuzeitlicher Beachtung weil man den Menschen jener Tage gerne in jeder Hinsicht die rückständigen Verhaltensweisen einer Kulturstufe zuschreibt, die mit der unsrigen noch nichts gemein haben durfte und sie deswegen hochmütig belächelt. Anmaßungen die jeglicher Grundlage entbehren. So ist auch die Atmosphäre im Sommerlager mit einzubeziehen, die für die damalige Meinungsbildung ausschlaggebend war. Sie bildet wiederum die Grundlage für Anordnungen und Befehle und hatte daher einen maßgeblichen Einfluss auf die Strategie des Rückzuges. Eine Frage die zunächst irritieren mag, die aber der näheren Betrachtung bedarf. Wie dachte man etwa in den unteren Offizierskreisen der römischen Armee über die Zuverlässigkeit der cheruskischen Bündnispartner die man doch aus nächster Nähe zu kennen glaubte. Oder hatte sich das Imperium seine Legionäre mithilfe militärischer Disziplin schon so weit heran erzogen, dass sie zu stoischen Befehlsempfängern wurden, die zu keiner selbstständigen Denkweise mehr fähig waren. Eher nicht, denn es waren gerade die Taten der mittleren Führungsebene die Paterculus besonders hervor hob. Welcher Gefahr wähnten sie sich ausgesetzt und für wie riskant hielten sie den ihnen bevor stehenden Auftrag mitsamt Zugweg in einen anderen ihnen weitgehend unbekannten Raum, der von Germanenstämmen besiedelt war, mit denen keine vertraglichen Vereinbarungen bestanden. Worüber unterhielten sie sich in ihren Mannschaftsunterkünften und wie dachten sie über die Sachlage, nach dem sich der Aufruhr herum gesprochen hatte, der ihnen einen Umweg abverlangte. Loyalität zeigen und Zusammenhalt beschwören waren das Gebot der Stunde zumal in der Anfangsphase keine krassen Fehlentscheidungen der Befehlshaber für sie deutlich wurden. Jeglicher Gedanke an ein Aufbegehren lag ihnen daher fern und man gehorchte. Wusste Asprenas der Neffe von Varus, von dem man bis heute nicht genau weiß wo er mit seinen Legionen stand als Varus unter ging schon mehr über das, was sich zusammen braute. Verfügte er über weiter reichende Informationen als die, die Varus hatte, schöpfte er frühzeitig Verdacht und stufte die Lage gefährlicher ein, als Varus es tat und brachte er sich daher noch rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich. Asprenas kannte die Stärke und damit auch die Schwäche seiner Legionen und auch die seines Onkels Varus und man könnte ihm sogar Machtansprüche unterstellen, falls Varus sich einen Lapsus leisten sollte. Asprenas dem man sein Nichteingreifen deswegen verzieh, weil er zu weit vom Schuss gestanden haben soll, um Varus noch helfen zu können. Ist diese Version glaubhaft und gab es keine Meldereiter die zwischen Varus und Asprenas verkehrten und Informationen über Abmarsch und Bewegungsprofil austauschten. Kam in der Gefahrenlage keiner zu Asprenas durch um ihn zu benachrichtigen. Aber mit dem Wissen um die Geographie der Eggelandschaft und die Umstände kann man sich vorstellen, warum dies nicht gelang. Warum zog Varus nicht die zwei Legionen von Asprenas näher an sich heran, wo ihm Unterstützung doch offensichtlich gut getan hätte und warum verließ er sich lieber auf die Cherusker. Es erinnert entfernt an den Untergang der Titanic. 1912 sahen auch andere Schiffsbesatzungen von weitem das Desaster, schätzten die Lage falsch ein und konnten oder kamen nicht zu Hilfe. Varus soll von 7 + bis 9 + als Statthalter für Germanien zuständig gewesen sein, aber mit Sicherheit für Niedergermanien. Aber Asprenas könnte schon vor ihm am Rhein gestanden haben, denn er ist bereits für das Jahr 6 + als Suffektkonsul am Niederrhein hinterlegt. Also seit dem Jahr als sich Tiberius im Frühjahr des gleichen Jahres auf Marbod zu bewegte. Schätzte Asprenas aufgrund dessen bereits die Lage in Ostwestfalen kritisch ein und suchte daher die Nähe zum sicheren Rhein. Welche Kontakte bestanden zwischen Tiberius und Asprenas schon bevor Varus nach Germanien versetzt wurde, denn sie kannten sich. Und schließlich wurden auch Asprenas teile seiner Armee von Tiberius für den Markomannen Feldzug abgezogen wie sich rekonstruieren lässt. Gab es Vereinbarungen zwischen beiden, oder hatte man Asprenas gar übergangen oder ihm Versprechungen, also möglicherweise Hoffnungen auf höhere Funktionen gemacht. Warum nahm Tiberius ihn nicht mit zu seinem Feldzug gegen Marbod und ließ ihn am Niederrhein auf die Ankunft von Varus warten, der 7 + nach Germanien kam. Insgesamt interessante Fragen die nicht mehr beantwortet werden können. Und da waren auch noch überall die vielen anderen uns unbekannten Stimmen, die Varus scheitern sehen wollten, aber ohnmächtig seinem Treiben zusehen mussten oder denen die Hände gebunden waren, weil Varus im Auftrag von Kaiser und Tiberius handelte. Einflussreiche Kräfte die aber vor einer offenen Kritik an Varus oder vor einer Palastrevolte zurück schreckten, obwohl sie schon sorgenvoll seinem Treiben zusehen mussten, oder erfahrene Frontlegionäre die schon frühzeitig den Cheruskern misstrauten. Hinzu kam der Druck der auf Varus lastete sowohl vor Tiberius aber besonders vor dem Kaiser bestehen zu wollen und zu müssen. All dies plus seines eigenen Zerrbildes musste er am Morgen dieses grauen Septembertages in die Waagschale werfen um zu einer richtigen Entscheidung zu kommen. Dazu kamen noch die bedeutungsvollen Orakel der Götter die von allen vorher befragt wurden aber keiner weiß, was sie rieten und was sie ihnen vorher sagten. Das eine oder andere Schreckensbild könnte schon darunter gewesen sein, dass man möglicherweise fehl interpretierte. Und natürlich sahen alle die ersten bedrohlich wirkenden wetterwendischen Zeichen und Vorboten der Natur. Denn die Luft könnte sich bereits feucht angefühlt haben, der Wind hatte sich gedreht und man konnte den Regen schon förmlich riechen. Der Sommer war vorbei, die Wolkenformationen am westlichen Horizont wurden dichter und zeigten untrüglich an, dass ein Wetterwechsel bevor stand und die ersten Schwaden nicht mehr lange auf sich warten lassen würden. Jahreszeitlich typische Anzeichen, die die Germanen zu deuten wussten. Und sie sehnten die Schlechtwetterfronten förmlich herbei. Und man wusste in Ostwestfalen auch wie es dann um die lehmigen Bodenverhältnisse stehen würde, wenn sie mit Feuchtigkeit in Kontakt kamen, wenn Bäche anschwollen, der Sturm in die Baumkronen griff und das morsche Holz zum Bersten brachte. Das die heidnische Seele in den Wolken schon Wesen und Gestalten erkennen wollte, ist nachvollziehbar. Sich nun über Irrtümer und Fehlentscheidungen Gedanken zu machen war jetzt nicht mehr die Zeit. Varus wusste von den Schicksalen seiner Vorgänger und wie scharf die Nachwelt richten konnte, falls sich seine Entscheidungen als falsch erweisen sollten. Er durfte sich in keinerlei Hinsicht einen Patzer erlauben. Und dann gab es in Rom auch noch seine angesehene Familie und eine verwöhnte und möglicherweise auch unerbittliche Claudia Pulchra seine Gattin, die ihm eine Schmach wohl auch nicht nicht verziehen hätte. Die römischen Geschichtsschreiber konnten erbarmungslos sein und es war an jenem Morgen sicherlich nicht sein Ziel sich einige Tage später ins eigene Schwert zu stürzen. Er wird über einen Beraterstab verfügt haben, der eher aus zu vielen, als aus zu wenigen Stimmen bestand. Er wollte sich in alle Richtungen absichern, wollte es vielleicht auch allen recht machen, hörte auf die Männer des Segimer hörte auf Arminius, hörte allen zu und vielleicht noch auf andere hoch gestellte germanische Fürsten unbekannter Herkunft. Aber es war keine Veleda darunter, die ihm definitiv den Untergang durch die Hand seiner Bündnispartner vorher sagte. Und auch kein Verräter war zu erblicken, der den Verrat verriet. Ihm nahe stehende römische Berater könnten ihn darin bestärkt und beeinflusst haben, welchem Rat er denn nun mehr oder weniger glauben schenken und wen er besser überhören sollte. Ein ausgeprägtes Eigeninteresse unter diesen Personen darf immer voraus gesetzt werden. So könnte Varus in diesen Stunden aus vielerlei Gründen zu der Überzeugung gelangt sein und man könnte ihn gedrängt haben, den zivilen Tross abzuspalten. Viele Personen werden an seinen Entscheidungsfindungen aktiv mitgewirkt und ihren Anteil an seiner Vorgehensweise gehabt haben. Und manche seiner römischen Berater passten vermutlich gut in die Schublade der Schranzen oder Höflinge und nicht zu vergessen die Übergewichtigen. Aber diese Clientel, obwohl es der Realität recht nahe kommen dürfte, findet in keinen Annalen Erwähnung. Und in dieser Phase der Aufbruchstimmung mag auch ein Segestes nicht weit gewesen sein und er hätte jetzt noch die Gelegenheit gehabt, klare und unmissverständlich deutliche Worte der Warnung auszusprechen, aber er schwieg sich wie man annehmen darf, aus besagten Gründen aus. Aber oftmals sind es gerade die so genannten Vertrauten, jene den Menschen besonders nahestehenden Personen aus dem eigenen und unmittelbaren Lebensumfeld, den Dienern und Pagen denen man in kritischen Lagen für gewöhnlich den meisten Glauben schenkt. Ihr Wort und ihre Meinung zählen in schwierigen Stunden häufig mehr, als eigene Scharfsinnigkeit oder persönlicher Sachverstand. Und auch Varus wird seinen Brutus unerkannt um sich gehabt haben. Und das eigene Überleben dieses Personenkreises, ihr sprichwörtlicher Selbsterhaltungstrieb überlagerte in dieser Zeit vieles. Und sie kannten nur ein Ziel, nämlich nicht in die Gefahr zu geraten sich in einem Krisenherd wieder finden zu müssen. So war es ihr schlichtes Ansinnen, sich dem nunmehr im Raume stehenden zivilen Tross anschließen zu dürfen um einer möglichen Militäraktion weiträumig aus dem Weg gehen zu können. So genannte Berater die aber letztlich nur um des eigenen Lebens und Überlebens Willen ihre gut gemeinten Empfehlungen aussprachen. Sie wären ja schließlich letztlich auch alle selbst unmittelbar betroffen gewesen, hatten also für ihre vermeintlich guten Ideen auch gute Gründe gehabt. Und selbst wenn keine Gefahr im Süden auf sie lauern sollte, warum hätten sie sich unnötig einem beschwerlichen Umweg aussetzen sollen, wo es doch auch bequemer ging. Man hatte Varus also am Vorabend oder sogar noch am Morgen mit guten Ratschlägen zugeworfen. Aber nun war er sich völlig sicher wie er zu handeln hatte, denn er gab nun jenen Kräften nach, die sich bei ihm durchsetzen konnten und die sich für die sinnvolle Aufteilung des Marschzuges einsetzten und sich dafür bei ihm stark machten. Sich nun in einer heiklen Lage auch noch mit einem aus strategischer Sicht völlig überflüssigen und hinderlichen zivilen Tross belasten zu müssen, hätte zudem gegen jeden militärischen Sachverstand gesprochen. Somit hatte Varus damit auch automatisch die Militärspitze auf seiner Seite gehabt die ihm auch zur Aufteilung riet und den Höflingen und Vertrauten die nun die Mehrheit bildeten beugte er sich nur zu gerne und vermied es diese Gruppe mit ins Krisengebiet zu nehmen. Und das auch die Arminen für die Teilung plädierten bedarf eigentlich keiner besonderer Erwähnung mehr. Sie gelangten auf diese Weise schnell und kompakt in den Besitz der wertvollen Fracht und ein mit Zivilisten durchsetzter Gegner, war für die Legionäre im Kampfe hinderlich. Aber für Arminius war deren Teilnahme von Vorteil, denn sie versprach einen schnellen Handstreich. Schließlich duldete die Operation keine Verzögerungen. Und was hätte sich andererseits für Varus alles daraus ergeben können, wenn er den Frauen, Kindern und allen anderen nicht militärischen Begleitpersonen unter den zu erwartenden Bedingungen eine solche vermeidbare Tortur durch unwegsames Terrain in ein entfernt liegendes und kaum erschlossenes Gebiet ernsthaft zugemutet und ausgesetzt hätte. Immer wieder ins Feld geführt wird auch das plausible Argument, dass ein mögliches Gefecht bei den Aufrührern auch zu Opfern unter ihnen hätte führen könnte. All dies wäre vermeidbar, wenn man ihnen den angenehmeren Rückweg zugestanden hätte. Und in den schillerndsten Farben malten ihm die Offiziere noch im Sommerlager aus, dass die Zivilisten in einem denkbar ungünstigsten Moment nicht nur zwischen die Fronten geraten konnten, sie könnten sogar auch noch die möglichen Kampfhandlungen aus Gründen der Rücksichtnahme erschweren. Und an Geiselnahmen wollte man gar nicht denken. Besonders jenen diffusen Beratern war es lieb und recht, die noch eine große aber nicht unbedingt militärische Karriere vor sich wähnten. Ein unnötiges Risiko einzugehen, passte nicht in ihr Lebenskonzept, denn sie sollten bei Varus nur etwas Frontluft schnuppern. Andererseits nutzten aber auch viele Römer die sich ihnen in Germanien bietenden Möglichkeiten, um sich an Kampfhandlungen beteiligen zu können. Auf diese Weise konnten sie sich auszeichnen und sich für höhere Aufgaben empfehlen und sie konnten nicht schnell genug die Waffen schwingen. Folgen wir dem Historiker Seneca, der um das Jahre 1 + in Corduba geboren wurde und 65 + verstarb, so gelang es einigen von Ihnen sogar die Schlacht zu überleben. In seiner Epistulae Morales 47 ist zu lesen. "Bei der Niederlage des Varus hat das Glück - im Imperium stand es für das heutzutage geflügelte Wort Pech - viele Männer von hervorragender Geburt, die sich den Rang des Senators über den Kriegsdienst erhofften, niedergedrückt: Den einen machte es zum Hirten, den anderen zum Wächter einer Hütte, verachte nun ( nicht ) den Menschen ( den ) dieses Schicksal ( ereilte ), in welches ( auch ) du hinein geraten kannst, noch während du ihn gering schätzt". Bei ihm kam es deutlich zum Ausdruck welch bittere Konsequenzen die Niederlage für einige nach sich zog und das war nichts für karrierehungrige römische Jungaristokraten. Eine Auseinandersetzung lag also zumindest in der Luft, auch wenn man die Lage für beherrschbar hielt. Andernfalls hätte man die cheruskische Unterstützung nicht annehmen brauchen. Diese Gruppe von Personen und engsten Berater von Varus unter den Rückzugsteilnehmern die keine oder kaum Waffen trugen und wehruntauglich also wehrunfähig waren, verband alle ein gemeinsames Ziel. Sie wollten unter keinen Umständen in Gefahr für Leib und Leben geraten und suchten nach Mitteln und Wegen es zu verhindern. Und darunter waren zweifellos auch jene höher gestellten und einflussreichen Personen deren Meinung Varus gar nicht ignorieren konnte und durfte. Ihnen hatte er einen sicheren, zügigen und gefahrlosen Rückweg zu garantieren und sie hätten es ihm schwer nachgetragen, wenn er sie einer Gefahr ausgesetzt hätte. Hochdekorierte, die ihm später das Leben hätten schwer machen können auch wenn ihnen nichts zustoßen würde. Er musste ihnen auf diplomatische Weise entgegen kommen, denn mitten im Barbaricum außerhalb geschützter Palisaden fühlte sich diese Kaste unwohl. Riskant war zudem ihr vornehmes äußeres Erscheinungsbild. Vielleicht sogar noch erkennbar am Tragen von Tunica, Toga oder Pallium verrieten sie den Germanen schon von weitem ihre Bedeutung. Es war nahe liegend, dass sie im Ernstfall zu einer begehrten Zielscheibe und Ware werden konnten und daher einer besonderen Gefahr ausgesetzt waren. So hätte man sie bevorzugt als Geisel in Gewahrsam nehmen oder an ihnen schlimmstenfalls ihren Zorn auslassen können. Etwa so, wie es der Überlieferung nach dem Ende der Schlacht auch einigen römischen Militärangehörigen erging und wie es in diesen Zeiten üblich war. Und diese Gruppe könnte recht umfänglich gewesen sein, Denn um seine neuen Aufgaben in der germanischen Provinz, der fiktiven "Germania orientis" erfüllen zu können scharte Varus auch Experten um sich, die er mit in den neuen Militärbezirk nahm. So begleitete ihn nicht nur ein umfänglicher Militärapparat, sondern auch die erforderlichen Handwerker, Baufachleute, Vermesser, Ärzte, Priester und Auguren, aber auch die in landwirtschaftlichen Dingen ausgebildeten Personen. Gerade sie waren für den Aufbau einer neuen Civitates am Rande der bekannten Welt von Bedeutung. Steuerpflichtige Militärbezirke oder Provinzen erforderten zudem ein umfangreiches Verwaltungssystem, das nicht nur aus der Einzelperson des Feldherrn Varus und einigen seiner Schwertträger bestanden haben dürfte. Dafür bedurfte es eines umfassenden Stabes, vielleicht hatte er sich schon einen kleinen Beamtenstaat um sich versammelt. Sie trugen den Namen Officiales und sollen unterschiedlichen und der Literatur nach, kaum voneinander abgegrenzten Aufgaben und Funktionen nachgegangen sein. Ob im Varus Team auch Beamte tätig waren, die an Varus vorbei direkt dem Kaiser unterstellt waren ist nicht bekannt aber denkbar auch wenn es an keiner Stelle Erwähnung findet. Steuervollzugsbeamte "Procuratoren" genannt wird es in seiner Umgebung gegeben haben, während sich ein "Procurator Civitatium" in diesem frühen Stadium der Annexion noch nicht an der Weser aufgehalten haben dürfte. Obwohl einige sich mutig vor wagende zeitgenössische Historiker schon die Auffassung vertreten, es habe bereits eine fertige römische Provinz an der Weser bestand gehabt, was aber schwer vorstellbar ist. Denn diese hätte man wie verbreitet geschlussfolgert wird, mit Kind und Kegel im Herbst wohl nicht mehr verlassen. Die Spekulationen beginnen mit der Frage, ob sich Varus schon mit "Princeps Praetorii" also Sekretären umgeben haben könnte. Man möchte es annehmen. Ob er schon über "Scribae" auch "Cornicularii","Exceptores"  und "Exacti" genannt verfügte, bzw. er sie im Stab hatte, bleibt ebenfalls offen. Sie organisierten den kompletten Schriftverkehr und vervielfältigten Dokumente, führten ( leider verschollene ) Protokolle und Amtstagebücher und leiteten die Korrespondenz. Die "Beneficiarii" hatten Kurierfunktionen, konnten aber auch zu Steuer - und Zolleintreibungen sowie für Polizeiaktionen abgestellt werden. Mit "Apparitores" hätte Varus dann sogar noch über Amtshelfer verfügt. "Frumentarii" die in den Quellen auch "Speculatores" oder "Quaestionarii" genannt werden, wird Varus bei den Germanen hingegen gut gebraucht haben können. Denn diese Soldaten waren für die Verbrecherverfolgung, aber auch für Folterungen und Hinrichtungen zuständig. Einige dieser vorgenannten Verwaltungsbediensteten kann man sich auch gut innerhalb seiner Entourage vorstellen. Auch unter ihnen wird es Personen gegeben haben, die kein gesteigertes Interesse daran fanden, sich an einer möglichen Auseinandersetzung zu beteiligen. Eine, nennen wir sie mal intelligente Schicht von Verwaltungs - besser gesagt Staatsbediensteten oder Ordonanzen für die kleineren und größeren und auch die schmutzigen Arbeiten waren nötig, wollte man eine neue Provinz im römischen Sinne entstehen lassen. Und viele unter ihnen trachteten vielleicht schon nach eigenen Besitztümern samt Sklaven und träumten von Land und Villen auch in den neu besetzten Gebieten. Dieser spezielle Personenkreis, beherrschte zwar nicht unbedingt die Waffenführung, fühlte sich dafür aber in den "antiken Vorzimmer" um so mehr zu Hause und allen überlegen. Verfilzt, heute würde man sie vernetzt und einflussreich nennen, suhlten sie sich bereits im Gefühl von Goldgräberstimmung, besser gesagt Bleigräberstimmung, denn das konnte die Region bieten. Und nicht zu vergessen die Harzer Silberminen. Sie strebten nach Macht und Reichtum in den neu eroberten Regionen, wo sie sich bewähren konnten. Drohten Streitfälle, so kamen sie dem Feldherrn zuvor noch bevor dieser dann als höchste Instanz die Bühne betrat und herrschaftlich in seinem Richterstuhl platz nahm. Sie entschieden schon im Vorfeld mit welchen Problemen man Varus belästigen wollte und hatten schon im Umfeld von Varus den direkten Kontakt zur germanischen Bevölkerung. Aber da wo sie agierten müssten sie auch schon eine tiefe Ablehnung und Abneigung gegenüber allem Römischen gespürt haben und ihnen dürfte die Stimmung nicht verborgen geblieben sein. Sie erkannten daher früh und vielleicht schon vor allen anderen die kritische Stimmung im Lande der Cherusker. Es waren diese teils erfahrenen Honoratioren die spürten, dass sich in Ostwestfalen ein deutlicher Gesinnungswandel vollzog, sollte die Atmosphäre überhaupt einmal gut gewesen sein. Es war eine Provinz die sich in einem kritischen Schwebezustand befand und dies wird vielen nicht entgangen sein. Eine Provinz die man mit Waffengewalt eroberte, mit Knebelvertrag gezüchtigt und die man nun in ein friedliches Zusammenleben zwingen wollte, ist in der Tat eine mehr als bedenkliche und fragile Ausgangslage. Und um es nochmal zu betonen Germanen waren kulturell betrachtet keine Kelten auch wenn ihr keltischer Anteil und Ursprung höher als angenommen gewesen sein dürfte. Einige römische Verwaltungsträger bemerkten die Veränderung und es war für sie schwer vorstellbar, dass sich daraus ein Dauerzustand machen ließ. Sie waren es die erkannten, dass man diesen Militärbezirk auf Dauer nur mit Waffengewalt halten konnte und man auf kurz oder lang mit einer kritischen Entwicklung zu rechnen hatte. Denn Menschen die an ein ursprüngliches Leben mit der Natur gewöhnt waren, lassen sich nicht auf lange Sicht mit brachialen Mitteln und Methoden der Gewaltanwendung samt Tributpflicht und Gehorsamkeitszwang umerziehen. Das man in Germanen befürchtete, dass die Schwerter schon Rost ansetzen könnten wurde uns überliefert und dem ist nichts hinzuzufügen. Es konnte jederzeit in Gewalt umschlagen aber diese Sensibilität blieb Varus verborgen und man hielt es von ihm fern. Aber die nördlichen und östlichen Anrainerstämme standen im Gegensatz zu den Cheruskern in keinem Vertragsverhältnis zum Imperium, befanden sich also nicht in römischen Diensten und besaßen keinen Vasallenstatus. Aber zu diesen Nachbarstämmen pflegten die Cherusker ihre Kontakte. Und auch von dort aus fand eine sicherlich unverhohlene Einflussnahme statt. Die Cherusker wurden je nach Interessenslage beeinflusst um sich zur Wehr zu setzen, wurden aber von einer Minderheit auch zur Kooperation mit Rom ermuntert. Und die römischen Honoratioren standen alle dem sehr nahe oder hatten ihre Zuträger. Der Zivilisation stärker zugewandte Völker wie man es von den gallischen oder rechtsrheinischen Kelten oder anderen Mittelmeervölker weiß, waren für das Imperium kalkulierbar. Die kippende Stimmungslage unter den Germanen könnte durchgesickert sein und auch damals schon ein seltsames Gefühl ausgelöst haben. Zum Abschluss des alljährlichen Treibens um den Rückzug zum Rhein wollten die Herren aber nicht noch zusätzliche und unnötige Eskapaden, Beschwerlichkeiten und möglicherweise kriegerische Aktionen in Kauf nehmen oder über sich ergehen lassen müssen. Je früher man wieder in Aliso, Anreppen oder am Rhein eintraf, desto besser. Diese höher gestellten und einflussreichen Zivilpersonen und Honoratioren auch aus dem Beamtenapparat der Advokaten wird es daher auch an der Weser gegeben haben. Nach unnötigen Kilometer langen Umwegen unter widrigen Wetterverhältnissen auf ( noch ) schlechteren Wegstrecken möglicherweise auf Ochsenkarren und eventuell bevorstehenden Kämpfen und Gefahren stand ihnen nicht der Kopf, dem wollte man sich nicht aussetzen und war davon nicht sonderlich angetan geschweige begeistert. Es gab da schließlich eine kürzere gefahrlose Alternative und warum sollte Varus ihnen diese Rückmarschroute auch verwehren wollen und die Menschen die er noch brauchte unnötig gegen sich aufbringen in dem er sie in die Rebellenregion zwang. Sollte Varus doch die Aufrührer befrieden, aber bitte schön, ohne uns, könnte die damalige Devise gelautet haben. Ihr Einfluss war groß, sie besaßen das Ohr des Varus und sie werden es verstanden haben, es ihm zu verstehen gegeben zu haben und ihn dazu bewogen haben, den Rückmarschzug in jedem Fall und das unbedingt ab Brakel aufteilen zu müssen. Sie huldigten ihm verhielten sich teils auch unterwürfig und machten ihm klar, dass Varus kraft seines Respekt einflößenden Erscheinungsbildes bei den Rebellen schon genügend Eindruck hinterlassen würde, um diese schnellstens wieder zur Ruhe zu bringen und wofür er sie nicht brauchte. Vielleicht rieten sie ihm sogar dazu bewusst jene Leute zurück zu lassen, die in Germanenkreisen aufgrund ihrer Strenge und Gewalt keinen guten Ruf genossen. Alle hinterlistigen und zwielichten Flüstertöne hinter den Tapetentüren sind hier gut denkbar und man meint, man könnte sie sogar noch heute gut heraus hören. Und natürlich dachte Varus auch mehr an seine persönlichen Wertsachen, als an das Leben der Frauen, Kinder und Wichtigtuer. Aber die ihm aufgetischten Gründe überzeugten ihn schon allein deswegen, weil er sich überzeugen lassen wollte und sie ihm gefielen. Hätte er sich dagegen ausgesprochen hätte er wohl allein auf weiter Flur gestanden. Die Argumente wirkten für alle glaubhaft und so trennte er den Marschzug in einen militärischen Teil, den er und seine Kommandanten anführte, der die Germanen befrieden sollte, der aber im ungünstigen Fall auch in einen Kampfauftrag münden könnte und in einen zivilen offenbar gefahrlosen Marschzug. Die angenehme Alternative um allen Problemen aus dem Weg gehen zu können war es dem strategisch ausgebauten Hellweg ab Brakel nach Anreppen zu folgen. Ein gemeinsames Ausrücken aller an der Weser lebenden römisch gesinnten Menschen bis auf das wenige zurück bleibende Winterpersonal, dass möglicherweise auch nur aus römischen Freiwilligen bestand oder von Germanen übernommen wurde. Es würde sich also noch gut in eine Beweiskette einfügen lassen wonach man nach etwa 20 Kilometern Marschstrecke ab dem Sommerlager gerechnet, im Raum Brakel den Zivilisten das Privileg einräumte indem man sie von den Uniformierten trennte. Unterschätzen wir also nicht die Möglichkeiten der Einflussnahme eines diffusen aber stimmgewaltigen Milieus. Menschen gesteuert durch eigene Interessen. Nachvollziehbar und verständlich zugleich war unter ihnen in dieser Zeit jeder sich selbst der Nächste. Aber auch sie waren Bestandteil der Separierungstheorie und somit eine weitere argumentative Säule für das Rückzugsszenario dessen Enttarnung wir in erster Linie der Überlieferung des Cassius Dio verdanken. So stieß er uns, ohne das es ihm damals bewusst war mit der Nase auf den ersten Marschtag. Denn er überfrachtete ihn mit derart umfänglichen Aktivitäten wie sie die Germanen an einem einzigen Tag gar nicht imstande waren zu leisten. Aber es sollen noch weitere Begründungen zur Sprache kommen die die Annahme einer Herauslösung der Zivilisten rechtfertigen. Eine davon wird sich mit dem Versuch der Beweisführung beschäftigen, dass Frauen und Kinder entgegen aller bisherigen Quellenanalysen nie das rettende Lager Aliso bei Schwaney erreichen sollten. (18.05.2021)

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