Montag, 11. Dezember 2017
Der Cherusker mit den zwei Namen - den Ersten suchen wir noch
Der 30 jährige Krieg Roms gegen die Westgermanen unter ihrem letztlich siegreichen Anführer im feuchten und nebelverhangenen Germanien, dem in der deutschen Geschichte noch zwei 30 jährige Kriege folgen sollten, strahlte aus. Auch an der Bevölkerung des hohen Nordens bis Island, den britischen Inseln aber auch an den Menschen weiter im Osten noch über Ostsee und Oder hinaus, gingen die grössten Schlachten die es wohl jemals in Zentralgermanien gab, nicht ohne deren Kenntnisnahme stillschweigend vorüber. Auch ohne über die jeweilige Kampfstärke zu spekulieren, geht man allein bei Idistaviso davon aus, dass sich hier zwei gewaltige Heere gegenüber standen. Man kann allerdings den Eindruck gewinnen, als ob sich der Informationsfluss aus dem Schlachtenraum stärker und gradliniger nach Norden orientierte und verbreitete um dann von Dänemark über Norwegen Island zu erreichen, als dass er sich wegen der isolierteren Lage bedingt durch die Ostsee in den Osten Skandinaviens bis zu den heutigen Staaten Schweden/Gotland oder Finnland ausbreitete. Die Nachrichten sickerten also wie man so sagt durch und man versuchte sich natürlich bis in die entferntesten Winkel von den Ereignissen an der Front, gemessen an den damaligen Möglichkeiten ein in etwa klares Bild zu verschaffen. Und überall wird man sich in den Fürstenhäusern beratschlagt und auf Neuigkeiten gewartet haben. Im Norden hatte man für die bis dato unumstritten größte germanische Heldengestalt in Person des erfolgreichen Schlachtenlenkers eine Vielfalt germanischer Abstammungsnamen parat. Davon könnte sogar einer sein wirklicher Name gewesen sein. Ostwestfalen lag auch damals schon im kontinentalen Zentrum Mitteleuropas und die Völker des Nordens waren eng mit den Schauplätzen im Weserraum verzahnt. Sie wussten und kannten auch noch die richtigen Namen der alten Recken und griffen daher naturgemäß auch in ihren ersten Schriften auf sie zurück. Namen wie Arminius, aber vor allem die germanischen Namen Segimund, Sigfrid oder Sigurd die mit der cheruskischen Segimer Sippe namensverwandt sind, waren geläufig und in aller Munde und wurden daher, was niemand verwundert im frühen und hohen Mittelalter über die nordische Sagenwelt auch wieder in den Süden zurück gespült. Schreitet man also auf diesem Weg zurück, müsste auch der germanische Originalname von Arminius mit den Anfangsbuchstaben Seg-/Sig begonnen haben. Man blieb damals in der fest gefügten Tradition der Sippensprache indem man zu jener Zeit Familiennamen miteinander staben ließ. Der Name des alten Varusrivalen Arminius aus der Sippe des Segimer geleitet uns daher auch genau in diese Richtung. So birgen die verführerischen Vorsilben Seg-/Sig der Anverwandten von Arminius viele Kombinationsmöglichkeiten in sich und unerschöpfliche Forschungsansätze für die Onomastik. Und einiges spricht in der Tat dafür, dass der germanische Name von Arminius mit dem ihn seine Mutter rief, mit einem Seg-/Sig begann. Die Endsilbe ist uns allerdings unbekannt. Aus den Vorsilben Seg-/Sig bildeten sich in der Welt der Sagen demnach die drei Namensformen Sig - mund, Sig - urd und Sig – frid heraus, die uns inhaltlich über die diversen germanisch/ frühmittelalterlichen Heldenlieder überliefert sind. Sich allein diesen Namen zu widmen, stellt bereits einen eigenen Zweig der Wissenschaft dar. Ein Name des Drachentöters aus den Liedern des Codex Regius (Edda), der Thidrekssaga und des Beowulfliedes lautet Sigmund. Sigmund der Wölsunger hat aber als Vater von Sigurd/Sigfrid als der er in der Sagengeschichte auftritt eine eigenständige Entwicklung genommen. Diesen Namen Sigmund erkennen wir aber auch in seiner römifizierten Form nämlich Segimundus, dem Sohn des germanischen Arminius Widersachers Segestes. Zwei Theorien die sich jedoch nicht verbinden lassen, denn Vater kann nicht gleich Sohn sein. Diesen Namen aus der rivalisierenden Nachbarsippe, also den gleichen Namen dann auch für den Sohn von Segimer zu benutzen, wäre innerhalb der führenden Fürstengeschlechter der Cherusker bestimmt nicht der Fall gewesen. Der Name Sigmund stammt aus der verschlungenen Sagenwelt des germanischen Nordens. Sigmund war darin der Urenkel von Sigi aber auch der Ururenkel von Odin dem germanischen Kriegsgott. Geht man nach der nordischen Sage, so wäre Sigurd/Siegfried des Sigmund Sohn immerhin auch mit dem germanischen Kriegsgott verwandt gewesen und stieg damit schon fasst zum Halbgott auf. Man hob ihn auf göttliches Podest und die Menschen vor 2000 Jahren haben sich, da sie noch kein Bundesverdienstkreuz kannten, für diese zeitgemäße Form der Ehrung entschieden. Eine besondere Art der Hochachtung die die Germanen sicherlich nicht jedem Irdenmenschen zukommen ließen. Sigurd muss nicht nur etwas ganz besonderes gewesen sein, er war es auch wie uns alle, besonders die römischen Quellen bestätigen. Und dieser Held, dass wussten die Nordgermanen stammte aus ihrer Blickrichtung aus Südgermanien, genauer gesagt aus der Region zwischen Osnegge dem heutigen Eggegebirge und dem Wesertal mit dem angrenzenden Solling und damit auch noch aus ihrer Mitte. Jede nachfolgende Generation im Großraum Germaniens wusste um die Dimension der blutigen Aufeinandertreffen beider Völkerschaften. Obwohl aber der klare Blick auf die konkreten Abläufe immer blasser wurde, wuchs von von Jahr zu Jahr die Erkenntnis um die Tragweite der großen Schicksalsschlachten. So stellte sich mit zunehmendem Abstand zu den Ereignissen eine Kultur des sich Erinnerns ein. Die Überlebenden berichteten von ihren Taten und heroisierten sie. Gab es Zeugen musste man wohl mehr bei der Wahrheit bleiben, fehlten diese konnte man auch etwas dicker auftragen. Der Cherusker "A" brüstete sich mit einem Sieg in einer Eggeschlucht gleichzeitig zwei Legionäre nieder gestreckt zu haben, während es dem Angrivarier "B" bei Idistaviso gelang noch einen Römer vom Pferd zu stoßen, obwohl er selbst schon halb im Sumpf der Weserauen feststeckte. Neutrale Kriegsberichterstattung suchte man vergeblich. Jeder hatte seinen persönlichen Erfolg über den er berichten konnte. Die Erlebnisse zusammen gefasst waren endlos und immer wieder kamen neue hinzu und steigerten sich in den Erzählungen der Enkel und Urenkel. Eine Welt des Schreckens hatte sich durch ihre Taten in die Herzen unserer Urbevölkerung eingebrannt und die Zuhörer vergaßen vor staunen die Welt um sich herum und glaubten ihnen jedes Wort ungleich von welcher Örtlichkeit zwischen Ems, Lippe und Weser gerade die Rede war. Germanicus und seinen Männern dürfte es damals nicht gelungen sein anlässlich der zeitlich begrenzten Stippvisite alle noch vorhandenen Knochen aufzufinden und zu bestatten. Bis in die schwer erreichbaren Hanglagen werden sie nicht vorgedrungen sein. Die Schätzungen der an der Varusschlacht beteiligten Kämpfer auf römischer Seite gehen von 15 – 20.000 aus und alle sollen bis auf wenige Überlebende umgekommen sein. Auch noch zahlreiche nicht geborgene also nicht bestattete Germanen dürfte es gegeben haben. Man kann also eine Schätzung wagen, wonach sich auf den Schlachtfelder im Jahre 15 + noch die Knochenreste von annähernd 20.000 Menschen die auch von der damaligen Tierwelt in den sechs Jahren nicht verspeist worden sein können. befunden haben könnten. Der menschliche Knochenanteil liegt bei etwa 8 kg pro Skelett und wenn ein leerer vierachsiger Drehgestell Güterwagen der Deutschen Bundesbahn 22 Tonnen wiegt, kann man sich ausrechnen was hier zusammen gekommen wäre, hätte man sie alle unter einem Tumuli aufgehäuft. Es werden sich also in den versteckten Sümpfen und entlegenen Waldgebieten noch so manche Oberschenkelknochen über die Jahrzehnte und länger erhalten haben. Je nach Bodenbeschaffenheit finden sich auch bei archäologischen Ausgrabungen immer wieder und noch bis in unsere Tage gut erhaltene Skelette an anderen antiken Kriegsschauplätzen. Der Regen wird also auch noch nach sehr vielen Jahren immer mal wieder den einen oder anderen Knochen frei gespült haben. In den Zeit unmittelbar nach der Schlacht konnten die Menschen der Region noch in etwa sagen, hier war es, als dies passierte und dort als jenes geschah. Mit jedem Hügel, Baum, Wasserlauf oder Sumpf ließ sich damals noch ein kriegerischer Akt verbinden. So gingen die Einheimischen noch selbst nach Jahrzehnten an den Wegekreuzungen und Baumstümpfen mit schaudern vorüber und ganz besonders dort, wo es zu den blutigsten Treffen kam. Und da wo sich noch lange die Knochen türmten, war es am schaurigsten für sie. Denn hier fielen in der Schlacht auch viele ihrer engsten Verwandten oder Stammesangehörigen die ihnen noch persönlich bekannt waren. Tacitus der, obwohl er selbst Germanien nie betreten hatte schrieb bekanntlich, dass man in den “heiligen” Heinen die Altäre der Germanen fand, auf denen sie die Tribunen und Centurionen ersten Ranges geopfert hatten. Hier wurde damals der Grundstein für alle späteren Legenden gelegt. Und wen wundert es da, dass man aufgrund dieses mit Knochen und Erinnerungen dicht übersäten Boden eine ganze Großregion, auch ohne gemeinsame Absprache und nur kraft kollektiver Rückbesinnung, zum heiligen sakralen Ort, sozusagen für alle Ewigkeit erklärt hat. Letztlich wurden die Spuren nach jedem Jahreswechsel weniger, aber die Knochenreste beflügelten auch noch die Phantasien späterer Generationen, die nur noch über schwache oder gar keine Erinnerungen mehr verfügten. Für sie boten die weißen blanken Rippenknochen oder die Reste von Schädeldecken immer wieder Stoff für neue Gruselgeschichten. Und was man nicht wusste, reimte man sich zusammen. Woher konnten die Knochen auch anders stammen, als von einem riesigen menschenfressenden Drache der hier einst irgendwo seine Höhle hatte und sein Unwesen trieb, bevor man ihn zur Strecke brachte und den Rest steuerte die lebhafte Mythologie dazu. So verwundert es nicht, dass die Mönche im Zuge der Christianisierung später die größte Mühe hatten, all dies aus den Köpfen der Menschen zu verbannen. Bis in die Neuzeit treibt es den Menschen an die Orte an denen er sich gegenseitig die größten Grausamkeiten zufügte. Morbider Schlachtentourismus ist heute ohne Selfie nicht mehr denkbar und ist immer noch attraktiver denn je. Vergleichbar mit der „Voie Sacrée“ dem heilig genannten Weg von Bar-le-Duc nach Verdun und bis zum Beinhaus von Douaumont wo die Knochen von über 130.000 Gefallenen liegen. Über diese Zuwegung wurde in Frankreich während der Schlacht um Verdun die Truppenversorgung solange sicher gestellt, bis sich der Feind, der damals aus dem Osten kam zurück zog. Auch heute noch ist diese Region an der Maas reich mit Denkmälern an alte Zeiten gut versorgt. Aber hier in Ostwestfalen hatten vor 2000 Jahren die Götter ihre Hand noch unmittelbar im Spiel gehabt oder mussten sie ähnlich wie auf dem Olymp gehabt haben. Und welcher Gott wäre da für unsere leichtgläubigen Vorväter nicht nahe liegender gewesen, als alles dem germanischen Kriegsgott Odin zuzuschreiben, der den Germanen den Sieg schenkte und den die Südgermanen Wodan nannten und den man später kurzerhand zum Urahnen des Sigurd/Sigfrid erklärte. Nach den germanischen Verteidigungsschlachten bei denen der germanische Götterhimmel und die furchtlosen Recken erfolgreich gegen den römischen Kriegsgott Mars zusammen standen und sich gegen ihn durch setzten, legte sich über die ganze Region eine Art unwirklicher und dämmerartiger Schleier, wie man ihn mit dem Ragnarök also der Götterdämmerung vergleichen könnte oder beschrieb. Odin konnte danach auf den Trümmern des ostwestfälischen Weltenbrandes eine neue Welt entstehen lassen, was zur Folge hatte, dass sich die zahlreichen germanischen Kleinstämme zusammen schlossen und miteinander zu großen Völkern verschmolzen. Odins Zögling Sigurd/Sigfrid hatte dazu seinen großen Beitrag geleistet und der neuen Zeit die Tür geöffnet. Dem Landgang der Midgardschlange was große Überflutungen aus löste und ebenfalls der nordischen Mythologie entnommen ist, schrieben die Germanen wohl zu, dass am 23.9.0015 eine schwere Sturmflut die Legionen an der Nordseeküste traf, wodurch weite Küstenlandstriche überschwemmt wurden und viele Römer unter Feldherr Germanicus umkamen. Nach dieser Flutkatastrophe des Jahres 15 + und den Schlachten von Idistaviso und am Angrivarierdamm 16 + war es wieder an der Zeit, dass sich nach den Wanen nun das zweitälteste Göttergeschlecht nämlich die Asen auf dem nahe gelegenen Idafeld treffen konnten um über das Weitere zu beratschlagen. Im Jahre 9 + platzte jedenfalls Walhalla aus allen Nähten und die vollen Tischplatten an denen sich die Asen labten, mussten sich unter dem reichlichen Überangebot aus dem Varustross nahezu nach unten gewölbt haben. So muss es jedenfalls den beteiligten Stämmen damals vorgekommen sein und wohl erst den Nachfolgegenerationen in der Mitte des 1. Jhd. wurden die Geschehnisse begreifbarer und ihre Auswirkungen und Konsequenzen bewusster, auch wenn die Veränderungen noch lange auf sich warten lassen sollten. Man hatte in den langen Winternächten die nötige Zeit um alles aufzuarbeiten und nach Erklärungen für alles suchen. Nach dem Jahre 16 + sind uns jedenfalls über einen sehr langen Zeitraum keine weiteren Schlachten mehr zwischen Römern und Germanen in Ostwestfalen überliefert und es kehrte Schlachtenruhe ein. Für beide, Römer und Germanen griffen damals die Götter noch unmittelbar in die Geschicke und das Geschehen der Sterblichen ein, hier waren sie noch allgegenwärtig, ganz so wie es uns aus allen antiken Götterhimmeln besonders aus Griechenland überliefert ist. Das Heidentum erlebte damals in Ostwestfalen eine Sternstunde, denn nur hier stand man wie an keinem anderen Ort in Germanien mit Asen und Wanen auf Du und Du. Und wo Wodan/Odin die Macht hatte, konnte sinnbildlich gesprochen seine Gefolgschaft auch nicht weit sein. Die Felshänge und Klippen der Egge aber auch die zahlreichen aus der Landschaft empor steigenden mit Wallanlagen gekrönten Kleingebirge wie der Ith oder der Deister wirken auf den Betrachter noch bis heute unnatürlich bis überirdisch. In dieser Region erkannten schon die Altvorderen die geöffneten Tore nach oben, wie im Hlidskjalf Turm des Gylfaginning mit den goldenen Schindeln so schön beschrieben ist. Und hier in der Egge hatten endlich auch die Asen ihr Heimstatt gefunden, hier konnte sie unter und über der Wolkendecke also in Midgard und Asgard gleichermaßen den Sieg feiern und im Zechen sollen die Germanen bekanntlich nicht die schlechtesten gewesen sein. Ich erinnere mich da auch noch an die Worte meiner schlesischen Mutter, wenn damals mein Teller zu voll war, aber der Hunger fehlte. Dann begann ich irgendwann damit, mit der Gabel nur noch lustlos im Essen herum zu stochern. Sie sagte dann, ich solle mit dem Essen nicht so „asen“. Und so stellte man sich die Asen wohl damals vor. Sie schwelgten schon im Überfluss und es wurde immer noch auf großen Platten nachgereicht. Der Namensbezug zwischen den Asen und dem Osning oder der Osnegge wird in der Bezeichnung Asenegge und den vielen gleichklingenden Ortsnamen um nur Asemissen zu nennen, augenscheinlich. Nur hier konnte nach damaliger Vorstellung der Ort gewesen sein, wo sich Odin/Wodan mit seinen Asen nachdem dem großen Schlachten nieder ließ. Im Gegensatz zum Kriegsgott Odin, war aber wohl in der nordischen Mythologie Tuiskon, Tuiston, Teut oder Teutates der Urvater des Volkes schlechthin, der sowohl bei den Kelten als auch den Germanen hohes Ansehen genoss und der ebenfalls in der Mythologie unserer Vorfahren eine wichtige Bedeutung hatte. Tacitus schrieb in seiner Germania über Tuisto, dass die Germanen ihn in alten Liedern als Stammväter und Begründer ihrer Völkerschaft verherrlichen würden. Und auch dieser Name taucht in der Region noch vielerorts auf. Fasst man diese Überlegungen zusammen ist es einleuchtend, dass die Nordgermanen auch eine Verbindung von Sigurd über seinen Vater Sigmund zum Kriegsgott Odin erkannten und herstellen wollten. Die Schicksalfigur des Sigurds des Drachentöters handelte im Auftrag seines Urvaters Odin und konnte daher auch nur als Sieger vom Platz gehen. Und wer einen Kriegsgott in der Verwandtschaft hat wie Sigurd, den kann man auch nur mit Kriegen und Schlachten in Verbindung bringen und der belässt es nicht dabei ein Fabelwesen aus dem Weg zu räumen. Doch in der nordischen Sagenwelt wird auch dem Vater des Sigurd nämlich Sigmund zugeschrieben ein Drachentöter zu sein. Wenn Sigurd mit Siegfried identisch ist und er einen Drachen tötete, aber auch der Vater Sigmund Drachentöter genannt wird, so wirft dies Fragen auf. Ich halte es für denkbar, dass die Bezeichnung „Drachentöter“ später in Anlehnung auf den Urknall in Form der Schlacht des Jahres 9 + auch auf andere siegreiche Feldherrn und Schlachten übertragen und angewendet wurde. Als die Sagen nach langer Zeit nieder geschrieben wurden, blickte man nicht allein auf die Varusschlacht zurück, sondern auf alle kriegerischen Auseinandersetzungen, die die Westgermanen mit den Römern in den 30 langen Jahren führen mussten, bis Kaiser Tiberius den Schlußstrich zog. Man konnte natürlich später nicht mehr die Schlachtenabfolgen zeitlich und örtlich zusammen fügen und wählte somit den Sammelbegriff „Drachentötung“ herrührend vom ersten großen Schlagabtausch gegen Varus mit seinem Heerwurm samt flatterndem Drachensymbol an seiner Spitze, was sie wohl alle beeindruckt hatte. Fragt man heute einen Menschen, ob die Schlacht von Stalingrad vor oder nach der Landung der Alliierten statt fand, so wird man schon nach den wenigen vergangenen Jahrzehnten in viele fragende Gesichter blicken. Und so beließ man es auch in den Zeiten der Völkerwanderung dabei. Die Asenegge lag im Zentrum dieser Betrachtung und wurde daher auch zum Dreh – und Angelpunkt der Geschehnisse. Sigmund war aber der Sage folgend, der Vater des Helden Sigurd, hatte somit eine ungleich andere Position in der Familienhierarchie inne und käme daher aus zweifacher Hinsicht nicht als der gesuchte germanische Name für Arminius in Frage. Folglich klammere ich ihn bei dieser Betrachtung auch aus. Es blieben also noch Sigurd und Siegfried übrig die aber ein und die gleiche Person waren. Von beiden Namen favorisierten jedoch die Nordgermanen den Namen Sigurd der für sie gleichbedeutend mit Siegfried ist. Sie verknüpften aber seinen Namen mit der Norne Urd also mit dem Begriff Urd, der das Schicksal und die Vergangenheit verkörpert. Aber warum entschieden sich die Nordgermanen für Sigurd die nordische Namensvariante des Sigfrid und griffen nicht gleich auf Sigfrid zurück. Sigfrid begegnet uns im Nibelungenlied als der mutige Schlachtenlenker sprich Drachentöter. Die zweite Silbe “frid” im Namen Sigfrid steht für Friede, Schutz und Sicherheit. Als Arminius um 17 – zur Welt kam, begannen die immer schon unruhigen Zeiten noch unruhiger zu werden. Der Römer Lollius unterlag um 17 oder 16 – im Linksrheinischen, den auch teils rechtsrheinischen germanischen Stämmen der Sugambrer, Tenkterer und Usipeter. Um diese Zeiten war weiter oben in Ostwestfalen der Wunsch nach Friede, Schutz und Sicherheit möglicherweise wichtiger. Man war noch an einer Kontaktaufnahme mit den Römern, den neuen starken Nachbarn im Süden interessiert. So war ihnen auch daran gelegen, sich aus den Querelen und dem kölschen Klüngel westlich des Rhein heraus zu halten. Vielleicht hatten sie um diese Zeit sogar noch die Vision, sich mit ihnen irgendwie zu arrangieren, wie es auch viele keltische Stämme taten, die aber am Ende die Verlierer waren und dafür ihre Selbstständigkeit und vieles mehr opferten. Da diese hoch entwickelten Römer bewiesen hatten, wie sie ihre Feinde die Kimbern, Teutonen, oder die gallischen Stämme der keltischen Arverner bezwangen war große Vorsicht geboten. Viele germanischen Völker ließen die besten Männer ihrer Stämme in Auxiliareinheiten für Rom kämpfen um dort ihr Kriegshandwerk zu vervollkommnen oder übergaben die Jüngsten als Geisel und als einseitige Garantieleistung in die römische Obhut, um diese römisch zu infizieren, aber auch um sie zu infiltrieren und ihnen die damalige Leitkultur näher zu bringen. Wie es bei allen Fürsten und Fürstensöhnen und das wohl nicht nur bei den Cherusker üblich schien, setzte man an den Anfang von Namen die Buchstaben zur Sippenerkennung. Seg-/Sig lauteten sie bei den Cheruskern. Aber was folgte danach. Im Namen Sigfrid ging ich auf die Endsilbe „fried“ ein. Beim Namen Segestes entdeckt man eine andere Herkunft. Denn man erkennt hier die sprachliche Nähe des Namens zum germanischen Wort für Macht nämlich “seg es” oder “seg ez”. In die Namen legte man bei den Germanen immer schon die göttliche Fügung und für Segestes war dies ein Vermächtnis. Segestes könnte sich kraft dieses magischen Namens schon als vorbestimmter Machthaber gefühlt haben und beanspruchte innerhalb der cheruskischen Fürstenhäuser von Geburt an die ihm zustehende Führungsrolle, was Rivalität bedeutet. Wie die Reichtümer im Cheruskerland verteilt waren wissen wir nicht, aber bis in unsere Zeit sind es die Großbauern und Sippen, die vieles mit bestimmen. Möglich ist, dass seine Sippe mehr Land und Einfluss besaß, eine größere wirtschaftliche Leistung oder mehr Krieger aufbieten konnte, als die des Fürstenhauses von Segimer. Auch eine Vielzahl gut nutzbarer Salzschürfstellen könnte seine Macht begünstigt haben. Allerdings verfügten auf einem Streifen zwischen Unna, Werl und Soest bis Lüneburg und Salzgitter viele Regionen Westfalens und Norddeutschlands geologisch bedingt über ausgeprägte Salzvorkommen, so dass daraus nicht unbedingt ein herausragender Wohlstand einer einzelnen Sippe abgeleitet werden kann. Der Rom treue und mächtige Segestes bestimmte bis ins Jahr 9 + die Politik der Cherusker in großen Teilen maßgeblich mit. Solange wie man sich am schwächeren Hebel der Macht wähnte, schien dies auch angebracht zu sein. Denn man konnte vor der Rückkehr des Arminius und auch noch nach dessen Eintreffen an der Weser nicht ahnen, dass da einer kam, der das Blatt noch mal wenden würde. Segestes war sicherlich auch maßgeblich am Zustandekommen des Bündnisvertrages mit Rom verantwortlich, der die Römer ermunterte Varus zu entsenden. Um die Machtverhältnisse in die Richtung des Hauses Segimer zu verschieben, lag es wohl in der Absicht von Arminius die Tochter von Segestes zu ehelichen. Nicht umsonst wird spekuliert, dass auch sein Streben nach Königswürde ein Motiv für den Familienmord an ihm war. Spätestens nach der erfolgreichen Varusschlacht schlugen die Sympathien gegen Segestes um, man wollte ihn an der Weser nicht mehr. Segestes musste sich entscheiden, wechselte komplett auf die römische Seite und starb später im gallischen Exil. Aber noch im Jahre 469 deutet der Name Sigismer eines rheinfränkischen Königssohnes darauf hin, dass man sich immer noch diesem alten Namensstrang in Westfalen verpflichtet fühlte. Zu Cheruskerzeiten hätte man Sigismer den Brukterer oder Ripuarier wohl noch Segimer genannt. Urd war in Germanien auch ohne die Verbindung zur Norne Urd bereits zu Arminiuszeiten das Schicksal, so gab man Arminius nach der erfolgreichen Schlacht im Norden Europas auch den Namen Sigurd weil er es war, der in frühesten Zeiten erfolgreich das Schicksal heraus forderte und es mit Hilfe Odins und der Nornen meisterte. Die Nordgermanen betonten also aufgrund seiner Taten mehr den schicksalhaften Bezug. Denn sein Erfolg war ihm natürlich nur dank dazutun der Götter beschieden und alles konnte ihm auch nur mit Segen von oben gelingen. Schließlich war Sigurd auch der nordischen Sage nach direkter Nachkomme des germanischen Göttervater Odins. Man rückte Arminius im Norden damit ganz bewusst nahe an den germanischen Götterhimmel heran, statt es beim menschlichen Namen Sigfrid zu belassen. Denn nur einem späteren Enkel des germanischen Kriegsgottes konnte es auch gelingen die Römer in Gestalt eines Drachens zu bezwingen. Das deutet daraufhin, dass in Nordgermanien der Originalname des Cheruskers nicht bekannt war oder er dort nicht in die heidnische Vorstellungskraft passte. So stehen sich auch bei seinem germanischen Urnamen mit Siegfried oder Sigurd zwei Theorien gegenüber. Aber konnte man zu Zeiten seiner Geburt denn schon ahnen, dass Arminius einmal derart vehement und geradezu schicksalhaft das, und damit auch sein Schicksal heraus forderte und es herauf beschwor ? Dann hätten ihm die Götter bei seiner glorreichen Zukunft auch gleich den Namen “Schicksalbezwinger” mit in die Wiege legen können. Die Nordgermanen waren also keine Hellseher und gaben ihm den Namen auch erst nach seinen Taten. So gehe ich auch davon aus, dass man ihm im Norden Germaniens den Namen Sigurd auch erst nach dem „großen Schlachten“ und seinem schicksalsgleichen Erfolg gab und ihn auch erst danach mit dem Schicksal in Verbindung brachte. Ihm gelang es mit seinen Siegen, die Mitte und vielleicht sogar den Norden Germaniens vor dem schon allseits erwarteten Zugriff Roms zu bewahren und das konnte nur das Schicksal entschieden haben. Das aber konnte die ganze germanische Welt auch erst nach dem Jahr 9 + wissen. Um das Jahr 17 – als der lange Zeit Rom treue Germane Arminius das Licht der Welt erblickte, wusste trotz der Niederlage des Lollius noch keiner genau, was am südlichen Horizont aufziehen würde. Man war noch guter Dinge und setzte vor allem auf Frieden, Schutz und Sicherheit und so entschied man sich bei den Westgermanen bei der Namensauswahl auch für fridu, den germanischen Namen für Frieden und nannte in der Konsequenz den kleinen Arminius Segfridu. Wobei die alte Silbe “Fridu” heute noch im Männernamen Fridolin oder in der italienischen Form Sigfrido enthalten ist. Aber die alten Wunschvorstellungen nach Frieden erfüllten sich bekanntlich nicht und man suchte Friede, Schutz und Sicherheit in Ostwestfalen später leider vergeblich. Aber zu den Zeiten der Geburt des Arminius bzw. des Segfridu konnte man zweifellos noch darauf hoffen. Am Begriff Hoffnung dem ewig gültigen Wunschbild der Menschheit hat sich bis heute nichts geändert. Es waren unsere eigenen Ureinwohner, wen wundert es. Damit setzte sich meines Erachtens der Name Sigfrid/Siegfried bzw. Segfridu bei der Suche nach seinem germanischen Namen durch und nicht der im Norden verwendete Parallelname Sigurd. Der heilige Sigfrid, der Siegfried von Växjö, der 995 aus Glastonbury von den britischen Inseln kommend über Norwegen in Schweden das Christentum verbreitete und 1067 verstarb, nannte sich in Schweden auch nicht heiliger Sigurd. Ungeachtet dessen wird er noch unter allen drei Namensformen Sigfrid, Sigfridus oder Sigurd auch in der schwedischen Historie geführt, aber sein „Nibelungenname“ Siegfried in dem ich den Germanen Arminius identifiziere, wurde bereits in den Vordergrund geschoben. Ungeachtet dessen ist und war der Name Sigurd auch in Schweden ein Begriff, denn die Runen beschriftete „Ramsundritzung“ wird in Schweden wiederum der Sigurd Sage zugeschrieben. Aber wie die folgenden Jahrhunderte zeigen, setzte sich auch die auf Sigfrid/Segfridu basierende Namenstradition nicht nur an Rhein und Weser fort, während Sigurd im Norden seinen Schwerpunkt behielt und in Deutschland nie in Mode kam. Und daran konnten auch die schmalen Sigurd Comic Heftchen die zwischen 1958 und 1960 für 30 Pfenning pro Stück verkauft wurden, nichts ändern. Aus dem 7. Jhd. hingegen sind uns die Namensformen Sigifridus und Sigfridus überliefert, aber einen Namen Sigurd oder gar einen Armin suchen wir zwischen Völkerwanderung und „dunklem“ Mittelalter in unseren Breiten vergeblich. Siegfried aber kam mehr und mehr in aller Munde. Aber wie steht es nun mit der Übersetzung der Vorsilbe „Seg“. Wie selbstverständlich werden die alten “Cheruskervorsilben” die mit „Seg“ beginnen später in Sig und dann in Sieg umgedeutet, da Sieg in althochdeutsch noch Sigu geschrieben wurde. Aber Seg ist nicht Sig. Wie gelangten also die Experten zu der Auffassung, dass aus Seg das spätere Wort Sieg wurde ? Die wissenschaftliche Erklärung dafür ist, dass die Begriffe seg – es, seg – ez, bzw. seg – iz, sig – iz, Macht bedeuten und der althochdeutsche Begriff “segu” auch sig, sigo seit dem 8. Jahrhundert als Sieg belegt ist. Das altisländische Wort “sigr” formuliert es bis auf das fehlende “e” (= Siger) fasst schon aus. Aber wer verleitet uns eigentlich immer das „g“ im Segimer auch wie ein „g“ auszusprechen. Würde unsere Zunge nicht lieber Sächemer oder Sechimer sagen. Auf der Suche nach dem germanischen Urnamen des Arminius kommen wir aber auch nicht umhin ihn im dialektischen auch Seyfried oder Sechfried zu nennen. Und im ostwestfälischen Nethegau sagt man ja auch heute noch Siichfrit wenn man Siegfried meint. Und dazu passend nannte man ihn um 1200 im Nibelungenlied auch Sivrit. Zwischen dem geschriebenen und gesprochenen Wort gab es immer schon große Unterschiede. Und ich kenne da noch eher jene Ruhrpott - Westfalen die sagen, „Siichfrit kommse rin or bliwse druten, dann mak ens de Dör tau“. Auch noch über die Namen der italienisch/langobardischen Schiene des 6. Jhd. wie, Segafredo, Siffredi, Seganfreddo oder Sigfredo hat der Name Siegfried aus der Sagenwelt bis heute überlebt. Macht ging also immer schon mit Sieg einher. So waren die Männer aus dem Stamm der „Seger” oder der Sieger immer die Machthaber und blieben wohl auch am Ende oft die Sieger. Aber auch Herrscher die die Macht besaßen, gingen am Ende nicht immer auch als die Sieger vom Platz. Die indogermanische Ur - Wurzel segh lässt sich nur auf die Begriffe “festhalten”, “halten” bzw. einen Mann “im Kampf überwältigen” zurück führen. Der Mann, der den Gegner überwältigte, war der Mächtige und damit automatisch auch der Sieger. Demnach müssen die Cherusker ein sehr stolzer, kämpferischer, erfolgreicher eben ein zeitgemäßer Stamm gewesen sein, der schon seinen Kindern in der Zweitsilbe die Namen für Macht und Sieg mit in die Wiege legte. Bei Seges- tes in dem Macht und Sieg zugleich lagen, mag man aber eher an einen die Macht inne habenden denken, dem keine Zusatzeigenschaften mitgegeben wurden. Wer die Macht hat, hat auch das Sagen und damit das letzte Wort. Hier könnte in alter Zeit noch eine Verbindung zu beiden Wortstämmen Sieg und Macht gelegen haben. Dieser Verdacht entsteht, wenn man auf die norddeutschen Dialekte blickt und Sätze hört wie: „Ick seg to” ich sage zu, oder: „Ick sech noch” ich sage noch. Zum mächtigen Sieger, nämlich dem der das Sagen hat, führt aber noch ein weiterer Weg, nämlich der, den uns die Nibelungen Sage weist in der zu lesen ist “in alten mæren wunders vil geseit von helden”. Da sagte man noch statt gesagt, geseit und die alten Westfalen sagen heute vielerorts noch „sei”, wenn sie meinen „sag bloß”. Und im englischen liegt uns der Name „say“ ebenfalls noch gut auf der Zunge. Der alte Vorname Seifried bzw. Seyfrid führt uns da also noch in der Vorsilbe die beiden Wortstämme für „sagen“ im Sinne von sprechen und die Nachsilbe „frid“ für den Befrieder vor Augen. Im uns allen bekannten Ruhrpott – Deutsch des westlichen Westfalen ist heute noch das Wort „Seger“ als eine kumpelhafte aber wiederum auch respektable Anrede für männliche Bekannte oder Freunde in vielfachem Gebrauch und seine Verwendung reicht noch darüber hinaus auch bis ins Bergische Land hinein. Die Herkunft dieses Wortes ist unbekannt, aber wer will heute schon sagen ob „Tussi oder Seger“ nicht beides Überreste alter Traditionen oder Volkserinnerungen sind, denn die sind bekanntlich oft langlebiger als man meint. Wäre dieser Verdacht belegbar, spräche diese Anknüpfung an das cheruskische Fürstengeschlecht so kurios es klingen mag, für eine der ältesten Namensüberlieferungen in Westfalen, älter noch, als die Familie der Sattelmeier und andere Geschlechter. Segfridu, wie ich Arminius eher nennen möchte, wurde seinem Geburtsnamen noch gerecht und machte ihm alle Ehre. Beide Namensformen des großen Cheruskerfürsten, sowohl Arminius als auch Segfridu existierten in unterschiedlichen Welten mal real und mal irreal, aber immer parallel auf Augenhöhe zu einander. Arminius gelang es nach seinen Siegen auch über seinen Tod hinaus für einen begrenzten Zeitraum in Ostwestfalen nochmal so etwas wie Frieden einziehen zu lassen. Danach büßte wie Tacitus überlieferte wohl die gesamte Oberschicht der Sippe der „Seger” ihre Stärke ein, rieb sich untereinander auf, wurde von anderen Stämmen dominiert, konnte sich nicht mehr von ihnen abgrenzen und verlor ihre integrierende Kraft. Nach dem Verlust ihrer Führungsschicht schlossen sich die Cherusker im zweiten Jahrhundert anderen noch gefestigten, größeren und in jedem Fall gut geführten Stammesverbänden, vermutlich unter anderem auch den östlich von ihnen siedelnden elbischen Langobarden an, mit denen sie nicht nur immer schon in engem Kontakt standen, sondern in denen sie auch eine Art Schutzmacht hatten. Mit Beginn der ersten Teilabwanderungen im Vorfeld der großen Völkerwanderung, die mit dem Anrennen an den Limes begannen, verschoben sich in Ostwestfalen sowohl die Siedlungsgebiete als auch die Stammesgrenzen. Daheim gebliebene Cherusker in nicht bestimmbarer Größenordnung blieben aber an der Weser bodenständig, bis sie unter sächsischen Einfluss gerieten. 19.12.2017 - 00:38 Uhr)

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Mittwoch, 29. November 2017
Der Cherusker mit den zwei Namen - den Zweiten kennen wir
Stellen wir uns vor, wie Arminius aufgewachsen sein könnte, so denken wir dabei unweigerlich an eine armselige Hütte irgendwo auf einer Lichtung in Ostwestfalen. Aber vielleicht irren wir uns auch, denn er war der Sohn eines „princeps gentis eius“ also eines „Ersten seines Stammes“, folglich ein Fürstensohn und es war keine Hütte, sondern ein für jene Zeiten schon recht stattliches Einzelgehöft auf einem klimatisch angenehmen Bergsporn, dass mit Moos und Rinde sauber abgedichtet, auch Winter- Sturm- und Regen fest war. Der Geruch der Haustiere mag wohl allgegenwärtig gewesen sein und der beißende Qualm von Feuerstellen wird auch immer in der Luft gelegen haben. Soweit mal zur Phantasie. Real haben wir nichts in der Hand, aber wir haben was anderes, nämlich die mündlichen Überlieferungen aus den alten Zeiten. Sie hinzuzuziehen löst allerdings in der Fachwelt meistens Naserümpfen aus, was ich nicht verschweigen möchte. Was man noch vom Hörensagen wusste, wurde dann später auch nieder geschrieben und erhielt sich bis heute in Form von Sagen. Und da greife ich zuerst mal nach der Thidrekssaga, also der Dietrichsage, die nach Dietrich von Bern benannt ist, hinter dem man meint, den Ostgotenkönig Theoderich den Großen erkennen zu können. In der Thidrekssaga sind auch Teile der Nibelungensage enthalten, die mit der Jugend des germanischen Helden beginnen. Dieser Germane ist Siegfried, der in der nordischen Form Sigurd genannt wird. Seine Mutter hieß Hjördis, die der Sage nach zu Unrecht der Untreue verdächtigt wurde. Es gab also zweifellos Probleme in der Ehe mit ihrem Mann Sigmund, der vielleicht auch Segimer oder Sigimer geheißen haben könnte. Hjördis war bereits die zweite Frau des Sigmund und sie war mit dem kleinen Sigurd schwanger als ihr Mann Sigmund im Kampf umkam. Die Mutter sah in ihrer heiklen Situation offenbar keine andere Möglichkeit als den neu geborenen Knaben in etwas Schwimmfähiges zu legen und ihn in einen Fluss, vielleicht in die Weser auszusetzen. In der Hoffnung es möge sich jemand seiner annehmen. Eine übrigens gebräuchliche Methode für die damalige Zeit. Dieses Behältnis trieb den Fluss hinunter bis eine Hirschkuh es fand und den Kleinen versorgte. Hjördis brachte sich noch nach dem Tod ihres Mannes in den Besitz seines zerbrochenen Schwertes. Und um ihr Kind nicht ganz wehrlos in die Welt zu schicken, legte sie wohl die Reste der Waffe mit in das schwimmende Geflecht. Die “Hirschkuh” - wer auch sonst - übergab dann den kleinen Sigurd und natürlich auch die Schwertreste einem Schmied der sich beider annahm. Diese damals berühmt gewordene Hirschkuh wird auch häufig zitiert, wenn man den Ursprungsnamen der Cherusker von Herut = Hirsch ableiten möchte. Wie vorbestimmt machte der Schmied aus dem zerbrochenen Schwert wieder eine zum Kampf geeignete Waffe mit der Sigurd dann den Drachen töten konnte. Da nicht nur ich in Sigurd Arminius sehe, hatte er eine schwierige Kindheit und musste wie alle gesunden Knaben seiner Zeit lernen die Waffen zu führen. Sollte der dem Tode geweihte Knabe in der Nähe einer Hirschkuh ans Ufer getrieben worden sein und der Schmied konnte dies beobachten so erklärt sich der Grund für die Mitwirkung einer Hirschkuh in dieser Sage. Da Neugeborene Milch benötigen, musste man diese Phase mithilfe dieser Hirschkuh solange überbrücken, bis der ruppige Schmied ins Spiel kam. Der Knabe wurde gerettet und von Mimir jenem Schmied erzogen. Hinter Mimir verbarg sich natürlich eine andere Person, denn hinter der "Mimik jenes Mimir" erkannte die germanische Seele bevorzugt göttliche Weichenstellung. Anknüpfend an diese vorstellbare Kindheitsphase verließ der ältere Arminius später als Geisel seine Heimat um sicherlich nicht mit seiner Zustimmung, gegen Frieden ausgetauscht zu werden. Diese verkürzte eingeschobene Sagen Episode möchte ich mal unkommentiert im Raum stehen lassen, zumal Segimer zumindest noch am Anfang an den Kämpfen gegen Varus teilnahm, also im Gegensatz zu Sigurds Vater Sigmund erst in späterer Zeit verstarb und uns auch Sigmund der Vater von Sigurd als Drachentöter oder anders ausgedrückt als Held überliefert ist. Im Vergleich der Sippen und Familien zu Zeiten der Germanen mit den heutigen Bedingungen lässt sich wohl sagen, dass diese in archaischen Zeiten von völlig anderen äußeren Bedingungen geprägt waren. Die Lebenserwartungen insgesamt waren niedriger, die Säuglingssterblichkeit lag höher, viele Mütter überlebten die Geburt nicht. Es dürfte für uns heutzutage unvorstellbar sein, wie man damals bei den ständigen Herausforderungen bedingt durch den Wechsel der Jahreszeiten, die aufwändige Nahrungsgewinnung und deren Bevorratung und alles unter der Betrachtung kriegerischer Aktivitäten, die wohl allgegenwärtig sein konnten einen geregelten Alltag zustande brachte. Überleben war Glückssache. Wenn wir heute lesen Segimer hatte zwei Söhne und einen Onkel et cetera, so verkennen wir die Lage. Kinder ohne Eltern bzw. Elternteile dürften verbreitet gewesen sein und Germanen höheren Standes mussten zur Sicherung des Erbes vermutlich mehrfach Ehen eingehen. All dies verrät uns die Historie nicht, aber man kann es sich denken. So kennen wir auch die genauen Familienverhältnisse innerhalb der Segimersippe nicht, aber dieses Geschehen um den ausgesetzten und vielleicht sogar ungewollten Arminius könnte für sein Schicksal entscheidend gewesen sein. Er musste sich im Leben durchkämpfen, überlebte eine Flußodysee, kam in die rauen Hände eines Schmied, verließ die Heimat in jungen Jahren, man unterstellte ihn als Geisel römischer Obhut und er musste für Rom seinen Kopf hinhalten. Vermutlich erging es seinem Bruder Flavus etwas besser, auch wenn der durch eine Verletzung wie auch immer er sie sich zuzog, ein Auge verloren hatte. Ihm dem Flavus bot man möglicherweise ein angenehmeres Leben, Pannonieneinsätze blieben ihm wohl erspart, er schien sich besser mit dem römischen Leben arrangieren zu können, wurde Offizier und zu ihm könnte sein Vater Segimer der zwischen den Fronten stand im Gegensatz zu Arminius im engeren Kontakt gestanden haben, vor allem wenn Flavus an der Rheingrenze stationiert war. Dieses Zerwürfnis und vielleicht auch mehr Sympathie von Segimer zu seinem möglicherweise leiblichen Sohn Flavus dem Römer, war der Bruderliebe sicherlich abträglich und führte einen frühen Riss zwischen ihnen herbei der im Streitgespräch an der Weser vor der Schlacht von Idistaviso erneut aufbrach. Blutige Familienfehden sind uns von den Cheruskern überliefert. Ob Segimer Arminius gegenüber immer der fürsorgliche Vater war, könnte man also auch bestreiten. Vielleicht steckte Segimer auch selbst hinter Arminius Ausbildung zum Schmied um ihn nicht in seinem Umfeld zu haben, da er einer anderen Frau im Weg stand. Man könnte also sogar so weit gehen und völlig in Abrede stellen, dass die Frau von Segimer, die als Mutter von Flavus und Armenius um 16 + verstarb nicht nur die Stiefmutter von Arminius, sondern gar von beiden gewesen sein könnte. Im Streitgespräch zwischen den Brüdern über die Weser appellierte Arminius bei Flavus an sein Restgefühl von Verbundenheit mit seinem Stamm und seinen Landsleuten. Und brachte dann sogar die Mutter ins Spiel, die seine Meinung teilen würde, dass Flavus die Familie und das ganze Volk nicht verraten dürfe und stattdessen besser als sein Führer auftreten sollte. Arminius zog demnach alle Register um Flavus auf seine Seite zu ziehen. Rom aber war für Flavus letztlich wichtiger als ihre Bitte. Flavus zu erweichen die Fronten zu wechseln, wäre für Arminius und alle sicherlich ein großer moralischer Erfolg gegenüber Germanicus gewesen, aber er scheiterte damit. Der Name der Mutter des historisch belegbaren Arminius, ist uns nicht überliefert und mit Ausnahme, dass Arminius sie als Mutter bezeichnete wissen wir nicht, in welchem Verhältnis die Brüder zu ihr standen und welche Bedeutung sie für sie hatte. Der eine nutzte sie, um den anderen ins Lager der Germanen zurück zu locken und den anderen ließen ihre Bitten letztlich kalt. Ob diese Argumente ausreichen um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass Arminius womöglich seinen germanischen Namen Sigurd bzw. Sigfried der Geburtslinie Sigmund/Hjördis verdankt ist natürlich spekulativ. Und bei alledem was wir uns unter Arminius vorstellen können, war er auch kein charakterliches Leichtgewicht und eher unbequem. Denn wer derartige Taten vollbringt, musste über viele Talente verfügen und machte sich auch nicht immer Freunde. Mit seiner Rückkehr an die Weser trat also eine höchst umstrittene Persönlichkeit wieder in die Mitte seines Familienverbandes und somit ins Rampenlicht der damaligen Weltgeschichte. Keiner konnte auch damals damit rechnen, dass er überhaupt wieder lebend von den Kämpfen in Pannonien zurück kommen würde. Seine Gefährten waren ihm Familienersatz und ob man ihn mit offenen Armen empfing ist fraglich. Vielleicht wäre es Segimer sogar recht gewesen, er wäre gar nicht mehr zurück gekommen, vielleicht war Segimer wie ich andeutete, auch gar nicht sein leiblicher Vater und Arminius wurde deshalb verstoßen, und sein Vater war dieser damals im Kampf gefallene Sigmund, dessen Schwert ihm vererbt wurde. Der auf Hjördis lastende Verdacht der Untreue nährt diese Überlegung. Viel Stoff wenn man seinen Gedanken freien Lauf lässt und den Sagen glauben schenken möchte. Arminius brachte zuerst mal nur Unruhe in die Region. Wie nun nicht anders zu erwarten, geistert er zwangsläufig auch durch nahezu alle Kapitel meiner Veröffentlichung. Arminius der Cherusker ist einer der ganz wenigen “frühen Deutschen” die uns namentlich überliefert wurden. Nur Boiorix der Anführer der Kimbern von der kimbrischen Halbinsel, dem heutigen Dänemark mit der keltisch/germanischen Namensendung „rix“ und Teutobod dessen Namen wie Marbod endet, der aber auch ins fränkische Mero - baudes/bod weist und der der Anführer der Teutonen war. Sie könnten Arminius, da sie etwa hundert Jahre vor ihm lebten und ihre Namen ebenfalls überliefert sind, bei der Altersbestimmung noch Konkurrenz machen. Dadurch wird auch die Erforschung seiner Namensherkunft zu einer bleibenden Aufgabe auch für die Nachwelt werden. Geboren wurde der berühmte Schlachtenlenker von der Weser im vorgeschichtlichen also prähistorisch/schriftlosen Germanien noch vor der Zeitenwende und er schied in geschichtlicher Zeit aus dem Leben. Wer wollte diese einzigartige, historische Figur, die wie keine andere den Anfang unserer Zeitrechnung markiert und symbolisiert und der der Sprung durch die unsichtbare Schallmauer dieser Zeitenwende gelang, da jemals übertreffen. Arminius war schon ein kräftiger Knabe als Jesus geboren wurde, der ihn dann aber noch um etwa 10 Jahre überleben sollte. Auf unterschiedliche Weise wurden beide von ihrer Familie getrennt, aber für beide war es ein unnatürlicher Tod, ausgeübt von Menschenhand. Als Zeitgenosse des Jesus von Nazareth hatten sie in Varus, den man um die Zeit aus Syrien abberief, als Jesus geboren wurde, schon fasst einen gemeinsamen Bekannten gehabt. So klein war damals schon die Welt. Über seinen germanischen Namen wurde schon viel gerätselt, aber wir kennen ihn nicht. Diesen richtigen, also sozusagen den echten germanischen Namen von Arminius zu wissen, würde uns auf der Suche nach dem Varus Schlachtfeld aber auch nicht weiter helfen. Ihn zu enträtseln brächte aber vielleicht etwas mehr Licht in die Hierarchie alter Machtverhältnisse und Familienzugehörigkeiten zu den Zeiten vor und nach der Varusschlacht und könnte uns damit über Umwege dem Ziel etwas näher bringen. Nach seiner Rückkehr aus Pannonien an die Weser dürfte sich auch sein neuer römischer Name Arm(i)nius oder Arm(e)nius bei seinen germanischen Zeitgenossen schnell einbürgert haben. Bislang kannte man einen Arminius nicht oder vielleicht besser gesagt, man wollte ihn unter diesem Namen wohl auch nicht kennen und anfänglich nannte ihn daher auch kein Germane so. Arminius wurde er von jenen genannt, die den Germanen in feindlicher Absicht gegenüberstanden. Und diese feindlich gesinnten Völker verliehen ihm schließlich auch diesen römifizierten Adoptivnamen. Vielleicht hatte der Name auch die Bedeutung eines Ehrentitels oder stammte gar aus dem ägyptisch/äthiopischen Sprachraum, wo man einen Märtyrer mit Namen Armin kennt, der um 304 verstorben sein soll. Aber auch vom lateinischen Wort "arma" für Waffe könnten ihn die Römer übernommen haben. Sogar seine Augenfarbe, die möglicherweise so blau war wie ein Azurit der sich latinisiert Armenium nennt, wird als Erklärung herbei gezogen oder die Ähnlichkeit seines Namens mit dem Volk der Armenier. Diese Auswahl zeigt aber auch sehr anschaulich, wie lebendig immer noch unsere Forschungslandschaft im Bemühen Erklärungen aufzutun ist, und das auch noch nach 2000 Jahren. Ob Arminius sich auch selbst so nannte ist ebenfalls nicht bekannt aber denkbar, zumindest wird er den Kopf gehoben haben, wenn man ihn so rief. Selbst wenn er schon als älteres Kind und damit als Geisel ins Römische kam, wird ihn sein germanisch geprägtes Gedächtnis an seinen ersten Namen nicht verlassen haben. Sein germanischer Name wurde ihm lange vor seiner Zwangsumsiedlung ins Imperium in die Wiege gelegt und dieser erste Name war in der germanischen Welt und vor allem bei seiner Familie und innerhalb seines Stammes natürlich auch noch bestens bekannt, geläufig und in guter Erinnerung geblieben. So konnte er sich wohl auch je nach Gelegenheit aussuchen, welchen der beiden Namen er wann und wo benutzte. Seine Familie, seine Freunde und seine Stammesgenossen werden ihn wohl nie Arminius genannt haben und sie werden mit Sicherheit seinen alten germanischen Geburtsnamen gleich wie er lautete, bevorzugt haben. Viele Historiker ließen sich verlocken den Namen einzudeutschen und machten daraus den uns allseits bekannten Hermann, was aber zwischenzeitlich von der Fachwelt verworfen wird. Durch seine lateinische Endsilbe „ius“ hinter Armin hatte er aber für unsere Ureinwohner nicht mehr den ihnen vertrauten „germanischen Klang“. Die Cherusker könnten aber noch sehr gut Hermin – ius, Ermin - ius oder Irmin – ius heraus gehört haben. Daher verbreitete sich in der späteren Forschung recht schnell und auch plausibel nachvollziehbar die Ansicht, dass sein germanischer Urname auch eigentlich nur Armin gelautet haben kann. Und Hermin wäre da für die Stämme nicht nur im herminonischen Kultraum, wozu auch die Cherusker zählten ein Begriff. Armin der Arminone aber auch der Irminone wäre also auch eine denkbare Alternative. Der von den Römern vergebene Name Arminius, wenn sie ihn denn von Herminius ableiteten, war für sein eigenes Volk wegen der Aussprache der Endsilbe ein Fremdkörper und womöglich nicht beliebt. Es blieb ein ihm von den Fremden möglicherweise auch gegen seinen Willen aufgezwungener Name. Um die Problematik um die Herkunft des Namens Armin nun komplett zu machen kommt man nicht umhin auch einen Blick auf Gaius Plinius Secundus Maior, auch Plinius der Ältere genannt und seine Naturalis historia zu werfen, die um um 77 + entstanden ist. Plinius nennt darin unter der Sammelbezeichnung der Hermionen wohlweislich nicht der Herminonen sondern der Hermionen die Stämme bzw. Völker der Sueben, Hermunduren, Chatten und Cherusker. Er unterscheidet aber die Cherusker aus denen Arminius entstammte von den nördlicher davon siedelnden elbgermanischen Hermunduren, die zum großen Volk der Sueben gerechnet werden. Der Name dieser Ermunduri, was aus den lateinischen Worten Suevi Hermunduri also von den Hermunduren abgeleitet ist, verleitet aber auch noch dazu durch die Anfangssilbe “Ermun” an das Wort Armin anzuknüpfen. Da uns Arminius über die römische Namensschiene begegnet, Arminius aber ein Cherusker und kein Hermundure war, könnte man den Gedanken verwerfen, dass sich die römischen Namenspatronen mit Arminius für einen Namen aus einem anderen germanischen Volksstamm entschieden haben könnten. Allerdings vereint die Namen “Ermun” als auch “Armin” der Bezug zum altdeutschen Begriff “Erm” bzw. „Arm“ , woraus auch Adler oder Adlertöter abgeleitet werden könnte, so dass man auch diese Kombinationsmöglichkeit, wenn auch vielleicht nur auf hinteren Rängen in der Gesamtbetrachtung gelten lassen muss. Diese These wird aber auch durch die Kenntnis gestützt, dass in Germanien der Name Armin auch für Ermin oder Irmin und damit für Worte wie groß, gewaltig und heldenhaft steht. Die für den Cherusker nun neuen “Familienmitglieder” besser gesagt seine ihm nahe stehenden Bezugspersonen auf römischer Seite, die gewiss auch Verantwortung für seine Loyalität übernehmen mussten, konnten sich als Ziehväter bei der Namenssuche auch in der germanischen Welt nach geeigneten Rufnamen umgesehen haben, wurden vielleicht auch fündig und fügten dann nur die lateinische Endsilbe an. Hängen bleibt bei alledem sicherlich die Feststellung, dass der Name Armin, auch wenn man an ihn im römischen Reich die lateinische Endung “ius” anfügte germanischen Ursprungs gewesen sein könnte, ohne das man dies natürlich mit letzter Sicherheit behaupten kann. Der Name als Armin oder gar Arminius geschrieben erlebte trotz seines immensen Erfolges und seines plötzlichen Bekanntheitsgrades dadurch aber keine Konjunktur. Er ist in Germanien in dieser Schreibweise an keiner Stelle nachweisbar und scheint für männliche Nachkommen keine Verwendung bzw. Nachahmer gefunden zu haben. Zumindest kenne ich keine Überlieferungen aus germanischen Zeiten zu weiteren Personen die den Namen Armin mit “A” geschrieben tragen. Erst in der Moderne taucht der Name Armin wieder auf. Anders verhält es sich mit der Schreibweise bzw. Variante des Namens Armin, wenn man an seinen Anfang den Buchstaben “I” statt “A” setzt, nämlich Irmin statt Armin. Es lässt sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, ob das gesprochene “Ar” des aus der römischen Sprache überlieferten Wortes Arminius im Germanischen eine Wandlung vollzog und zum “Ir” wurde, jedoch gibt es dafür einen anderen Anhaltspunkt. Aus der indogermanischen Sprachentwicklung kennen wir die Ableitungen aus den Worten pflügen und Pflug. Aus der litauischen Sprache kennen wir das Wort “ariu” für Pflug und in lateinisch die Worte “arō = āre”, dass für “arātrum” also Pflug steht sowie aus dem gotischen das Wort arjan. Im Altenglischen finden wir dann für das Verb pflügen den Namen “erian” und im Althochdeutschen die Namen “erien” und “erran”, erkennen hier also den Wechsel vom “ar” zum “er”. Wenn man diese Beispiele auch auf die Namensverschiebung von Armin zu Ermin anwenden darf bzw. kann, so hätte man unter der römischen Herrschaft demnach für den Namen Armin auf die indogermanische Wurzel zurück gegriffen, die sich im Zuge der Sprachveränderung in Germanien später zum Namen Irmin entwickelte. Verfolgt man diesen Strang können wir ein Bindeglied zum Namen des thüringischen Königs Herminafried greifen. Für ihn gibt es auch die Namensüberlieferung Hermenefred. Aufhorchen lässt uns auch der Name Erminafried mit dem man ihn auch benannte und der sich bereits ohne “H” schreibt. Aber besonders fällt sein weiterer Name Irminfried auf, denn hier vollzieht sich dann der spätere Namenswechsel vom Ermin zum Irmin. Irminfried war arianischen Glaubens, lebte von etwa 485 bis 534 und verstarb in Tolbiacum dem heutigen Zülpich. Er war der Sohn des thüringischen Königs Bisinius, trat 510 dessen Nachfolge an und heiratete Amalaberga die Nichte von Theoderich dem Großen. Man kann annehmen, dass es um diese Zeiten und auch früher weitere uns nicht überlieferte Namen gegeben haben müsste, in denen der Name Irmin in welcher Form auch immer enthalten gewesen sein dürfte. Irminfried wurde 464 Jahre nach Arminius Tod geboren. Das weströmische Reich endete theoretisch mit dem Hunneneinfall 375 + und das frühe Mittelalter begann mit der Langobardenherrschaft in Italien nach 568 +, dazwischen lagen die Zeiten der Völkerwanderungen. Irminfried starb 534 + sein Leben fiel also mitten in diese zeitlichen Wirren. Ich denke, dass zwischen den Schreibweisen von Armin zu Irmin die Namensformen mit Ermin gelegen haben, die man vor die Irminschreibweisen als die Älteren ansprechen könnte und auf die eine Vielzahl anderer germanischer Namen wie zbs. den des berühmten Gotenkönigs Ermenrich der im Jahre 376 verstarb zurück greifen. Der Hinweis auf den männlichen Namen Irminfried führt uns aber mehr in den thüringischen Raum der aber ab dem 6. Jhd. zunehmend unter sächsisch/fränkischen Druck geriet. Die Schreibweise der westfränkischen Königin Ermentrude, über Hermentrude und Irmentrude aus der sich dann der Name Irmtraut entwickelte zeigt, dass sich später die “Irm” Silben durchsetzten. Nach Thüringen weist auch die bekannte Irmina von Oeren oder auch Irmina von Trier genannt, sowie eine Immina bei der es sich vermutlich um deren Tochter handelt. Irmina von Oeren verstarb zwischen 704 und 710 und ihre Geburt könnte, da sie die Mutter von Adela von Pfalzel war die 660 geboren wurde, je nach dem Alter ihrer Mutterschaft vor 648 gelegen haben. Forschungen ergaben, dass sie ursprünglich aus Thüringen gestammt haben könnte und damit enger mit den sächsischen Stammlanden als mit dem fränkischen Austrasien verbunden war. Aus dem Namen Armin könnten sich über den Umweg des Ermin demnach alle weiblichen und männlichen Irminnamen entwickelt haben. Auch dies ist kein einwandfreier Herkunftsbeweis auf eine von den Germanen eigenständig und unabhängig vom großen Armin entwickelte Namenstradition. Denn allen nach dem römischen Arminius, dem großen Schlachtenlenker geborenen Kindern in der germanischen Welt, so könnte man sagen, wäre der Name Armin dann nur deshalb verliehen worden, um damit an seinen großen Namensvetter zu erinnern. Über den späteren Namen Irmin leitet man ihn von Armin ab, könnte sich dann letztlich doch eine germanische Tradition basierend auf dem römischen Namen etabliert haben. So hätte sich damit der Bekanntheitsgrad des Namens Arminius und das Wissen um diese Person und seine Taten verfestigt und ließ sich, zuerst aus der lateinischen Geschichte und später auch aus dem germanischen Sprachraum fortan nicht mehr tilgen. Arminius als Person, war aber nicht nur im römisch beeinflussten Germanien, sondern weit über die in Abhängigkeit zu Rom stehenden Völker hinaus bekannt, auch wenn man die lateinische Namensform Armin nicht als Name für Nachkommen nutzte. Der heutige Großraum der die westfälische Bucht, bis zur Weser einschließlich Südniedersachsen, Nordhessen und das nördliche Sauerland bis zur Diemel umfasst, war Kerngebiet einer Bevölkerung, die noch über viele Generationen das Wissen um die damaligen Ereignisse kannte, weiter gab und mit ins Grab nahm. Dem Namen Arminius und seinen Taten, wohnte eine römisch/germanische Wurzel inne und ihm haftete noch sehr lange ein alle Stämme verbindender germanischer Wiedererkennungswert an. So könnte sich am Nordrand des Sauerlandes auch eine sprachverwandte Verkettung von Armin - ius über Ermin und Irmin bis zur Irminsul durchgesetzt haben worauf ich aber noch zu sprechen komme. Arminius war in die Seelen und Herzen wie einzementiert, und hatte bei den regionalen Germanenstämmen im Götterhimmel schon einen festen Platz gefunden. So überdauerte er problemlos die Jahrhunderte. Arminius hatte in der Großregion überlebt auch wenn die latinisierte Form seines Namens verschwand. Und dieser Ort könnte ohne viel Phantasie zu haben, zum Beispiel auch, aber nicht nur der Obermarsberg gewesen sein, denn da habe ich einen anderen Verdacht. Der Name Ermin/Irmin wurde aber nur als Personenname verwendet wie ich später noch herausstellen möchte, man vergötterte ihn zwar wegen seiner Taten aber vergöttlichen wollte man ihn auch nicht. Was natürlich im scharfen Kontrast zum Imperium steht, wo es die römischen Kaiser allen vormachten, indem sie sich schon zu Lebzeiten mit den Göttern auf eine Stufe stellten oder auf Münzen abbilden ließen. Auf diese profanen Basis gestellt, hatten sich auch die Cherusker und die anderen Stämme der Zeit an seinen neuen römisch/germanischen Zweitnamen Arminius und die Folgenamen Ermin und Irmin gewöhnt. Sie zollten schließlich seiner Person Hochachtung und Respekt gleich wie man ihn rief, aber sie amüsierten sich andererseits auch gleichzeitig über diesen Namen, da der mit Ruhm und Erfolg in Verbindung gebrachte Name Arminius ausgerechnet von jenem Volk vergeben wurde, das ihm später unterlag, ihm dem germanischen Wolf im Schafspelz, der sie alle hinters Licht geführt hatte. Rom verlieh ihm den Namen Arminius möglicherweise auch, weil ihnen sein germanischer Originalname schlechter über die Zunge ging, oder sie ihn möglicherweise auch gar nicht kannten oder kennen wollten. Sie akzeptierten ihn bei sich nur mit einer Identität die sie selbst vergeben hatten. In den römischen Niederschriften der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung erwähnte man den Namen Arminius auch noch. Später belastete man sich im römischen Reich nicht mehr mit ihm und seiner für das Volk von Rom gewisslich negativen Aura. Sein Name geriet in Vergessenheit, aber nicht so in Germanien. Damit verließ die Person Arminius auch langsam die historische Bühne aber nur auf der Ebene der römisch/historischen Überlieferung. Ihn, der er auch noch ein gegnerischer vor allem aber ein erfolgreicher Heerführer war begrub man literarisch unter einer dick “aufgeschichteten Schicht Geschichte”. Und wer lobt außer Tacitus schon seinen Feind in Person des Arminius und macht ihn damit unsterblich. Auch der ihm damals von römischer Seite gegebene Zweitname Arminius in seinen abgewandelten Formen hat die Zeiten überdauert und blieb bis in unsere Tage im Gedächtnis der Bevölkerung haften. Eine letzte Spur zum Namen Arminius in direkter Folge und Anknüpfung an die Antike sehe ich daher in der Arminiussäule, abgekürzt Irminsul die im 8. Jhd. von Karl dem Großen zerstört wurde. In dieser Zeit hatten sich die Franken vorgenommen, alles traditionelle und was sie für heidnisch hielten endgültig aus den Köpfen der Bevölkerung in Westfalen, Falen und Ostfalen zu verbannen und dem fiel auch die Arminius - Erinnerungsstätte zum Opfer und beinahe wäre es den Franken auch gelungen. (zuletzt überarbeitet - 12.2.18 - 18:45 Uhr)

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Donnerstag, 16. November 2017
Tiberius (Claudius Nero)
Der spätere Kaiser Tiberius, der mit dem Titel den Zusatznamen Julius Caesar Augustus annahm, lebte von 42 – bis 37 +. In seine Zeit als Feldherr aber auch als Kaiser fiel Tiberius über den gesamten Zeitraum der Germanenkriege eine interessante, aber auch eine fragwürdige bis dubiose Schlüsselrolle zu. Eine insgesamt betrachtet denkwürdige Epoche frühester Geschichte auf heutigem deutschen Boden. Er ging nach Meinung vieler Historiker als eine rätselhafte Gestalt in die Geschichte ein. Sueton und Tacitus beschrieben ihn als hinterlistig und boshaft. Auch Überheblichkeit bis zur Arroganz wurde ihm nachgesagt. Geistig war er beweglich und man stellte bei ihm auch Anzeichen von Depressivität fest, wie man heute sagen würde. Was trieb ihn aber dazu im Jahre 9 – die körperliche Anstrengung auf sich zu nehmen binnen kürzester Zeit von Mainz nach Ostwestfalen zu reiten um noch seinen Bruder Drusus lebend anzutreffen und zu sprechen, der nicht lange danach verstarb. War die Bruderliebe so groß oder gab es da noch was zu regeln oder für Tiberius noch was zu erfahren, vermutete Tiberius hinter dem „vermeindlichen“ Pferdesturz eine Finte die er durchschauen wollte, nahm er vielleicht an, Drusus wolle eventuell eine Verletzung nur vortäuschen um Zeit für andere Aktionen zu gewinnen, war er besorgt die Germanen könnten sich seiner bemächtigen, brauchte er noch Informationen über die Völker rechts der Elbe, oder kann Depression ein auslösender Faktor gewesen sein ? Kaffeesatzleserei, aber es bleibt unklar was ihn in damaliger Zeit derart antrieb Ostwestfalen in Tag - und Nachtritten zu erreichen. Aber nach dem Tod seines Bruders Drusus war Tiberius als sein Nachfolger in Germanien gesetzt und führte im Jahre 8/7 – wie nicht anders zu erwarten war, „erfolgreich” die Feldzüge seines im Jahr 9 - verstorbenen Bruders zu Ende. Wie sich diese Feldzüge in der Realität auch immer gestalteten ist nicht überliefert, vermutlich passierte in Germanien nach 8 – aber auch erst einmal gar nichts mehr. Zwangsläufig musste er aber um agieren zu können nach der Beisetzung seines Bruders in Rom wieder an den Rhein zurück gekommen sein, um dann dort die Legionen des Drusus für weitere Aktionen übernehmen zu können. Möglicherweise hat er noch das eine oder andere Scharmützel ausgetragen, hat sich dann aber den Umsiedelungen der Sugambrer auf die linke Rheinseite, sowie den Sueben gewidmet. Innerfamiliäre Probleme ließen ihn in Germanien vorerst nicht mehr aktiv werden, so dass nach dem Jahr 7 – Lucius Domitius Ahenobarbus die Feldzüge in Germanien weiter führte. Der erste Vorstoß von Ahenobarbus ist für das Jahr 3 – überliefert. Folglich hat Tiberius zwischen 8/7 – und 4 + in Germanien mit Abwesenheit geglänzt. Er trat in Germanien erst wieder im Zuge des Immensum Bellum in Erscheinung der 1 + ausbrach und in den er 4 + eingriff, nachdem der zwischenzeitlich eingesetzte Feldherr Marcus Vinicius wohl erfolglos blieb. Tiberius beendete ihn dann 5 +. Obwohl Tiberius 12 lange Jahre in Germanien nicht mehr präsent war und sich die dortigen Kräfteverhältnisse in dieser Zeit sicherlich verschoben haben, galt er wohl immer noch als der Germanien Kenner schlechthin und Kaiser Augustus traute ihm zu vor Ort die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die häufigen Durchzüge der römischen Legionen kreuz und quer durch Germanien von Drusus über Ahenobarbus bis Vinicius die auch immer wieder mit heftigen Kämpfen verbunden waren, haben die Germanen zusammen geschweißt und den Nährboden für den Immensum Bellum geschaffen für den Tiberius ab 4 + wieder zuständig war. Tiberius mag sich mit Ahenobarbus nach dessen kurzer Eskapade über die Elbe im Jahre 3 – oder auch mit Marcus Vinicius abgestimmt haben und man wird Kaiser Augustus dazu bewogen haben Entscheidungen zum härteren Durchgreifen zu treffen. Die Fehleinschätzung von Tiberius der den Immensum Bellum als Siegesserie und danach die Lage in Germanien als stabil dargestellt hatte, mündete dann in die Entscheidung Varus nach Ostwestfalen zu entsenden und das Ende kennen wir. Es kam wohl auch unter der Mitwirkung und Beratertätigkeit des Tiberius zustande, dass man Varus herbei rief, der dann die Sache in den Sand setzte. Trotzdem sprach Kaiser Augustus ihm wegen seiner strategischen Erfahrungen mit dem sichtbaren Zeichen der Übertragung des „imperium proconsulare“ sein Vertrauen aus und entsendete ihn zwecks Wiederherstellung der Stabilität vielleicht schon direkt oder erst ein Jahr später nach der Varusniederlage als Mann für besondere Aufgaben erneut an die Germanenfront. Während ihm danach sein "schreibender Verehrer" Velleius Paterculus sogar wieder Vorstöße ins Landesinnere testierte, überliefert uns Cassius Dio keine nennenswerten Übertritte auf die andere Rheinseite und auch archäologisch gibt es dazu keine Befunde. Die Aussagen von C. Dio werden als Glaubhaft betrachtet. Allerdings liegen uns dazu noch ergänzende Überlieferungen von Johannes Zonaras aus dem 12. Jhd. vor, der uns verschollene Teile aus dem C. Dio Text überliefert hat. In etwa mit dem Wortlaut, dass die Germanen befürchteten, Tiberius würde mit einem bedeutenden Heere die Lippe aufwärts heranrücken, um sie nach der Varusschlacht anzugreifen. Dies geschah im Zusammenhang mit dem Entsatz eines Römerlagers, dass von den Germanen bis dato erfolglos belagert wurde. Bei diesem Römerlager indem sich auch Überlebende der Varusschlacht aufgehalten haben könnten, handelte es sich meines Erachtens um das „Bollwerk - bzw. Winterfluchtlager“ Haltern, also das Lager, dass sich den Germanen in den Weg gestellt haben soll, um ihnen den Übertritt über den Rhein zu verwehren bzw. sie aufzuhalten. Dies soll sich wegen des Hinweises auf die Kälte der Nacht im Winter 9/10 + zugetragen haben. Während allerdings C. Dio noch selbst überliefert hat, dass es die von Asprenas dem Feldherrn von Tiberius geschickte Truppe gewesen wäre. Natürlich musste Tiberius trotz seiner Anwesenheit am Rhein nicht unbedingt auch persönlich mit den Legionen den Rhein in Richtung Haltern überquert haben, aber der Vorfall zeigt doch, dass es noch zu begrenzten Einsätzen auf rechtsrheinischem Gebiet im Nachgang zur Varusschlacht in dieser Zeit kam. Grund für keine weiteren Kämpfe in Germanien unmittelbar nach der Varuskatastrophe wird die angespannte unklare Lage und natürlich die winterliche Jahreszeit gewesen sein. Was die verängstigten germanischen Belagerer vor Haltern auch nicht wissen konnten, war die Risikoscheu die Tiberius nach dem Varus Debakel an den Tag legte. Sueton betonte, dass Tiberius sehr umsichtig vorging und sich auch die Vorschläge eines Kriegsrates anhörte. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass diese Gespräche bei Varus zu kurz kamen. Für einen Feldherr ungewöhnlich kontrollierte er sogar bei Vorstößen ins Landesinnere persönlich die Trossladungen um unnötige Beladung zu verhindern. Auch hier wieder der Seitenhieb auf Varus, der sich wohl mit einem zu üppigen Tross belastete. Tiberius wollte vermeiden, dass sich alte Fehler wiederholen konnten, er forderte Disziplin die Varus vielleicht auch vermissen ließ und bewegte sich auch nur innerhalb eines Streifens unbekannter Breite östlich des Rheins, den er noch für vertretbar hielt, da er laut Sueton auf gefährliche Unternehmungen während seines Kommandos am Rhein bis 12 + verzichtete. Aber Anfang 13 + weilt Tiberius auch schon wieder bei Hofe und brachte von dort aus vermutlich auch Germanicus in Stellung, der dann 14 + die Rachefeldzüge aufnahm, die dann wiederum 16 + bei Bramsche ihr Ende fanden. Tiberius scheint sich trotz widriger Bedingungen letztlich immer so geschickt verhalten haben, dass er am Ende immer oben schwamm und wirkte mal vor und mal hinter den Kulissen. Als ihm dann nahezu schicksalhaft mangels anderer familiärer Thronfolger die Nachfolge von Augustus in den Schoss fiel, tat er sich sehr schwer damit sie anzutreten und scheute sich offensichtlich vor der plötzlichen Übernahme dieser gewaltigen Verantwortung und Herausforderung. Erst auf Druck des Senats soll er dann wohl mehr halbherzig der Übernahme dieses hohen Amtes zugestimmt haben. Vor diesem Hintergrund müssen wir versuchen die politische Lage nach der Varusschlacht in Rom einzuschätzen. Augustus musste sich eingestehen an Tiberius nach dem Tod seiner bevorzugten Enkel nicht mehr vorbei zu kommen und hatte sich sehr schwer getan in ihm seinen Nachfolger zu sehen. Auch für Augustus traf Tiberius wohl eine nicht zu unterschätzende Mitschuld an allem was in Germanien schief ging, aber als geschickter Taktiker konnte und wollte er ihn auch nicht vor der Öffentlichkeit demontieren. Theatralisch wofür er bekannt war, heute würde man sagen medienwirksam, samt seiner Sondereinlage “Kopf an die Wand schlagen” präsentierte Augustus der Nachwelt seinen verdächtig gut inszenierten Zornesausbruch. Wenn berichtet wird, dass er in Schwermut versank und seine Hygiene vernachlässigte, so wäre er nicht Augustus gewesen, wenn er nicht auch dieses Mittel im Sinne seiner Methode einen Staat zu lenken eingesetzt hätte. Mit dem Druckmittel, das Imperium sei in Gefahr ließen sich bequemer nicht opportune Entscheidungen begründen und die Senatoren durften nie übermütig werden. Auch der Tacitus Hinweis, dass er seine von ihm sofort nach der Katastrophe entlassene germanische Leibwache, die er aber nur geschickt irgendwo versteckt haben soll, schon wenige Jahre später wieder zurück holte lässt erkennen, dass sein Groll befristet war. Er richtete seine Bestürzung auch bewusst nur gegen Varus der nun mal so war wie er war, nämlich alles andere als ein erfolgreicher Feldherr in Germanien. Während Augustus Varus bzw. seinem Kopf ein, nennen wir es Staatsbegräbnis gewährte, litt seine Frau Claudia Pulchra und der Varus Sprössling noch lange unter den Repressalien des Tiberius, die ihm vermutlich äußerst peinlich all seine persönlichen Verfehlungen im Nachhinein in die Schuhe schob. Eine personelle Fehlbesetzung ist eben auch immer die Fehlentscheidung der “Personalabteilung” und die Umstände könnten dafür sprechen, dass Tiberius an der Varusentsendung einen nicht unerheblichen Anteil hatte. Nachdem aber die Rheinfront ruhig blieb, wird Kaiser Augustus die Varusniederlage schnell verdaut haben, da er ja schließlich auch noch andere Konfliktregionen zu befrieden hatte. Tiberius begegnet uns nach den unbefriedigenden Germanicus Feldzügen wieder als Kaiser und fällt durch seine erstaunliche und wahrhaft kaiserliche Entscheidung auf, man möge doch jetzt in Germanien weitere Eroberungen stoppen und die Rheinfront akzeptieren und zu stabilisieren. Die weise Entscheidung eines Mannes, der in diesem Fall sicherlich richtig handelte. Mit diesem Exkurs über Tiberius wollte ich aber auch die gärende Frage nach der möglichen “Verfälschung der Senatsakten” aufgreifen bzw. nochmal aufwerfen. Schließlich neigen viele Historiker dazu, dass Werk des Historikers C. Dio was seine Überlieferung zur Varusschlacht anbelangt, deswegen in Frage zu stellen. C. Dio hatte bekanntlich indirekt den Wahrheitsgehalt der Senatsakten infrage gestellt und damit Spekulationen geschürt, dass alles was er über die Varusschlacht schreiben würde zweifelhaft sein könnte. Wie er zu der Auffassung gelangte wissen wir nicht. Vielleicht kamen ihm die ganzen Schilderungen aber auch so schier unglaublich vor, dass man bzw. er sie selbst kaum glauben konnte. Wurden die Schriften im Archiv tatsächlich wahrheitswidrig verfasst oder verändert dann hätte C. Dio auf diesen tönernen Füssen basierend die Welt trotz seines Hinweises letztlich aber doch getäuscht, so müsste sein Werk zur Varusschlacht verworfen werden. Handelt ein Historiker in dergestalt, dass er eine ausführliche Darstellung veröffentlicht die er aber gleichzeitig wieder in Frage stellt. Wäre sein Verdacht allerdings tiefer verwurzelt und konkret gewesen, hätte er ihn als guter Historiker möglicherweise komplett weg gelassen. Daher ist diese Frage nach der Glaubwürdigkeit für die gesamte Varusforschung auch von elementarer Bedeutung. Träfe es zu, bliebe uns nur noch die Florus - Lager - Überfall - Variante und sie müsste allen Strängen der Interpretation zugrunde gelegt werden. Dies würde das Feld des möglichen Schlachtenverlaufs erheblich einschränken und viele Spekulationen schlagartig verstummen lassen. Stellt man sich nun die Frage, wer ein Interesse daran gehabt haben könnte, die zu Papier gebrachten Senatsakten umzudeuten, zu verändern oder wie auch immer zu beschönigen, so wird bevorzugt auf Kaiser Augustus verwiesen, obwohl diese Handlungsweise noch eher Tiberius zuzutrauen gewesen wäre oder vielleicht auch anderen unbekannten Experten für Verdunkelungen. Tiberius folgte ihm im Amt und mögliche Darstellungen die schlechtes Licht auf seine aktive Rolle in Sachen „Varus“ hätten werfen konnten, wollte er darin nicht sehen. Denn er war es immerhin, der damals noch als Feldherr mitten im Geschehen stand, die besten Kenntnisse von den Ereignissen gehabt haben musste und zudem viele Weichen mit stellte die zum späteren Desaster führten. Andererseits brauchte Tiberius sich diese Mühe wiederum nicht zu machen, denn von ihm war ja im Zuge und nach der Varusschlacht überhaupt nicht mehr die Rede gewesen, da Augustus die politische Verantwortung für alles übernahm. Schuld trug eben in den Augen aller immer Varus der Versager, die vertragsbrüchigen und untreuen Germanen, die zornigen Götter und das schlechte Wetter. Warum also von den Schreiberlingen nach dem Tod von Augustus oder seinem Nachfolger noch mal in alten Papieren wühlen lassen. Kaiser Tiberius hatte jetzt die Macht, aber auch andere Sorgen und größere Probleme als Geschichtsklitterung zu betreiben, zumal man derartiges in Rom auch sicherlich nicht hätte geheim halten können. Meiner Ansicht nach wurden diese Akten von den Beamten angelegt, nachdem sie sich ein glaubhaftes Bild über die Abfolge der Ereignisse machen konnten und man wollte keinesfalls den Kenntnisstand „der Straße“ übernehmen. Inwieweit von den Beamten spätere zusätzliche Erkenntnisse zeitversetzt ergänzt und dann nachgetragen wurden ist unbekannt. Man könnte spekulieren und sagen, dass die ersten Nachrichten die aus dem Norden in Rom eintrafen wie ein Lagerüberfall geschildert wurden und späteren Nachrichten andere und vielleicht detailliertere und authentischere oder einfach nur glaubhaftere Informationen zu entnehmen waren. So zum Beispiel, dass der Niedergang Angesichts der Vielzahl der getöteten Legionäre, immerhin waren es drei Legionen definitiv nicht das Resultat eines einzigen Lagerüberfalls gewesen sein konnte. Eine Vernichtungsschlacht die sich über Tage hingezogen hatte schien da wohl für alle zutreffender zu sein. Eben genau so wie Dio sie bei den Beamten abschrieb und uns überlieferte. Vielleicht grassierten in den Senatsakten auch unterschiedliche Erläuterungen und Betrachtungen zum Schlachtverlauf und sie hatten die freie Auswahl. Was soll ein Beamter zu Papier bringen, dem man nach und nach die unterschiedlichsten Versionen vorlegte. So zitierten die späteren antiken Historiker mal aus diesem und mal aus jenem Papier, je nachdem was ihnen die Beamten nach den vielen Jahren aus den verstaubten Archiven hervor holten. Von einer geplanten Manipulation von kaiserlicher Seite, wer es auch immer von beiden hätte angeordnet haben können, gehe ich daher nicht aus. (zuletzt bearbeitet 10.12.2017 - 23:29)

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