Montag, 8. Januar 2018
Varus verließ die Civitas an der Weser - nach dem die Gestirne grünes Licht gaben
Wo ich nun beginne mich näher mit dem Ausgangslager, also dem schon fasst sprichwörtlichen römischen Sommerlager an der Weser zu beschäftigen und mir im weiteren Verlauf dieses Kapitels Gedanken über das Abzugszenario gemacht habe, tritt natürlich wieder eine vieles überragende Frage in den Vordergrund. Nämlich die Frage nach dem, oder den möglichen Standorten des Lagerkomplexes, je nach dem wie man die Frage der Truppendislozierung, aber auch die der damit einhergehenden zivilen Flächeninanspruchnahme also der dafür insgesamt benötigten Grundfläche angeht. Die im Zuge der Varusschlacht nach Historikerschätzung umgekommenen 15 - 20.000 Menschen sind in etwa vergleichbar mit der heutigen Einwohnerzahl der in der Nähe von Höxter liegenden ostwestfälischen Kleinstadt Brakel mit etwa 16.500 Einwohnern.  Die besiedelte Fläche der Stadt misst heute etwa 2.200 x 2.200 Meter. Wir reden hier also demnach schon nicht mehr von einem Sommerlager, sondern sagen wohl besser Kleinstadt, auch wenn die damalige Besiedelung komprimierter gewesen sein dürfte. So wird man sich unter diesem so genannten Sommerlager auch schon nicht mehr nur eine rustikale mit Palisaden umgebene Zelt- oder Holzhüttenstadt vorzustellen haben. Vielleicht sollten wir uns bei dieser Gelegenheit von derartigen Phantasien verabschieden. Wenn, dann passt diese Begrifflichkeit noch eher auf einen abgetrennten und diszipliniert geführten Baracken artigen Militärkomplex zu. Anhand der Zusammensetzung der umgekommenen Menschenmassen, wie sie uns die alten Historiker geschildert haben, können wir aber auch Rückschlüsse auf deren Lebensbedingungen vor den Kämpfen in Ostwestfalen ziehen. Denn es war ja nicht nur Militär an der Weser stationiert, sondern es lebten dort auch Frauen, Kinder, Alte und Junge, Kaufleute, Sklaven, Knechte und viele andere mehr aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. So müssen wir uns dort eigentlich ein Lebensumfeld vorstellen, auf das eher die Bezeichnung Niederlassung zutrifft. Und diese nahm bereits Formen an, die man irgendwo zwischen einer frühen dörflichen und einer schon Stadt ähnlichen Siedlung suchen könnte. All diese Menschen mussten vor dem Abzug irgendwo gelebt, gearbeitet und geschlafen haben und sie standen über die Sommermonate im regen Austausch mit den vielen im nahen und weiteren Umland siedelnden Cheruskern. Hinzu kam ein Personenkreis, der sich aus keltischen und germanischen Hilfstruppen anderer Stämme zusammen setzte und die man nicht alle in den Legionslagern untergebracht haben dürfte, wenn überhaupt. Diese Menschen trugen noch zusätzlich zu einer sprachlichen und kulturellen Vielfalt einer neu entstehenden Mischbevölkerung an der Weser bei. Da darin viel Stoff für Konflikte verborgen lag, bedurfte es auch klarer Richtlinien, Anweisungen und Strukturen, ohne die nichts funktionieren konnte. Varus wird öfter hart durchgegriffen haben müssen um sich auch unter Landsleuten und Legionären Respekt zu verschaffen. Denn die Sitten in der römischen Armee waren auch nicht immer nur rau aber herzlich. Für den Aufbau einer neuen Civitas aus dem Nichts heraus war auch Stränge vonnöten und unvermeidbar. Wenn die Nachwelt Varus heute zum Hobby Richter degradiert, sollte man beachten, dass er auch für die Disziplin im eigenen Lager zuständig war. Dies scheint bislang wenig Beachtung gefunden zu haben, denn in allen Zeiten stand immer im Vordergrund Argumente für die germanische Revolte zu sammeln. Und auch in Corvey geschah spiegelbildlich nur das, was nur wenige Jahrzehnte vorher bereits die neuen Civitas Gründungen am Rhein der Grenze zu Germanien in Bonn oder Köln durch machten, alles war noch nicht in sich gefestigt, war sehr fragil und bedurfte einer starken Hand. Rom verfügte über eine enorme Potenz an Zivilisationswillen, die nicht nur von Macht, Mut und Eroberung getragen war, sondern auch von einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein. Viele Eigenschaften belegen einen hohen Toleranz Pegel im römischen Staat, wie sie in den Freiheiten des Municipal Rechtes und den weitreichenden Zugeständnissen an die Völker mit anderem Götterglauben erkennbar werden. Mit dieser alten Wertewelt muss man sich vertrauter machen, will man sein Vorstellungsvermögen vertiefen und erweitern und nicht nur alles auf das reine Schlachtengeschehen reduzieren, so wie es uns Dio, Tacitus oder Florus hinterlassen haben. Unter dem Strich betrachtet, war nach drei Jahren Varus an der Weser und den in dieser Zeit durchgeführten Aufbauarbeiten schon mehr erreicht, als man sich heute erdenken kann und wir wissen auch nicht, was in den Jahren davor bereits geschaffen wurde. Denn Rom war schon lange allerdings mit wechselndem Erfolg in Ostwestfalen präsent. Schon zu Beginn meiner Hypothese bin ich nur am Rande auf die interessanten Hinweise eingegangen, was die Analyse der ehemaligen Reichsabtei Corvey im Hinblick auf einen möglicherweise römischen Ursprung bzw. Zusammenhang anbelangt. Wenn ich also nun schlussfolgere, dass die römischen Truppen im Großraum Corvey am alten Ostwesthellweg stationiert waren und das heutige Corvey damals eine Schlüsselrolle einnahm, so sind stichhaltige und vor allem neue Argumente für diese Theorie natürlich immer sehr willkommen. Als sich für Heribert Klabes kurz nach dem Ende des II. Weltkriegs als noch jungem Bauingenieur erste Fragen nach dem Alter des Westwerks auftaten, hatte ihn der Bazillus den Ursprüngen nachgehen zu wollen schon befallen. Und als dann die Kirchenmaler 1954 durch Zufall die interessanten Wandmalereien frei legten, stand die Frage nach den baulichen Bezügen zur Römerzeit schlaglichtartig wieder im Raum, da man sich schlecht vorstellen konnte, dass die Benediktiner Mönche im 9. Jhd. heidnische Erotendarstellungen an den Innenwänden ihrer Klöster zuließen. Dabei hat heidnische Symbolik in christlichen Kathedralen und Abteien, wenn auch teils unbeabsichtigt eine gewisse Tradition. Denn wie viele zu Taufbecken umgearbeitete ehemalige Kultsteine mögen heute noch so manches Gotteshaus schmücken. Besonders hervor tut sich dabei allerdings der Trierer Dom, die älteste Bischofskirche in Deutschland. Sie kann sich eines, wenn auch zweifelhaften Ruhms erfreuen. Denn diese Bischofskirche, die wohl einzige nördlich der Alpen gewährt noch einem echten heidnischen Gott, wenn auch nur aus Stein Unterschlupf. Der Grund dafür ist aber einzig der Statik der Kathedrale geschuldet. Als diese im 6. Jhd. im Zuge der Völkerwanderung beschädigt wurde, musste eine tragende Säule im inneren des Doms erneuert werden. Da Säulen zu Reparaturzwecken im 6. Jhd. nicht beliebig erhältlich waren entschloss man sich damals, auf die heidnische Säule eines alten Tempels zurück zu greifen. Man baute sie also ein um sie aber sogleich wieder zuzumauern, denn aus der Spitze der Säule gut sichtbar ragte immer noch der Kopf eines heidnischen Gottes. Es handelt sich dabei um den griechischen Gott Dionysos. Gott des Weines, der Freude, der Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und der Ekstase. Der Einmaligkeit wegen entschloss man sich aber dankenswerterweise, dem interessierten Dom Besucher einen Blick auf diesen Kopf zu gestatten, in dem man ihn wieder sichtbar machte und frei legte. Verschämt in etwa 15 Meter Höhe blickt er seit dem leicht verträumt aus einer auf seine Größe zugeschnittenen kleinen Fensteröffnung auf die Menschen hinab. Natürlich ist die Lage dieses Gotteskopfes nur wenigen bekannt und das soll auch so bleiben. Vor diesem Hintergrund wäre es Zeit für ein neues Toleranz Edikt im Umkehrschluss zu dem des Galerius aus dem Jahre 311 +. Im Zusammenhang mit der römischen Erforschung des ehemaligen Reichsklosters Corvey wäre das für viele Historiker mal eine gute Idee. Seit der Entdeckung der Wandmalereien im Atrium des Westwerks blicken auch viele Zeitgenossen mit gemischten Gefühlen auf all jene, die den römischen Zusammenhang für möglich halten oder in den Verdacht gerieten mit diesen Thesen zu sympathisieren. Vermutlich ist auch das Buch “Corvey” von Heribert Klabes in seiner Neuausgabe von 2008 noch nicht im Museums Shop der ehemaligen Reichsabtei erhältlich. Wer könnte sich auch je vorstellen, dass die römischen Eroberer derartige und heute noch sichtbare oberirdische Bauwerke an der Weser hinterlassen haben könnten. Und das ist in der Tat auch sicherlich verständlich und nachvollziehbar. Aber nach der Entdeckung und Freilegung der römischen Marschlager in abstandsgerechter und regelmäßiger Westostausrichtung parallel zur Lippe wurde vieles glaubhafter, was früher nach einem Scherz klang. Schon 1816 gab es den konkreten Hinweis auf Römerlager bei Haltern, denen aber erst 1899 wissenschaftlich nachgegangen wurde und in Xanten/Vetera begannen systematische Ausgrabungen erst 1905. Als 1967/1968 das Römerlager Anreppen entdeckt wurde und Funde zutage traten, nahm das Thema wieder an Fahrt auf. Aber diese Geschehnisse berührten die Region um Corvey damals nur recht wenig. Wollte man über alle  Verdächtigungen erhaben sein, den Fundamenten der ehrwürdigen ehemaligen Reichsabtei keine baulichen römischen Reste entlocken zu wollen, musste man schon die Gnade einer sehr frühen Geburt haben. Was sagen will, dass Personen, die sich mit einer römischen Forschungsgeschichte von Corvey näher beschäftigen wollten, tunlichst schon etwas länger nicht mehr unter den Lebenden weilen sollten, um vom Bazillus unbeeinflusst geblieben zu sein. Heribert Klabes beschäftigte sich in vielerlei Hinsicht mit dem Baukörper und dem ganzen Umfeld, aber sehr intensiv auch mit der Steinplatte und ihrer Inschrift die über der Portalzone der Westfassade angebracht ist und ganz besonders hatte es ihm darauf der Name Civitatem als Akkusativ von Civitas angetan. Aber nicht nur Heribert Klabes beschäftigte sich mit der Bedeutung dieses lateinischen Wortes und den vielen anderen Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der römischen Vorgeschichte von Corvey. So griff auch Dr. Leiermann die vielseitigen Vorarbeiten Heribert Klabes auf, ergänzte sie noch durch zusätzliche Erkenntnisse und Forschungen und legte eine umfängliche Faktensammlung ungeklärter Fragen an. Nicht nur das Buch von Heribert Klabes, sondern auch seine Abhandlung unter der Bezeichnung „Kritische Bemerkungen zu dem Buch von Hilde Clausen und Anna Skriver – Die Klosterkirche Corvey Band II Wandmalereien und Stuck aus karolingischer Zeit“ – verdienen es, sich ihnen eingehend zu widmen. Und nicht nur die Feststellung des Präsidenten der angesehenen bayerische Benediktinerakademie (Historische Sektion) e.V. aus dem Jahr 2006, dass „die Wandbilder römisch“ seien, lässt aufhorchen auch die weiteren 28 Punkte seiner Auflistung verdienen besondere Aufmerksamkeit. So auch ein weiterer Hinweis von ihm, dem ich nachgegangen bin. Denn wir können in der deutschen Forschungsgeschichte auch noch auf andere Personen verweisen, die sich in früherer Zeit mit dem Begriff und der Entwicklungsgeschichte der Civitas bzw. Civitates näher beschäftigt haben. Die Trier Universitätsbibliothek hält dazu wie ich feststellen durfte, aufgrund des Alters ein nicht zur Ausleihe vorgesehenes Buch des Historikers Siegfried Rietschel bereit, der im Jahre 1894 in einem Verlag in Leipzig das Buch „Die Civitas auf deutschem Boden bis zum Ausgang der Karolingerzeit” also dem Zeitraum bis 911, heraus gegeben hat. Auch in Höxter hat man sich schon mit Siegfried Rietschel näher befasst, aber vermutlich nur mit seinem Werk “Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit in den deutschen Bischofsstädten während des früheren Mittelalters”. Leipzig 1905. Die Inschrift auf der Steinplatte eingelassen im Westwerk lautet. “„CIVITATEM ISTAM TV CIRCUMDA DNE ET ANGELI TVI CVSTODIANT MVROS EIVS“ – und in der Übersetzung “Herr, um gib diese Stadt und lass deine Engel Wächter ihrer Mauern sein.” Es gibt auch noch die Übersetzungsvariante  “Diese Civitates umfasse du Herr und deine Boten mögen ihre Mauern bewachen.” Das Wort Domine, das sich hinter dem DNE verbirgt und in beiden Übersetzungen als Herr gedeutet wird, lässt sich auch anders erklären. Denn das sich Kaiser Augustus außer imperator auch dominus (DNE) und auch domine priceps oder domine imperator nannte und genannt wurde, ist überliefert. Er soll aber die Anrede dominus unter anderem auch wegen übertriebener Schmeichelei abgelehnt, ja sogar verboten haben. Konnte es aber nie ganz vermeiden. Der jüngere Plinius redete in seinen Briefen zum Beispiel Kaiser Trajan im 1. Jhd. grundsätzlich immer mit dem Prädikat “Dominus” an. Das lateinische Wort Dominus (DNE) ist also letztlich keine Erfindung der christlichen Lehre, sondern wesentlich älteren Ursprungs. Aber es gibt auch noch andere Hinweise zur Corveyer Inschrift die in die Antike zurück reichen. Um die Jahrtausendwende sollten neue Zeiten anbrechen, die die damalige Welt in andere Richtungen lenken sollten. Allein die Tatsache das Kaiser Augustus Zeitgenosse von Jesus war, lässt da viele Parallelen erahnen die es zu ergründen gilt und aus denen sich erschließen lässt, wie eng weltliche und geistliche Macht in gewisser Hinsicht, wenn auch nicht Hand in Hand, so doch gleichermaßen am Aufbau einer gemeinsamen neuen Weltordnung im heutigen Europa beteiligt waren und beides eng ineinander verzahnt war. Und mehr noch, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Kaiser Augustus war als Staatsmann für das größte Reich in der Paläarktis verantwortlich, mit dem zu seiner Zeit nur das chinesische Reich der Han – Dynastie konkurrieren konnte. Aber es brachte wie alle Großreiche auch viel Ungleichheit und Ungerechtigkeit hervor. Die Zeit war damit reif für eine neue Heilsbotschaft mit der man dieser scheinbar für die Ewigkeit angelegten römischen Allmacht entgegen treten konnte. Kaiser Augustus war nicht nur die personifizierte Staatsreligion mit dem Gott gleichen Anspruchsdenken jener Tage, sondern er führte im Kaisertitel auch noch die Bezeichnung “divi filius”, also dem Namen nach wie auch Jesus der Sohn eines vergöttlichten Vorfahren zu sein was schon eine seltsame Parallelität durchblicken lässt und Assoziationen weckt. Aber ungeachtet des katholisch/orthodoxen Dauerkonfliktes dürfte der normale Bürger auch damals schon erkannt haben, dass ein Mensch kein Gott sein konnte und durfte. Da Kaiser Augustus kaum einen Feind zu fürchten hatte, konnte ihm nur eine überirdische Macht Paroli bieten und auf dem Weg einer neuen Glaubensrichtung Einhalt gebieten. Neue Religionen wie die christliche Lehre wachsen nicht über Nacht und mussten sich strukturieren. Jesus baute sich ein “Team” Gleichgesinnter auf, seine Botschaften fielen auf fruchtbaren Boden und verbreiteten sich vor allem bei den unterdrückten Völkern der damaligen Welt. Völker wie die Griechen, die unter römischer Last und einhergehendem Machtverlust zu leiden hatten, waren dafür besonders empfänglich. Dennoch war das Christentum im 2. Jhd. noch kaum wahrnehmbar. Aber Augustus hatte das Zepter in der Hand und duldete keine Widerstandsgruppen, Stämme oder gar Völker, weder in Palästina noch in Germanien. Er prägte das Geld, er hob die Legionen aus, er versorgte sein Volk mit Nahrung und er trieb dafür die nötigen Steuern ein. Rom bestimmte als Jesus das Licht der Welt erblickte schon seit vielen Jahrhunderten wie die Völker zu leben hatten, Rom erließ die Gesetze und Rom prägte das öffentliche Leben. Rom beherrschte die Geisteswissenschaften, die Kunst, die Rhetorik bis zur Philosophie, bediente sich zahlreicher Lehrkörper aus der damals bekannten Welt, dominierte alles mit Hilfe der lateinischen Sprache und war bemüht der griechischen Sprache keine Dominanz zuzugestehen. In diese Phase und in dieses gefährliche Räderwerk unumschränkter Machtkonzentration und Fülle geriet Jesus als er die Menschheit zum Umdenken brachte. Er trennte und unterschied das Profane vom Unsterblichen und bekam doch immer wieder die harten Spielregeln römischer Gesetzgebung zu spüren. Seine Geburt verdankte er der Volkszählung von Kaiser Augustus, die “seine Eltern” zwangen nach Betlehem aufzubrechen und selbst sein Todesurteil fällte letztlich der römische Staat. Man bediente sich in jener Zeit und in jeder Hinsicht der römischen Dialektik wenn man sich verständigen wollte und musste, obwohl die frühen Christen dem römischen System innerlich ab schworen und eine neue friedliche Welt anstrebten, zwangsläufig die lateinische Sprache, und damit das bittere römische Vokabular der Unterdrücker übernehmen. Jesus kannte immer nur einen weltlichen Herrscher und der hieß Augustus. Als uns der Apostel Lukas seine Weihnachtsgeschichte hinterließ, dass ein Gebot von Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt werden sollte, geschah dies erstmals im römischen Reich, da es Augustus in diesem Zusammenhang offensichtlich um Steuereinnahmen ging und das Ende kennen wir. Viele christliche Liturgien die in dieser Zeit entstanden orientierten sich an alttestamentarischen Vorbildern, aber auch das alltägliche römische und somit heidnisch geprägte Leben der Landbevölkerung floss in die neue Religion mit ein. Wer will heute noch mit Bestimmtheit sagen was überwog. Die Christen mussten es sich in den Katakomben die ihnen die römische Welt ließ noch auf lange Zeit einrichten und begannen im verborgenen die vorherrschende heidnische Welt im christlichen Sinne von innen heraus umzudeuten. Aber der Allmachtsanspruch von Augustus bot sich an gerade in dieser Zeit einen Gegenpol aufzubauen. Mit der hoch stehenden Kultur des römischen Reiches konnte das frühe Christentum in keiner Weise mithalten und wollte es letztlich auch nicht, aber sie war für das Christentum der Zeit das Maß aller Dinge was es im christlichen Sinne zu bekämpfen galt und dessen Untergang mit dem Eintreffen des Apostel Paulus in der damaligen Weltstadt Rom seinen Anfang nahm. Vieles was sich in den Anfängen der christlichen Lehre entwickelte beruhte auch auf den heidnischen Errungenschaften eines Staatswesen in dem die Vielfalt des Götterhimmels den Alltag beherrschte. Das Christentum interpretierte vieles um, um eine bessere Welt zu erschaffen, aber das Fundament steckte noch tief im allgegenwärtigen römischen und damit heidnischen Denken jener Zeit. So entschied Augustus ausgestattet mit der ganzen Machtfülle, dass der Tag seiner eigenen Geburt zukünftig den Jahresbeginn kennzeichnen soll und das war zufälligerweise auch immer der Tag des Äquinoktiums, also der Tagundnachtgleiche nämlich der 23. September eines jeden Jahres. Die Christen übernahmen diese Geburtstradition wie es ihnen Kaiser Augustus vorexerzierte, erhöhten aber die Geburt Jesus im Sinne einer völlig neuen Zeitrechnung und begründeten damit ein Jahr Null. Sie wollten also nicht nur wie Augustus den Jahresbeginn fixieren, sondern die gesamte Zeitrechnung revolutionieren. Ein weiteres Beispiel für die Verwendung vorchristlicher Begriffe ist auch das Wort Evangelium aus dem Altgriechischen, was man im Imperium Romanum unter dem vergöttlichten Kaiser Augustus als eine gute Nachricht aus dem hohen Kaiserhaus aufnahm bzw. betrachtete. Es existiert dazu eine Übersetzung aus dem Jahr 9 – in der es in etwa heißt “Der Geburtstag des Gottes Augustus ist für die Welt eine freudige Botschaft, also in diesem Sinne ein Evangelium”. Die frühe Christenheit entlehnte zahlreiche Vokabularien aus der griechischen und lateinischen Sprache und verwendete sie für ihre Zeremonien. Wie sich die Gesänge und Huldigungen des römischen Kaisers an besonderen Festtagen anhörten wissen wir nicht. Chöre und Fanfarenklänge wie man sie aus Historienfilmen kennt zeigen wie emsig man heutzutage bemüht ist diese Wissenslücke zu schließen. Horaz komponierte um diese Zeit im Auftrag von Kaiser Augustus eine Festrede als ein säkularisierter Gesang in dem er das Herannahen einer goldenen Zeit anpries und prophezeite. 27 Jungen und 27 Mädchen trugen die einstudierten Gesänge in etwa im Stil des Responsorium, des Antwortgesanges der gregorianischen Choräle in dem mal die Knaben, mal die Mädchen und mal beide sangen vor. Auf die Säkularfeier zu der Horaz seinen Beitrag leistete komme ich später noch mal im Zusammenhang mit der Corveyer Inschriftentafel zurück. Aber auch die ersten Christen proklamierten den baldigen Anbruch nie endender Glückseligkeit für sich und so trat man in Konkurrenz zueinander bei der letztlich die Religion die Oberhand gewann, da sie nicht auf staatlichen Strukturen basierte und sich der Ewigkeit verpflichtet sah. Nach dem Untergang des römischen Reiches trat das Christentum auf ihre Weise in die Fußstapfen der alten weltlichen Macht und bediente sich an den reichlich vorhandenen Ruinen jener Zeit, sowohl was deren schriftliche Zeugnisse als auch deren hinterlassene Strukturen und teilweise auch Ideologien anbetraf. So wie es jede neue Religion, Kultur oder Weltanschauung praktiziert, wenn sie das ihnen passende überleben lässt und das ungewünschte ausmerzt. Die Verbreitung des Christentums nördlich der Alpen führte im Verlauf der Jahrhunderte auch zwangsläufig zur Wiederentdeckung alter römischer Kultur wie es bei der karolingischen Renaissance zum Ausdruck kommt, da die darin steckende Substanz zeitlos war. Man verrückte die Pole und fortan stand nicht nicht mehr die ewige Stadt Rom im Zentrum, sondern es bezog sich alles auf die heilige Stadt Jerusalem. Ganz so, wie es der schöne Kronleuchter im Aachener Dom veranschaulicht, der die Stadt Jerusalem symbolisiert und ein Geschenk von Friedrich Barbarossa war. In christlicher Zeit vernebelten sich die alten Untaten aus römischen Zeiten bis zur Unkenntlichkeit und man arrangierte sich mit der einstigen heidnischen Metropole Rom die noch auf Jahrhunderte durch die monumentalen Gebäude jener Epoche gekennzeichnet aber offensichtlich dadurch nicht belastet war und machte sie zur Vatikanstadt. In der heutigen Zeit in der das Christentum auf Nabelschau umgeschaltet hat und Bereitschaft zeigt die eigenen Sünden der Vergangenheit aufzuarbeiten, fällt es auch leichter andere alte und immer noch unbeantwortete Fragen neu zu stellen. So zum Beispiel die Frage nach dem Verbleib der Bücher des Tacitus über die Jahre 29 + 30 + und 31 + aber auch spätere Jahre die nach Aussagen des Vatikans verschollen sein sollen. Diese Bücher behandeln genau den Zeitraum von Jesus von Nazareth und die Schicksalstage als dieser Mann hingerichtet wurde und Pontius Pilatus Präfekt der römischen Provinz Judäa war. Die Inschrift “ Civitatem istam tu circumda, Domine, et angeli tui custodiant muros eius” am Westwerk der Corveyer Abtei enthält aber definitiv keinen direkten Hinweis auf die heilige Stadt Jerusalem. Würde aus der Inschrift auch nur ein Name mit klarem Bezug etwa zu Augustus oder seiner Herrschaft hervor gehen, wäre die Inschrift sicherlich einem späteren Bildersturm zum Opfer gefallen. Die Undefinierbarkeit der textuellen Aussage und die spätere Umdeutung verhalf der Inschrift offenbar die Jahrhunderte zu überdauern. Die Epochen und Jahrhunderte aus denen die von Papst Gregor der noch zu Zeiten der Völkerwanderung geboren wurde gesammelten Choräle stammen und mit der der Text der Inschrift auch in Verbindung gebracht wird, können auf alten Fassungen und auf Zeiten fußen die bis in die römische Antike zurück reichen als Rom noch Nabel der Welt war und nicht Jerusalem. Wissenschaftlich lässt es sich für uns nicht mehr erschließen und unsere Unkenntnis überwiegt. Was wir aber unstrittig wissen, ist das die Buchstaben am Westwerk in lateinischer Schrift verfasst sind. Bereits Gaius Iulius Caesar verwendete in seinen Werken “Commentarii de bello Gallico” oder “Commentariorum libri tres de bello civili” eben auch jene in der Inschrift verwendeten Worte wie “circumda” oder “custodiant” wie sie uns auch auf der Corveyer Inschrift begegnen. Was natürlich auch nicht verwundert, denn Latein war eben die Schrift jener Zeit. Ab dem Moment wo das Christentum am 27.Februar 380 unter Kaiser Theodosius I zur Staatsreligion erklärt wurde, beginnt nun leider mit dem gleichem Eifer und Enthusiasmus ein Feldzug der Christenheit gegen alle Andersgläubigen wie die Welt ihn lange über sich ergehen lassen musste. Nahezu zeitgleich setzte die große Völkerwanderung die von 375 bis 568 andauerte ein, die das Imperium lange verhindern konnte und alles vermittelt bei uns den Eindruck, als ob den Völkern nur noch das Christentum helfen konnte um sich gegen die enormen Verwerfungen zur Wehr setzen zu können und man es daher passieren ließ. Und nach dem Hunneneinfall und den Zeiten des “dunklen” Mittelalters war die christliche Welt ab dem Jahr 800 auch nicht mehr die gleiche, wie sie uns noch in den Katakomben von Rom erscheint und wie wir dann am Verhalten und Auftreten der Karolinger ablesen können. Inzwischen war man aber besonnen genug um eine angemessene Rückbesinnung an die Zeiten der Pax Romana einzuläuten. Zu dieser Zeit standen die Werke der römischen Dichter und Philosophen aber noch überall in Reih und Glied in den Regalen und Bibliotheken der Herrschenden, der Klöster und Abteien die sie bewahrten besser gesagt retten konnten und sie wurden von jenen die sie lesen konnten auch rege genutzt und dienten der Orientierung in schwierigen Zeiten. Sie führten aber auch immer wieder zu Konflikten wie es Umberto Eco schön in seinem Film “Der Name der Rose” darstellt, wo schon die Freude am Lachen als sittlicher Verfall thematisiert wird, den man in christlichen Zeiten bekämpfen wollte. Daher kann man für das frühe 9. Jhd. auch ausschließen, dass man in Corvey zur Freskenmalerei auf heidnische Eroten zurück griff. Und so wurden in späterer Zeit letztlich jene Werke herausgefiltert, die sich nicht mit der gängigen katholisch/christlichen Lehrmeinung vertrugen und sich deckten und sie verschwanden auf immer. Selbst der Zufallsfund wie der der Tacitus Annalen im 16. Jhd war nicht sicher, um in den Händen der Nachwelt überleben zu können wie wir wissen. Denn noch selbst 1000 Jahre später fielen Teile der Werke von Tacitus unter die Zensur päpstlicher Obrigkeit und waren dann nicht mehr auffindbar. Was mögen sie enthalten haben und was alles wollte und musste man früher verbergen um den frommen Schein zu wahren. Und warum vieles neu erfinden, was es nicht schon seit Jahrhunderten gab und nur leicht verändert angepasst wieder in Gebrauch genommen werden konnte. Möchte man eingefahrene Wege verlassen, so muss man auch so konsequent sein und die Herstellungszeit der Inschriftentafel am Corveyer Westwerk deren Buchstabenaufbau unter dem Namen “Capitalis quadrata” bekannt ist folgerichtig auch in die römische Kaiserzeit zurück datieren. Diese in den Zeiten von Kaiser Augustus angewendete Schriftart war in antiker Zeit nicht von langer Dauer und hatte schon im 3. Jhd. ihren Höhepunkt erreicht bzw. überschritten. Ihre Hauptverwendungzeit fiel aber in jene Epoche, in der Ostwestfalen unter römische Besatzung geriet und Varus dort die Verwaltungsgeschäfte übernehmen sollte. Diese “Capitalis quadrata” genannte Schrift ist die klassische lateinische Buchschrift die man aber nur dann benutzte, wenn man die Buchstaben noch mit der Hand auf Pergament schreiben wollte und sie nicht eimeißelte. Sie ist daher die handschriftliche Variante der in Stein gemeißelten “Capitalis monumentalis”. Mit römischen Majuskeln in “Capitalis quadrata” schrieb man im Zweiliniensystem, aber sie befand sich im steten Rückgang begriffen und war nur noch bis ins 6. Jhd. in Gebrauch. Nach der karolingischen Schreibreform wurde dann nur noch die karolingische Minuskel in Handschriften, also in Büchern und für Überschriften und Rubriken verwendet. Die “Capitalis quadrata” wurde in den Zeiten des römischen Reiches nicht für steinerne Inschriften verwendet, dafür nutzte man also die “Capitalis monumentalis”. Sollte die Inschrift am Corveyer Westwerk zu Zeiten der Karolinger eingefügt worden sein, so ist es aus heutiger Sicht rätselhaft, warum man sich noch im 9. Jhd. für eine Inschrift entschieden haben soll, die schon im 6. Jhd. sozusagen in den letzten Zügen lag und bei der es sich zudem um die altrömische “Hand” Schriftform nämlich die “Capitalis quadrata” handelte und nicht für die zu Römerzeiten für Steingravuren typische Schreibweise “Capitalis monumentalis”.Warum verwendete man nicht schon die ausgereifte karolingische Minuskel. Warum hätte man die Zeit zurück drehen sollen, um sich etwa wieder der Antike zuzuwenden ? Wollte man optisch an Alteingesessenes anknüpfen und etwas besonderes erschaffen, sich traditioneller Werte bekennen und ihnen gar zur Widergeburt verhelfen ? Wollte man auf diese Weise gegen den karolingischen neuen Reichsgedanken der auch ein neues einheitliches Schriftbild vorsah opponieren ? Kaum vorstellbar, denn wer hätte dies anordnen sollen. Der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme sicherlich nicht. Die karolingische Renaissance sollte sicherlich andere Züge bekommen, als noch mal in dieser Form eine Auferstehung zu erleben. Warum hätte man zu Zeiten der Karolinger also noch mal auf eine altrömische Schrifttradition zurück greifen sollen, die zudem nur für Handschriften und nicht für Gravuren üblich war. Zuviele Ungereimtheiten, so daß ich spekuliere, dass in Corvey noch Rom selbst am Werk gewesen war und hier die Hand noch mit ihm Spiel hatte. Unter Varus wollte man es wie eine versöhnende Handschrift aussehen lassen und nicht wie eine monumentale Schrift die Macht aber auch Gewalt verkörpert hätte. Denn man kam ja in “friedlicher Absicht” nach Ostwestfalen und wollte dort auch die lateinische Sprache verbreiten, die sogar schon Arminius mit ostwestfälischem Akzent sprechen konnte. Im 9. Jhd. war die “Capitalis monumentalis” jedenfalls nicht mehr in Gebrauch und auch die “Capitalis quadrata”, die der Schreibschrift vorbehalten war, wurde im 9. Jhd.schon seit immerhin dreihundert Jahren nicht mehr genutzt. Die römische Schrift der “Capitalis quadrata” noch der Zeit von Ludwig dem Frommen zuzuschreiben würde auch bedeuten, dass man sich sogar noch im 9. Jhd. also 800 Jahre nach dem Tod von Kaiser Augustus schriftlich betrachtet immer noch nicht von der römischen Kaiserzeit abgenabelt hat bzw. abnabeln wollte. Aber so war es bekanntlich nicht, denn man hatte bereits damit begonnen sich deutlich davon abzusetzen, in dem man sich nach neuen Schreibweisen umschaute. Man wollte sich modernisieren, sich auch nach Ostrom orientieren und hat ein Zeichen gesetzt, indem man die Epoche der “Capitalis quadrata” abschließen bzw. sie auslaufen lassen wollte. So war es sogar die Corveyer Mutterabtei Corbie selbst, die nur 14 Jahre nach dem Ende der Merowingerzeit begann, im Jahre 765 mit den ersten karolingischen Minuskeln zu experimentieren. Die alte “Capitalis quadrata” eine antike römische Majuskelschrift war um diese Zeit nur noch als Prachthandschrift für die besondere Gestaltung von Büchern in Gebrauch, als man in Corbie schon dabei war schrifthistorisch in ein neues Zeitalter einzutreten. Dies ereignete sich schon 13 Jahre vor der Geburt Ludwig des Frommen der später zum Begründer der Abtei Corvey werden sollte. Corbie hatte also noch viel Zeit um die Minuskel auch für eine Verwendung in Corvey “serienreif” zu machen. Corvey war ein Ableger von Corbie und die Entwicklungen und Geschehnisse in Corvey hielt man sicherlich noch lange von Corbie aus im Auge. Es ist daher schlecht vorstellbar, dass man zu Zeiten der Gründung von Corvey Anfang des 9 Jhd. noch eine Schriftform nutzen wollte, die in Corbie bereits als Auslaufmodell gehandelt wurde und die man doch auch auf Geheiß Karls des Großen abschaffen wollte. Kulturelle Weiterentwicklungen wie die Schrift wollte man nicht mehr rückgängig machen und zurück fallen in überholt geglaubte Zeiten. Es wäre so, als ob man in unserer Zeit noch mal zur Sütterlin Schrift zurück kehren wollte. Die antike römische Westwerk Inschrift nach dem System “Capitalis quadrata” und dem Wortlaut “Civitatem istam tu circumda, Domine, et angeli tui custodiant muros eius” findet man auch in der Gregorianik wieder, denn sie erscheint textuell in gregorianischen Chorälen. Es handelt sich bei dem Text um den ersten Teil eines Antiphon also eines Wechselgesangs, der in Verbindung mit Psalm 79 gebracht wird und mit Prophet Daniel 16.2 Bestandteil eines Responsorium auch Antwortgesang genannt wird. Komplettiert wurde der Text der Inschrift für den Choral noch durch den Anhang “exaudi Domine populum tuum cum misericordia.” der in der Übersetzung lautet “Erhöre, Herr, dein Volk mit deiner Barmherzigkeit.”. Sich mit der Frage zu beschäftigen, warum sich am Corveyer Westwerk eine Inschrift aus der römischen Kaiserzeit von Augustus befindet, die dann später zum Bestandteil christlicher Chormusik wurde, ist eine interessante Herausforderung der ich nach gehen möchte. Die Konsequenz aus dem gewaltigen Krieg gegen die Germanen dem “Immensum bellum” den Tiberius 5 + siegreich beendete und der die endgültige Besetzung Ostwestfalens durch das Imperium nach sich zog war, das Feldherr Varus zwei Jahre später vermutlich im Jahre 7 + mit drei Legionen anrückte um die Interessen des Reiches in Germanien durch zu setzen. Bis etwa 5 – eher 4 - war er als Statthalter noch für die Provinzen Palästina/Syria einschließlich Judäa zuständig. Diese Provinz stand erst seit 56 Jahren unter römischer Verwaltung als Varus um etwa 7 – oder 6 – begann dort den Kaiser zu vertreten. Auch in dieser Grenzprovinz befehligte er machtvoll einen der stärksten Heeresverbände des Reiches bestehend aus drei Legionen. Die besonderen Anforderungen die dort an ihn gestellt wurden zwangen bzw. verlangten in einem sehr schwierigen politischem Umfeld viel von ihm ab. Kluge Richtersprüche, Schlichtungsverhandlungen unter verfeindeten Stämmen, drakonische Strafmaßnahmen und dergleichen waren für ihn nahezu alltäglich aber offensichtlich bewährte er sich. Und bei alledem musste er noch sicherstellen, dass die regelmäßigen Steuerzahlungen pünktlich in Rom eintrafen. In der Provinz am Mittelmeer hatte er es zumindest mit einer römisch in etwa gleichwertig hohen Kultur zu tun. Um aber letztlich 2000 jüdische Rädelsführer am Kreuz hinzurichten, brauchte er sicherlich auch die nötige Rückendeckung der religiösen Würdenträger im Lande, die sich später auch gegenüber Jesus als die größten Kritiker hervor tun sollten und besaß sicherlich besonders ausgefeilte Qualitäten in der Kunst der Ränkeschmiede, die ihn aber später aufgrund abweichender Mentalitäten in Germanien im Stich ließen. Varus verließ die Provinz Syria/Palästina lange bevor dort im Jahre 66 + die ersten großen Unruhen gegen die römischen Besatzer ausbrachen und er nahm all sein Wissen und seine Erfahrung mit nach Germanien wo er seinen persönlichen Kulturschock erleben sollte, denn bis dato kannte er wohl nur nur den keltischen Teil des Landes aus dem Jahre 15 – als er gemeinsam mit Tiberius bei Oberammergau die Helvetier bekämpfte. Aber Ostwestfalen war nicht Judäa und auch kein Keltenland und dort empfingen ihn bekanntlich keine Menschen sondern wie man sagte nur “halbwilde”. Varus hatte sich auf seine neuen Aufgaben in Germanien vorbereitet und hatte wohl schon Vorstellungen um nicht zu sagen einen Schlachtplan zu dem, was er dort zu tun gedachte. Er wusste von den Städteplanungen und Neugründungen im Lande der Germanen und von den schon im Bau befindlichen rechtsrheinischen Provinzzentren zwischen Haltern und dem Lahngau aber auch von den Völkervertreibungen um Ruhe am rechten Rheinufer herzustellen. Er würde nun auch seines dazu beitragen, damit der Kaiser mit ihm zufrieden sein konnte. Die Kultur im Lande der Syrer und Palästinenser reichte weit in die Vergangenheit zurück, war aber nicht mit dem Imperium oder gar mit Rom vergleichbar. Sie stand aber immer noch erheblich über dem, was ihn in Germanien erwarten sollte. Aber Rom war damals unangefochten der geistige Mittelpunkt der Welt. Der “göttliche” bzw. vergöttlichte Kaiser Augustus zog Dichter, Denker und Philosophen magisch an und scharte die besten unter ihnen in sein persönliches Umfeld. Gaius Cilnius Maecenas sein Freund und Berater förderte die großen Dichter seiner Zeit wie Vergil, Horaz, Properz, forderte dafür von ihnen aber auch die absolute Loyalität gegenüber dem Kaiser ein. Diese Zeit brachte unter Augustus Männer hervor, die die antike Kultur bis in unsere Tage lebendig halten, sie prägen, auf deren Leistungen wir mit Ehrfurcht blicken und von denen wir unsere geistige Haltung noch bis heute gerne beeinflussen lassen. Ganz so wie es uns geht, wenn wir die Ausdruckskraft der alten flämischen Meister bewundern. Es ist umstritten wann das Mittelalter von innen heraus imstande war an die Weisheiten dieser Vordenker anzuknüpfen. Möglicherweise erst im 15. Jhd. unter Mitwirkung von Leonardo da Vinco oder Erasmus von Rotterdam. Die lange Leere nach dem Zerfall des römischen Reiches und den nie endend erscheinenden Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst sowie den Kreuzzügen ließ nicht viel an neuem Gedankengut Gedeihen. In den Klöstern beschränkte man sich zu Zeiten der frühen Mission auf das Abschreiben alter Werke, konkurrierte und verschließ sich mit anderen frommen Ordensgemeinschaften auch in England, Schottland und Irland um den richtigen Weg zum Seelenheil und unterdrückte freigeistiges Denken, wo es sich nur zeigte. Nach dem Motto “Da sprach der König zum Priester: Halte du sie dumm, ich halte sie arm” setzte sich der ewige Prozess der Unterdrückung fort. Die antike Welt lag in Scherben, warf aber immer noch ihren großen Schatten über alles was danach kam und die Architekten der alten Welt waren immer noch richtungsweisend und gaben unterschwellig den Ton an. Das damals nicht nur allem Römischen noch das Heidentum innewohnte, wusste man auch zu Zeiten der Konzile. Vergil mit seinen drei Hauptwerken. Horaz neben Vergil der bedeutendste römische Dichter der die Römer mahnte die Götter zu achten und an die Tugenden Genügsamkeit, Tapferkeit, Treue, Standhaftigkeit, Gerechtigkeit und Ehrfurcht appellierte. Aber auch Albius Tibullus und Sextus Propertius seien erwähnt und ganz besonders der tragische Ovid und nicht zu vergessen Titus Livius. Sie alle hinterließen ihre schriftlichen Fußabdrücke, die die wieder erwachende Welt nördlich der Alpen nach den grauen Regierungsjahren der Merowinger, die zwar das Christentum übernahmen aber die Leistungen der iro/schottischen Mission ausbremsten aufsaugen konnten. Was die Christenheit nach einer Vielzahl von Konzilen zuwege brachte und die Auseinandersetzungen mit der Orthodoxie übrig ließ, dürfte mit wenigen Ausnahmen nicht für große innerkirchlich intellektuelle Sprünge gereicht haben. Papst Gregor dem Großen, dem man in Angedenken zum Vater der gregorianischen Choräle ernannte und seine Nachfolger dürften noch über einen großen Zeitraum vom alten Wissen profitiert haben, allerdings ohne es groß zu propagieren. In den Huldigungsgesängen für den vergöttlichten Kaiser Augustus wie sie bei Horaz anklingen steckte auch schon viel vom späteren liturgischen Kirchenspiel der Gregorianik. Es verwundert daher auch nicht, dass wir das gesamte lateinische Vokabular der Corveyer Inschrift nur in andere Zusammenhänge gesetzt, wenn nicht in den Werken von Cäsar, so aber doch bei den Dichtern zu Zeiten von Augustus wieder finden. Ob man es Wechselgesänge, Antwortgesänge Responsorien oder Antiphone nennt, letztlich könnte sich alles um Kombinationen, Bausteinen, Varianten oder Zusammenstellungen aus dem Ideenspektrum und der Feder altrömischer Ursprünge handeln. Die Inschrift wie sie uns am Westwerk hinterlassen ist, kann der Arbeit eines Handwerkers aus augusteischen Zeiten entsprungen sein, der den Auftrag hatte den vorgegebenen Text bildhauerisch umzusetzen in denen der Schutz der Gebäudeanlagen durch die höheren Mächte römischer Götterwelt zum Ausdruck gebracht werden sollte. Ein Text, der sich auf die Gesandten des vergöttlichten Augustus beziehen sollte die dort an der Weser eine neue Stadt entstehen lassen sollten und diese zu bewachen hatten. Varus hinterließ in Corvey uns zum Rätsel und Kaiser Augustus zur Huldigung diese Inschrift, denn alle Städte des Imperiums sollten den gleichen Schutz erfahren wie Rom selbst. Späteren Generationen war es dann vorbehalten, die antiken lateinischen Worte im christlichen Sinne umzudeuten um sie für ihre geistlichen Werte und Grundüberzeugungen zu verwenden. Denn nicht nur dort wo einst heidnische Götter in Tempeln oder Hainen verehrt wurden überbaute man diese in christlichen Zeiten mit Gotteshäusern und übertünchte sie mit frommer Symbolik. Wie dieser Fall zeigt, wurden auch die alten Schriften der heidnischen Welt entrissen um sie im Sinne der neuen christlichen Lehre umzudeuten. Um für die altrömische Herkunft der Inschrift weitere Erklärungen anzubieten, bedarf es des Einstiegs in eine umfangreiche Chronologie. Dazu muss man sich noch mal die Inschrift also die Übersetzung des 1. Abschnittes des Responsorium aus dem gregorianischen Repertoire anschauen. “Civitatem istam tu circumda, Domine et angeli tui custodiant muros eius” gleich “Zieh einen Ring um diese Stadt Herr deine Engel mögen ihre Mauern schützen”. Hier soll also eine Stadt (Civitas) insbesondere die Stadtmauern (muros) von einem alles überragenden Herrscher (Domine) vor Feinden geschützt werden, indem dieser dafür seine Engel, Gesandte oder Boten (angeli) abstellt. Natürlich mit dem Ziel, dass sich diese Stadt den Feinden widersetzt und nicht erobert werden kann. Spätestens als die Mönche von Hethis an der Weser eintrafen sahen sie am alten Mauerwerk die lateinische Inschrift, die sie sich nicht erklären konnten. Aber sie konnten die Inschrift problemlos übersetzen. Was wir nicht wissen ist, wie sie mit dem Text verfuhren. Verwendeten sie ihn für ihre Liturgie und waren sie es die ihn möglicherweise durch einen 2. Teil dem “exaudi Domine populum tuum cum misericordia” ergänzten, oder geschah dies erst in späteren Jahrhunderten. Entdeckte man den Text von Beginn an als Responsorium oder hielt man ihn erst später auch für Kirchengesänge geeignet ? Nach gängiger Lesart bezieht man die Inschrift heute auf ein im Mittelalter entstandenes Responsorium, dass auf die alttestamentarischen Quellen Bezug nimmt. Die da sind der Psalm 79. Vers 2 und Daniel 09. Vers 16. In beiden alten Schriften beschäftigt man sich mit der heiligen Stadt Jerusalem. Allerdings ist in der Bibel die Rede davon ist, dass die Stadt Jerusalem nach Psalm 79 nur noch einem Steinhaufen glich und nach Daniel war großes Unheil über Jerusalem gekommen. Genau genommen betrachtet, war Jerusalem nach der Bibelauslegung also bereits komplett zerstört von den Feinden erobert,der Lächerlichkeit preis gegeben worden und die Überlebenden litten Hunger. Die Inschrift im Westwerk besagt allerdings, dass die "Angeli" die Aufgabe hatten die Mauern zu schützen. So gab es demnach im Gegensatz zur Inschrift in Jerusalem für die “Angeli”auch nichts mehr, was es zu schützen gegeben hätte, denn es war bereits alles zerstört. Wer stellte also den unpassenden Bezug zwischen der Inschriftentafel im Westwerk und den zwei alttestamentarischen Bibelstellen her, wenn dieses nicht stimmig war ? War das in damaliger Zeit nicht von besonderer Bedeutung, nahm man es nicht so genau mit den Inhalten, oder konnte man im alten Testament keinen besseren Bezug finden oder herstellen ? Ungeachtet dessen war für die Bibelforschung die Sache offensichtlich klar. Man hatte ein Responsorium ohne aber genau zu Wissen in welcher Zeit es entstand und man hatte vorzeigbare Bibelstellen. Da ich nun die Hypothese aufstellen möchte, dass die Inschriftentafel bereits im Jahre 8 + noch kurz vor dem Untergang der Varuslegionen ihren Platz im neuen Gebäude fand muss man sich nach den richtigen Bezügen in der Antike umsehen. Varus der aus dem heiligen Land abberufen wurde trat seine Rückfahrt sicherlich mit dem Schiff an und gelangte von Palästina aus zunächst nach Rom. Wo er sich nach der Rückkehr in den etwa 9 oder 10 Jahren von 4 – bis etwa 6 + aufhielt ist nicht bekannt. In Rom nahm er schließlich seine “Versetzungsurkunde” entgegen und trat dann vermutlich schon im Jahre 5 + oder 6 + den beschwerlichen Weg zu Lande nach Germanien an. Von Palästina bis Xanten mit Zwischenstopp in Rom wird er vor 2000 Jahren schon eine gewisse Zeit gebraucht haben und eine Erholung sein ihm gegönnt gewesen. Nach einer langen Zeit der Abwesenheit erreichte er noch vor der Zeitenwende vermutlich im Jahre 3 - Rom, dass sich unter der Führung von Kaiser Augustus in einem goldenen Zeitalter wähnte. Die pompöse Säkularfeier im Jahre 17 – lag noch nicht weit zurück, als man das Ende eines alten und den Beginn eines neues Zeitalters feierlich beging. Kaiser Augustus wollte damit seine Machtposition stärken und man kann darin den Anfang des augusteischen Zeitalter sehen. Als Varus nach Rom zurück kehrte könnte es noch im Rausch gelegen haben und das Imperium war um diese Zeit auf dem Höhepunkt seiner Macht. Größe und Herrschaft Roms sollten nun alle Völker zu spüren bekommen. In dieser Zeit genauer gesagt im Jahre 8 – drang Tiberius bis zur Elbe vor und Kaiser Augustus wurde im Jahr 2 - der Ehrentitel Pater Patriae also Vater des Vaterlandes verliehen. Varus könnte also zeitlich betrachtet einer seiner Gäste anlässlich dieser Feierstunde gewesen sein und erlebte in diesen Tagen eine Stadt im Ausnahmezustand. Die Säkularfeier des Jahres 17 - die “ludi saeculares” war das große Sühnefest um seinem Volk den Anbruch goldener und sicherer Zeiten anzukündigen. Er bediente sich dabei einer älteren traditionellen Feier die den Namen “ludi tarentini” trug. Diese Feier nahm ihren Ausgang als es in Rom zu Zeiten des ersten Punischen Krieges der von 264 – bis 241 - andauerte viele unheilvolle Zeichen gab, die das Volk unter dem Stichwort “Hannibal ante Portas” sehr beunruhigten. Es schlugen Blitze sogar in die Stadtmauer zwischen der Porta Collini und Esquillina ein und man blickte mit großer Sorge in die Zukunft. Und bezogen auf die “ludi tarentini” ist hier unmissverständlich von einer römischen Stadtmauer der muros die Rede, während man diesen eindeutigen Bezug auf die bereits zerstörte Stadt Jerusalem vermisst. Also befragte man damals wie in Krisensituationen üblich die Orakel der sybellinischen Bücher der Prophetin Sibylline, was denn gegen die punische Gefahr zu tun sei. Die Antwort lautete, man solle drei Nächte lang Spiele veranstalten und vorgeschriebene Opfertiere schlachten. Obwohl aber für die “ludi tarentini” ein zeitlicher Abstand von 100 Jahren vorgesehen war und sie im Jahre 49 - bzw. 46 - fällig gewesen wären, änderte Kaiser August diesen Rhythmus. Denn der von ihm zelebrierte Beginn einer neuen Zeit besaß für Augustus so viel symbolische Bedeutung, dass er dieses lange zurück liegende Ereignis nutzte und dafür sogar die alte Ordnung störte bzw. außer Kraft setzte, indem er die “ludi tarentini” Feierlichkeiten für das Jahre 17 – anordnete. Die “ludi tarentini” schienen ihm sehr gut geeignet gewesen zu sein, um im Staate ein wichtiges Zeichen zu setzen und auf diese Weise seinem Volk wieder neue religiöse und sittliche Werte zu vermitteln. Am dritten und damit letzten Festtag trugen die Kinder die von Horaz komponierte gregorianisch anmutende Hymne vor. Man erinnerte sich also in diesen Zeiten des besonderen Dankfestes der “ludi traventini” wodurch damals die Stadt Rom der Eroberung und Zerstörung entging. Zu Ehren der Prophetin folgend und im Angedenken wurde es gefeiert. Und jedem wurde in Erinnerung gerufen, dass die Mauern der Stadt von Blitzen getroffen wurden und man nur hilflos zuschauen konnte, wie sie auf die Stadtmauern Roms hernieder gingen. Rom hatte es überstanden und es durfte gefeiert werden. Dies war die Botschaft die seinerzeit im Auftrag von Kaiser Augustus von Rom aus in alle Welt vermittelt werden sollte, und alle die in den Diensten Roms standen hatten nun die Aufgabe und die Verpflichtung der Aufforderung Folge zu leisten. Diese Botschaft sollte den Völkern wie ein persönliches Vermächtnis erscheinen und man gab ihr daher den Anstrich einer persönlichen Note und nicht den Charakter einer monumentalen Anweisung. Das nämlich die Gesandten des Augustus dafür Sorge trugen, dass nicht nur die Stadtmauern von Rom zu schützen sind, sondern die Mauern aller römischen Städte von Abgesandten des Kaiser bewacht würden. Und im Gegensatz zu Jerusalem, das die Boten nicht schützen konnten und es daher in Schutt und Asche fiel, blieb Rom dank der sybellinischen Weisheit die Zerstörung erspart. Damit hätten wir auch einen plausibleren und passenderen Bezug zur Inschrift am Corveyer Westwerk als einen hinkenden Bibelbezug. Zudem kam dem Schutz von Stadtmauern seit jeher eine große Bedeutung zu, ob man sie nun mit den “ludi tarentini” oder mit anderen Ereignissen in Verbindung bringt.Da man keine festen Städte in Germanien kannte, kannte man anders als in Südeuropa auch keine Stadtmauern. Diese Mauern zu schützen war daher in den antiken urbanen Zivilisationen immer oberstes Gebot bevor sie im Mittelalter auch in Deutschland Einzug hielten. Städtische Festveranstaltungen im antiken Rom handelten daher oft auch von der Bedeutung einer sicheren Stadtmauer. In diesem Zusammenhang sind uns auch die römischen Amburbialien überliefert. Ein Festumzug mit dem Charakter eines Buß- oder Opferganges der in heidnischer Zeit mit brennenden Kerzen um die gesamte Stadtmauer von Rom verlief und an einem Altar zum Stillstand kam, wo ein Opfertier geschlachtet wurde. Dabei soll es wie es über die Kerzen zum Ausdruck kommt bereits zu Antiphonen Gesängen den Vorläufern der Gregorianik gekommen sein. Eine Feierlichkeit die auch im Zusammenhang mit der Befragung der sybellinischen Bücher steht und bei der die rituelle Reinigung im Vordergrund stand. Begleitet wurde der Umzug unter anderem auch von Auguren und Vestalinnen. In christlichen Zeiten wurde auch diese Tradition aufgehoben und zu Ehren der Gottesmutter umgewandelt. Auch hier tut sich eine Spur in die Antike auf, die in der Inschrift am Corveyer Westwerk ihren Ausdruck findet, in der man besonders auf den Schutz der Mauer eingeht. Als nun Varus die Reise nach Norden antrat, könnte er eine römische Inschriftentafel mit einer Botschaft aus dem fernen Rom im Gepäck gehabt haben, in einer Ausarbeitung, Präzision und Schönheit, wie sie die Handwerker an Rhein und Mosel in jenen Jahren noch nicht fertig brachten. Vielleicht stößt man auch noch in Waldgirmes auf eine ähnliche Inschriftentafel. Der Text mag für Varus zweitrangig gewesen sein, aber die majestätische Schönheit, die Würde und Ausstrahlungskraft einer mit vergoldeten Buchstaben versehenen Inschriftentafel, wird ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Varus war das Verbindungsglied zwischen der Zentrale der Macht und dem grauen Germanien und er trug im Auftrag des Kaisers eine Botschaft mit sich deren Bedeutung vor 2000 Jahren noch niemand ahnen konnte. Man kann diese Darstellung ohne große Anstrengung durchaus als Phantasterei abtun, wenn nicht die Wissenschaft durch ihr Verwirrspiel immer wieder neues Wasser auf die Mühlräder der Zweifel gießen würde. Es ist noch nicht lange her, als man sich entschloss 1985 diese historisch wertvolle Inschriftentafel aus dem Westwerk zu entfernen und durch eine Kopie auszutauschen, damit sie nicht im Zuge der Verwitterung weiterer Zerstörung ausgesetzt ist. Als man sich von wissenschaftlicher Seite diese Inschriftentafel bei dieser Gelegenheit mal genauer ansah, drängte sich wohl, auch bedingt durch die Ähnlichkeit zur antiken “Capitalis quadrata” dann doch irgendwann mal der eigentlich naheliegende Vergleich mit antiken römischen Inschriften auf, die mit Goldbuchstaben ausgefüllt waren. Und dieser Verdacht ließ dann die fatale Vermutung aufkommen, es könnten sich doch tatsächlich in den Vertiefungen der Inschrift mal Metallbuchstaben befunden haben. Was übrigens immer schon als hoch wahrscheinlich galt, aber in den Augen der Wissenschaftler von 1985 anfänglich nicht so sicher schien. Man ging dieser Spur nach und stellte dann tatsächlich anhand von Ausgrabungen fest, dass noch Reste von zwei Buchstaben existierten. Außerdem sind von den ehemals 193 Verstiftungen immerhin noch 31 Stück erhalten geblieben, die ebenfalls gefunden wurden und das ehemalige Vorhandensein von metallenen Buchstaben in der Inschriftentafel damit bestätigen. Wobei es natürlich erstaunlich ist, dass man nach so langer Zeit noch 31 Verstiftungen im Geröll sicher stellen konnte, denn diese besaßen letztlich einen gewissen Eigenwert und hätten Begehrlichkeiten auslösen müssen. Die Metallbuchstaben wurden wie sich heraus stellte aus vergoldetem Kupferblech hergestellt. Im Zuge der Ausgrabungen und der Sicherstellung der originalen Inschriftentafel kam es jedoch dazu, dass von den 31 Befestigungsstiften 10 Stifte illegal entwendet wurden. Hobbyforscher sahen sich offensichtlich genötigt diese zu stehlen um damit eine nicht autorisierte Altersbestimmung durchzuführen. Dabei wurden von den zehn entwendeten Stiften neun Exemplare beschädigt, aber der zehnte gestohlene Stift konnte einer Altersbestimmung zugeführt werden. Es konnte jedoch wie es heißt, anhand dieses illegal entwendeten zehnten Stiftes keine Altersbestimmung erfolgen. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde später leider wegen angeblichen Mangels an öffentlichem Interesse eingestellt. Dieser Vorfall wirft viele Fragen auf. Aus historischer Sicht betrachtet zuerst natürlich die Frage, warum sich Personen dieser Metallstifte illegal bemächtigten, um sie einer Altersbestimmung zuzuführen wohl wissend, dass sie sich damit möglicherweise eines Vergehens schuldig machen. Im Zuge der Schutzmaßnahme um die Inschriftentafel für die Nachwelt zu sichern und durch eine Kopie zu ersetzen ist es doch bekanntermaßen wissenschaftlicher Standard derartige Gelegenheiten zu nutzen, um den Kenntnisstand dieses einmaligen Reliktes ältester deutscher Vergangenheit auf Herz und Nieren zu untersuchen. Es bedurfte also demzufolge gar keiner illegalen Maßnahme, denn die Experten vom zuständigen Denkmalamt waren schließlich vor Ort und hatten sicherlich die gleiche Absicht. Da die Buchstaben aus vergoldetem Kupferblech hergestellt wurden und die Stifte möglicherweise ebenfalls, stand und steht noch für eine archäometallurgische Analyse genügend Fundmateral zur Verfügung um von fachkompetenter Seite die nötige Altersbestimmung durchzuführen. Denn bei drei unterschiedlichen Metallarten dürfte heutzutage die Möglichkeit bestehen eine entsprechende Herkunftsanalyse der Objekte oder mehr im Zuge der Isotopen - und der Spurenelementanalyse durchzuführen, wenn dies noch nicht geschehen sein sollte. Es wäre daher sehr interessant das Ergebnis zu erfahren. Aber im weiteren Verlauf interessiert jetzt mehr die Begrifflichkeit der Civitas. Wie die beiden Übersetzungsmöglichkeiten der Corveyer Inschrift zeigen, lag den alten Verfassern des Textes viel daran darauf hinzuweisen, dass die Civitas, nennen wir sie hier der Verständlichkeit wegen beim aktuellen Namen Corvey, mit starken Mauern umgeben, also äußerst wehrhaft war. Das die einen darin mehr die Wehrhaftigkeit des Glaubens und die anderen mehr die Wehrhaftigkeit im profanen Sinne zu sehen glauben ist eine Frage des Standpunktes. Aber es spricht doch stärker ein massiver, verteidigender Charakter aus dem Wort Mauer als ein symbolisch moralischer Wert. Diese Civitas konnte sich also auch gut zur Wehr setzen. Die ursprüngliche lateinische Bedeutung des Wortes Civitas bezeichnet das Verwaltungs- oder das Bürgerrecht innerhalb einer durch Mauern geschützten städtischen Kernzelle. Folglich einer Innenstadt jedoch keiner ehemaligen Reichsabtei. In dieser Urform der Bedeutung passen die Begriffe ummauert und Civitas plausibel zusammen, so wie es auch die Inschrift ausdrückt. Zu einer Civitas wurde aber in der Römerzeit auch schon der ummauerte Vorort der die innere Civitas umschloss mit gerechnet. Also der Teil der Stadt, auf denen sich auf den Straßen und in den Wohnhäusern das öffentliche Alltagsleben der Bewohner abspielte. Beides umfasst der Begriff Civitas. Heute würde man vielleicht die Civitas die City, also den Stadtkern mit wichtigen Gebäuden wie Rathaus oder Banken nennen. Aber im Wort City steckt ja bereits der Name Civitas. Um diese Kern Civitas gruppierten sich dann Vorstadt artig die einzelnen Quartiere. Und soweit davon entfernt waren die altgermanischen Handelsplätze u.a. an den Flussufern von Elbe und Weser eigentlich auch nicht mehr. Ihnen fehlten zwar die pompösen Bauwerke aber Handwerk und Wohnen wird sich auch schon in der damaligen Zeit zentralisiert haben. Ptolemäus überlieferte für einige von ihnen bereits feste Ortsbezeichnungen. Stießen die römischen Eroberer ins unbekanntere Landesinnere vor, so hielten sie zuallererst Ausschau nach den jeweiligen Machtzentren der einheimischen Führungsschicht um diese taktischen Nervenzellen eines Volkes zuerst unter ihre Kontrolle zu bringen. Hatten sie diese Hauptorte des einheimischen Adels einmal identifiziert, so konzentrierten sie deren Strukturen und dies auch teils mit Gewalt, in den jeweiligen Regionen auf die von ihnen festgelegten Civitates genannten Siedlungsschwerpunkte. So, wie sie es bereits in Gallien und Süddeutschland praktizierten. Eine Civitas wie es auf der Corveyer Inschrift steht, könnte also auf einen derartigen zentralen Hauptort hinweisen bzw. ihn ausgeschildert haben. Für die römischen Besatzer war es allerdings von Nachteil, dass sie aufgrund dieser Eroberungsstrategie auch immer nur ihre Macht in diesen begrenzten Bereichen ausüben konnten. So kontrollierten sie auch immer nur einzelne Siedlungsgebiete und keine größeren zusammen hängenden Landesteile der unterworfenen Völker und nicht durchgängig das ganze Land. Cassius Dio beschrieb dieses Dilemma passend mit den Worten „Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten”. Civitates waren innerhalb des Imperiums teil autonome Verwaltungseinheiten, lagen an wichtigen Durchgangsstraßen und zeichneten sich dadurch aus, dass sie von Verwaltungsgebäuden geprägt waren, die die Römer im Zuge der Kolonisierung errichteten und damit einhergehend eine zeitgemäße Infrastruktur herstellten. Dazu gehörten in der römischen Welt unter anderem Tempel, Theater und dergleichen. Lagen Civitates in Grenzregionen befanden sich in der Nähe auch militärische Stützpunkte wie Kavallerieeinheiten. Civitas Hauptorte waren auch Kolonien, wobei sich diese Begriffe nicht klar unterscheiden lassen. Im Zuge ihrer Eroberungszüge in Gallien trafen die Römer auf unabhängige Völkerschaften die sich politisch voneinander abtrennten, jene Civitates. Aus praktischen Erwägungen heraus knüpften die Römer an diese schon vorhandenen nationalen Grenzen an. So gründeten sie nach ihren Vorstellungen in den bedeutendsten Orten eine Kolonie, überließen aber auch vorhandene nicht mehr erforderliche Stätten der Einheimischen dem Verfall in dem sie die Bewohner in ihre Zentralorte überführten. So konzentrierten sie auch auf Autun das römische Augustodunum, die keltische Widerstandsregion von Bibracte. In römischer Zeit war die Bezeichnung Civitas sowohl für ein Stadtgebiet als auch eine Stadt in Gebrauch. In den neuen Hauptorten siedelten die Römer den einheimischen Adel an den sie so leichter dominieren konnten und machten daraus ihren Beamtensitz. Gegen Ende des 4. Jhd war Gallien komplett zerfallen und verteilte sich nun auf 115 Städte in 17 Provinzen. Die Civitas bildeten in Gallien kein eigenes Gemeinwesen und waren nur der Zentralpunkt eines größeren Gemeinwesens. Das gebräuchliche Wort für eine große römische Stadt lautete Urbs. Auch Rom war eine Urbs. Kleinere Orten nannten sich Municipia oder Oppida. Meistens war die Urbs auch der Vorort der Civitas. Eine bereits ummauerte Ortschaft, also keine Stadt gleich ob sie der Vorort einer Civitas war oder nicht nannte sich Oppidum. Das Wort Castrum hatte immer militärische Bedeutung und Dörfer nannten sich Vici. Aber auch Dörfer hatten wie Städte ihren Bezirk, und bildeten damit einen Teil einer Civitas mit eigener Verfassung. Der Name des Dorfgebietes nannte sich Pagus, manchmal hieß auch das ganze Dorf Pagus. Die alten römischen Civitates blieben auch in den fränkischen Zeiten wirtschaftliche Zentren. Im 5.Jhd. ersetzte und raubte die fränkische Gauverfassung mit dem Gaugrafen viele bis dahin bestehende römische Freiheiten. Ungeachtet dessen, hat die Civitas trotzdem Einfluss auf die fränkische Grafschaftsverfassung genommen. Und so verschieden auch Gau und Civitas waren, so hielt man sich doch fasst genau an die alte Landesgliederung. In Gallien fiel der Gau mit der Civitas räumlich zusammen und trug dann auch selbst den Namen Civitas. Bei den deutschen Lateinschreibern haben sich die römischen Civitas Ortsbezeichnungen noch erhalten. Danach machte die Civitas jedoch eine Wandlung durch. So lag in der Karolingerzeit der Schwerpunkt des Reiches noch in den alten Römergebieten also den Civitas Städten links des Rheins, während sich rechts des Rheins die Burgstädte entwickelten. In der Regel ist eine Urbs der Vorort einer Civitas und an die Civitas knüpfte in den römischen Landesteilen die Gaulandschaft an, so dass in Gallien der Gau mit der Civitas räumlich zusammen fiel  und dann auch selbst den Namen Civitas führte. Aber diese Civitas war nicht mehr die altrömische Civitas. Mit Einführung des Christentums wurde die Stadt zur bischöflichen Residenz und das Stadtgebiet die Civitas wurde zur bischöflichen Diözese. Damit gab die katholische Kirche der Civitas einen neuen Gehalt und die Diözeseneinteilung wurde zur Grundlage der Gaueinteilung. Die Civitas wurde damit im ausgehenden Imperium zur Bischofsstadt. Auf dem Konzil 451 wurde entschieden, dass bei der Neueinrichtung einer Civitas die kirchliche der staatlichen Ordnung folgen sollte. Wird ein Castrum zur Civitas, bekommt die Dorfkirche einen Bischof.  Denn es galt immer der Leitbegriff keine Civitas ohne Bischof. Die ehemalige Reichsabtei Corvey war wie wir wissen, allerdings nie eine Bischofsstadt. Wiederum wurden auch fränkische Diözesen die nie eine Civitas waren später zum Gau. Wo nahm nun die fränkische Gaueinteilung ihren Ausgang, von der politischen Civitas oder von der kirchlichen Diözese. Dazu schreibt Siegfried Rietschel, dass die alte Civitas  verloren ging, wo sie nicht mit der Diözese zusammen fiel. Civitas wurde dann der Name der Diözese, gleich welchen Ursprung sie hatte. Civitas und Bischofssitz fielen auch in merowingischer Zeit regelmäßig zusammen. Hinzu kamen noch die Civitates in den früheren Kastellen. So wurden die römisch - keltisch - politischen Civitates  zu merowingisch - kirchlichen Diözesen. An die kirchliche und nicht an die römisch - keltische Civitas lehnte sich die Gaueinteilung an. Gregor von Tours macht noch den Unterschied zwischen Vicus gleich Dorf und Villa gleich Domäne. In der Karolingerzeit bekamen Villa und Vicus die gleiche Bedeutung. In einer Urkunde Ludwig des Frommen wird zum Beispiel für Würzburg die Schenkung von 28 Kirchen in unterschiedlichen als Villae bezeichneten Ortschaften an den  Heiligen Kilian genannt. In der Karolingerzeit werden Büraburg, Duisburg und Koblenz jedoch verwirrend mit dem untergeordneten Namen Oppida bezeichnet. Ein Bischof ohne eine Civitas war im Merowingerreich undenkbar. In der Merowingerzeit war Civitas grundsätzlich der Name für eine bischöfliche Diözese als auch eine Bischofsstadt sowie der große Gau mit seinem Gauhauptort. Rietschel zieht bei seiner Betrachtung die Sprachgrenze und befasst sich daher nicht mehr Toul und Verdun aber mit dem damals deutschsprachigen Metz und stellte klar fest, dass sich nur befestigte also ummauerte Bischofssitze auch Civitas nannten, unbefestigte Städte nicht. Mit dieser Feststellung untermauert Siegfried Rietschel gewissermaßen die inhaltliche Aussage der Corveyer Inschrift. In diesem Sinne formuliere ich den Text der Inschrift etwas um, denn man könnte auch sagen “Diese Civitates schütze du Kaiser Augustus und deine Abgesandten mögen ihre Mauern bewachen.” Siegfried Rietschel bedauerte auch, dass über einen langen Zeitraum die Forschungen zu Stadtgründungen in der karolingischen Zeit leider ein Stiefkind waren. Die Grundbevölkerung in den Ländern am Rhein und auch noch nördlich davon war die gleiche wie in Gallien mit einer nach Norden veränderten Vermischung und stärkerem germanischen Anteil. Die römische Municipalverfassung lehnte sich an die bestehenden Völkerverbände an. Ob diese keltisch oder germanisch war machte da wenig aus. An der Mosel lehnte sich die Civitas an die Völker der Treverer und Mediomatriker an. So verloren die Vororte  ihre alten einheimischen Namen wie zbs. Divodurum/Metz. Im deutschsprachigen Ostfrankenreich unter den Karolingern waren die alten römischen Bezeichnungen von Anfang an fremdartig. Aber was bedeuteten Urbs und Civitas in der Karolingerzeit. Also in jener Zeit in der Ludwig dem Frommen und Ludwig dem Deutschen die Reichsabtei Corvey unterstand. Welche Orte werden nun auf deutschem Boden Civitas genannt. Aber Achtung, denn nicht jeder Civitas genannte Ort lässt sich auf eine Ebene mit den regelmäßig überlieferten Civitas Orten stellen. Sächsische Quellen übersetzen zum Beispiel fälschlicherweise immer Civitas mit Burg und es waren nur sehr wenige Städte die immer schon den Namen Civitas trugen. Siegfried Rietschel machte bei seiner Auswertung den wichtigen Unterschied zwischen Privaturkunden und Königsurkungen, da die Bedeutung der letzteren Urkunden aussagekräftiger war. Seine Erkenntnisse aus den Privaturkunden habe ich in diesen Text daher auch nicht übernommen. So war Konstanz immer schon eine Civitas und Ludwig der Fromme nennt Strassburg und Worms entweder Civitas oder Urbs, so wie auch Speyer. Nur Augsburg wurde immer nur Civitas genannt und Regensburg ist Spitzenreiter in den Königsurkunden und wird durchgängig Civitas bzw. Urbs genannt. Aduatuca verlor an Bedeutung und wurde durch Civitas Tungrorum ersetzt. Speyer wird in den Königsurkunden 7 x Civitas genannt. Mainz wird in den Karolingerurkunden 6 x Civitas genannt. Köln wird aber nur ein Mal in einer Königsurkunde von Lothar II 866 Civitas genannt und verlor seinen Namen Civitas Agripinnensis erst im Mittelalter. Wie bedeutsam sollte da ein Corvey werden, wenn sogar Köln nur mäßige Erwähnung findet. Trier heißt regelmäßig Civitas. Corvey als Civitas Auguensis erscheint natürlich erwartungesgemäß an keiner Stelle. Das Ende der "Civitas Auguensis (Corvey)" fiel in die Zeit, als Kaiser Tiberius nach den Germanicus Feldzüge anordnete sich auf die Rheingrenze zurück zu besinnen. Und zwangsläufig konnten alle im Betrachtungsraum von Rietschel untersuchten 13 Städte, die ausschließlich und durchgängig immer Urbs oder Civitas genannt werden auch auf Gründungen in der Römerzeit zurück geführt werden. Die "Civitas Auguensis (Corvey)" wie ich sie mal nennen möchte, sollte meines Erachtens und vielleicht in Reihenfolge mit der Römerstadt Waldgirmes, die nach Ansicht der Historiker auch als Civitas geplant war und die das gleiche Schicksal traf die 14. bzw. 15. Römerstadt in der Germania Magna werden. Da der Bau von Waldgirmes bereits dendrochronologisch für das Jahr 4 – angegeben wird, käme diese Gründung einer Civitas Corvey gegenüber sogar noch um 11 Jahre zuvor, wenn man den Baubeginn in Corvey für das Jahr 7 + annimmt. Rietschel geht mit großer Wahrscheinlichkeit auch davon aus, dass diese 13 Städte auch in der ausgehenden Römerzeit bereits Bischofssitze waren. Da sich die ehemalige Reichsabtei Corvey die keinen Bischofsstuhl besaß durch die Hinweistafel Civitatem ebenfalls als Civitas ausweist, kann demnach nur bedeuten, dass hier eine römische Civitas in der Entstehung begriffen war und vielleicht für damalige Verhältnisse sogar schon existierte und daher den Namen auch zu Recht tragen durfte. Corvey wäre bei durchgängig geschichtlicher Entwicklung ohne Brüche also später auch automatisch der Sitz eines Bischofs zugefallen. Da die römischen Eroberungen jedoch zum Stillstand kamen, wurden auch die dortigen Civitas Aktivitäten eingestellt und verharrten auf dem Stand des Jahres  9 +. Das nahe gelegene Bistum Paderborn wurde 799 von Papst Leo III gegründet und war nie eine Civitas. Und nicht nur Bischof Badurad von Paderborn, ebenso auch die Bischöfe der in der gleichen Epoche gegründeten deutschen Bischofssitze hätten eine vom Himmel gefallene “Civitas” Reichsabtei Corvey ohne jeglichen Bezug zu den traditionellen Civitas Städten nicht geduldet. Sie hätten es sicherlich verstanden den Äbten von Corvey gehörig die Leviten zu lesen, wenn diese sich im Zuge der Einweihungszeremonien während der Karolingerzeit grundlos mit der ehrwürdigen Bezeichnung Civitas hätten schmücken wollen. Die Ausnahme konnte also nur darin bestanden haben, dass die Inschriftentafel bereits vor der Einweihung der Abtei ins Mauerwerk der Portalfassade eingelassen war und man sie daher als zur schon bestehenden Bausubstanz gehörig, zur Kenntnis nahm. In Paderborn waren 799 die alten Baureste am Weserufer bekannt. Auf den Zusammenbruch des römisches Reiches folgte nach der Märtyrerzeit die schwierige Phase der Neuorientierung, was sich aber mit der Taufe Chlodwigs um 500 änderte. Von da an lebten die vorhergehenden Bischofssitze wieder auf. Und 12 von den 13 Civitates Orten waren in der Merowingerzeit schon am Anfang des 7. Jhd. wieder oder immer noch Bischofssitze und es waren auch gleichzeitig die bis dato einzigen Bischofssitze auf deutschsprachigem Gebiet. Und genau diese 12 Bischofssitze der Merowingerzeit waren auch, wen wundert es später die 12 Bischofssitze in der Karolingerzeit. Man möchte fasst sagen mehr Kontinuität über die Jahrhunderte ist kaum möglich. Der Sprachgebrauch der Merowingerzeit wonach jede Bischofsstadt auch Civitas genannt wurde, hielt man in der Karolingerzeit des 8. und 9. Jhd. für alle Städte bei, die schon vorher Civitas waren oder vorher Bischofssitze waren. Corvey bildete da offensichtlich ein Unikum, denn es durfte und darf sich sogar bis heute immer noch Kraft Inschrift Civitas nennen, ohne jemals einen Bischof in ihren Mauern gehabt zu haben und nur dank der Tatsache das Varus diesen Ort einmal zum Hauptort auserwählt hatte, und aus ihm eine Civitas machen wollte. In der Karolingerzeit findet sich in Satzungen und Sammlungen auch noch der stehende Ausdruck Episcopus Civitatis. Die Quellen sind dafür aber immer in den westlichen Reichsgebieten zu suchen oder entstanden, in denen es keine Neugründungen von Bischofssitzen gab. In den östlichen Gebieten konnte Rietschel nur eine Neugründung finden, nämlich die Episcopus Civitatis Illius, das Bistum Utrecht. Es wurde  799 dem Erzbistum Köln unterstellt. Erst unter Bonifacius vollzogen sich 739 bischöfliche Neugründungen in Salzburg, Regensburg, Passau und Freising. Spätere Bistumsgründungen fielen dann auch in die östlichen Gebiete, die wie Siegfried Rietschel schreibt, “nie von Römern besetzt waren und wo es keine römischen Städte oder Kastelle gab”. Könnte man ihn heute noch zur Civitas Corvey befragen, seine Antwort wäre natürlich die eines Historikers. In Unwissenheit über die späteren Erkenntnisse schreibt Rietschel 1893 daher auch und aus heutiger Sicht sehr vielsagend, “So werden dieselben besser hier nicht besprochen”. Gegenüber Gallien lässt sich in deutschen Gebieten eine Bezeichnung der Diözese als Civitas oder Urbs an keiner Stelle mit Sicherheit nachweisen. Und so blieb die Civitas Corvey eine einsame Civitas ohne eine sie umgebende Diözese für alle Ewigkeiten. Die Diözese heißt aber in Deutschland regelmäßig Diöcesis, Parochia etc. Sie hieß aber wie Rietschel feststellte nie Civitas oder Urbs und ebenso wenig wird auch in Deutschland ein Gau nie Civitas genannt. Dadurch kam die Gaulandschaft um Corvey vermutlich zu der Bezeichnung Auguensischer Gau bzw. Pagus Auguensis anstelle einer nie realisierten Civitas. Womit auch die umliegenden späteren nicht Civitas Bischofsstädte leben konnten. Eine Diözese die im Mittelpunkt eine Civitas hatte, wurde im ostfränkischen Reich auch nicht mehr Civitas genannt.  So kommt für den Gau der nicht mehr in Verbindung mit der Civitas steht der Ausdruck Civitas auch nicht mehr vor. Die territoriale Bedeutung der Worte Civitas und Urbs ist auf deutschem Gebiet verloren gegangen. Im ostfränkischen Reich wird für das im Umkreis einer Stadt liegende Gebiet der Begriff marca verwendet. Wie wir es auch von der marca Huxori kennen, die teilweise mit dem Pagus Auguensis deckungsgleich scheint. Marca wird nach Rietschel aber nicht ausschließlich für Civitas gebraucht auch Kastelle und Dörfer haben ihre marca. Die marca ist ein fest bestimmter geschlossener Bereich, dass der städtischen Markgenossenschaft gehörige Gebiet. Überliefert sind nur wenige marca wie die Wormser und die Mainzer marca sowie die marca Bingiorum und Megunzer Marca. Ähnlich zur marca existiert der Begriff suburbium, der aber meistens in Verbindung mit Klöstern genutzt wird. Die Civitas war in römischer Zeit immer ummauert, wie wir es auch auf der Inschrift lesen und auf römischen Mauern bauten sich die mittelalterliche Mauern auf. Rietschel stellte schon 1893 fest, “auch wenn die Germanen viele Verheerungen angerichtet haben, römische Mauerreste und Fundamente blieben bestehen und wurden wieder genutzt”. Und das nicht nur in Corvey, denn auch schon Chilperich tat dies im 6. Jhd. und König Dagobert soll Mainz wieder aufgebaut haben. Die großen Klöster lagen aber außerhalb der Städte, doch trotzdem noch innerhalb des Stadtgebietes. Der alte Gegensatz zwischen Bischofsstadt und Kloster also zwischen Urbs und Monasteria, der sich oft in den Quellen der Merowingerzeit findet, bewirkte, dass Klöster fasst immer außerhalb der Stadtmauern errichtet wurden. Klosterstifter wollten immer unabhängig vom Bischof sein, und hätten sich daher und schon gar nicht unberechtigterweise den Namen Civitas zugelegt, der aus alter römischer Tradition für Bischofssitze reserviert war. Der Reichsabtei Corvey hätte daher nur die Bezeichnung Monasteria  zugestanden. Siegfried Rietschel hat uns damit schon vor 124 Jahren mit seiner Ausarbeitung geholfen in Corvey eine römische Exclave mitten in Germanien zu erkennen. Infolgedessen neige ich zu der Annahme, dass Varus auch aus der Großregion um Corvey seinen Zug an den Rhein antrat und sich in Corvey  eine Civitas ausbreiten sollte. Der Rückmarsch zum Rhein begann jedoch meines Erachtens nicht an der Civitas Corvey sondern am militärisch abgeschirmten Legionslager der römischen Kolonie an der Weser. Aber nun wieder zurück in die Unwirtlichkeit Germaniens, wo selbst die Tiere in der kalten Jahreszeit ihren Beitrag dazu leisten mussten um mithilfe ihrer Abwärme die kargen Hütten aufzuwärmen. Und wie Tacitus es beschrieb hielt es daher auch kein Römer lange im Winter im Hinterland aus. Wenn in Germanien die kältere Jahreszeit heran rückte, stellten sich nicht nur die Prozesse im Wachstumszyklus der Pflanzen - und Tierwelt um. Die Bewohner richteten sich ebenfalls darauf ein, schützten ihre Hütten, sicherten sie ab und legten für sich und ihre Nutztiere die nötigen Nahrungsvorräte an. Unter den zahlreichen römischen Zivilpersonen in den Landgütern, Schürfstellen, Minen, Köhlerstätten, den ausgelagerten Handwerksbetrieben und Getreidemühlen im Großraum an der Mittelweser herrschte im Herbst rege Aufbruchstimmung. Das römische Militär in den großen und kleinen Sternlagern, die Straßenposten, Wachturmbesatzungen und Brückenwächter wurden zum Ausmarschlager an der Weser zurück beordert und die Besatzungen der nördlicher liegenden Quartiere im Raum Hameln und Detmold bekamen aus praktischen Erwägungen heraus alle den Befehl sich zum vereinbarten Zeitpunkt auf den Marsch zu begeben um auf direkten Wegen den Haupthafen an der Lippe anzusteuern, wo die Schiffe schon bereit lagen. Es war allgemein bekannt, dass um diese Zeit die alljährliche Räumung der Weserlager ansteht und man sich auf den Zug ins Winterlager vorbereitete. Von da an waren die ortsansässigen germanischen Hilfstruppen der Cherusker gemäß den Vertragsbedingungen gemeinsam mit den Bewohnern der umliegenden Dörfer bis ins nächste Frühjahr für den Schutz und vielleicht auch teilweise für den Erhalt der baulichen Substanz römischer Hinterlassenschaften zuständig. Im spätherbstlichen und winterlichen Germanien war man es nicht gewohnt in Kriege oder Schlachten ziehen zu müssen und auch die benachbarten Germanenstämme dürften es in diesen Monaten mit Ausnahme großer Hungersnöte nicht darauf abgesehen haben, andere Stämme anzugreifen. Rom konnte den Abzug ins Winterlager also angehen, denn im zeitigen Frühjahr war man ja wieder zur Stelle. Die römischen Marsch - und Legionslager ihre Befestigungsanlagen samt Infrastruktur von Brücken und Stegen sowie viele andere Einrichtungen gingen damit in die Verantwortung der einheimischen Bevölkerung über. Man wähnte sie in sicheren Händen, da man sich unter der Cheruskern wie bei treuen Bündnispartner fühlte. Ob man dies allerdings auf germanischer Seite genauso sah, wissen wir inzwischen besser. Eine unterjochte Bevölkerung die allerdings mehr oder weniger unter jeder sommerlichen Fremdbestimmung zu leiden hatte, betrachtet alles aus einem anderen Blickwinkel. Jetzt wo es wieder kalt und lebensfeindlicher werden würde, mussten sie also wieder selbst sehen, wie sie sich durch den stürmischen und regnerischen Herbst und den harten Winter mit Eis und Schnee zu schlagen hatten. Kein Legionär und keine helfende Hand würde zur Stelle sein, um ihnen ihre Hütten nach nächtlichen Schneestürmen wieder abzudichten oder durch Funkenflug abgebrannte Dächer wieder aufzubauen. Man sah im Geiste von den Hüttentüren und Gebirgskämmen schon den Winterflüchtlingen nach wie sie samt Tross und Anhang im Morgennebel abziehen würden, um sich auf den Weg zum Rhein aufzumachen. Dann breitete sich wieder die seltsame Stille unter den zurück Gebliebenen aus und die gerade noch allgegenwärtige Betriebsamkeit wich und kam nach und nach zur Ruhe. Wie viel Vorräte hatte man anlegen können, besser gesagt, was hatte man ihnen gelassen, wurden jetzt zu Fragen ihrer Existenz. Aber die gefräßigen römischen Horden waren sie jetzt erst einmal einige Monate los. Vielleicht malte man sich schon aus, wen man sich aus ihrer eigenen germanischen Umgebung zuerst vorknöpfen würde, weil er oder sie es vielleicht etwas mit der Freundlichkeit gegenüber den Besatzern übertrieben und sich so den einen oder anderen Vorteil versprochen hatten. Bald waren wieder alle unter sich und nur ihren germanischen Göttern und Gesetzen gegenüber verpflichtet, keine römische Gerichtsbarkeit bestimmte über sie und Varus mit seinem Rutenbündel war weit. Vielleicht gab es noch die eine oder andere kurze Winterstippvisite einer Auxiliareinheit oder einer anderen Kohorte, aber das Gros der Besatzer würde jetzt bis auf Weiteres nicht mehr schnellen Rittes ihre Haustiere verängstigen und sie wie Menschen zweiter Klasse behandeln. Drei wichtige Ereignisse fielen bekanntlich im Herbst des Jahres 9 + zusammen. Dies waren der germanische Scheiding also die zweite Äquivalenz der herbstlichen Tag und Nacht Gleiche auch Äquinox bzw. Äquinoktium genannt. Also das Fest der Herbstsonnenwende, dass zwischen dem 21. September und dem 23. September gefeiert wurde. Es wurde von allen Völkern der damaligen Zeit, nicht nur von den Germanen im Einzugsgebiet der Herminonen sondern auch von den Römer gefeiert. Der 72. Geburtstag von Kaiser Augustus aus dem fernen Rom am 23.9.0009 fiel ebenfalls in diese Zeit. Und zu guter letzt kam noch die berauschende Vollmondnacht hinzu. Auf die dritte Septemberdekade konzentrierten sich also sehr bedeutende kultische Feierlichkeiten denen sich keine der beiden Parteien entziehen konnte. Eine optimale Zeit um Emotionen vor allem auf germanischer Seite zu schüren. Durch das nahezu zeitgleiche Zusammentreffen Dreier astronomischer Fügungen wie dem 72. Geburtstag des Kaisers, der Tagundnachtgleiche und einem Vollmond haben sich viele Historiker inspirieren lassen,  ein Szenario zu entwerfen um damit den Lagerüberfall begründen zu können. Das diese Überlegungen jedoch auf schwachen Füßen stehen, soll aber einem späteren Kapitel vor behalten sein. Man schrieb den 23.9.0009 und unter den Römern fanden die Zeremonien zu Kaisers Geburtstag statt und man traf sich meiner Einschätzung nach irgendwo dort, wo sich heute die Parkanlagen des Weltkulturerbes ausbreiten mögen. Es mag fiskalische Sonderzulagen und zusätzliche Zuteilungen gegeben haben um die Stimmung zu verbessern. Abordnungen germanischer Fürsten und Bekundungen der Untertänigkeit machten die Runde und gehörten ebenso zum Ritual wie gegenseitige oder besser gesagt einseitige Loyalitätsbekundungen der Germanen gegenüber dem Statthalter, was von Varus besonders gern gesehen wurde. Sie bestärkten ihn in seiner Auffassung und Einschätzung, die er von den nun befriedeten Germanen gewonnen hatte und vor allem wie er sie sehen wollte. Am Abend vor der beschwerlichen Rückreise kam auch noch mal Segestes mit seinem Gefolge ins Gebäude des Statthalters vielleicht sogar ins Atrium des Westwerkes um ihn erneut auf ein nebulöses Gefahrenszenario hinzuweisen, von dem er Kenntnis bekam und vor dem er ihn nun erneut und letztmalig warnen wollte. Varus wird ihn mit einem Seitenblick auf die tausende schwer bewaffneter Legionäre in den Lagern beruhigt und Arminius wohl als seinen besten Mann bezeichnet haben. Bei dieser Gelegenheit machte der römische Ritter Arminius auch den Vorschlag im Notfall zur Unterstützung noch weitere cheruskische Reiter zusammen ziehen zu können und kündigte nach dem Aufbruch im Verlauf des nächsten Tages an, in die umliegenden Stammesgebiete zu reiten um die besagten Bundesgenossen zu mobilisieren. Diese Idee stieß sofort auf die Zustimmung des Varus und zerstreute seine letzten Zweifel, falls er diese noch gehabt haben sollte. Es herrschte bis auf den Disput bei den aufsässig gewordenen Germanen unweit im Süden, eine vordergründig friedvolle Grundstimmung vor dem Abzug aus der Garnison. (zuletzt am 12.07.2018 um 12:23Uhr bearbeitet.)

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Freitag, 29. Dezember 2017
Arminius schmiedete Pläne - aber welche Option versprach Erfolg.
Wie „befreite“ Arminius Germanien und was mögen seine ersten Schritte und Entscheidungen gewesen sein. Hatte er von Anfang an den Plan, die Legionen des Varus in Gänze zu vernichten, wie weit wurde er von seinem Familienverband beeinflusst, war er am Ende nur eine Marionette im Fürstenhaus der Cherusker, oder hätte den Germanen ein gehöriger Denkzettel an die Adresse des Varus schon gereicht. Er war sich sicher und er hatte eines in seiner Zeit als Halbrömer gelernt. Das Imperium würde eine größere Auseinandersetzung zwischen beiden Völkern, ob erfolgreich für die Germanen oder nicht nie verzeihen. Und damit sollte er auch Recht behalten. Spontane oder unklug vom Zaun gerissene Aufstände hätten keinen Sinn ergeben. Im Gegenteil, einen halbherzig ausgeführten Angriff hätte Rom gar nicht geduldet und nur noch um so mehr heraus gefordert. Darunter hätten die Germanen später schwer zu leiden gehabt. Man hätte alle in die Sklaverei führen können, oder sie günstigenfalls noch nach Gallien umgesiedelt. Eine Methode, die die Sugambrer bereits über sich ergehen lassen mussten und die Karl der Große Jahrhunderte später mit den Sachsen auch erfolgreich anwendete. So gab es auch viele berechtigte Sorgen auf Seiten der Germanen gegenüber einem massiv mit Waffengewalt ausgetragenen Widerstand gegen Rom im Weserland mit ungewissem Ausgang. Er stand folglich unter großem Erwartungsdruck aus dem später Erfolgszwang wurde. Denn eigenes Versagen konnte man damals noch nicht wie heute auf viele politische Schultern gleichmäßig verteilen, letztlich hätte er seinen Kopf hinhalten müssen, ob beim Gegner oder bei seinen eigenen Landsleuten. Auf ihm lastete seinem ganzen Volk gegenüber eine schier übermenschliche Verantwortung sich für die richtige Option zu entscheiden und der Schatten der fehlgeschlagenen Kämpfe bei Arbalo schwebte über allem, was er seinen Landsleuten an Möglichkeiten sich zur Wehr setzen zu können anbieten konnte. Man wird alle Varianten diskutiert haben. Auch ein Lagerüberfall wird darunter gewesen sein, wenn es ihm denn gelingen könnte starke Kräfte unerkannt und punktgenau heran zuführen um bei gleichzeitig geschwächter Lagerbesatzung los schlagen zu können. Arminius wusste auch um die germanischen Schwächen besetzte Lager zu erobern und musste bei längerer Belagerungszeit als Entsatz auch ein Anrücken der zwei Legionen umfassenden Asprenas Armee mit einkalkulieren die irgendwo an der Lippe operierte, ob sie kaserniert oder mit Arbeiten betraut war. Einen Marschzug anzugreifen lässt jedoch größere Rückzugsmöglichkeiten ins Hinterland zu und hätte somit mehr Spielraum gelassen wenn es kritisch geworden wäre. Cassius Dio hinterließ uns bei der Beschreibung des Endszenarios am letzten Kampftag den Hinweis, dass die Germanen größtenteils leicht bewaffnet waren und so die Möglichkeit hatten, ohne Gefahr anzugreifen oder sich eben auch schnell wieder zurück ziehen konnten. Das gilt besonders für Attacken auf einen Marschzug. Auf einen Zug der sich auf einen bekannten Endpunkt zubewegt, kann man an verschiedenen Streckenabschnitten kriegerische Attacken starten, ihn stören und die Koordination dieser zuerst Nadelstich artig vorgetragenen Feindkontakte hätte nicht unbedingt generalstabsmäßig umgesetzt werden brauchen. Ein Lagerüberfall hätte sie immer an die Nähe des Lagers gebunden, wenn der Angriff nicht direkt zum durchschlagenden Erfolg geführt hätte. Gebunden heißt aber auf einen neuen Zeitpunkt oder zusätzliche Kämpfer warten zu müssen und heißt vor allem Geduld aufbringen zu müssen. Warten und gedulden waren für die germanische Seele Fremdworte, darin besaßen sie kein Talent. Eine gewissermaßen naturgegebene unkoordinierte Vorgehensweise auf germanischer Seite offenbaren auch die Überlieferungen von Cassius Dio als er schreibt, dass die Zahl der Feinde in den Stunden als sich Varus tötete noch erheblich zugenommen hatte, denn auch viele andere Barbaren, die vorher noch abgewartet hatten, wären nun erst dazu gestoßen. Nach dem Motto, wer kommt ist da, hing auch damals schon vieles vom Zufall des bloßen Augenblicks ab. Aber wie gelang es Arminius unter diesen Bedingungen erfolgreich zu sein. Man stelle sich vor, er hätte nun einen Lagerüberfall geplant, aber die Kämpfer die er dazu unbedingt gebraucht hätte, kamen erst später weil sie ja noch etwas warten wollten. Wir aber wissen viel zu wenig und schon gar nicht wie viele einzelne Legionslager existierten, oder ob es gar ein Hauptlager an der Weser gab. Obwohl sich auch schon Drusus damit rühmte Wachtposten an der Weser stationiert zu haben. Arminius wurde vermutlich wie alle Germanen gleichen Schicksals als Geisel später automatisch in den römischen Militärdienst übernommen, sprach wohl gebrochen Latein, erlernte die römischen Kampftaktiken, war erfolgreich und behauptete sich lange Jahre in der so genannten Fremde. Das hatte ihn trotz seiner Wurzeln auch verändert und die Cherusker sahen, dass aus dem kleinen Arminius von damals ein respektierter Kämpfer geworden war. Er war nicht mehr der, den man einst weg gab und er konnte die Zeit nicht zurück drehen und so war er auch irgendwie einer von ihnen, den Römern geworden. Wie heißt es so schön, der Prophet im eigenen Land ist nichts wert und gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland. Und hier lag wohl seine größte Baustelle verborgen. Er musste Beweise seiner Qualifikation liefern, denn nicht nur die heutigen Westfalen sind skeptische Menschen. Aber es gelang ihm, er überzeugte und stellte sich mit ganzer Kraft auf die Seite seines Volkes und wurde akzeptiert. Arminius zweifelte vielleicht auch noch lange an sich, denn einen solchen Frontenwechsel vollzieht man nicht über Nacht. In ihm steckte symbolisch betrachtet der römische Stachel und der Zorn allen römischen gegenüber wohl schon länger im Fleisch, aber wie stand es um die westgermanischen Stämme nach den blutigen Niederlagen gegen Rom im Zuge des Immensum Bellum. Es ging schließlich nicht mehr und nicht weniger darum seine Landsleute nach all den Kriegen erneut zu motivieren einen Waffengang gegen Rom zu wagen. Sie mussten ihn allesamt und mehr noch, auch wenn sie waffentechnisch die Unterlegenen waren in seinen Plänen voll und ganz unterstützen, wenn er zahlenmäßig ebenbürtig sein wollte um mitzuhalten. Die ersten Chatten siedelten im Süden der Cherusker ab der Diemel, waren im Fürstenhaus eng mit den Cheruskern verwandt und hatten mit den römischen Streitkräften schon vor längerer Zeit unrühmliche Bekanntschaft gemacht, waren aber wankelmütig. Aber durch ihre Stammesgebiete führten die Durchmarschrouten der Mainzer Legionen unter Drusus nach Norden. Und das Römerlager Hedemünden, dass dort seit etwa bis 8 oder 7 - und wohl auch noch bis in die Jahre der Varusschlacht bestand hatte wurde ihnen, aber auch den Cheruskern schon früh an ihre östliche Stammesgrenze sozusagen statt vor die Stirn hier mal an den Hinterkopf gesetzt. Die Brukterer dürften sich ebenfalls aufgrund der zahlreichen Lippelager schon lange nicht mehr wie die Herren im eigenen Haus gefühlt haben und bei ihnen wird Arminius offene Türen eingelaufen und sie schnell für seine Pläne begeistert haben. Die Marser hatten bereits mit Tiberius ihre negativen Erfahrungen gemacht und hatten mit dem Römerlager Kneblinghausen ihr Anschauungsobjekt römischer Militärarchitektur in Griffweite, dass nach heutigem Forschungsstand in die Zeiten römisch - germanischer Auseinandersetzung zurück reichte. Das gemeinsame Band der herminonischen Wurzeln wurde beschworen und Arminius brauchte jetzt jeden Mann um mit dem römischen Militärapparat fertig zu werden. Für eine erfolgreiche Taktik und Koordination der Germanen war aber nichts hilfreicher, als sich untereinander und das auch über größere Distanzen abstimmen zu können um in engem Kontakt zu bleiben. Nicht nur die Cherusker nutzten reitende Boten zur Nachrichtenübermittlung, auch bei den anderen Stämmen wird es verbreitet gewesen sein, wenn es galt wichtige Informationen zuzustellen. Alles setzte aber auch eine klare sprachliche Verständigung innerhalb der regionalen Stämme voraus. Wir kennen den alten Wortschatz nicht und können seine Facetten, Auslegungsmöglichkeiten und Lautbildungen auch nicht nachvollziehen, wie mag es also um diese damals beschaffen gewesen sein, wie unterhielten sich unsere Vorfahren in Nordwestdeutschland in der Römischen Eisenzeit noch weit vor der Verbreitung des Althochdeutschen untereinander. Runen werfende, wortkarge oder Keulen schwingende Gestalten, wollen da nicht mehr so recht ins Bild passen. Dieses ganze strategische Konstrukt, die Gegner mögen es Komplott nennen unauffällig und hinter dem Rücken von Besatzern und Okkupanten zu betreiben war eine gewaltige Herausforderung für jene Zeiten und erforderte ein Übermaß an Disziplin, Zuverlässigkeit und Vertrauen, was man von „Barbaren“ eigentlich gar nicht erwartet hätte. Sprachliche Missverständnisse aufgrund dialektischer Differenzen hätten die konzertierte Kraftanstrengung schnell zunichte gemacht. Ist man sich aber in den Grundzügen eines geschlossenen Widerstandes einig, so bedarf es bekanntlich nicht vieler Worte um sich zu verständigen. Auch heute noch können wir uns gut in die Welt der wortlosen Kommunikation hinein denken, wo ein Handschlag noch Gesetz war. Wenn das Gegenüber auf einen hohen ausgestoßenen Kehllaut mit einem tiefen Rachenton antwortet, so gilt das übrigens auch heute noch als Frage und Zustimmung. Der Rest war dann nur Formsache. Und mehr bedurfte es auch damals nicht. Den ganzen Einsatzwillen aber allein nur mit dem gemeinsamen Ziel auf reiche Beute zu begründen, greift sicherlich zu kurz. Hier ging es um mehr auch ohne das man das heere Wort Freiheit über strapaziert. Was muss also einer derartigen Großtat so alles voraus gegangen sein, um die Völkerschaften zwischen Prähistorie und frühester Geschichte über recht große Distanzen zu gemeinsamen Handeln zu motivieren die von Natur aus eher zu Kleinkriegen, Reibereien und Kirchturmdenken neigten, als sich Stammes übergreifend zu verbünden. Dieser damals von Rom ausgelöste Druck sich einigen zu müssen, war auch eine der Grundsäulen späterer Zusammenschlüsse als sich in der Völkerwanderungszeit aus Stämmen Völker bildeten. Dieser Methodik folgt man bekanntlich bis in unsere Tage und der europäische Widerstand gegen Napoleon ist nur eines von vielen Beispielen. Wenn sich damals germanische Stämme untereinander bekriegten, so galt noch das alte Sprichwort. “Der Feind meines Feindes ist mein Freund”. Gegen Rom angewendet verlor es in dieser Zeit jedoch seine Gültigkeit, denn obwohl sich die Stämme untereinander nicht immer „grün“ waren, mit den Römern wollte man in Ostwestfalen und den angrenzenden Regionen in dieser Zeit denn doch keine tiefe Freundschaft schließen. Hier standen damals noch keine Minne verwirrten ritterlichen Krieger im Kampfgeschehen, die einem Unterlegenen noch ein Pferd zuführten um ehrenhafte Waffengleichheit herzustellen. Auf den Schlachtfeldern der Antike hat es kein Pardon gegeben und der Barditus des chattischen Fußvolkes gab, wenn sie im Eberkopfkeil angriffen, den unmißverständlichen Schlachtton vor, was nicht den Eindruck von Milde gegenüber dem Feind erzeugt. Und ob sich Germanen vor dem Kampf schwarz anmalten ist nicht klar überlieferten, von den Galliern hingegen weiß man, dass sie sich blaue Körperbemalung zulegten. Alles keine Hinweise auf besondere Nächstenliebe und Rücksichtnahme auf dem Schlachtfeld. Es musste Arminius folglich einiges abverlangt haben, gemeinsam mit seinen Mitstreitern eine schlüssige und für alle plausible Strategie zu entwickeln und diese war sicher nicht aus einer Laune heraus geboren worden, denn es würde um Leben und Tod gehen auch wenn Walhalla schon freundlich winkte. Kaum ein anderer seiner Zeit kannte aber die Mentalität der Menschen so gut wie er, der in zwei Welten aufwuchs. Aber auch die Landschaft zwischen der Egge und der Weser durchflossen von der beschaulichen Nethe war für Arminius Heimat. Übertrieben gesagt, jeder Hügel damals erfreulicherweise noch ohne Windkraftanlagen und jeder Strauch dürften ihm und seinen Mannen bekannt gewesen sein. Und in dem sein Plan langsam Gestalt annahm, wird er sich alle strategisch bedeutsamen Wegeverbindungen, Orientierungspunkte und Geländeformationen auch noch mehrere Male vorher, auch ohne Stoppuhr genau angesehen haben, um so wenig wie möglich dem Zufall zu überlassen. Es mussten dazu im Vorfeld schon Wochen oder gar Monate vorher die Weichen gestellt, Pläne geschmiedet und auch wieder verworfen worden sein. Immer der Gefahr ausgesetzt aufzufallen und damit enttarnt und festgesetzt zu werden, denn wir wissen, dass er nicht nur Freunde unter den Germanen der vier Hauptstämme hatte. Und es sei da der Hinweis auf den Chatten Adgandestrius gestattet, der sich beim römischen Senat später sogar als Mörder von Arminius anbot. Er wird den großen Rat der Sippenältesten wohl mehrfach einberufen haben, um sich der Gefolgschaft aller zu versichern, letzte Einzelheiten zu besprechen und eine gemeinsame Vorgehensweise abzustimmen. Auch Segestes wusste viel, müsste eigentlich an den Gesprächen teil genommen haben und dies offenbart bereits seine dubiose Rolle die er später einnahm. Er hätte Varus am Vorabend der Schlacht eigentlich schon viel mehr Informationen geben können, aber warum auch immer, er tat es nicht. Der Plan musste umsetzbar und glaubhaft sein um auch die letzten Zweifler zu überzeugen, gleich aus welchem Lager sie kamen und welche wahre Gesinnung in Form von Gier oder Rache wem auch immer gegenüber, auch dahinter gestanden haben mochte. Seine Autorität als erfahrener Anführer einer germanischen Kampftruppe in römischen Diensten und seine Stellung ihm germanischen Fürstenhaus der Cherusker sowie als Kenner römischer Verhältnisse half ihm dabei. Für alle beteiligten Stämme stellte sich aber die große Frage wie man denn einen Tag “X” definiert, an dem aus den weit entfernt liegenden Landesteilen zu Fuß oder Pferd dann auch alle zum richtigen Zeitpunkt auf der lang gezogenen Bühne des Geschehens eintreffen könnten. Die Brukterer werden sich gefragt haben, wie man denn unbemerkt an den römischen Posten der Lippe vorbei aus dem Ems - und Lippetal noch rechtzeitig zum Kampfplatz kommen sollte. Den Cheruskern stellte sich die Frage der Erreichbarkeit nicht, da die großen Niederlassungen der Römer auf ihrem Territorium lagen und sie aus Sicht der Römer als eine absolut zuverlässige Kerntruppe galten. Die Waldgermanen der Marser und Chatten müssen sich ebenfalls schon Tage vorher mit Proviant eingedeckt auf den Weg gemacht haben, konnten aber dafür auf genügend Deckung setzen. Die umsichtige Verproviantierung der Chatten auf Kampfzügen hatte uns bekanntlich Tacitus bestätigt. Aber allen musste eines gemein sein, nämlich das Wissen um den genauen Schlachtort die Region und den Zeitpunkt. Der Plan musste allen nach dem alten Motto, getrennt marschieren und vereint schlagen, bestens bekannt gemacht werden, egal was komme. In diesen Zeiten galt jetzt um so mehr das Ehrenwort der Zusage sich an die getroffene Vereinbarung die einem Schwur oder Gelübde gleich kam, zu halten. Und eines war sicher, der Weg zum Ort der Auseinandersetzung musste für alle Kämpfer auch innerhalb einer angemessenen Zeitspanne erreichbar sein. Er hatte für damalige Verhältnisse überschaubar zu bleiben um sich nicht nach zu langen Wegstrecken ausgezehrt und kraftlos in den Kampf werfen zu müssen. Mit anderen Worten mehr als zwei Tagesmärsche sollten es nicht sein, um nicht die ganze Planung zunichte zu machen. Wir wissen um die Bedeutung der richtigen Terminierung und Lokalisierung einer Schlacht oder eines Überfalls, wo selbst der Stand der Sonne, die Wetterlage und die rechtzeitige Zuführung ausgeruhter Kräfte oftmals Schlachten entscheidend sind. Stichwort” „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen”. Aber an die Spitze dieses Kapitels stellte ich die Frage der Strategie. Wie also gedachte Arminius vorzugehen. Wir wissen nicht, ob Arminius schon als Geisel im Kindesalter oder erst als heran wachsender Krieger in die „Obhut“ Roms kam. Arminius wurde um 17 – geboren und könnte im Zuge der Erfolge des Drusus um 10 - frühestens als sieben Jähriger an den Rhein gekommen sein. Alternativ betrachtet scheint es schlüssiger, dass er 5 + als 22 Jähriger nach den Eroberungen des Tiberius den Weg ins römische Besatzungsgebiet angetreten hat. In einer Zeit also, als Rom Kämpfer brauchte und er dann zwischen 6 + und 9 + mit half innerhalb der 15 Legionen umfassenden Armee, den Aufstand in Pannonien nieder zu schlagen. Sollte er den Weg nach Pannonien über die Römerlager am Rhein genommen haben, so wird er möglicherweise aus den Kreisen dort siedelnder Germanen oder römischer Kampfgefährten erfahren haben, welcher germanische Stamm rechts des Rheins im Jahre 51 – Ambiorix Zuflucht gewährt hatte. Wie von Florus überliefert, konnte der sich noch im letzten Moment dem Zugriff Cäsars nach der Schlacht von Aduatuca entziehen. Das es sich bei dem hilfsbereiten Stamm um die Sugambrer gehandelt haben könnte, ist da recht nahe liegend und würde auch deren mögliches Teil Engagement später auf Seiten des Arminius verständlicher erscheinen lassen. Neben Vercigetorix und Ariovist war Ambiorix der Eburone der dritte Stammesführer dem es gelang Cäsar eine empfindliche Niederlage zuzufügen und der daher sogar noch bis zum heutigen Tage in Belgien großes Ansehen genießt. Es ist nicht bekannt wann Ambiorix im Exil verstarb, jedoch besaß sein Sieg Strahlkraft, aber vor allem überzeugte er mit der Methode wie es ihm gelang eine römische Legion samt weiteren 5 Kohorten zu besiegen. Ambiorix lockte sie panisch aus ihrem Winterlager um sie dann auf dem Marsch in einem Talkessel ohne den Schutz eines Lagers besser bekämpfen zu können. Diese Vorgehensweise und Beschreibung ließ sicherlich Arminius in einer Zeit aufhorchen, als dieser noch nicht annähernd daran dachte, sie später einmal selbst anzuwenden. Aber nicht nur der Kelte Ambiorix wies ihm damit und nur rund 60 Jahre nach Aduatuca seinen Weg zum späteren Erfolg im Jahre 9 + in Ostwestfalen. Auch die Nachrichten die Arminius zur Strategie des Hinterhalts bekam, mit der es den Sugambrern und ihren Verbündeten 16 - unter Fürst Melo gelang die römische Reiterei in der Clades Lolliana in einen Hinterhalt zu locken, gingen nicht spurlos an ihm vorbei. Arminius hatte gute Lehrmeister bevor er später in Ostwestfalen die Geschicke selbst in die Hand nahm und nicht ohne Grund hob ihn die „Edda“ in der Gestalt des Sigurd als den größten Heerkönig, mit dem bezeichnenden Hinweis solange die Welt besteht, hervor. Wohlweislich nannte ihn die Edda Heerkönig und nicht Drachentöter. Das Heer war also der Drachen, woraus ich ableite, dass man in späteren Zeiten allen erfolgreichen Heerführern auch den Ehrentitel Drachentöter gab. Wir haben dazu auch gute Vergleiche aus der Indianersprache oder der der Masai Krieger, denn dort ehrte man besondere Kämpfer auch indem man ihnen entsprechende Beinamen allerdings von realen Tiearten verlieh. Aber auch wenn Tacitus die Erfolge des Arminius indirekt rühmt und ihm und seinen Taten damit seine Hochachtung entgegen brachte, so war Arminius unumstritten römischer Staatsfeind Nummer eins. Und was macht man mit einem Feind, dem man gleich einem Phantom nicht habhaft werden kann. Man ignoriert ihn, schweigt ihn tot und versucht vielleicht sogar später seine ganze Existenz in Frage zu stellen. Eine Gelegenheit dazu bot sich dem römischen Staat als man Thumelicus seinen Sohn in die Finger bekam. Den Stabreimen gehorchend hätte seine Anfangssilbe mit „Seg“ beginnen müssen. Dies wurde vermutlich mit Hilfe des Segestes unterwandert. So baute man stabreimend auf dem Namen seiner Mutter auf, in dem man auf ihre Vorsilbe „Thu“ zurück griff und ihn dann lateinisch mit „melicus“ enden ließ. Eine von mehreren Möglichkeiten um die väterliche Wurzel zu Widersacher Arminius zu kappen, zu tilgen oder zu leugnen. Und spätestens in diesen Zeiten gemeinsamer Abwehrkämpfe gegen Rom dürften sich auch Kelten und Germanen noch näher gekommen sein und Rivalitäten früherer Jahre lösten sich auf. An der Glaubwürdigkeit des Geschichtsschreibers und Dichters Florus der für seine Lobschriften auf die Größe Roms bekannt ist und uns die Auseinandersetzungen im Zuge des Varus Ereignisses als einen Lagerüberfall beschreibt, ließe ein von den Germanen inszenierter erfolgreicher Hinterhalt verbunden mit einer mehrtägigen Schlacht natürlich Zweifel aufkommen. In den milden Sommermonaten des Jahres 9 + lullte er Varus ein und klopfte seine Strategie fest, die im Herbst greifen und im Winter beendet sein sollte und die aus einer Kombination bestehen würde. Nämlich „Hinterhalt konstruieren“ und „Köder auswerfen“ oder umgekehrt. Er entschied sich für einen, wenn auch zermürbenden und sich über Tage hinziehenden Angriff auf einen ziehenden Marschkörper, statt auf ein befestigtes Lager. Er wusste nicht, ob sein Plan aufgehen würde, hatte sich vielleicht schon um Asyl bei den Langobarden bemüht und Aliso und die anderen Lippelager lagen noch weit außerhalb jeglicher strategischer Überlegungen. (zuletzt bearbeitet 29.12.2017 - 18:19 Uhr)

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Rom bekam in Ostwestfalen den Fuß in die Tür
Sondierungen und Vorstöße römischer Feldherren nach Osten dienten immer einem konkreten Ziel und waren weder Sonntagsausflüge noch Freundschaftsbesuche sondern immer klare Machtdemonstrationen gegenüber „Halbwilden“ und Unbelehrbaren. Sie begannen in Germanien unter Drusus bereits 12 Jahre vor der Jahrtausendwende also lange vor der Varusschlacht und endeten in der Regel auf höhere Weisung von Kaiser Augustus erst mit dem Erreichen der Elbe, der einen übertritt des Flusses verbot. Obwohl neuerdings in Abrede gestellt wird, dass Rom überhaupt jemals vor hatte Germanien bis zur Elbe oder sogar darüber hinaus zu besetzen. Dem kann man natürlich die römische Natur entgegen halten. Denn ein Imperium, das man in Germanien überall mit offenen Armen empfangen hätte, hätte selbst an Oder oder Weichsel noch nicht seine Grenzen erreicht. Es war damals wie Cassius Dio überlieferte in einem Engpass nahe einem bislang nicht lokalisierten Arbalo wo es in Ostwestfalen im Frühjahr 11 – erstmals zu einem heftigen Gefecht zwischen römischen Legionen und Germanen, vermutlich aus den Stämmen der Sugambrer, Cherusker und Chatten kam. Dieses Gefecht vermutlich im Bereich der Südegge war im Nachhinein betrachtet zusammen mit der Strafexpedition des Drusus im Jahre 12 – ins rheinnahe Gelderland der Auftakt zu den Germanenkriegen die sich über fasst 3o Jahre bis ins Jahr 16 + erstrecken sollten und im Jahre 9 + einen Wende- und Höhepunkt erreichten. In den 8 Jahren zwischen 11 – und 3 – traten die Legionen in Ostwestfalen nicht Erscheinung. Drusus besiegte in dieser Zeit die Markomannen unter Marbod am Main, die Bauarbeiten für die römische Stadt Waldgirmes begannen 4 -,Tiberius siedelte Sugambrer und Sueben in linksrheinisches Gebiet um und Ahenobarbus errichtete vermutlich in der westfälischen Bucht die „langen Brücken“. Erst im Jahre 3 – stieß der Feldherrn Lucius Domitius Ahenobarbus wieder tiefer nach Osten vor. In diesem Fall mal in “rein friedliebender” Absicht überschritt er kurzzeitig sogar die Elbe, wobei er auch zwangsläufig durch Ostwestfalen ziehen musste. Dies geschah aber, ohne das sie die Stämme an der Elbe beunruhigten, in Aufruhr versetzten oder gar römische Expansionspläne kund taten. In diesem Zusammenhang kam es wohl im rückwärtig gelegenen Stammesgebiet der Cherusker zu Stammeskonflikten. In diesem Zusammenhang wurden Angehörige der Cherusker vermutlich aus einer Wort führenden Oberschicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, wurden vertrieben und mussten fliehen. In ihrem Bemühen nach Unterstützung suchten sich diese Ausgestoßenen einen stärkeren Verbündeten und wandten sich an jenen gerade im Lande befindlichen römischen Feldherrn Ahenobarbus um mit seiner Hilfe und unter seinem Schutz wieder in ihr Stammesgebiet integriert zu werden und zurück kehren zu können. Vermutlich erhofften sie sich sogar durch die Legionen auch eine komplette Niederschlagung derer, die nicht auf ihrer Seite gestanden hatten um möglicherweise selbst die Macht zu übernehmen. Wo sich diese Geflüchteten oder Vertriebenen aufhielten, um wie viel es sich handelte und wo Ahenobarbus auf sie traf und weitere Hintergründe sind uns nicht bekannt. Da es allerdings Ahenobarbus nicht gelang ihr Ansinnen zu erfüllen oder Frieden zu stiften, kam es auch nicht zu einer Rückkehr dieser Gruppe und sie wurde ihnen wohl dauerhaft verwehrt. So werden sich die nicht mehr geduldeten Cherusker zwangsläufig einen anderen Aufenthaltsort gesucht haben müssen. Sich anderen Stämmen anzuschließen war wohl nicht angebracht, sodass es denkbar ist, dass diese Schar der Cherusker im linksrheinischen römischen Germanien, man würde heute sagen eine Exilregierung bildeten und in römische Abhängigkeit gerieten. Es mag trotz vieler Befindlichkeiten noch den einen oder anderen Germanenstamm gegeben haben, der ihnen Siedlungsland zugestanden hätte, sollten es aber Cherusker aus einer Oberschicht gewesen sein, so strebten diese sicherlich nach höheren Zielen als danach als Ackerbauer zu enden. Vermutlich passte dies auch besser in die Pläne von Ahenobarbus um die Cherusker zu spalten und er besaß deswegen auch kein großes Interesse an einer Schlichtung mit versöhnlichem Ausgang. Möglicherweise stand der junge Segestes dem Kreis der Ausgestoßenen nahe, denn die dubiose Rolle, die er 12 Jahre später einnahm fügt sich gut in diese Ereignisse. Mehr noch, es wurde für die römische Seite erkennbar, dass sich hier für sie in Ostwestfalen leicht eine Tür öffnen ließ, die für spätere Interessen nützlich sein könnte, da man über sie Einfluss nehmen konnte. Ahenobarbus hatte bei seinem Vorstoß 3 - über die Elbe wieder einiges von den germanischen Machtstrukturen und dem Wesen der Germanen kennen gelernt, bemerkte ihre Zerrissenheit und erkannte die Schwächen. Und natürlich wurde der ungehinderte Durchmarsch der Ahenobarbus Legionen quer durch Germanien von allen Stämmen misstrauisch beäugt und es werden Stimmen laut geworden sein, dieses nicht widerstandslos zu akzeptieren, was die aufgetretenen Unruhen unter den Cheruskern vor dem Immensum Bellum ausgelöst haben könnte. Truppenbewegungen durch Landstriche anderer Stämme möglicherweise ungefragt, sind für alle Anrainer grundsätzlich nicht akzeptabel und bedeuteten auch damals schon einen nicht legalen Akt der Beanspruchung fremden Eigentums. Die Legionen benötigten Fläche für Marschlager und Nahrung für sich, ihre Pferde und Zugtiere, was schnell zu Konflikten und Gereiztheiten aufgrund von begrenzten Ressourcen führen konnte. Die Germanen erkannten im römischen Vorgehen nach den Drususvorstößen die neue Dimension einer zielgerichteteren Vorgehensweise sich neue Provinzen erschließen zu wollen. Eine nun spürbar gewordene unruhige bis aufgeheizte Lage könnte sich nach den Demonstrationsmärschen der Ahenobarbus Legionen zur Elbe und zurück in der Folgezeit in Germanien noch zusätzlich aufgeschaukelt haben die auch Ahenobarbus nicht verborgen blieb. Es hätte zu einem größeren Aufruhr führen können oder hatte sich sogar schon zugetragen, was Rom zu verhindern hatte. Lucius Domitius Ahenobarbus  war Senator stand im engen Verhältnis zum Feldherrn Tiberius und beide beobachteten vom Rhein aus die Szenerie im Osten Germaniens auf eine mögliche Zuspitzung hin. Der Zeitpunkt schien ihnen daher gekommen zu sein sich in Absprache mit Kaiser Augustus dafür entschieden zu haben, nun den gesamten Norden und die Mitte Germaniens endgültig unter dauerhafte Kontrolle zu bekommen. Auf dieser Basis gab Rom den Startschuss für die Vorbereitungen des von 1 + bis 5 + währenden Immensum Bellum in dem auch wieder, wie schon bei Arbalo dem die Römer knapp entgingen erneut die Cherusker im Zentrum gegen die Legionen ankämpften. Vermutlich wegen schlechter und ungestümer Taktik im Zusammenspiel mit den anderen Stämmen hätten sie bei Arbalo einen Sieg erringen können, waren aber am Ende defacto die Unterlegenen, da sie die Schlacht nicht erfolgreich für sich entscheiden konnten. Anders verlief der für Rom letztlich siegreiche Immensum Bellum der im Jahre 7 + die Tür für die Entsendung des Statthalters Varus an die Weser öffnete. Der erste Kontakt mit Varus offenbarte es den Germanen schon und war für sie ein untrügliches Zeichen dafür, dass für Rom nun die Zeit reif war, die einverleibende Provinzialisierung ihres Landes umzusetzen. Nach den Niederlagen im Immensum Bellum wurde aber für die Cherusker auch schmerzhaft deutlich, dass sie weitere mit Waffengewalt ausgetragene Konflikte mit dem Imperium zum Erhalt, im Interesse einer gewissen Restautonomie und im Sinne ihrer eigenen Existenz und Sicherheit zukünftig vermeiden mussten. Im Wissen um die möglichen Konsequenzen wird das Bewusstsein um die kritische Lage auch die spätere Vertragsregelung des Imperiums insbesondere mit der Rom kritischen Oberschicht der Cherusker beeinflusst haben. Die Parteien im Fürstenhaus der Cherusker waren nun gezwungen einen Mittelweg, irgendwo zwischen kriegerischer Auseinandersetzung und kompletter Unterwerfung zu suchen. Es wollte fortan gut durchdacht sein, ob man noch eine langfristige Auseinandersetzung auch auf Partisanenebene mit den römischen Feldherren riskieren wollte, oder besser diplomatisch vorging. Diplomatie war nun mehr gefragt als die blanke Waffe und die Cherusker mussten Männer an die Verhandlungsfront entsenden, die der römischen Zungenfertigkeit halbwegs gewachsen waren. Wer in diesen Jahren von germanischer Seite Geschick bewies, konnte noch was für die Seite der Cherusker heraus schlagen aber ungünstigenfalls auch viel Porzellan zerschlagen. Die Cheruskereliten waren nun gefordert diesen Spagat zu meistern. Der gesunde Menschenverstand rät in diesem Fall jene Cherusker in die Verhandlungskommission zu schicken, die es noch am Besten mit den Römern konnten. Ähnlich wie es später im Pfälzischen Erbfolgekrieg Hans Anton zu Eltz - Üttingen gelang. Er war ein im Rang hoch stehender Offizier, aber im französischen Heer und konnte daher nur deswegen die Burg Eltz vor der Zerstörung bewahren. So wird man auch damals auf die Kräfte der Rom treuen Cheruskerfraktion gesetzt und sie vorgeschickt haben. Und so könnte sich in dieser Zeit Segestes im Zuge der Verhandlungen seine umstrittenen Verdienste um den Cheruskerstamm erworben haben, bevor er dann selbst erkennen musste, dass man ihn über den Tisch gezogen hatte. Aber auch ein Vertrag mit schlechteren Konditionen konnte Angesichts drückender römischer Überlegenheit noch das kleinere Übel sein. Der Feind stand schon im Land die Kriege hatten die Cherusker geschwächt. Zu diesem Zeitpunkt konnte aber noch keiner ahnen, dass dies nicht nur ein schlechter sondern ein harter Knebelvertrag werden würde. Denn es war ein erster Schritt und damit die Basis für den Einmarsch römischer Legionen samt Standlager auch östlich der Egge. (zuletzt bearbeitet 29.12.2017 - 18:19 Uhr)

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Montag, 11. Dezember 2017
Der Cherusker mit den zwei Namen - den Ersten suchen wir noch
Der 30 jährige Krieg Roms gegen die Westgermanen unter ihrem letztlich siegreichen Anführer im feuchten und nebelverhangenen Germanien, dem in der deutschen Geschichte noch zwei 30 jährige Kriege folgen sollten, strahlte aus. Auch an der Bevölkerung des hohen Nordens bis Island, den britischen Inseln aber auch an den Menschen weiter im Osten noch über Ostsee und Oder hinaus, gingen die grössten Schlachten die es wohl jemals in Zentralgermanien gab, nicht ohne deren Kenntnisnahme stillschweigend vorüber. Auch ohne über die jeweilige Kampfstärke zu spekulieren, geht man allein bei Idistaviso davon aus, dass sich hier zwei gewaltige Heere gegenüber standen. Man kann allerdings den Eindruck gewinnen, als ob sich der Informationsfluss aus dem Schlachtenraum stärker und gradliniger nach Norden orientierte und verbreitete um dann von Dänemark über Norwegen Island zu erreichen, als dass er sich wegen der isolierteren Lage bedingt durch die Ostsee in den Osten Skandinaviens bis zu den heutigen Staaten Schweden/Gotland oder Finnland ausbreitete. Die Nachrichten sickerten also wie man so sagt durch und man versuchte sich natürlich bis in die entferntesten Winkel von den Ereignissen an der Front, gemessen an den damaligen Möglichkeiten ein in etwa klares Bild zu verschaffen. Und überall wird man sich in den Fürstenhäusern beratschlagt und auf Neuigkeiten gewartet haben. Im Norden hatte man für die bis dato unumstritten größte germanische Heldengestalt in Person des erfolgreichen Schlachtenlenkers eine Vielfalt germanischer Abstammungsnamen parat. Davon könnte sogar einer sein wirklicher Name gewesen sein. Ostwestfalen lag auch damals schon im kontinentalen Zentrum Mitteleuropas und die Völker des Nordens waren eng mit den Schauplätzen im Weserraum verzahnt. Sie wussten und kannten auch noch die richtigen Namen der alten Recken und griffen daher naturgemäß auch in ihren ersten Schriften auf sie zurück. Namen wie Arminius, aber vor allem die germanischen Namen Segimund, Sigfrid oder Sigurd die mit der cheruskischen Segimer Sippe namensverwandt sind, waren geläufig und in aller Munde und wurden daher, was niemand verwundert im frühen und hohen Mittelalter über die nordische Sagenwelt auch wieder in den Süden zurück gespült. Schreitet man also auf diesem Weg zurück, müsste auch der germanische Originalname von Arminius mit den Anfangsbuchstaben Seg-/Sig begonnen haben. Man blieb damals in der fest gefügten Tradition der Sippensprache indem man zu jener Zeit Familiennamen miteinander staben ließ. Der Name des alten Varusrivalen Arminius aus der Sippe des Segimer geleitet uns daher auch genau in diese Richtung. So birgen die verführerischen Vorsilben Seg-/Sig der Anverwandten von Arminius viele Kombinationsmöglichkeiten in sich und unerschöpfliche Forschungsansätze für die Onomastik. Und einiges spricht in der Tat dafür, dass der germanische Name von Arminius mit dem ihn seine Mutter rief, mit einem Seg-/Sig begann. Die Endsilbe ist uns allerdings unbekannt. Aus den Vorsilben Seg-/Sig bildeten sich in der Welt der Sagen demnach die drei Namensformen Sig - mund, Sig - urd und Sig – frid heraus, die uns inhaltlich über die diversen germanisch/ frühmittelalterlichen Heldenlieder überliefert sind. Sich allein diesen Namen zu widmen, stellt bereits einen eigenen Zweig der Wissenschaft dar. Ein Name des Drachentöters aus den Liedern des Codex Regius (Edda), der Thidrekssaga und des Beowulfliedes lautet Sigmund. Sigmund der Wölsunger hat aber als Vater von Sigurd/Sigfrid als der er in der Sagengeschichte auftritt eine eigenständige Entwicklung genommen. Diesen Namen Sigmund erkennen wir aber auch in seiner römifizierten Form nämlich Segimundus, dem Sohn des germanischen Arminius Widersachers Segestes. Zwei Theorien die sich jedoch nicht verbinden lassen, denn Vater kann nicht gleich Sohn sein. Diesen Namen aus der rivalisierenden Nachbarsippe, also den gleichen Namen dann auch für den Sohn von Segimer zu benutzen, wäre innerhalb der führenden Fürstengeschlechter der Cherusker bestimmt nicht der Fall gewesen. Der Name Sigmund stammt aus der verschlungenen Sagenwelt des germanischen Nordens. Sigmund war darin der Urenkel von Sigi aber auch der Ururenkel von Odin dem germanischen Kriegsgott. Geht man nach der nordischen Sage, so wäre Sigurd/Siegfried des Sigmund Sohn immerhin auch mit dem germanischen Kriegsgott verwandt gewesen und stieg damit schon fasst zum Halbgott auf. Man hob ihn auf göttliches Podest und die Menschen vor 2000 Jahren haben sich, da sie noch kein Bundesverdienstkreuz kannten, für diese zeitgemäße Form der Ehrung entschieden. Eine besondere Art der Hochachtung die die Germanen sicherlich nicht jedem Irdenmenschen zukommen ließen. Sigurd muss nicht nur etwas ganz besonderes gewesen sein, er war es auch wie uns alle, besonders die römischen Quellen bestätigen. Und dieser Held, dass wussten die Nordgermanen stammte aus ihrer Blickrichtung aus Südgermanien, genauer gesagt aus der Region zwischen Osnegge dem heutigen Eggegebirge und dem Wesertal mit dem angrenzenden Solling und damit auch noch aus ihrer Mitte. Jede nachfolgende Generation im Großraum Germaniens wusste um die Dimension der blutigen Aufeinandertreffen beider Völkerschaften. Obwohl aber der klare Blick auf die konkreten Abläufe immer blasser wurde, wuchs von von Jahr zu Jahr die Erkenntnis um die Tragweite der großen Schicksalsschlachten. So stellte sich mit zunehmendem Abstand zu den Ereignissen eine Kultur des sich Erinnerns ein. Die Überlebenden berichteten von ihren Taten und heroisierten sie. Gab es Zeugen musste man wohl mehr bei der Wahrheit bleiben, fehlten diese konnte man auch etwas dicker auftragen. Der Cherusker "A" brüstete sich mit einem Sieg in einer Eggeschlucht gleichzeitig zwei Legionäre nieder gestreckt zu haben, während es dem Angrivarier "B" bei Idistaviso gelang noch einen Römer vom Pferd zu stoßen, obwohl er selbst schon halb im Sumpf der Weserauen feststeckte. Neutrale Kriegsberichterstattung suchte man vergeblich. Jeder hatte seinen persönlichen Erfolg über den er berichten konnte. Die Erlebnisse zusammen gefasst waren endlos und immer wieder kamen neue hinzu und steigerten sich in den Erzählungen der Enkel und Urenkel. Eine Welt des Schreckens hatte sich durch ihre Taten in die Herzen unserer Urbevölkerung eingebrannt und die Zuhörer vergaßen vor staunen die Welt um sich herum und glaubten ihnen jedes Wort ungleich von welcher Örtlichkeit zwischen Ems, Lippe und Weser gerade die Rede war. Germanicus und seinen Männern dürfte es damals nicht gelungen sein anlässlich der zeitlich begrenzten Stippvisite alle noch vorhandenen Knochen aufzufinden und zu bestatten. Bis in die schwer erreichbaren Hanglagen werden sie nicht vorgedrungen sein. Die Schätzungen der an der Varusschlacht beteiligten Kämpfer auf römischer Seite gehen von 15 – 20.000 aus und alle sollen bis auf wenige Überlebende umgekommen sein. Auch noch zahlreiche nicht geborgene also nicht bestattete Germanen dürfte es gegeben haben. Man kann also eine Schätzung wagen, wonach sich auf den Schlachtfelder im Jahre 15 + noch die Knochenreste von annähernd 20.000 Menschen die auch von der damaligen Tierwelt in den sechs Jahren nicht verspeist worden sein können. befunden haben könnten. Der menschliche Knochenanteil liegt bei etwa 8 kg pro Skelett und wenn ein leerer vierachsiger Drehgestell Güterwagen der Deutschen Bundesbahn 22 Tonnen wiegt, kann man sich ausrechnen was hier zusammen gekommen wäre, hätte man sie alle unter einem Tumuli aufgehäuft. Es werden sich also in den versteckten Sümpfen und entlegenen Waldgebieten noch so manche Oberschenkelknochen über die Jahrzehnte und länger erhalten haben. Je nach Bodenbeschaffenheit finden sich auch bei archäologischen Ausgrabungen immer wieder und noch bis in unsere Tage gut erhaltene Skelette an anderen antiken Kriegsschauplätzen. Der Regen wird also auch noch nach sehr vielen Jahren immer mal wieder den einen oder anderen Knochen frei gespült haben. In den Zeit unmittelbar nach der Schlacht konnten die Menschen der Region noch in etwa sagen, hier war es, als dies passierte und dort als jenes geschah. Mit jedem Hügel, Baum, Wasserlauf oder Sumpf ließ sich damals noch ein kriegerischer Akt verbinden. So gingen die Einheimischen noch selbst nach Jahrzehnten an den Wegekreuzungen und Baumstümpfen mit schaudern vorüber und ganz besonders dort, wo es zu den blutigsten Treffen kam. Und da wo sich noch lange die Knochen türmten, war es am schaurigsten für sie. Denn hier fielen in der Schlacht auch viele ihrer engsten Verwandten oder Stammesangehörigen die ihnen noch persönlich bekannt waren. Tacitus der, obwohl er selbst Germanien nie betreten hatte schrieb bekanntlich, dass man in den “heiligen” Heinen die Altäre der Germanen fand, auf denen sie die Tribunen und Centurionen ersten Ranges geopfert hatten. Hier wurde damals der Grundstein für alle späteren Legenden gelegt. Und wen wundert es da, dass man aufgrund dieses mit Knochen und Erinnerungen dicht übersäten Boden eine ganze Großregion, auch ohne gemeinsame Absprache und nur kraft kollektiver Rückbesinnung, zum heiligen sakralen Ort, sozusagen für alle Ewigkeit erklärt hat. Letztlich wurden die Spuren nach jedem Jahreswechsel weniger, aber die Knochenreste beflügelten auch noch die Phantasien späterer Generationen, die nur noch über schwache oder gar keine Erinnerungen mehr verfügten. Für sie boten die weißen blanken Rippenknochen oder die Reste von Schädeldecken immer wieder Stoff für neue Gruselgeschichten. Und was man nicht wusste, reimte man sich zusammen. Woher konnten die Knochen auch anders stammen, als von einem riesigen menschenfressenden Drache der hier einst irgendwo seine Höhle hatte und sein Unwesen trieb, bevor man ihn zur Strecke brachte und den Rest steuerte die lebhafte Mythologie dazu. So verwundert es nicht, dass die Mönche im Zuge der Christianisierung später die größte Mühe hatten, all dies aus den Köpfen der Menschen zu verbannen. Bis in die Neuzeit treibt es den Menschen an die Orte an denen er sich gegenseitig die größten Grausamkeiten zufügte. Morbider Schlachtentourismus ist heute ohne Selfie nicht mehr denkbar und ist immer noch attraktiver denn je. Vergleichbar mit der „Voie Sacrée“ dem heilig genannten Weg von Bar-le-Duc nach Verdun und bis zum Beinhaus von Douaumont wo die Knochen von über 130.000 Gefallenen liegen. Über diese Zuwegung wurde in Frankreich während der Schlacht um Verdun die Truppenversorgung solange sicher gestellt, bis sich der Feind, der damals aus dem Osten kam zurück zog. Auch heute noch ist diese Region an der Maas reich mit Denkmälern an alte Zeiten gut versorgt. Aber hier in Ostwestfalen hatten vor 2000 Jahren die Götter ihre Hand noch unmittelbar im Spiel gehabt oder mussten sie ähnlich wie auf dem Olymp gehabt haben. Und welcher Gott wäre da für unsere leichtgläubigen Vorväter nicht nahe liegender gewesen, als alles dem germanischen Kriegsgott Odin zuzuschreiben, der den Germanen den Sieg schenkte und den die Südgermanen Wodan nannten und den man später kurzerhand zum Urahnen des Sigurd/Sigfrid erklärte. Nach den germanischen Verteidigungsschlachten bei denen der germanische Götterhimmel und die furchtlosen Recken erfolgreich gegen den römischen Kriegsgott Mars zusammen standen und sich gegen ihn durch setzten, legte sich über die ganze Region eine Art unwirklicher und dämmerartiger Schleier, wie man ihn mit dem Ragnarök also der Götterdämmerung vergleichen könnte oder beschrieb. Odin konnte danach auf den Trümmern des ostwestfälischen Weltenbrandes eine neue Welt entstehen lassen, was zur Folge hatte, dass sich die zahlreichen germanischen Kleinstämme zusammen schlossen und miteinander zu großen Völkern verschmolzen. Odins Zögling Sigurd/Sigfrid hatte dazu seinen großen Beitrag geleistet und der neuen Zeit die Tür geöffnet. Dem Landgang der Midgardschlange was große Überflutungen aus löste und ebenfalls der nordischen Mythologie entnommen ist, schrieben die Germanen wohl zu, dass am 23.9.0015 eine schwere Sturmflut die Legionen an der Nordseeküste traf, wodurch weite Küstenlandstriche überschwemmt wurden und viele Römer unter Feldherr Germanicus umkamen. Nach dieser Flutkatastrophe des Jahres 15 + und den Schlachten von Idistaviso und am Angrivarierdamm 16 + war es wieder an der Zeit, dass sich nach den Wanen nun das zweitälteste Göttergeschlecht nämlich die Asen auf dem nahe gelegenen Idafeld treffen konnten um über das Weitere zu beratschlagen. Im Jahre 9 + platzte jedenfalls Walhalla aus allen Nähten und die vollen Tischplatten an denen sich die Asen labten, mussten sich unter dem reichlichen Überangebot aus dem Varustross nahezu nach unten gewölbt haben. So muss es jedenfalls den beteiligten Stämmen damals vorgekommen sein und wohl erst den Nachfolgegenerationen in der Mitte des 1. Jhd. wurden die Geschehnisse begreifbarer und ihre Auswirkungen und Konsequenzen bewusster, auch wenn die Veränderungen noch lange auf sich warten lassen sollten. Man hatte in den langen Winternächten die nötige Zeit um alles aufzuarbeiten und nach Erklärungen für alles suchen. Nach dem Jahre 16 + sind uns jedenfalls über einen sehr langen Zeitraum keine weiteren Schlachten mehr zwischen Römern und Germanen in Ostwestfalen überliefert und es kehrte Schlachtenruhe ein. Für beide, Römer und Germanen griffen damals die Götter noch unmittelbar in die Geschicke und das Geschehen der Sterblichen ein, hier waren sie noch allgegenwärtig, ganz so wie es uns aus allen antiken Götterhimmeln besonders aus Griechenland überliefert ist. Das Heidentum erlebte damals in Ostwestfalen eine Sternstunde, denn nur hier stand man wie an keinem anderen Ort in Germanien mit Asen und Wanen auf Du und Du. Und wo Wodan/Odin die Macht hatte, konnte sinnbildlich gesprochen seine Gefolgschaft auch nicht weit sein. Die Felshänge und Klippen der Egge aber auch die zahlreichen aus der Landschaft empor steigenden mit Wallanlagen gekrönten Kleingebirge wie der Ith oder der Deister wirken auf den Betrachter noch bis heute unnatürlich bis überirdisch. In dieser Region erkannten schon die Altvorderen die geöffneten Tore nach oben, wie im Hlidskjalf Turm des Gylfaginning mit den goldenen Schindeln so schön beschrieben ist. Und hier in der Egge hatten endlich auch die Asen ihr Heimstatt gefunden, hier konnte sie unter und über der Wolkendecke also in Midgard und Asgard gleichermaßen den Sieg feiern und im Zechen sollen die Germanen bekanntlich nicht die schlechtesten gewesen sein. Ich erinnere mich da auch noch an die Worte meiner schlesischen Mutter, wenn damals mein Teller zu voll war, aber der Hunger fehlte. Dann begann ich irgendwann damit, mit der Gabel nur noch lustlos im Essen herum zu stochern. Sie sagte dann, ich solle mit dem Essen nicht so „asen“. Und so stellte man sich die Asen wohl damals vor. Sie schwelgten schon im Überfluss und es wurde immer noch auf großen Platten nachgereicht. Der Namensbezug zwischen den Asen und dem Osning oder der Osnegge wird in der Bezeichnung Asenegge und den vielen gleichklingenden Ortsnamen um nur Asemissen zu nennen, augenscheinlich. Nur hier konnte nach damaliger Vorstellung der Ort gewesen sein, wo sich Odin/Wodan mit seinen Asen nachdem dem großen Schlachten nieder ließ. Im Gegensatz zum Kriegsgott Odin, war aber wohl in der nordischen Mythologie Tuiskon, Tuiston, Teut oder Teutates der Urvater des Volkes schlechthin, der sowohl bei den Kelten als auch den Germanen hohes Ansehen genoss und der ebenfalls in der Mythologie unserer Vorfahren eine wichtige Bedeutung hatte. Tacitus schrieb in seiner Germania über Tuisto, dass die Germanen ihn in alten Liedern als Stammväter und Begründer ihrer Völkerschaft verherrlichen würden. Und auch dieser Name taucht in der Region noch vielerorts auf. Fasst man diese Überlegungen zusammen ist es einleuchtend, dass die Nordgermanen auch eine Verbindung von Sigurd über seinen Vater Sigmund zum Kriegsgott Odin erkannten und herstellen wollten. Die Schicksalfigur des Sigurds des Drachentöters handelte im Auftrag seines Urvaters Odin und konnte daher auch nur als Sieger vom Platz gehen. Und wer einen Kriegsgott in der Verwandtschaft hat wie Sigurd, den kann man auch nur mit Kriegen und Schlachten in Verbindung bringen und der belässt es nicht dabei ein Fabelwesen aus dem Weg zu räumen. Doch in der nordischen Sagenwelt wird auch dem Vater des Sigurd nämlich Sigmund zugeschrieben ein Drachentöter zu sein. Wenn Sigurd mit Siegfried identisch ist und er einen Drachen tötete, aber auch der Vater Sigmund Drachentöter genannt wird, so wirft dies Fragen auf. Ich halte es für denkbar, dass die Bezeichnung „Drachentöter“ später in Anlehnung auf den Urknall in Form der Schlacht des Jahres 9 + auch auf andere siegreiche Feldherrn und Schlachten übertragen und angewendet wurde. Als die Sagen nach langer Zeit nieder geschrieben wurden, blickte man nicht allein auf die Varusschlacht zurück, sondern auf alle kriegerischen Auseinandersetzungen, die die Westgermanen mit den Römern in den 30 langen Jahren führen mussten, bis Kaiser Tiberius den Schlußstrich zog. Man konnte natürlich später nicht mehr die Schlachtenabfolgen zeitlich und örtlich zusammen fügen und wählte somit den Sammelbegriff „Drachentötung“ herrührend vom ersten großen Schlagabtausch gegen Varus mit seinem Heerwurm samt flatterndem Drachensymbol an seiner Spitze, was sie wohl alle beeindruckt hatte. Fragt man heute einen Menschen, ob die Schlacht von Stalingrad vor oder nach der Landung der Alliierten statt fand, so wird man schon nach den wenigen vergangenen Jahrzehnten in viele fragende Gesichter blicken. Und so beließ man es auch in den Zeiten der Völkerwanderung dabei. Die Asenegge lag im Zentrum dieser Betrachtung und wurde daher auch zum Dreh – und Angelpunkt der Geschehnisse. Sigmund war aber der Sage folgend, der Vater des Helden Sigurd, hatte somit eine ungleich andere Position in der Familienhierarchie inne und käme daher aus zweifacher Hinsicht nicht als der gesuchte germanische Name für Arminius in Frage. Folglich klammere ich ihn bei dieser Betrachtung auch aus. Es blieben also noch Sigurd und Siegfried übrig die aber ein und die gleiche Person waren. Von beiden Namen favorisierten jedoch die Nordgermanen den Namen Sigurd der für sie gleichbedeutend mit Siegfried ist. Sie verknüpften aber seinen Namen mit der Norne Urd also mit dem Begriff Urd, der das Schicksal und die Vergangenheit verkörpert. Aber warum entschieden sich die Nordgermanen für Sigurd die nordische Namensvariante des Sigfrid und griffen nicht gleich auf Sigfrid zurück. Sigfrid begegnet uns im Nibelungenlied als der mutige Schlachtenlenker sprich Drachentöter. Die zweite Silbe “frid” im Namen Sigfrid steht für Friede, Schutz und Sicherheit. Als Arminius um 17 – zur Welt kam, begannen die immer schon unruhigen Zeiten noch unruhiger zu werden. Der Römer Lollius unterlag um 17 oder 16 – im Linksrheinischen, den auch teils rechtsrheinischen germanischen Stämmen der Sugambrer, Tenkterer und Usipeter. Um diese Zeiten war weiter oben in Ostwestfalen der Wunsch nach Friede, Schutz und Sicherheit möglicherweise wichtiger. Man war noch an einer Kontaktaufnahme mit den Römern, den neuen starken Nachbarn im Süden interessiert. So war ihnen auch daran gelegen, sich aus den Querelen und dem kölschen Klüngel westlich des Rhein heraus zu halten. Vielleicht hatten sie um diese Zeit sogar noch die Vision, sich mit ihnen irgendwie zu arrangieren, wie es auch viele keltische Stämme taten, die aber am Ende die Verlierer waren und dafür ihre Selbstständigkeit und vieles mehr opferten. Da diese hoch entwickelten Römer bewiesen hatten, wie sie ihre Feinde die Kimbern, Teutonen, oder die gallischen Stämme der keltischen Arverner bezwangen war große Vorsicht geboten. Viele germanischen Völker ließen die besten Männer ihrer Stämme in Auxiliareinheiten für Rom kämpfen um dort ihr Kriegshandwerk zu vervollkommnen oder übergaben die Jüngsten als Geisel und als einseitige Garantieleistung in die römische Obhut, um diese römisch zu infizieren, aber auch um sie zu infiltrieren und ihnen die damalige Leitkultur näher zu bringen. Wie es bei allen Fürsten und Fürstensöhnen und das wohl nicht nur bei den Cherusker üblich schien, setzte man an den Anfang von Namen die Buchstaben zur Sippenerkennung. Seg-/Sig lauteten sie bei den Cheruskern. Aber was folgte danach. Im Namen Sigfrid ging ich auf die Endsilbe „fried“ ein. Beim Namen Segestes entdeckt man eine andere Herkunft. Denn man erkennt hier die sprachliche Nähe des Namens zum germanischen Wort für Macht nämlich “seg es” oder “seg ez”. In die Namen legte man bei den Germanen immer schon die göttliche Fügung und für Segestes war dies ein Vermächtnis. Segestes könnte sich kraft dieses magischen Namens schon als vorbestimmter Machthaber gefühlt haben und beanspruchte innerhalb der cheruskischen Fürstenhäuser von Geburt an die ihm zustehende Führungsrolle, was Rivalität bedeutet. Wie die Reichtümer im Cheruskerland verteilt waren wissen wir nicht, aber bis in unsere Zeit sind es die Großbauern und Sippen, die vieles mit bestimmen. Möglich ist, dass seine Sippe mehr Land und Einfluss besaß, eine größere wirtschaftliche Leistung oder mehr Krieger aufbieten konnte, als die des Fürstenhauses von Segimer. Auch eine Vielzahl gut nutzbarer Salzschürfstellen könnte seine Macht begünstigt haben. Allerdings verfügten auf einem Streifen zwischen Unna, Werl und Soest bis Lüneburg und Salzgitter viele Regionen Westfalens und Norddeutschlands geologisch bedingt über ausgeprägte Salzvorkommen, so dass daraus nicht unbedingt ein herausragender Wohlstand einer einzelnen Sippe abgeleitet werden kann. Der Rom treue und mächtige Segestes bestimmte bis ins Jahr 9 + die Politik der Cherusker in großen Teilen maßgeblich mit. Solange wie man sich am schwächeren Hebel der Macht wähnte, schien dies auch angebracht zu sein. Denn man konnte vor der Rückkehr des Arminius und auch noch nach dessen Eintreffen an der Weser nicht ahnen, dass da einer kam, der das Blatt noch mal wenden würde. Segestes war sicherlich auch maßgeblich am Zustandekommen des Bündnisvertrages mit Rom verantwortlich, der die Römer ermunterte Varus zu entsenden. Um die Machtverhältnisse in die Richtung des Hauses Segimer zu verschieben, lag es wohl in der Absicht von Arminius die Tochter von Segestes zu ehelichen. Nicht umsonst wird spekuliert, dass auch sein Streben nach Königswürde ein Motiv für den Familienmord an ihm war. Spätestens nach der erfolgreichen Varusschlacht schlugen die Sympathien gegen Segestes um, man wollte ihn an der Weser nicht mehr. Segestes musste sich entscheiden, wechselte komplett auf die römische Seite und starb später im gallischen Exil. Aber noch im Jahre 469 deutet der Name Sigismer eines rheinfränkischen Königssohnes darauf hin, dass man sich immer noch diesem alten Namensstrang in Westfalen verpflichtet fühlte. Zu Cheruskerzeiten hätte man Sigismer den Brukterer oder Ripuarier wohl noch Segimer genannt. Urd war in Germanien auch ohne die Verbindung zur Norne Urd bereits zu Arminiuszeiten das Schicksal, so gab man Arminius nach der erfolgreichen Schlacht im Norden Europas auch den Namen Sigurd weil er es war, der in frühesten Zeiten erfolgreich das Schicksal heraus forderte und es mit Hilfe Odins und der Nornen meisterte. Die Nordgermanen betonten also aufgrund seiner Taten mehr den schicksalhaften Bezug. Denn sein Erfolg war ihm natürlich nur dank dazutun der Götter beschieden und alles konnte ihm auch nur mit Segen von oben gelingen. Schließlich war Sigurd auch der nordischen Sage nach direkter Nachkomme des germanischen Göttervater Odins. Man rückte Arminius im Norden damit ganz bewusst nahe an den germanischen Götterhimmel heran, statt es beim menschlichen Namen Sigfrid zu belassen. Denn nur einem späteren Enkel des germanischen Kriegsgottes konnte es auch gelingen die Römer in Gestalt eines Drachens zu bezwingen. Das deutet daraufhin, dass in Nordgermanien der Originalname des Cheruskers nicht bekannt war oder er dort nicht in die heidnische Vorstellungskraft passte. So stehen sich auch bei seinem germanischen Urnamen mit Siegfried oder Sigurd zwei Theorien gegenüber. Aber konnte man zu Zeiten seiner Geburt denn schon ahnen, dass Arminius einmal derart vehement und geradezu schicksalhaft das, und damit auch sein Schicksal heraus forderte und es herauf beschwor ? Dann hätten ihm die Götter bei seiner glorreichen Zukunft auch gleich den Namen “Schicksalbezwinger” mit in die Wiege legen können. Die Nordgermanen waren also keine Hellseher und gaben ihm den Namen auch erst nach seinen Taten. So gehe ich auch davon aus, dass man ihm im Norden Germaniens den Namen Sigurd auch erst nach dem „großen Schlachten“ und seinem schicksalsgleichen Erfolg gab und ihn auch erst danach mit dem Schicksal in Verbindung brachte. Ihm gelang es mit seinen Siegen, die Mitte und vielleicht sogar den Norden Germaniens vor dem schon allseits erwarteten Zugriff Roms zu bewahren und das konnte nur das Schicksal entschieden haben. Das aber konnte die ganze germanische Welt auch erst nach dem Jahr 9 + wissen. Um das Jahr 17 – als der lange Zeit Rom treue Germane Arminius das Licht der Welt erblickte, wusste trotz der Niederlage des Lollius noch keiner genau, was am südlichen Horizont aufziehen würde. Man war noch guter Dinge und setzte vor allem auf Frieden, Schutz und Sicherheit und so entschied man sich bei den Westgermanen bei der Namensauswahl auch für fridu, den germanischen Namen für Frieden und nannte in der Konsequenz den kleinen Arminius Segfridu. Wobei die alte Silbe “Fridu” heute noch im Männernamen Fridolin oder in der italienischen Form Sigfrido enthalten ist. Aber die alten Wunschvorstellungen nach Frieden erfüllten sich bekanntlich nicht und man suchte Friede, Schutz und Sicherheit in Ostwestfalen später leider vergeblich. Aber zu den Zeiten der Geburt des Arminius bzw. des Segfridu konnte man zweifellos noch darauf hoffen. Am Begriff Hoffnung dem ewig gültigen Wunschbild der Menschheit hat sich bis heute nichts geändert. Es waren unsere eigenen Ureinwohner, wen wundert es. Damit setzte sich meines Erachtens der Name Sigfrid/Siegfried bzw. Segfridu bei der Suche nach seinem germanischen Namen durch und nicht der im Norden verwendete Parallelname Sigurd. Der heilige Sigfrid, der Siegfried von Växjö, der 995 aus Glastonbury von den britischen Inseln kommend über Norwegen in Schweden das Christentum verbreitete und 1067 verstarb, nannte sich in Schweden auch nicht heiliger Sigurd. Ungeachtet dessen wird er noch unter allen drei Namensformen Sigfrid, Sigfridus oder Sigurd auch in der schwedischen Historie geführt, aber sein „Nibelungenname“ Siegfried in dem ich den Germanen Arminius identifiziere, wurde bereits in den Vordergrund geschoben. Ungeachtet dessen ist und war der Name Sigurd auch in Schweden ein Begriff, denn die Runen beschriftete „Ramsundritzung“ wird in Schweden wiederum der Sigurd Sage zugeschrieben. Aber wie die folgenden Jahrhunderte zeigen, setzte sich auch die auf Sigfrid/Segfridu basierende Namenstradition nicht nur an Rhein und Weser fort, während Sigurd im Norden seinen Schwerpunkt behielt und in Deutschland nie in Mode kam. Und daran konnten auch die schmalen Sigurd Comic Heftchen die zwischen 1958 und 1960 für 30 Pfenning pro Stück verkauft wurden, nichts ändern. Aus dem 7. Jhd. hingegen sind uns die Namensformen Sigifridus und Sigfridus überliefert, aber einen Namen Sigurd oder gar einen Armin suchen wir zwischen Völkerwanderung und „dunklem“ Mittelalter in unseren Breiten vergeblich. Siegfried aber kam mehr und mehr in aller Munde. Aber wie steht es nun mit der Übersetzung der Vorsilbe „Seg“. Wie selbstverständlich werden die alten “Cheruskervorsilben” die mit „Seg“ beginnen später in Sig und dann in Sieg umgedeutet, da Sieg in althochdeutsch noch Sigu geschrieben wurde. Aber Seg ist nicht Sig. Wie gelangten also die Experten zu der Auffassung, dass aus Seg das spätere Wort Sieg wurde ? Die wissenschaftliche Erklärung dafür ist, dass die Begriffe seg – es, seg – ez, bzw. seg – iz, sig – iz, Macht bedeuten und der althochdeutsche Begriff “segu” auch sig, sigo seit dem 8. Jahrhundert als Sieg belegt ist. Das altisländische Wort “sigr” formuliert es bis auf das fehlende “e” (= Siger) fasst schon aus. Aber wer verleitet uns eigentlich immer das „g“ im Segimer auch wie ein „g“ auszusprechen. Würde unsere Zunge nicht lieber Sächemer oder Sechimer sagen. Auf der Suche nach dem germanischen Urnamen des Arminius kommen wir aber auch nicht umhin ihn im dialektischen auch Seyfried oder Sechfried zu nennen. Und im ostwestfälischen Nethegau sagt man ja auch heute noch Siichfrit wenn man Siegfried meint. Und dazu passend nannte man ihn um 1200 im Nibelungenlied auch Sivrit. Zwischen dem geschriebenen und gesprochenen Wort gab es immer schon große Unterschiede. Und ich kenne da noch eher jene Ruhrpott - Westfalen die sagen, „Siichfrit kommse rin or bliwse druten, dann mak ens de Dör tau“. Auch noch über die Namen der italienisch/langobardischen Schiene des 6. Jhd. wie, Segafredo, Siffredi, Seganfreddo oder Sigfredo hat der Name Siegfried aus der Sagenwelt bis heute überlebt. Macht ging also immer schon mit Sieg einher. So waren die Männer aus dem Stamm der „Seger” oder der Sieger immer die Machthaber und blieben wohl auch am Ende oft die Sieger. Aber auch Herrscher die die Macht besaßen, gingen am Ende nicht immer auch als die Sieger vom Platz. Die indogermanische Ur - Wurzel segh lässt sich nur auf die Begriffe “festhalten”, “halten” bzw. einen Mann “im Kampf überwältigen” zurück führen. Der Mann, der den Gegner überwältigte, war der Mächtige und damit automatisch auch der Sieger. Demnach müssen die Cherusker ein sehr stolzer, kämpferischer, erfolgreicher eben ein zeitgemäßer Stamm gewesen sein, der schon seinen Kindern in der Zweitsilbe die Namen für Macht und Sieg mit in die Wiege legte. Bei Seges- tes in dem Macht und Sieg zugleich lagen, mag man aber eher an einen die Macht inne habenden denken, dem keine Zusatzeigenschaften mitgegeben wurden. Wer die Macht hat, hat auch das Sagen und damit das letzte Wort. Hier könnte in alter Zeit noch eine Verbindung zu beiden Wortstämmen Sieg und Macht gelegen haben. Dieser Verdacht entsteht, wenn man auf die norddeutschen Dialekte blickt und Sätze hört wie: „Ick seg to” ich sage zu, oder: „Ick sech noch” ich sage noch. Zum mächtigen Sieger, nämlich dem der das Sagen hat, führt aber noch ein weiterer Weg, nämlich der, den uns die Nibelungen Sage weist in der zu lesen ist “in alten mæren wunders vil geseit von helden”. Da sagte man noch statt gesagt, geseit und die alten Westfalen sagen heute vielerorts noch „sei”, wenn sie meinen „sag bloß”. Und im englischen liegt uns der Name „say“ ebenfalls noch gut auf der Zunge. Der alte Vorname Seifried bzw. Seyfrid führt uns da also noch in der Vorsilbe die beiden Wortstämme für „sagen“ im Sinne von sprechen und die Nachsilbe „frid“ für den Befrieder vor Augen. Im uns allen bekannten Ruhrpott – Deutsch des westlichen Westfalen ist heute noch das Wort „Seger“ als eine kumpelhafte aber wiederum auch respektable Anrede für männliche Bekannte oder Freunde in vielfachem Gebrauch und seine Verwendung reicht noch darüber hinaus auch bis ins Bergische Land hinein. Die Herkunft dieses Wortes ist unbekannt, aber wer will heute schon sagen ob „Tussi oder Seger“ nicht beides Überreste alter Traditionen oder Volkserinnerungen sind, denn die sind bekanntlich oft langlebiger als man meint. Wäre dieser Verdacht belegbar, spräche diese Anknüpfung an das cheruskische Fürstengeschlecht so kurios es klingen mag, für eine der ältesten Namensüberlieferungen in Westfalen, älter noch, als die Familie der Sattelmeier und andere Geschlechter. Segfridu, wie ich Arminius eher nennen möchte, wurde seinem Geburtsnamen noch gerecht und machte ihm alle Ehre. Beide Namensformen des großen Cheruskerfürsten, sowohl Arminius als auch Segfridu existierten in unterschiedlichen Welten mal real und mal irreal, aber immer parallel auf Augenhöhe zu einander. Arminius gelang es nach seinen Siegen auch über seinen Tod hinaus für einen begrenzten Zeitraum in Ostwestfalen nochmal so etwas wie Frieden einziehen zu lassen. Danach büßte wie Tacitus überlieferte wohl die gesamte Oberschicht der Sippe der „Seger” ihre Stärke ein, rieb sich untereinander auf, wurde von anderen Stämmen dominiert, konnte sich nicht mehr von ihnen abgrenzen und verlor ihre integrierende Kraft. Nach dem Verlust ihrer Führungsschicht schlossen sich die Cherusker im zweiten Jahrhundert anderen noch gefestigten, größeren und in jedem Fall gut geführten Stammesverbänden, vermutlich unter anderem auch den östlich von ihnen siedelnden elbischen Langobarden an, mit denen sie nicht nur immer schon in engem Kontakt standen, sondern in denen sie auch eine Art Schutzmacht hatten. Mit Beginn der ersten Teilabwanderungen im Vorfeld der großen Völkerwanderung, die mit dem Anrennen an den Limes begannen, verschoben sich in Ostwestfalen sowohl die Siedlungsgebiete als auch die Stammesgrenzen. Daheim gebliebene Cherusker in nicht bestimmbarer Größenordnung blieben aber an der Weser bodenständig, bis sie unter sächsischen Einfluss gerieten. 19.12.2017 - 00:38 Uhr)

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