Mittwoch, 29. November 2017
Der Cherusker mit den zwei Namen - den Zweiten kennen wir
Stellen wir uns vor, wie Arminius aufgewachsen sein könnte, so denken wir dabei unweigerlich an eine armselige Hütte irgendwo auf einer Lichtung in Ostwestfalen. Aber vielleicht irren wir uns auch, denn er war der Sohn eines „princeps gentis eius“ also eines „Ersten seines Stammes“, folglich ein Fürstensohn und es war keine Hütte, sondern ein für jene Zeiten schon recht stattliches Einzelgehöft auf einem klimatisch angenehmen Bergsporn, dass mit Moos und Rinde sauber abgedichtet, auch Winter- Sturm- und Regen fest war. Der Geruch der Haustiere mag wohl allgegenwärtig gewesen sein und der beißende Qualm von Feuerstellen wird auch immer in der Luft gelegen haben. Soweit mal zur Phantasie. Real haben wir nichts in der Hand, aber wir haben was anderes, nämlich die mündlichen Überlieferungen aus den alten Zeiten. Sie hinzuzuziehen löst allerdings in der Fachwelt meistens Naserümpfen aus, was ich nicht verschweigen möchte. Was man noch vom Hörensagen wusste, wurde dann später auch nieder geschrieben und erhielt sich bis heute in Form von Sagen. Und da greife ich zuerst mal nach der Thidrekssaga, also der Dietrichsage, die nach Dietrich von Bern benannt ist, hinter dem man meint, den Ostgotenkönig Theoderich den Großen erkennen zu können. In der Thidrekssaga sind auch Teile der Nibelungensage enthalten, die mit der Jugend des germanischen Helden beginnen. Dieser Germane ist Siegfried, der in der nordischen Form Sigurd genannt wird. Seine Mutter hieß Hjördis, die der Sage nach zu Unrecht der Untreue verdächtigt wurde. Es gab also zweifellos Probleme in der Ehe mit ihrem Mann Sigmund, der vielleicht auch Segimer oder Sigimer geheißen haben könnte. Hjördis war bereits die zweite Frau des Sigmund und sie war mit dem kleinen Sigurd schwanger als ihr Mann Sigmund im Kampf umkam. Die Mutter sah in ihrer heiklen Situation offenbar keine andere Möglichkeit als den neu geborenen Knaben in etwas Schwimmfähiges zu legen und ihn in einen Fluss, vielleicht in die Weser auszusetzen. In der Hoffnung es möge sich jemand seiner annehmen. Eine übrigens gebräuchliche Methode für die damalige Zeit. Dieses Behältnis trieb den Fluss hinunter bis eine Hirschkuh es fand und den Kleinen versorgte. Hjördis brachte sich noch nach dem Tod ihres Mannes in den Besitz seines zerbrochenen Schwertes. Und um ihr Kind nicht ganz wehrlos in die Welt zu schicken, legte sie wohl die Reste der Waffe mit in das schwimmende Geflecht. Die “Hirschkuh” - wer auch sonst - übergab dann den kleinen Sigurd und natürlich auch die Schwertreste einem Schmied der sich beider annahm. Diese damals berühmt gewordene Hirschkuh wird auch häufig zitiert, wenn man den Ursprungsnamen der Cherusker von Herut = Hirsch ableiten möchte. Wie vorbestimmt machte der Schmied aus dem zerbrochenen Schwert wieder eine zum Kampf geeignete Waffe mit der Sigurd dann den Drachen töten konnte. Da nicht nur ich in Sigurd Arminius sehe, hatte er eine schwierige Kindheit und musste wie alle gesunden Knaben seiner Zeit lernen die Waffen zu führen. Sollte der dem Tode geweihte Knabe in der Nähe einer Hirschkuh ans Ufer getrieben worden sein und der Schmied konnte dies beobachten so erklärt sich der Grund für die Mitwirkung einer Hirschkuh in dieser Sage. Da Neugeborene Milch benötigen, musste man diese Phase mithilfe dieser Hirschkuh solange überbrücken, bis der ruppige Schmied ins Spiel kam. Der Knabe wurde gerettet und von Mimir jenem Schmied erzogen. Hinter Mimir verbarg sich natürlich eine andere Person, denn hinter der "Mimik jenes Mimir" erkannte die germanische Seele bevorzugt göttliche Weichenstellung. Anknüpfend an diese vorstellbare Kindheitsphase verließ der ältere Arminius später als Geisel seine Heimat um sicherlich nicht mit seiner Zustimmung, gegen Frieden ausgetauscht zu werden. Diese verkürzte eingeschobene Sagen Episode möchte ich mal unkommentiert im Raum stehen lassen, zumal Segimer zumindest noch am Anfang an den Kämpfen gegen Varus teilnahm, also im Gegensatz zu Sigurds Vater Sigmund erst in späterer Zeit verstarb und uns auch Sigmund der Vater von Sigurd als Drachentöter oder anders ausgedrückt als Held überliefert ist. Im Vergleich der Sippen und Familien zu Zeiten der Germanen mit den heutigen Bedingungen lässt sich wohl sagen, dass diese in archaischen Zeiten von völlig anderen äußeren Bedingungen geprägt waren. Die Lebenserwartungen insgesamt waren niedriger, die Säuglingssterblichkeit lag höher, viele Mütter überlebten die Geburt nicht. Es dürfte für uns heutzutage unvorstellbar sein, wie man damals bei den ständigen Herausforderungen bedingt durch den Wechsel der Jahreszeiten, die aufwändige Nahrungsgewinnung und deren Bevorratung und alles unter der Betrachtung kriegerischer Aktivitäten, die wohl allgegenwärtig sein konnten einen geregelten Alltag zustande brachte. Überleben war Glückssache. Wenn wir heute lesen Segimer hatte zwei Söhne und einen Onkel et cetera, so verkennen wir die Lage. Kinder ohne Eltern bzw. Elternteile dürften verbreitet gewesen sein und Germanen höheren Standes mussten zur Sicherung des Erbes vermutlich mehrfach Ehen eingehen. All dies verrät uns die Historie nicht, aber man kann es sich denken. So kennen wir auch die genauen Familienverhältnisse innerhalb der Segimersippe nicht, aber dieses Geschehen um den ausgesetzten und vielleicht sogar ungewollten Arminius könnte für sein Schicksal entscheidend gewesen sein. Er musste sich im Leben durchkämpfen, überlebte eine Flußodysee, kam in die rauen Hände eines Schmied, verließ die Heimat in jungen Jahren, man unterstellte ihn als Geisel römischer Obhut und er musste für Rom seinen Kopf hinhalten. Vermutlich erging es seinem Bruder Flavus etwas besser, auch wenn der durch eine Verletzung wie auch immer er sie sich zuzog, ein Auge verloren hatte. Ihm dem Flavus bot man möglicherweise ein angenehmeres Leben, Pannonieneinsätze blieben ihm wohl erspart, er schien sich besser mit dem römischen Leben arrangieren zu können, wurde Offizier und zu ihm könnte sein Vater Segimer der zwischen den Fronten stand im Gegensatz zu Arminius im engeren Kontakt gestanden haben, vor allem wenn Flavus an der Rheingrenze stationiert war. Dieses Zerwürfnis und vielleicht auch mehr Sympathie von Segimer zu seinem möglicherweise leiblichen Sohn Flavus dem Römer, war der Bruderliebe sicherlich abträglich und führte einen frühen Riss zwischen ihnen herbei der im Streitgespräch an der Weser vor der Schlacht von Idistaviso erneut aufbrach. Blutige Familienfehden sind uns von den Cheruskern überliefert. Ob Segimer Arminius gegenüber immer der fürsorgliche Vater war, könnte man also auch bestreiten. Vielleicht steckte Segimer auch selbst hinter Arminius Ausbildung zum Schmied um ihn nicht in seinem Umfeld zu haben, da er einer anderen Frau im Weg stand. Man könnte also sogar so weit gehen und völlig in Abrede stellen, dass die Frau von Segimer, die als Mutter von Flavus und Armenius um 16 + verstarb nicht nur die Stiefmutter von Arminius, sondern gar von beiden gewesen sein könnte. Im Streitgespräch zwischen den Brüdern über die Weser appellierte Arminius bei Flavus an sein Restgefühl von Verbundenheit mit seinem Stamm und seinen Landsleuten. Und brachte dann sogar die Mutter ins Spiel, die seine Meinung teilen würde, dass Flavus die Familie und das ganze Volk nicht verraten dürfe und stattdessen besser als sein Führer auftreten sollte. Arminius zog demnach alle Register um Flavus auf seine Seite zu ziehen. Rom aber war für Flavus letztlich wichtiger als ihre Bitte. Flavus zu erweichen die Fronten zu wechseln, wäre für Arminius und alle sicherlich ein großer moralischer Erfolg gegenüber Germanicus gewesen, aber er scheiterte damit. Der Name der Mutter des historisch belegbaren Arminius, ist uns nicht überliefert und mit Ausnahme, dass Arminius sie als Mutter bezeichnete wissen wir nicht, in welchem Verhältnis die Brüder zu ihr standen und welche Bedeutung sie für sie hatte. Der eine nutzte sie, um den anderen ins Lager der Germanen zurück zu locken und den anderen ließen ihre Bitten letztlich kalt. Ob diese Argumente ausreichen um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass Arminius womöglich seinen germanischen Namen Sigurd bzw. Sigfried der Geburtslinie Sigmund/Hjördis verdankt ist natürlich spekulativ. Und bei alledem was wir uns unter Arminius vorstellen können, war er auch kein charakterliches Leichtgewicht und eher unbequem. Denn wer derartige Taten vollbringt, musste über viele Talente verfügen und machte sich auch nicht immer Freunde. Mit seiner Rückkehr an die Weser trat also eine höchst umstrittene Persönlichkeit wieder in die Mitte seines Familienverbandes und somit ins Rampenlicht der damaligen Weltgeschichte. Keiner konnte auch damals damit rechnen, dass er überhaupt wieder lebend von den Kämpfen in Pannonien zurück kommen würde. Seine Gefährten waren ihm Familienersatz und ob man ihn mit offenen Armen empfing ist fraglich. Vielleicht wäre es Segimer sogar recht gewesen, er wäre gar nicht mehr zurück gekommen, vielleicht war Segimer wie ich andeutete, auch gar nicht sein leiblicher Vater und Arminius wurde deshalb verstoßen, und sein Vater war dieser damals im Kampf gefallene Sigmund, dessen Schwert ihm vererbt wurde. Der auf Hjördis lastende Verdacht der Untreue nährt diese Überlegung. Viel Stoff wenn man seinen Gedanken freien Lauf lässt und den Sagen glauben schenken möchte. Arminius brachte zuerst mal nur Unruhe in die Region. Wie nun nicht anders zu erwarten, geistert er zwangsläufig auch durch nahezu alle Kapitel meiner Veröffentlichung. Arminius der Cherusker ist einer der ganz wenigen “frühen Deutschen” die uns namentlich überliefert wurden. Nur Boiorix der Anführer der Kimbern von der kimbrischen Halbinsel, dem heutigen Dänemark mit der keltisch/germanischen Namensendung „rix“ und Teutobod dessen Namen wie Marbod endet, der aber auch ins fränkische Mero - baudes/bod weist und der der Anführer der Teutonen war. Sie könnten Arminius, da sie etwa hundert Jahre vor ihm lebten und ihre Namen ebenfalls überliefert sind, bei der Altersbestimmung noch Konkurrenz machen. Dadurch wird auch die Erforschung seiner Namensherkunft zu einer bleibenden Aufgabe auch für die Nachwelt werden. Geboren wurde der berühmte Schlachtenlenker von der Weser im vorgeschichtlichen also prähistorisch/schriftlosen Germanien noch vor der Zeitenwende und er schied in geschichtlicher Zeit aus dem Leben. Wer wollte diese einzigartige, historische Figur, die wie keine andere den Anfang unserer Zeitrechnung markiert und symbolisiert und der der Sprung durch die unsichtbare Schallmauer dieser Zeitenwende gelang, da jemals übertreffen. Arminius war schon ein kräftiger Knabe als Jesus geboren wurde, der ihn dann aber noch um etwa 10 Jahre überleben sollte. Auf unterschiedliche Weise wurden beide von ihrer Familie getrennt, aber für beide war es ein unnatürlicher Tod, ausgeübt von Menschenhand. Als Zeitgenosse des Jesus von Nazareth hatten sie in Varus, den man um die Zeit aus Syrien abberief, als Jesus geboren wurde, schon fasst einen gemeinsamen Bekannten gehabt. So klein war damals schon die Welt. Über seinen germanischen Namen wurde schon viel gerätselt, aber wir kennen ihn nicht. Diesen richtigen, also sozusagen den echten germanischen Namen von Arminius zu wissen, würde uns auf der Suche nach dem Varus Schlachtfeld aber auch nicht weiter helfen. Ihn zu enträtseln brächte aber vielleicht etwas mehr Licht in die Hierarchie alter Machtverhältnisse und Familienzugehörigkeiten zu den Zeiten vor und nach der Varusschlacht und könnte uns damit über Umwege dem Ziel etwas näher bringen. Nach seiner Rückkehr aus Pannonien an die Weser dürfte sich auch sein neuer römischer Name Arm(i)nius oder Arm(e)nius bei seinen germanischen Zeitgenossen schnell einbürgert haben. Bislang kannte man einen Arminius nicht oder vielleicht besser gesagt, man wollte ihn unter diesem Namen wohl auch nicht kennen und anfänglich nannte ihn daher auch kein Germane so. Arminius wurde er von jenen genannt, die den Germanen in feindlicher Absicht gegenüberstanden. Und diese feindlich gesinnten Völker verliehen ihm schließlich auch diesen römifizierten Adoptivnamen. Vielleicht hatte der Name auch die Bedeutung eines Ehrentitels oder stammte gar aus dem ägyptisch/äthiopischen Sprachraum, wo man einen Märtyrer mit Namen Armin kennt, der um 304 verstorben sein soll. Aber auch vom lateinischen Wort "arma" für Waffe könnten ihn die Römer übernommen haben. Sogar seine Augenfarbe, die möglicherweise so blau war wie ein Azurit der sich latinisiert Armenium nennt, wird als Erklärung herbei gezogen oder die Ähnlichkeit seines Namens mit dem Volk der Armenier. Diese Auswahl zeigt aber auch sehr anschaulich, wie lebendig immer noch unsere Forschungslandschaft im Bemühen Erklärungen aufzutun ist, und das auch noch nach 2000 Jahren. Ob Arminius sich auch selbst so nannte ist ebenfalls nicht bekannt aber denkbar, zumindest wird er den Kopf gehoben haben, wenn man ihn so rief. Selbst wenn er schon als älteres Kind und damit als Geisel ins Römische kam, wird ihn sein germanisch geprägtes Gedächtnis an seinen ersten Namen nicht verlassen haben. Sein germanischer Name wurde ihm lange vor seiner Zwangsumsiedlung ins Imperium in die Wiege gelegt und dieser erste Name war in der germanischen Welt und vor allem bei seiner Familie und innerhalb seines Stammes natürlich auch noch bestens bekannt, geläufig und in guter Erinnerung geblieben. So konnte er sich wohl auch je nach Gelegenheit aussuchen, welchen der beiden Namen er wann und wo benutzte. Seine Familie, seine Freunde und seine Stammesgenossen werden ihn wohl nie Arminius genannt haben und sie werden mit Sicherheit seinen alten germanischen Geburtsnamen gleich wie er lautete, bevorzugt haben. Viele Historiker ließen sich verlocken den Namen einzudeutschen und machten daraus den uns allseits bekannten Hermann, was aber zwischenzeitlich von der Fachwelt verworfen wird. Durch seine lateinische Endsilbe „ius“ hinter Armin hatte er aber für unsere Ureinwohner nicht mehr den ihnen vertrauten „germanischen Klang“. Die Cherusker könnten aber noch sehr gut Hermin – ius, Ermin - ius oder Irmin – ius heraus gehört haben. Daher verbreitete sich in der späteren Forschung recht schnell und auch plausibel nachvollziehbar die Ansicht, dass sein germanischer Urname auch eigentlich nur Armin gelautet haben kann. Und Hermin wäre da für die Stämme nicht nur im herminonischen Kultraum, wozu auch die Cherusker zählten ein Begriff. Armin der Arminone aber auch der Irminone wäre also auch eine denkbare Alternative. Der von den Römern vergebene Name Arminius, wenn sie ihn denn von Herminius ableiteten, war für sein eigenes Volk wegen der Aussprache der Endsilbe ein Fremdkörper und womöglich nicht beliebt. Es blieb ein ihm von den Fremden möglicherweise auch gegen seinen Willen aufgezwungener Name. Um die Problematik um die Herkunft des Namens Armin nun komplett zu machen kommt man nicht umhin auch einen Blick auf Gaius Plinius Secundus Maior, auch Plinius der Ältere genannt und seine Naturalis historia zu werfen, die um um 77 + entstanden ist. Plinius nennt darin unter der Sammelbezeichnung der Hermionen wohlweislich nicht der Herminonen sondern der Hermionen die Stämme bzw. Völker der Sueben, Hermunduren, Chatten und Cherusker. Er unterscheidet aber die Cherusker aus denen Arminius entstammte von den nördlicher davon siedelnden elbgermanischen Hermunduren, die zum großen Volk der Sueben gerechnet werden. Der Name dieser Ermunduri, was aus den lateinischen Worten Suevi Hermunduri also von den Hermunduren abgeleitet ist, verleitet aber auch noch dazu durch die Anfangssilbe “Ermun” an das Wort Armin anzuknüpfen. Da uns Arminius über die römische Namensschiene begegnet, Arminius aber ein Cherusker und kein Hermundure war, könnte man den Gedanken verwerfen, dass sich die römischen Namenspatronen mit Arminius für einen Namen aus einem anderen germanischen Volksstamm entschieden haben könnten. Allerdings vereint die Namen “Ermun” als auch “Armin” der Bezug zum altdeutschen Begriff “Erm” bzw. „Arm“ , woraus auch Adler oder Adlertöter abgeleitet werden könnte, so dass man auch diese Kombinationsmöglichkeit, wenn auch vielleicht nur auf hinteren Rängen in der Gesamtbetrachtung gelten lassen muss. Diese These wird aber auch durch die Kenntnis gestützt, dass in Germanien der Name Armin auch für Ermin oder Irmin und damit für Worte wie groß, gewaltig und heldenhaft steht. Die für den Cherusker nun neuen “Familienmitglieder” besser gesagt seine ihm nahe stehenden Bezugspersonen auf römischer Seite, die gewiss auch Verantwortung für seine Loyalität übernehmen mussten, konnten sich als Ziehväter bei der Namenssuche auch in der germanischen Welt nach geeigneten Rufnamen umgesehen haben, wurden vielleicht auch fündig und fügten dann nur die lateinische Endsilbe an. Hängen bleibt bei alledem sicherlich die Feststellung, dass der Name Armin, auch wenn man an ihn im römischen Reich die lateinische Endung “ius” anfügte germanischen Ursprungs gewesen sein könnte, ohne das man dies natürlich mit letzter Sicherheit behaupten kann. Der Name als Armin oder gar Arminius geschrieben erlebte trotz seines immensen Erfolges und seines plötzlichen Bekanntheitsgrades dadurch aber keine Konjunktur. Er ist in Germanien in dieser Schreibweise an keiner Stelle nachweisbar und scheint für männliche Nachkommen keine Verwendung bzw. Nachahmer gefunden zu haben. Zumindest kenne ich keine Überlieferungen aus germanischen Zeiten zu weiteren Personen die den Namen Armin mit “A” geschrieben tragen. Erst in der Moderne taucht der Name Armin wieder auf. Anders verhält es sich mit der Schreibweise bzw. Variante des Namens Armin, wenn man an seinen Anfang den Buchstaben “I” statt “A” setzt, nämlich Irmin statt Armin. Es lässt sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, ob das gesprochene “Ar” des aus der römischen Sprache überlieferten Wortes Arminius im Germanischen eine Wandlung vollzog und zum “Ir” wurde, jedoch gibt es dafür einen anderen Anhaltspunkt. Aus der indogermanischen Sprachentwicklung kennen wir die Ableitungen aus den Worten pflügen und Pflug. Aus der litauischen Sprache kennen wir das Wort “ariu” für Pflug und in lateinisch die Worte “arō = āre”, dass für “arātrum” also Pflug steht sowie aus dem gotischen das Wort arjan. Im Altenglischen finden wir dann für das Verb pflügen den Namen “erian” und im Althochdeutschen die Namen “erien” und “erran”, erkennen hier also den Wechsel vom “ar” zum “er”. Wenn man diese Beispiele auch auf die Namensverschiebung von Armin zu Ermin anwenden darf bzw. kann, so hätte man unter der römischen Herrschaft demnach für den Namen Armin auf die indogermanische Wurzel zurück gegriffen, die sich im Zuge der Sprachveränderung in Germanien später zum Namen Irmin entwickelte. Verfolgt man diesen Strang können wir ein Bindeglied zum Namen des thüringischen Königs Herminafried greifen. Für ihn gibt es auch die Namensüberlieferung Hermenefred. Aufhorchen lässt uns auch der Name Erminafried mit dem man ihn auch benannte und der sich bereits ohne “H” schreibt. Aber besonders fällt sein weiterer Name Irminfried auf, denn hier vollzieht sich dann der spätere Namenswechsel vom Ermin zum Irmin. Irminfried war arianischen Glaubens, lebte von etwa 485 bis 534 und verstarb in Tolbiacum dem heutigen Zülpich. Er war der Sohn des thüringischen Königs Bisinius, trat 510 dessen Nachfolge an und heiratete Amalaberga die Nichte von Theoderich dem Großen. Man kann annehmen, dass es um diese Zeiten und auch früher weitere uns nicht überlieferte Namen gegeben haben müsste, in denen der Name Irmin in welcher Form auch immer enthalten gewesen sein dürfte. Irminfried wurde 464 Jahre nach Arminius Tod geboren. Das weströmische Reich endete theoretisch mit dem Hunneneinfall 375 + und das frühe Mittelalter begann mit der Langobardenherrschaft in Italien nach 568 +, dazwischen lagen die Zeiten der Völkerwanderungen. Irminfried starb 534 + sein Leben fiel also mitten in diese zeitlichen Wirren. Ich denke, dass zwischen den Schreibweisen von Armin zu Irmin die Namensformen mit Ermin gelegen haben, die man vor die Irminschreibweisen als die Älteren ansprechen könnte und auf die eine Vielzahl anderer germanischer Namen wie zbs. den des berühmten Gotenkönigs Ermenrich der im Jahre 376 verstarb zurück greifen. Der Hinweis auf den männlichen Namen Irminfried führt uns aber mehr in den thüringischen Raum der aber ab dem 6. Jhd. zunehmend unter sächsisch/fränkischen Druck geriet. Die Schreibweise der westfränkischen Königin Ermentrude, über Hermentrude und Irmentrude aus der sich dann der Name Irmtraut entwickelte zeigt, dass sich später die “Irm” Silben durchsetzten. Nach Thüringen weist auch die bekannte Irmina von Oeren oder auch Irmina von Trier genannt, sowie eine Immina bei der es sich vermutlich um deren Tochter handelt. Irmina von Oeren verstarb zwischen 704 und 710 und ihre Geburt könnte, da sie die Mutter von Adela von Pfalzel war die 660 geboren wurde, je nach dem Alter ihrer Mutterschaft vor 648 gelegen haben. Forschungen ergaben, dass sie ursprünglich aus Thüringen gestammt haben könnte und damit enger mit den sächsischen Stammlanden als mit dem fränkischen Austrasien verbunden war. Aus dem Namen Armin könnten sich über den Umweg des Ermin demnach alle weiblichen und männlichen Irminnamen entwickelt haben. Auch dies ist kein einwandfreier Herkunftsbeweis auf eine von den Germanen eigenständig und unabhängig vom großen Armin entwickelte Namenstradition. Denn allen nach dem römischen Arminius, dem großen Schlachtenlenker geborenen Kindern in der germanischen Welt, so könnte man sagen, wäre der Name Armin dann nur deshalb verliehen worden, um damit an seinen großen Namensvetter zu erinnern. Über den späteren Namen Irmin leitet man ihn von Armin ab, könnte sich dann letztlich doch eine germanische Tradition basierend auf dem römischen Namen etabliert haben. So hätte sich damit der Bekanntheitsgrad des Namens Arminius und das Wissen um diese Person und seine Taten verfestigt und ließ sich, zuerst aus der lateinischen Geschichte und später auch aus dem germanischen Sprachraum fortan nicht mehr tilgen. Arminius als Person, war aber nicht nur im römisch beeinflussten Germanien, sondern weit über die in Abhängigkeit zu Rom stehenden Völker hinaus bekannt, auch wenn man die lateinische Namensform Armin nicht als Name für Nachkommen nutzte. Der heutige Großraum der die westfälische Bucht, bis zur Weser einschließlich Südniedersachsen, Nordhessen und das nördliche Sauerland bis zur Diemel umfasst, war Kerngebiet einer Bevölkerung, die noch über viele Generationen das Wissen um die damaligen Ereignisse kannte, weiter gab und mit ins Grab nahm. Dem Namen Arminius und seinen Taten, wohnte eine römisch/germanische Wurzel inne und ihm haftete noch sehr lange ein alle Stämme verbindender germanischer Wiedererkennungswert an. So könnte sich am Nordrand des Sauerlandes auch eine sprachverwandte Verkettung von Armin - ius über Ermin und Irmin bis zur Irminsul durchgesetzt haben worauf ich aber noch zu sprechen komme. Arminius war in die Seelen und Herzen wie einzementiert, und hatte bei den regionalen Germanenstämmen im Götterhimmel schon einen festen Platz gefunden. So überdauerte er problemlos die Jahrhunderte. Arminius hatte in der Großregion überlebt auch wenn die latinisierte Form seines Namens verschwand. Und dieser Ort könnte ohne viel Phantasie zu haben, zum Beispiel auch, aber nicht nur der Obermarsberg gewesen sein, denn da habe ich einen anderen Verdacht. Der Name Ermin/Irmin wurde aber nur als Personenname verwendet wie ich später noch herausstellen möchte, man vergötterte ihn zwar wegen seiner Taten aber vergöttlichen wollte man ihn auch nicht. Was natürlich im scharfen Kontrast zum Imperium steht, wo es die römischen Kaiser allen vormachten, indem sie sich schon zu Lebzeiten mit den Göttern auf eine Stufe stellten oder auf Münzen abbilden ließen. Auf diese profanen Basis gestellt, hatten sich auch die Cherusker und die anderen Stämme der Zeit an seinen neuen römisch/germanischen Zweitnamen Arminius und die Folgenamen Ermin und Irmin gewöhnt. Sie zollten schließlich seiner Person Hochachtung und Respekt gleich wie man ihn rief, aber sie amüsierten sich andererseits auch gleichzeitig über diesen Namen, da der mit Ruhm und Erfolg in Verbindung gebrachte Name Arminius ausgerechnet von jenem Volk vergeben wurde, das ihm später unterlag, ihm dem germanischen Wolf im Schafspelz, der sie alle hinters Licht geführt hatte. Rom verlieh ihm den Namen Arminius möglicherweise auch, weil ihnen sein germanischer Originalname schlechter über die Zunge ging, oder sie ihn möglicherweise auch gar nicht kannten oder kennen wollten. Sie akzeptierten ihn bei sich nur mit einer Identität die sie selbst vergeben hatten. In den römischen Niederschriften der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung erwähnte man den Namen Arminius auch noch. Später belastete man sich im römischen Reich nicht mehr mit ihm und seiner für das Volk von Rom gewisslich negativen Aura. Sein Name geriet in Vergessenheit, aber nicht so in Germanien. Damit verließ die Person Arminius auch langsam die historische Bühne aber nur auf der Ebene der römisch/historischen Überlieferung. Ihn, der er auch noch ein gegnerischer vor allem aber ein erfolgreicher Heerführer war begrub man literarisch unter einer dick “aufgeschichteten Schicht Geschichte”. Und wer lobt außer Tacitus schon seinen Feind in Person des Arminius und macht ihn damit unsterblich. Auch der ihm damals von römischer Seite gegebene Zweitname Arminius in seinen abgewandelten Formen hat die Zeiten überdauert und blieb bis in unsere Tage im Gedächtnis der Bevölkerung haften. Eine letzte Spur zum Namen Arminius in direkter Folge und Anknüpfung an die Antike sehe ich daher in der Arminiussäule, abgekürzt Irminsul die im 8. Jhd. von Karl dem Großen zerstört wurde. In dieser Zeit hatten sich die Franken vorgenommen, alles traditionelle und was sie für heidnisch hielten endgültig aus den Köpfen der Bevölkerung in Westfalen, Falen und Ostfalen zu verbannen und dem fiel auch die Arminius - Erinnerungsstätte zum Opfer und beinahe wäre es den Franken auch gelungen. (zuletzt überarbeitet - 12.2.18 - 18:45 Uhr)

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Donnerstag, 16. November 2017
Tiberius (Claudius Nero)
Der spätere Kaiser Tiberius, der mit dem Titel den Zusatznamen Julius Caesar Augustus annahm, lebte von 42 – bis 37 +. In seine Zeit als Feldherr aber auch als Kaiser fiel Tiberius über den gesamten Zeitraum der Germanenkriege eine interessante, aber auch eine fragwürdige bis dubiose Schlüsselrolle zu. Eine insgesamt betrachtet denkwürdige Epoche frühester Geschichte auf heutigem deutschen Boden. Er ging nach Meinung vieler Historiker als eine rätselhafte Gestalt in die Geschichte ein. Sueton und Tacitus beschrieben ihn als hinterlistig und boshaft. Auch Überheblichkeit bis zur Arroganz wurde ihm nachgesagt. Geistig war er beweglich und man stellte bei ihm auch Anzeichen von Depressivität fest, wie man heute sagen würde. Was trieb ihn aber dazu im Jahre 9 – die körperliche Anstrengung auf sich zu nehmen binnen kürzester Zeit von Mainz nach Ostwestfalen zu reiten um noch seinen Bruder Drusus lebend anzutreffen und zu sprechen, der nicht lange danach verstarb. War die Bruderliebe so groß oder gab es da noch was zu regeln oder für Tiberius noch was zu erfahren, vermutete Tiberius hinter dem „vermeindlichen“ Pferdesturz eine Finte die er durchschauen wollte, nahm er vielleicht an, Drusus wolle eventuell eine Verletzung nur vortäuschen um Zeit für andere Aktionen zu gewinnen, war er besorgt die Germanen könnten sich seiner bemächtigen, brauchte er noch Informationen über die Völker rechts der Elbe, oder kann Depression ein auslösender Faktor gewesen sein ? Kaffeesatzleserei, aber es bleibt unklar was ihn in damaliger Zeit derart antrieb Ostwestfalen in Tag - und Nachtritten zu erreichen. Aber nach dem Tod seines Bruders Drusus war Tiberius als sein Nachfolger in Germanien gesetzt und führte im Jahre 8/7 – wie nicht anders zu erwarten war, „erfolgreich” die Feldzüge seines im Jahr 9 - verstorbenen Bruders zu Ende. Wie sich diese Feldzüge in der Realität auch immer gestalteten ist nicht überliefert, vermutlich passierte in Germanien nach 8 – aber auch erst einmal gar nichts mehr. Zwangsläufig musste er aber um agieren zu können nach der Beisetzung seines Bruders in Rom wieder an den Rhein zurück gekommen sein, um dann dort die Legionen des Drusus für weitere Aktionen übernehmen zu können. Möglicherweise hat er noch das eine oder andere Scharmützel ausgetragen, hat sich dann aber den Umsiedelungen der Sugambrer auf die linke Rheinseite, sowie den Sueben gewidmet. Innerfamiliäre Probleme ließen ihn in Germanien vorerst nicht mehr aktiv werden, so dass nach dem Jahr 7 – Lucius Domitius Ahenobarbus die Feldzüge in Germanien weiter führte. Der erste Vorstoß von Ahenobarbus ist für das Jahr 3 – überliefert. Folglich hat Tiberius zwischen 8/7 – und 4 + in Germanien mit Abwesenheit geglänzt. Er trat in Germanien erst wieder im Zuge des Immensum Bellum in Erscheinung der 1 + ausbrach und in den er 4 + eingriff, nachdem der zwischenzeitlich eingesetzte Feldherr Marcus Vinicius wohl erfolglos blieb. Tiberius beendete ihn dann 5 +. Obwohl Tiberius 12 lange Jahre in Germanien nicht mehr präsent war und sich die dortigen Kräfteverhältnisse in dieser Zeit sicherlich verschoben haben, galt er wohl immer noch als der Germanien Kenner schlechthin und Kaiser Augustus traute ihm zu vor Ort die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die häufigen Durchzüge der römischen Legionen kreuz und quer durch Germanien von Drusus über Ahenobarbus bis Vinicius die auch immer wieder mit heftigen Kämpfen verbunden waren, haben die Germanen zusammen geschweißt und den Nährboden für den Immensum Bellum geschaffen für den Tiberius ab 4 + wieder zuständig war. Tiberius mag sich mit Ahenobarbus nach dessen kurzer Eskapade über die Elbe im Jahre 3 – oder auch mit Marcus Vinicius abgestimmt haben und man wird Kaiser Augustus dazu bewogen haben Entscheidungen zum härteren Durchgreifen zu treffen. Die Fehleinschätzung von Tiberius der den Immensum Bellum als Siegesserie und danach die Lage in Germanien als stabil dargestellt hatte, mündete dann in die Entscheidung Varus nach Ostwestfalen zu entsenden und das Ende kennen wir. Es kam wohl auch unter der Mitwirkung und Beratertätigkeit des Tiberius zustande, dass man Varus herbei rief, der dann die Sache in den Sand setzte. Trotzdem sprach Kaiser Augustus ihm wegen seiner strategischen Erfahrungen mit dem sichtbaren Zeichen der Übertragung des „imperium proconsulare“ sein Vertrauen aus und entsendete ihn zwecks Wiederherstellung der Stabilität vielleicht schon direkt oder erst ein Jahr später nach der Varusniederlage als Mann für besondere Aufgaben erneut an die Germanenfront. Während ihm danach sein "schreibender Verehrer" Velleius Paterculus sogar wieder Vorstöße ins Landesinnere testierte, überliefert uns Cassius Dio keine nennenswerten Übertritte auf die andere Rheinseite und auch archäologisch gibt es dazu keine Befunde. Die Aussagen von C. Dio werden als Glaubhaft betrachtet. Allerdings liegen uns dazu noch ergänzende Überlieferungen von Johannes Zonaras aus dem 12. Jhd. vor, der uns verschollene Teile aus dem C. Dio Text überliefert hat. In etwa mit dem Wortlaut, dass die Germanen befürchteten, Tiberius würde mit einem bedeutenden Heere die Lippe aufwärts heranrücken, um sie nach der Varusschlacht anzugreifen. Dies geschah im Zusammenhang mit dem Entsatz eines Römerlagers, dass von den Germanen bis dato erfolglos belagert wurde. Bei diesem Römerlager indem sich auch Überlebende der Varusschlacht aufgehalten haben könnten, handelte es sich meines Erachtens um das „Bollwerk - bzw. Winterfluchtlager“ Haltern, also das Lager, dass sich den Germanen in den Weg gestellt haben soll, um ihnen den Übertritt über den Rhein zu verwehren bzw. sie aufzuhalten. Dies soll sich wegen des Hinweises auf die Kälte der Nacht im Winter 9/10 + zugetragen haben. Während allerdings C. Dio noch selbst überliefert hat, dass es die von Asprenas dem Feldherrn von Tiberius geschickte Truppe gewesen wäre. Natürlich musste Tiberius trotz seiner Anwesenheit am Rhein nicht unbedingt auch persönlich mit den Legionen den Rhein in Richtung Haltern überquert haben, aber der Vorfall zeigt doch, dass es noch zu begrenzten Einsätzen auf rechtsrheinischem Gebiet im Nachgang zur Varusschlacht in dieser Zeit kam. Grund für keine weiteren Kämpfe in Germanien unmittelbar nach der Varuskatastrophe wird die angespannte unklare Lage und natürlich die winterliche Jahreszeit gewesen sein. Was die verängstigten germanischen Belagerer vor Haltern auch nicht wissen konnten, war die Risikoscheu die Tiberius nach dem Varus Debakel an den Tag legte. Sueton betonte, dass Tiberius sehr umsichtig vorging und sich auch die Vorschläge eines Kriegsrates anhörte. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass diese Gespräche bei Varus zu kurz kamen. Für einen Feldherr ungewöhnlich kontrollierte er sogar bei Vorstößen ins Landesinnere persönlich die Trossladungen um unnötige Beladung zu verhindern. Auch hier wieder der Seitenhieb auf Varus, der sich wohl mit einem zu üppigen Tross belastete. Tiberius wollte vermeiden, dass sich alte Fehler wiederholen konnten, er forderte Disziplin die Varus vielleicht auch vermissen ließ und bewegte sich auch nur innerhalb eines Streifens unbekannter Breite östlich des Rheins, den er noch für vertretbar hielt, da er laut Sueton auf gefährliche Unternehmungen während seines Kommandos am Rhein bis 12 + verzichtete. Aber Anfang 13 + weilt Tiberius auch schon wieder bei Hofe und brachte von dort aus vermutlich auch Germanicus in Stellung, der dann 14 + die Rachefeldzüge aufnahm, die dann wiederum 16 + bei Bramsche ihr Ende fanden. Tiberius scheint sich trotz widriger Bedingungen letztlich immer so geschickt verhalten haben, dass er am Ende immer oben schwamm und wirkte mal vor und mal hinter den Kulissen. Als ihm dann nahezu schicksalhaft mangels anderer familiärer Thronfolger die Nachfolge von Augustus in den Schoss fiel, tat er sich sehr schwer damit sie anzutreten und scheute sich offensichtlich vor der plötzlichen Übernahme dieser gewaltigen Verantwortung und Herausforderung. Erst auf Druck des Senats soll er dann wohl mehr halbherzig der Übernahme dieses hohen Amtes zugestimmt haben. Vor diesem Hintergrund müssen wir versuchen die politische Lage nach der Varusschlacht in Rom einzuschätzen. Augustus musste sich eingestehen an Tiberius nach dem Tod seiner bevorzugten Enkel nicht mehr vorbei zu kommen und hatte sich sehr schwer getan in ihm seinen Nachfolger zu sehen. Auch für Augustus traf Tiberius wohl eine nicht zu unterschätzende Mitschuld an allem was in Germanien schief ging, aber als geschickter Taktiker konnte und wollte er ihn auch nicht vor der Öffentlichkeit demontieren. Theatralisch wofür er bekannt war, heute würde man sagen medienwirksam, samt seiner Sondereinlage “Kopf an die Wand schlagen” präsentierte Augustus der Nachwelt seinen verdächtig gut inszenierten Zornesausbruch. Wenn berichtet wird, dass er in Schwermut versank und seine Hygiene vernachlässigte, so wäre er nicht Augustus gewesen, wenn er nicht auch dieses Mittel im Sinne seiner Methode einen Staat zu lenken eingesetzt hätte. Mit dem Druckmittel, das Imperium sei in Gefahr ließen sich bequemer nicht opportune Entscheidungen begründen und die Senatoren durften nie übermütig werden. Auch der Tacitus Hinweis, dass er seine von ihm sofort nach der Katastrophe entlassene germanische Leibwache, die er aber nur geschickt irgendwo versteckt haben soll, schon wenige Jahre später wieder zurück holte lässt erkennen, dass sein Groll befristet war. Er richtete seine Bestürzung auch bewusst nur gegen Varus der nun mal so war wie er war, nämlich alles andere als ein erfolgreicher Feldherr in Germanien. Während Augustus Varus bzw. seinem Kopf ein, nennen wir es Staatsbegräbnis gewährte, litt seine Frau Claudia Pulchra und der Varus Sprössling noch lange unter den Repressalien des Tiberius, die ihm vermutlich äußerst peinlich all seine persönlichen Verfehlungen im Nachhinein in die Schuhe schob. Eine personelle Fehlbesetzung ist eben auch immer die Fehlentscheidung der “Personalabteilung” und die Umstände könnten dafür sprechen, dass Tiberius an der Varusentsendung einen nicht unerheblichen Anteil hatte. Nachdem aber die Rheinfront ruhig blieb, wird Kaiser Augustus die Varusniederlage schnell verdaut haben, da er ja schließlich auch noch andere Konfliktregionen zu befrieden hatte. Tiberius begegnet uns nach den unbefriedigenden Germanicus Feldzügen wieder als Kaiser und fällt durch seine erstaunliche und wahrhaft kaiserliche Entscheidung auf, man möge doch jetzt in Germanien weitere Eroberungen stoppen und die Rheinfront akzeptieren und zu stabilisieren. Die weise Entscheidung eines Mannes, der in diesem Fall sicherlich richtig handelte. Mit diesem Exkurs über Tiberius wollte ich aber auch die gärende Frage nach der möglichen “Verfälschung der Senatsakten” aufgreifen bzw. nochmal aufwerfen. Schließlich neigen viele Historiker dazu, dass Werk des Historikers C. Dio was seine Überlieferung zur Varusschlacht anbelangt, deswegen in Frage zu stellen. C. Dio hatte bekanntlich indirekt den Wahrheitsgehalt der Senatsakten infrage gestellt und damit Spekulationen geschürt, dass alles was er über die Varusschlacht schreiben würde zweifelhaft sein könnte. Wie er zu der Auffassung gelangte wissen wir nicht. Vielleicht kamen ihm die ganzen Schilderungen aber auch so schier unglaublich vor, dass man bzw. er sie selbst kaum glauben konnte. Wurden die Schriften im Archiv tatsächlich wahrheitswidrig verfasst oder verändert dann hätte C. Dio auf diesen tönernen Füssen basierend die Welt trotz seines Hinweises letztlich aber doch getäuscht, so müsste sein Werk zur Varusschlacht verworfen werden. Handelt ein Historiker in dergestalt, dass er eine ausführliche Darstellung veröffentlicht die er aber gleichzeitig wieder in Frage stellt. Wäre sein Verdacht allerdings tiefer verwurzelt und konkret gewesen, hätte er ihn als guter Historiker möglicherweise komplett weg gelassen. Daher ist diese Frage nach der Glaubwürdigkeit für die gesamte Varusforschung auch von elementarer Bedeutung. Träfe es zu, bliebe uns nur noch die Florus - Lager - Überfall - Variante und sie müsste allen Strängen der Interpretation zugrunde gelegt werden. Dies würde das Feld des möglichen Schlachtenverlaufs erheblich einschränken und viele Spekulationen schlagartig verstummen lassen. Stellt man sich nun die Frage, wer ein Interesse daran gehabt haben könnte, die zu Papier gebrachten Senatsakten umzudeuten, zu verändern oder wie auch immer zu beschönigen, so wird bevorzugt auf Kaiser Augustus verwiesen, obwohl diese Handlungsweise noch eher Tiberius zuzutrauen gewesen wäre oder vielleicht auch anderen unbekannten Experten für Verdunkelungen. Tiberius folgte ihm im Amt und mögliche Darstellungen die schlechtes Licht auf seine aktive Rolle in Sachen „Varus“ hätten werfen konnten, wollte er darin nicht sehen. Denn er war es immerhin, der damals noch als Feldherr mitten im Geschehen stand, die besten Kenntnisse von den Ereignissen gehabt haben musste und zudem viele Weichen mit stellte die zum späteren Desaster führten. Andererseits brauchte Tiberius sich diese Mühe wiederum nicht zu machen, denn von ihm war ja im Zuge und nach der Varusschlacht überhaupt nicht mehr die Rede gewesen, da Augustus die politische Verantwortung für alles übernahm. Schuld trug eben in den Augen aller immer Varus der Versager, die vertragsbrüchigen und untreuen Germanen, die zornigen Götter und das schlechte Wetter. Warum also von den Schreiberlingen nach dem Tod von Augustus oder seinem Nachfolger noch mal in alten Papieren wühlen lassen. Kaiser Tiberius hatte jetzt die Macht, aber auch andere Sorgen und größere Probleme als Geschichtsklitterung zu betreiben, zumal man derartiges in Rom auch sicherlich nicht hätte geheim halten können. Meiner Ansicht nach wurden diese Akten von den Beamten angelegt, nachdem sie sich ein glaubhaftes Bild über die Abfolge der Ereignisse machen konnten und man wollte keinesfalls den Kenntnisstand „der Straße“ übernehmen. Inwieweit von den Beamten spätere zusätzliche Erkenntnisse zeitversetzt ergänzt und dann nachgetragen wurden ist unbekannt. Man könnte spekulieren und sagen, dass die ersten Nachrichten die aus dem Norden in Rom eintrafen wie ein Lagerüberfall geschildert wurden und späteren Nachrichten andere und vielleicht detailliertere und authentischere oder einfach nur glaubhaftere Informationen zu entnehmen waren. So zum Beispiel, dass der Niedergang Angesichts der Vielzahl der getöteten Legionäre, immerhin waren es drei Legionen definitiv nicht das Resultat eines einzigen Lagerüberfalls gewesen sein konnte. Eine Vernichtungsschlacht die sich über Tage hingezogen hatte schien da wohl für alle zutreffender zu sein. Eben genau so wie Dio sie bei den Beamten abschrieb und uns überlieferte. Vielleicht grassierten in den Senatsakten auch unterschiedliche Erläuterungen und Betrachtungen zum Schlachtverlauf und sie hatten die freie Auswahl. Was soll ein Beamter zu Papier bringen, dem man nach und nach die unterschiedlichsten Versionen vorlegte. So zitierten die späteren antiken Historiker mal aus diesem und mal aus jenem Papier, je nachdem was ihnen die Beamten nach den vielen Jahren aus den verstaubten Archiven hervor holten. Von einer geplanten Manipulation von kaiserlicher Seite, wer es auch immer von beiden hätte angeordnet haben können, gehe ich daher nicht aus. (zuletzt bearbeitet 10.12.2017 - 23:29)

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Sonntag, 12. November 2017
Publius Quin(c)tilius Varus
Was war er für ein Mensch dieser Varus dem die Bewohner von Athen, Tenos und Pergamon zwischen 22/21 und 19 – seltsamerweise mit Statuen samt ehrenvollen Inschriften huldigten, obwohl er „nur“ als Geschäftsmann aber mit ausgeprägtem finanziellen Interesse im Sinne des Imperiums gemeinsam mit Kaiser Augustus ihre Provinzen bereiste. Vermutlich standen die Stelen auch schon, bevor er eintraf um sie ihm präsentieren zu können oder sie von ihm enthüllen zu lassen. Im Nachhinein errichtet, dürften sie ihren Zweck verfehlt haben. Sicherlich werden um diese Zeit die Huldigungen für Augustus ungleich größer ausgefallen sein um das Verhältnis zu wahren. Aber dies waren damals untrügliche Reaktionen einer besorgten Bevölkerungsschicht, die sich der Gefahr bewusst war, dass da auch einer kommen würde, der ihnen ans Geld wollte. Nicht nur den Kaiser, sondern auch seine Staatsbeamte wie Varus musste man schon im Vorfeld freundlich stimmen und ihnen unterwürfig gegenüber treten, um zumindest das Schlimmste zu verhindern. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt, denn eine bessere Visitenkarte konnten uns die Bürger in Griechenland und Kleinasien zur Person des Varus eigentlich gar nicht hinterlassen. Kaiser Augustus konnte es einschätzen, wen er in sein Team aufnahm und wen er für die finanziellen Dinge als geeignet betrachtete und Leute wie Varus waren mit Gold nicht aufzuwiegen. Sie verstanden es dem Reich und auch seiner persönlichen Schatulle die nötigen Mittel zuzuspülen, die er für seine Regierungsgeschäfte brauchte. Waren Leute wie Varus erfolgreich, florierte sein Staatsapparat wie geölt und auf diese willigen, und auch keineswegs uneigennützigen Helfer konnte er nicht verzichten, auch wenn sie manchmal vielleicht etwas zu hart an die Sache herangehen mussten. Sie waren der Garant für das Erfolgssystem Augustus und von diesem Typus wird er auch noch andere Helfer in seinen vielen Provinzen gehabt haben. Wenn die Kasse stimmte, wurde eben mal weggeschaut. Wie wir heute aus der Retrospektive wissen, folgte auf den Spuren dieses Finanzierungsmodells später noch eine andere Organisation, die dieses einträgliche Geschäft übernahm und es noch bis heute praktiziert. Auch diese Staaten ähnliche Struktur, übrigens passend zum Lutherjahr die sich allerdings einer anderen Form der Eternität verschrieben hat, verstand es Gelder aus ganz Europa nach Rom zu lenken, um sich damit unter anderem Ihre Prachtbauten zu leisten. Aber an Varus reiben sich natürlich alle Historiker bis heute, sind aber neuerdings nachdem man sich damit in den letzten 2000 Jahren sehr schwer getan hat eifrig bemüht, an ihm auch mal positive Seiten zu entdecken. Es sind aber in der Literatur überwiegend mehr kritische als wohlwollende Eigenschaften von ihm überliefert. Trotzdem würde sich sein Kopf wohl heute noch im Grabe bewegen, gäbe man ihm noch einmal die Möglichkeit, sich selbst vor einem Welten Gericht für die Umstände der Katastrophe verantworten und rechtfertigen zu dürfen. Gewährte man ihm diese einmalige Chance, er würde den Gerichtssaal sicherlich nicht ohne seine Anwälte betreten. Aber bei allem Unbill fand er dann doch noch, dank der Fürsprache seines großen Nutznießers und Förderers Kaiser Augustus eine ehrenvolle Ruhestätte in der Familiengruft der Quinctilier, wohl unweit der heutigen Via Appia. Vielleicht muss man daher seinen Aufschrei der Verzweifelung vor diesem Hintergrund auch ganz neu bewerten. In etwa, „Varus, wer finanziert mir jetzt meinen Staat“. Wie man einer Münze mit seiner Kopf Gravur entnehmen kann, hatte er wulstige Lippen, wäre charakteristisch demnach ein Familienmensch gewesen. Er soll auch ein mildes Wesen und einen ruhigen Charakter gehabt haben, trotzdem war er nicht zimperlich. Sozusagen ein Mann mit zwei Gesichtern. Denn beschrieben wird er auch als unschlüssig, träge, schwächlich und geistig unflexibel. Ein psychologisches Gutachten aus alledem könnte ihn auch in die Kategorie skrupellos, ohne eigene Risiken eingehend, aber bei drohender Gefahr möglichst andere vorschickend, einstufen. Ohne diese Eigenschaften wäre er allerdings für seine Aufgabe in den Provinzen sicherlich ungeeignet gewesen. Was eine derartige Charaktermischung ergibt, lässt sich in etwa auch an den Reaktionen und Entscheidungen im Vorfeld der Schlacht ablesen. Was er aber wieder mit den Germanen gemeinsam hatte, war die ihm nachgesagte Muße im Lageralltag gewesen, denn dem Müßiggang frönten auch schon die alten Germanen. Und zur Muße gehört selbstredend insbesondere das süße Nichtstun möglichst in Verbindung mit vielen Annehmlichkeiten. Sein Vater als auch sein Großvater verabschiedeten sich schon fasst vorsätzlich mit Selbstmord aus dem Leben und stahlen sich aus der Verantwortung. Auch sie hatten wohl schon mehr Mut zum Sterben als zum Kämpfen besessen. Mit seiner Freitod Entscheidung tat er jedoch den Germanen unbeabsichtigt noch einen großen Gefallen. Denn mit dieser menschlichen Kriegsbeute richtig umzugehen, hätte er sie noch in große Konflikte gebracht. Sowohl Gefangenschaft, als auch Geiselhaft in Verbindung mit einer Lösegeldforderung oder sogar seine Götteropferung alles wäre in den Reihen der Germanen allemal auf großen Zuspruch gestoßen. Ein frei gekaufter also überlebender Varus zurück in Rom hätte bedrohlicher für sie werden können, als alle folgenden Rachefeldzüge eines Germanicus. Denn er hätte es aufgrund seiner Insiderkenntnisse sicherlich verstanden, im zweiten Anlauf alles richtig zu machen. Wehe seinen Widersachern, er hätte sie bis ans Ende der Welt verfolgen lassen. Sogar ein römisches Bündnis gemeinsam mit Marbod gegen die Westgermanen wäre nicht auszuschließen gewesen und hätte zur römischen Strategie gut gepasst. Vermutlich wuchs Varus immer dann über sich hinaus, wenn er Wehrlose vor sich hatte, die er in die Schranken weisen konnte und die keine Wahl hatten und sich von ihm und seinen Waffenträgern noch dazu beeindrucken ließen. Eigenschaften die ihm leider auch in unserer Zeit gute berufliche Aufstiegsmöglichkeiten geboten hätten. Varus konnte schon zu seinen Lebzeiten auf einen Stammbaum verweisen, der bis in den römischen Uradel der Antike zurück reichte und war bereits mit etwa 30 Jahren Kommandeur von einer der drei später in Ostwestfalen untergegangenen Legionen, nämlich der Neunzehnten, die um 15 – noch an einem siegreichen Alpenfeldzug unter Tiberius und Drusus gegen die Kelten teilnahm. Später kam er als Statthalter, aber wohl eher als Geldeintreiber nach Syrien, wo er als Richter in Beirut im Prozess gegen Antipatros, übrigens einer sehr reichen Familie auftrat. Antipatros war der Bruder des bekannten Herodes Antipas der an der Kreuzigung von Jesus beteiligt war. Antipatros wurde vorgeworfen, er wollte den gemeinsamen Vater der auch Herodes hieß umbringen. Er wird es auch zweifellos verstanden haben, die überlieferten Reichtümer des Herodes anzuzapfen. In den Jahren 6 + oder 7 + wurde er in die klimatisch ungünstigere germanische Diaspora entsendet wo, um ihm bei seinen Plänen den Rücken zu stärken wieder die altbekannte, vorher in Dangstetten am Oberrhein nachgewiesene 19. Legion unterstellt wurde, von der Teile nach dem Immensum Bellum vermutlich in Haltern stationiert waren. Ältere Legionäre könnten ihn daher bei seiner Ankunft in Germanien schon wie einen alten Bekannten begrüßt haben. Die Quellen berichten übereinstimmend, dass er es disziplinarisch übertrieb und wo möglich seine Macht ausspielte. In dem Bewusstsein ein Weltreich hinter sich zu wissen, überzog er sowohl seine Selbstherrlichkeit als auch sein Bedürfnis Vollkommenheit zu erreichen. Es ging dann bekanntlich so weit, dass die Germanen ihm vor seinem Untergang schon Streitigkeiten zur Schlichtung vorspielen konnten, ohne das es ihm scheinbar selbst auffiel. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was das für komödienhafte Gerichtsspektakel gewesen sein müssen. Und dazu gehörte schon ein gehöriges Maß an Ignoranz bzw. fehlendem Realitätssinn gegenüber den vorherrschenden Sitten und Gebräuchen seiner neuen Untertanen. Hier musste der Wesenszug der Schlitzohrigkeit unter den Germanen schon förmlich Salto geschlagen haben, man schlug sich auf die Oberschenkel und es entstand erstmals unter ihnen auch das Gefühl einer gewissen Überlegen- und später auch Siegesgewissheit, nach dem Motto, mit dem muss man doch wohl noch fertig werden können. Dies führte in späteren Zeiten sogar dazu, dass sich die Römer zumindest hinter vorgehaltener Hand in den rechtsrheinischen Landen einer gewissen Lächerlichkeit ausgesetzt sahen. Natürlich überspielte man in Germanien mit derartigem Gebaren auch immer noch die unterschwellige Sorge letztlich doch nicht zu hochmütig werden zu dürfen, denn Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Und so blieb es wohl eher bei den bekannten Stammtischparolen. Varus überschritt mit seinem vom Ehrgeiz befeuerten Verhalten mit der Zeit auch seinen persönlichen Rubikon und sammelte oder duldete zuletzt wohl mehr Claqueure um sich, als ernsthafte Berater. In dieser Phase begann die germanische Seele zu kochen und fand in Arminius einen gewandten und überzeugungsfähigen Anführer. Die cheruskische Fürstenfamilie könnte zum Beispiel ihren würdigen Stammsitz außer auf dem Brunsberg besser noch auf dem 110 Meter über der Weser liegenden Fürstenberg gehabt haben. Dieser markante Bergausläufer steil über der Weser hatte immer schon strategische Bedeutung wie die Hinweise auf mehrere mittelalterliche Burganlagen bestätigen. Der Name Fürstenberg geht auf die überlieferten Namen Vorstenberch und Forstinberg zurück. Vorsten, der Vorderste, oder der Vorstehende und dem althochdeutschen Wort “furisto” für der Erste, bilden die gemeinsame Wurzel und stellen die Verbindung des Vorstenberch zum “Berch des Furisto” her. Von diesem Sporn mit Steilhang zum Fluss konnten die Cherusker von erhöhter Warte aus nicht nur über die Weser weit nach Westen blicken und die Lebensader der Weserfurt kontrollieren, sondern sahen auch das bunte Treiben in den ständig größer werdenden Siedlungen der Region an Nethe und Weser. Im Rücken hatten sie den waldreichen Solling, der sie nach Osten abschirmte und daran anschließend den Harz der sich wohl von silva hercyniae oder herkynischen Wald ableitet. Es blieb dem Fürstenhaus des Segimer auch nicht verborgen, dass ihnen die Kontrolle über „ihre“ Weserfurt die auch Standort bestimmend für den Hauptort ihrer Sippe war, langsam entglitt und fortan die Soldaten des Varus vor ihrer Haustür das Sagen hatten. Die Fürstenfamilie fühlte sich nicht nur bewacht, sie wurde es auch. Arminius konnte damals mit eigenen Augen lebhaft mit zusehen, wie gefangene Germanen, seine Landsleute Varus vorgeführt wurden um von ihm gerichtet oder besser gesagt abgerichtet zu werden. Im eigenen freien Land schmachvoll zu Sklaven und Knechten gedemütigt zu werden war bitter. Das stolze Geschlecht der Cheruskerfürsten an der Weser, das auch auf lange Traditionen zurück blicken konnte, fungierte und funktionierte nur noch von Varus Gnaden. Segestes der dem Varus zugeneigte, aber eher nachrangige Cheruskerfürst vermutlich im Norden des Segimerclans ansässig, bildete da natürlich die Ausnahme. Da Varus ihm möglicherweise mehr Macht und Ansehen versprach, ihn aber strategisch zappeln ließ, denn er war das Gegengewicht zu Segimer, war er für Varus ein wichtiger Trumpf in der Hinterhand, falls Arminius nicht so spuren würde, wie er sollte und mit dem Varus geschickt taktieren konnte. Der nächste Schritt der Römer würde es sein, die Lager winterfest zu machen, mit einer wehrfähigen Besatzung auszustatten und die Tributpflicht einzuführen bzw. anzuheben. Das Jahr 9 + könnte das letzte Jahr gewesen sein, in dem Varus die Weser vor Einbruch des Winters noch mal verlassen würde, denn es lagen schon Pläne für den Bau von Hypokausten in seiner Schublade, wenn diese nicht sogar schon in tom Roden bei Corvey verlegt waren. Noch wehrfähigere Lager mit höheren Wachttürmen, stabilen Palisaden, breiteren Wällen und tieferen Gräben wären dann zu uneinnehmbaren Festungen geworden. Soweit durfte es Arminius und seine Verbündeten es nicht kommen lassen. Jetzt oder nie lautete daher sein Plan - er musste handeln bevor sich Varus in Ostwestfalen fest gebissen hatte. (zuletzt bearbeitet 23.11.2017 - 18:59)

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