Freitag, 16. August 2019
Wer war der erste Historiograph der über die Varusschlacht berichtete
Es kommt einem historischen Suchspiel gleich zu versuchen der Frage nach zu gehen, auf welchen verschlungenen Pfaden die ersten Nachrichten aus dem Nethegau, also dem nassen, unteren oder niederen Gau zwischen Weser und Egge, den ersten lateinischen Historiker den ich suche erreichten, um ihn identifizieren zu können. Gaius Julius Hyginus der ehemalige Sklave in Diensten des Kaisers ist nicht der gesuchte Historiograph. Er war kein frei Schaffender, sondern ein besoldeter Bibliothekar, ein Angestellter, also ein Staats - bzw. ein Senatsbeamter und in ihm sehe ich eher ein Bindeglied zwischen den ersten Nachrichten die aus Germanien eintrafen und den frühen Historikern. Und das noch lange bevor Segestes sein Wissen über die Varusschlacht beisteuerte. Es gibt zwei Kandidaten dafür, aber nur einem von ihnen steht die literarische Urheberschaft zu an der Spitze jener zu stehen, die uns erstmals etwas zur Varusschlacht zu sagen hatten. Dieses waren wie uns überliefert ist, der Dichter Publius Ovidius Naso, eingekürzt Ovid genannt und der Astronom Marcus Manilius. Wenn auch letzlich sowohl die Quellen des Ovid als auch die des Manilius äußerst spärlich ausfielen, so kann man sie doch noch recht taufrisch der Anfangsphase zuordnen. Ich möchte mich mit beiden Personen beschäftigen, der Frage nachgehen was sie zum Thema „Varusschlacht“ beitragen könnten und die Unterschiede zwischen ihnen heraus stellen. Aber nicht nur allein um zu wissen, welchem von beiden Personen dieser erste Platz gebührt, sondern auch um heraus zu finden, wer uns von ihnen in Sachen Varusschlachtforschung und auf der Suche nach den Hintergründen die größten Dienste erweisen kann. So möchte ich mich zunächst langsam der Person des Dichters nähern, der aus meiner Sicht unbestritten der Favorit ist und dem das Privileg zu steht das historische Tor zur Varusschlacht als erster Literat mit historischen Ambitionen geöffnet zu haben. Aber bis wir so weit sind müssen wir uns zuerst nochmal tief zurück in die dunklen Geschehnisse um die Stunde „Null“ begeben. Was ging in Ostwestfalen im Herbst des Jahres 9 + vor sich, in einer Region in der erst seit kurzem die Waffen schwiegen und wo sich der Pulverdampf langsam verzogen hatte, wenn es ihn denn schon gegeben hätte. Eigentlich für die Zeit etwas völlig Banales was uns da erschaudern lässt. Menschen irrten verstört umher. Gingen von ihren Siedlungen zu den Schlachtfeldern trugen Gegenstände, beluden Karren, suchten in Gebüschen, stocherten im Schlachtengerümpel, fanden Brauchbares oder blickten einfach nur stumm zu Boden und erkannten tote blutverschmierte Verwandte oder Bekannte. Im Bereich der einstigen Kampfstätten in Wäldern oder Sümpfen roch die Luft noch nach dem verwesendem Fleisch toter Reit- oder Lastpferde. Über Tage entdeckten es die Aasvögeln und in den Nächten wurden die Reste von den Raubsäugern vertilgt, wenn diese sich aus ihren Verstecken trauten. Da man bekanntlich erst viele Jahre später die Knochen beisetzte muss auch menschlicher Verwesungsgestank hinzu gekommen sein. Sollten die Cherusker hinsichtlich ihrer Bestattungsriten von den Menschen der Jastorf – Kultur abstammen, so praktizierten sie ausschließlich die Verbrennung und die anschließende Urnenbeisetzung, sodass über allem auch noch der Geruch verbrannten Menschenfleisches lag. Der Bevölkerung stand in dieser Zeit nicht der Sinn nach Völker übergreifendem Nachrichtenaustausch und wer nach dem Schlachten auf germanischer Seite noch Kraft hatte und Willens war, der zog nach Aliso oder Anreppen und belagerte es. In Rheinnähe hatte man andere Sorgen. An der nunmehr plötzlich über Nacht entstandenen neuen römischen Reichsgrenze hatte man die Wachen auf den Türmen und Wällen verstärkt. Die Legionäre starrten rund um die Uhr übermüdet durch den herbstlichen Nebel auf die germanische Rheinseite und achteten auf alle Bewegungen. Der Stromverlauf des Rheins war nun deckungsgleich mit der neuen Grenze. Zutreffender wäre es wohl im Rhein in dieser Phase eine provisorische und natürliche Auffanglinie zu sehen. An der Egge waren die Menschen nach der Schlacht bemüht ein noch nie dagewesenes Ereignis bewältigen zu müssen. Dafür reichte ihr begrenztes Vorstellungsvermögen nicht mehr aus. Im fernen Rom wusste von alledem aus Ostwestfalen weder Kaiser noch Bibliothekar, noch Chronist etwas und man dachte noch freudig an den mühsam erkämpften Sieg der Legionen in Pannonien und Dalmatien. Aber die Überbringer der Schreckensnachricht saßen schon im Sattel. Ich möchte versuchen den Informationsablauf bzw. seinen Verlauf von den unmittelbaren Örtlichkeiten der Varusschlacht nach ihrem Ende bis zum ersten greifbaren Chronisten des Imperiums aufzuspüren um ihn dann Baustein artig rekonstruieren zu können. Der römische Senator Lucius Nonius Asprenas operierte mit seinen zwei Legionen zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung weit westlich im sicheren Abstand zum Schlachtgeschehen. So erreichte er unbeschadet und mit heiler Haut das Standlager bei Xanten. Er traf nun alle Schutzvorkehrungen und wies die Bereitschaftsstaffel der Meldereiter an, unverzüglich den Kaiser über das Desaster zu informieren. Dies war nun seine Aufgabe und erste Pflicht der er nach zu kommen hatte. Ein Befehl, den zu erteilen zweifellos nur einer hohen Person wie ihm an vorderster Position und nunmehr an der unmittelbaren Front zustand. Würden wir an diesem Punkt eine Zeitrechnung aufmachen und uns an einer Zurückrechnung von jenem 6. Oktober 0009 an versuchen, den uns der römische Schriftsteller und Verwaltungsbeamter Gaius Suetonius Tranquillus, der erst um 70 + zur Welt kam, als Datum für den berühmt gewordenen „Augustus Aufschrei“ hinterließ, würden wir sicherlich zu waghalsigen mathematischen Ergebnissen gelangen. Ich möchte es trotzdem einmal riskieren die damalige Lage zeitlich zu erfassen. Am 24.9.0009 einen Tag nach dem man an der Weser den Geburtstag des Kaisers gefeiert hatte, rückten die Legionen durch das Westtor des Sommerlagers in Richtung Lippe aus. Am Tag darauf, dem 25.09.0009 verließen Varus und seine Männer, alle noch unbeschadet das erste Marschlager bei Brakel nahe der Nethe. Am Folgetag, dem 26.09.0009 räumten die Legionen schwer ramponiert nach dem ersten Kampftag das halbfertige Gerichtslager. Und am 27.09.0009 machte sich die Rumpfmannschaft auf, ihr letztes Notlager noch vor dem Teutoburgiensi Saltu zu verlassen um durch die Eggeschlucht zu entkommen. Die Vala Kavallerie sabotierte bereits am 26.09.0009 oder 27.09.0009 und überließ die Legionen ihrem Schicksal. Etwa am 27.09.0009 traf die zurück strömende Kavallerie auf Asprenas, der von ihnen informiert wurde. Sodass sich folglich am 28.09.0009 frühestens die Meldereiter in Xanten auf den Weg ins etwa 1180 Kilometer Luftlinie entfernt gelegene Rom aufgemacht haben könnten. Spätestens im Verlauf des 6. Oktobers 0009, dem Tag der Verkündung der Niederlage durch Kaiser Augustus müsste der letzte reitende Bote in Rom eingetroffen sein. Demnach hätte die Reiterkette für diese 1180 Kilometer Wegstrecke insgesamt etwa 8 Tage und 8 Nächte benötigt. Das wäre in Anbetracht der Alpenüberquerung in der Tat eine beachtliche und respektable Zeit gewesen. Bei guten Wetterbedingungen, einem tauglichen Wegenetz, intakten Flussbrücken, einem schnellen Pferdewechsel, aber auch bei gut durch organisierter Vorabinformation mittels Fackeln bei Nacht und Rauchzeichen am Tage, ist es aber machbar. Bei veränderten Grundannahmen ließen sich zweifellos zusätzliche Tage errechnen und man hätte noch Luft nach oben. Basierend auf unserem Wissenstand, dass der Kopf des ermordeten Maximus Thrax von Aquileia bis nach Rom, was etwa einer Luftlinie von 500 Kilometern entspricht, bei ständigem Pferdewechsel in 4 Tagen bewältigt werden konnte, ließe sich auf dieser Basis auch die Depeschenzeit von Xanten nach Rom hoch rechnen bzw. bestätigen. Die geschätzte Zeitspanne von 8 – 9 Tagen von Xanten bis Rom ist folglich nicht unrealistisch. Aber was schrieb nun der Suffektkonsul Asprenas in der Hektik der Zeit an den Kaiser. Anders gefragt, was wusste der mögliche Mittelsmann bzw. Verbindungssekretär des Kaisers Gaius Julius Hyginus über den Inhalt dieser Nachricht und wie ging er mit diesen brisanten Informationen um. Hüllte er sich wie angenommen werden kann in vorsichtiges Schweigen oder wagte er es sein Wissen über die Interna der Varusschlacht, soweit sie ihm bekannt geworden sind, mit anderen Personen zu teilen. Alles was aus dem Eilbrief vom römischen Bollwerk an der Lippemündung an den Kaiser hervor ging konnte letztlich nur das sein, was die überlebenden Reiter der Vala Kavallerie Asprenas zu berichten wussten, als sie auf ihn trafen, denn sie dürften die Ersten und wohl auch die Einzigen gewesen sein, die Asprenas bzw. den Rhein in der ganz frühen Phase nach der Schlacht erreichten. Asprenas verfügte allerdings auch noch selbst über Wissen, dass er ebenfalls an Kaiser Augustus weiter geben konnte. Denn ihm gelang, vermutlich gewarnt durch die Vala Kavallerie noch ein rechtzeitiges Absetzmanöver über den Rhein, woraus man schließen kann, dass auch er in dieser Zeit dem Geschehen wenn auch weit genug, so doch noch relativ nahe stand. Asprenas könnten also noch die eine oder andere Information aus dem Strudel der Varusschlacht heraus, oder die Ereignisse unmittelbar danach erreicht haben. Vielleicht konnte er neben anderen Begebenheiten auch schon Näheres über das belagerte Kastell Aliso in seiner Depesche an den Kaiser erwähnt haben. Er könnte den Kaiser informiert haben, dass nun alle Besatzungen der römischen Lippekastelle isoliert auf sich gestellt waren und es zu ihnen keinen Kontakt mehr gab. Sie waren nun den Germanen ausgeliefert, wenn es ihnen nicht noch rechtzeitig gelang, die Flucht zu ergreifen. Es ist aber anzunehmen, dass er gegenüber dem Kaiser alles was er weiter gab, wie sein ureigenes Wissen darstellte, um seine Lorbeeren nicht teilen zu müssen. Er war aber Militarist genug und ihm war bewusst, dass der Kaiser vor allem an einem interessiert war, nämlich die Namen des, oder der Gegner und natürlich seines schärfsten Widersachers aus den Reihen der Cherusker zu kennen, mit dem er es in Germanien fortan zu tun haben würde und den es nun auszuschalten galt. Und dies war wie Asprenas schon wusste oder ihm berichtet wurde, der Sohn dieses Cheruskerfürsten. Den Kavalleristen zufolge stellte er sich völlig unerwartet mitten im Kampfgeschehen mit seinen Männern gegen die römischen Legionen. Sein möglicherweise schwer aussprechbarer germanischer Name war Ihnen allerdings nicht in Erinnerung geblieben nur der Name mit dem ihn die Legionäre riefen. Arminius oder Erminius. Er trat jedenfalls auf wie ein im Kampf erprobter Soldat, führte das Kommando und beherrschte von Stund an das Schlachtgeschehen auf germanischer Seite. Ein vielen bis dato noch relativ unbekannter Germane, da er erst seit dem Ende des Pannonienaufstandes, an dem er auf Seiten des Imperiums kämpfte im Jahre 8 + wieder bei seinem Volke weilte. Denn an der Niederschlagung des dalmatinischen Aufstandes bei dem Germanicus kein gutes Bild abgab, war er schon nicht mehr beteiligt. Dieser Ablauf ist denkbar und natürlich informierte Asprenas den Kaiser zuvorderst über den ultimativen Untergang der drei Legionen. Möglicherweise entsprach dies dem allgemeinen Wissensstand an dem Tag, als die Depesche von Asprenas in der Satteltasche eines schwitzenden Reiters den Palatin erreichte. Nachdem ich nicht ausschließe, in dem verschwiegenen Gaius Julius Hyginus den ersten Ansprechpartner sprich Aktenverwalter, Senatsschreiber oder Bibliothekar des Kaisers annehme gefunden zu haben, geht nun die Suche nach dem ersten Historiographen weiter, hinter dem sich wie ich denke der Dichter Ovid verbirgt. Also jener Mann, den ich als den ersten Historiker mit Bezügen zur Varusschlachtgeschichte identifiziere. Der Mann, der nach der berühmten Stunde Null, einen kleinen Teil seines Wissens mit uns geteilt haben könnte. Und noch bevor dies die uns bekannten und viel berühmter gewordenen klassischen Interpreten taten, die dafür aber um so häufiger zitiert werden. Auch wenn seine Zeilen rein persönlicher Natur waren und es sein Ziel war sich damit eigene Vorteile zu verschaffen, so besaßen seine Worte doch historisches Gewicht. Es ist, will man in die Historie eintauchen immer hilfreich sich ganz unbedarft etwas zu vergeistigen, sich zurück zu besinnen und sich dem Nichtwissen zu stellen. In unserem Fall würde es bedeuten, unsere Kenntnis von Personen wie Florus, Tacitus und Cassius Dio auszublenden, oder besser noch, sie gar nicht kennen also von ihrer Existenz auch nichts wissen zu wollen. Wir klammern also die vorhandenen Literaturkenntnisse über sie etwas aus, denn alle haben im Jahre 9 + als Ovid schon schrieb, noch gar nicht gelebt und versetzen uns in die Zeit als Kaiser Augustus die Nachricht aus Vetera auf den Tisch bekam. Denn im Zuge einer chronologischen Aufarbeitung kommt es immer wieder vor, dass wir mit voraus eilendem Wissen belastet sind, dass unsere Altvorderen zum Zeitpunkt der Geschehnisse noch gar nicht hatten, womit wir uns selbst aber beim Blick zurück die Neutralität rauben. So rief Kaiser Augustus möglicherweise außer seiner Frau Livia Drusilla auch seine Vertrauten, unter anderem besagten Gaius Julius Hyginus hinzu. Denn der Mann des Anbeginns war mehr, als nur der Hüter angestaubter Akten. Der frühe Mitwisser der ersten Stunden und frei gelassene Sklave musste ein belesener Mann und ein besonderer Mensch gewesen sein. Möglicherweise war er auch der Verfasser der mythographischen Handbücher.  Sie behandeln und beinhalten einen großen Sagenkreis der griechischen Antike der unter dem Namen "Fabulae" bekannt geworden ist. Da man sich von wissenschaftlicher Seite her aber nicht sicher ist, nennt man den Verfasser auch nicht Gaius Julius Hyginus, sondern nennt ihn "Hyginus Mythographus". Das aber Gaius Julius Hyginus möglicherweise mit dem Verfasser der "Fabulae" identisch sein könnte, also selbst "Hyginus Mythographus" ist, belegt eventuell die Wiedergabe der Sage des armen Jägers Aktaion den seine Jagdhunde zerfleischten, als man ihn zur Strafe in einen Hirsch verwandelte, weil er der Jagdgöttin Diana nackt beim Baden zuschaute. Denn "Hyginus Mythographus" hinter dem man Gaius Julius Hyginus sehen kann, als auch die Metamorphosen seines Zeitgenossen, dem Dichter Ovid stimmen im Wesentlichen überein, was für die Identität der beiden Hyginus Gestalten hinweisgebend sein kann. Und dieser Gaius Julius Hyginus war nun wie man weiß, auch mit dem Dichter Ovid befreundet. Ovid der in seinen Metamorphosen kein gutes Haar an den Göttern ließ, was den Ärger von Augustus über ihn ausgelöst haben könnte und ihn in der Verbannung enden ließ. Auf diesem Wege ließe sich eine wichtige Kommunikationsschiene zwischen diesen zwei Männern herstellen bzw. bestätigen die auch aus lyrischer Sicht betrachtet gemeinsame Interessen hatten und sich nahe standen. Gaius Julius Hyginus könnte also wie viele Römer seiner Zeit auch, einen besonderen „faible“ bzw. „Fabulae“ für die griechische Antike gehabt und sich in diesem Punkt mit dem Dichter Ovid die Hand gereicht haben. So wird erkennbar, dass es zwischen Gaius Iulius Hyginus und Publius OVIDius Naso eine besondere Beziehung gegeben haben könnte. Ein ehemaliger Sklave und ein vom Kaiser in die Verbannung geschickter Dichter. Diese Verbindung vielleicht sogar Seelenverwandtschaft könnte erklären helfen, wie Ovid in Constanta an die Nachrichten aus Rom kam. Und der bereits gealterte Hyginus könnte seinem Freund Ovid mit der Information zur Varusschlacht nochmal einen, vielleicht sogar letzten Dienst erwiesen haben, in dem er ihm die Möglichkeit gab diese Nachricht für sich zu nutzen. Hyginus leitete bekanntermaßen auf Weisung von Kaiser Augustus die Bibliothek auf dem Palatin, wo das erste Wissen zur Varusschlacht zusammen getragen wurde und man die schriftlichen Zeugnisse aufbewahrte. Er war nicht zuständig für die Bibliothek der Octavia. Die palatinische Bibliothek war die bedeutungsvollere von beiden.Sie lag in der Nähe der Residenz des Kaisers und er soll sie im Alter auch für Senatssitzungen genutzt haben. Das könnte passen und wäre eine plausible Erklärung. Allerdings immer nur unter der Voraussetzung, dass Hyginus im Herbst des Jahres 9 +, nach dem Eintreffen der bösen Nachrichten aus Germanien noch lebte. Und das wären noch 5 Jahre nach dem sich seine historischen Spuren verliefen. Ich schließe es aber nicht aus, dass Hyginus noch imstande gewesen sein könnte sein wissen an Ovid weiterzugeben, denn sich verlaufende literarische Spuren müssen nicht unbedingt gleich bedeutend mit dem Ableben eines Menschen sein. Aber die Stimmung in Rom an diesem 6. Oktober 0009 und danach, war hoch explosiv und Kaiser Augustus musste in dieser angespannten Lage extrem umsichtig handeln. Gaius Iulius Hyginus war ein vom Kaiser persönlich freigelassener Sklave und ihm infolgedessen absolut loyal und treu ergeben und das wohl bis zur sprichwörtlichen Hörigkeit. So wird er sich auch in Bezug auf die Varusschlacht solange vorsichtig zurück gehalten haben bzw. haben müssen, bis Kaiser Augustus nach einer gewissen Karenzzeit alle wieder etwas aufatmen ließ, da die Lage in Germanien und in der Stadt Rom ruhig blieb. So konnte er die engen Zügel nach einer Phase der Unruhe, des Abwartens und auch einer allgemeinen Trauer und Verwirrung wieder lockern. Aber während dieser kritischen Übergangszeit könnte man sich die Vorgehensweise und Methodik einer offiziellen palatinischen Nachrichtensperre vorstellen. Sie dauerte solange an, bis sich Kaiser Augustus völlig sicher war, dass im Volke keine Unruhen ausbrechen würden und die Germanen im Siegestaumel der gewonnenen Varusschlacht keine Absicht erkennen ließen, den Rhein zu überschreiten. Dies lässt uns auch noch mal ein Auge auf die Niederrheinfront werfen. Denn bei den verkniffenen Blicken der Wachsoldaten von Vetera ins Lippetal und damit ins bedrohliche Germanenland wird es nicht geblieben sein, denn man erwartete bzw. befürchtete auf kurz oder lang Angriffe aus dem Osten. Vorsichtig agierende Reiter Spähtrupps im Auftrag von Asprenas werden in der Zeit den rechtsrheinischen Grenzstreifen durchkämmt haben um mögliche Annäherungen im „sieben Meilen“ Korridor rechtzeitig erkennen zu können, denn Tiberius brauchte noch seine Zeit bis er Xanten erreichte um für mehr Sicherheit zu sorgen. Das man in Vetera I zu allen Zeiten über berittene Einheiten verfügte, dürfte unstrittig sein, trotzdem sind Bodenfunde eine Bereicherung, wenn ihr Vorhandensein dadurch bestätigt werden kann. Denn die Existenz einer Turma, also der kleinsten Reitereinheit ließ sich anhand einer Mühlsteinbeschriftung für das Altkastell Vetera I nachweisen, dass schon existierte bevor Varus Germanien betrat. Der Wermutstropfen besteht allerdings in der Tatsache, das Vetera I bis etwa 70 + genutzt wurde, der Mühlsteinfund also auch noch weit nach dem Jahre 9 + in den Boden gelangt sein könnte. Diesem nüchternen Hinweis Beachtung zu schenken halte ich in Anbetracht vieler vorzeitiger Festlegungen für angebracht. Denn Schwächen in der Datierung helfen keiner Schlachtenforschung weiter, sie können allenfalls dienlich sein, um sie zur Verhärtung von Wahrscheinlichkeitstheorien heran zu ziehen. Kaiser Augustus wird eine Rückdepesche nach Vetera I veranlasst haben, die aus diversen Anweisungen bestand. So auch dem ultimativen Befehl ihm alle wichtigen Bewegungen und wesentlichen Ereignisse an der Front sofort zu vermelden und er wird auch bereits angeordnet haben, dass weitere rückwärtig stationierte gallische Truppenkontingente näher an die Rheingrenze rücken sollten. Noch am gleichen Tag, dem 6. Oktober 0009 also nur etwa spekulative 9 Tage nach dem Ende der Varusschlacht wäre es demnach ein Unding für den Kaiser in Rom gewesen, bereits zur Tagesordnung über zu gehen. Im Gegenteil, denn nun war erst einmal die Zeit angebrochen in der er alle Register zu ziehen hatte, damit sich die Lage nicht auch noch innenpolitisch unnötig verschärfte. Und Kaiser Augustus handelte. So wendete er äußerst drastische Mittel an, setzte sie also unmittelbar ein, als er vom Untergang der drei Legionen erfuhr. Er ergriff alles in seiner Macht stehende und musste es auch tun um Herr der Lage zu bleiben und die Risiken in Italien nach der Schlacht klein zu halten. Kein Statthalter in allen römischen Provinzen wurde nach Bekanntwerden der Niederlage turnusmäßig abgelöst, alle blieben bis auf Weiteres in ihren Ämtern und Positionen. Eine Maßnahme wie sie auch noch heute ergriffen wird, stünde man am Rande eines Flächenkrieges. Denn dann fänden auch keine Neuwahlen statt. Er hielt es sogar für nötig in Rom sein eigenes Volk zu bewachen um möglichen Aufruhr im Keim ersticken zu können. Und auch das kennen noch ältere Generationen in Form von Ausgangssperren. Er veranlasste militärische Zwangsaushebungen, wobei sogar Sklaven rekrutiert wurden. Noch im letzten Jahrhundert nannte man es in Deutschland Strafbatallion bzw. es kam dem sehr nahe. Er versprach den Göttern große Feierlichkeiten abzuhalten, wenn sie denn nur weiterhin auf Seiten Roms bleiben würden. Und auch das hatte es in Deutschland schon gegeben, wenn in Notzeiten von der Kanzel höherer Beistand erfleht wurde. Und er verwies aus Angst vor den Germanen einschließlich seiner eigenen germanischen Leibwache alle Germanen aus Rom. An Orte wo man ihr Verhalten besonders im Auge behielt und was heute unter dem Namen Internierungslager bekannt ist, solange bis die Gefahr gebannt war. Wer zu solch drakonischen Maßnahmen greift, dem musste das Wasser bis zum Hals gestanden haben und dem war jedes Mittel recht, dem Druck mit geigneneten Mitteln entgegen zu treten bzw. ihm auf geeignete Weise zu begegnen. Da war es nur selbstverständlich, dass über das Ereignis in Ostwestfalen für eine Zeit die Decke des Schweigens ausgebreitet werden musste. Ein Gaius Julius Hyginus hätte in dieser Phase nicht im Traum daran gedacht auch nur ein Sterbenswort über die Gefahrenlage gegenüber wem auch immer, verlauten zu lassen. Das Imperium stand unter Schock und bei dieser Stimmungslage hätte ein Funke Wahrheit bereits zum allgemeinen Chaos führen können. Denn wenn sich herum gesprochen hätte, wie leicht sich in Germanien in wenigen Tagen drei der besten Legionen des Reiches vernichten ließen, hätte das Volk schnell am Kaiser und seinen Entscheidungen zweifeln können. Und vergessen wir nicht, dass die Revolten des Pannonien und Dalmatien Krieges dem römischen Staat noch in den Knochen steckten und Kaiser Augustus noch im Frühsommer 9 + alle Register der Notfallplanung ziehen musste, um das Feuer dieses Krieges austreten zu können und um sein Volk nicht verhungern zu lassen. Nach der Nachricht aus Ostwestfalen wird sich auch eine diplomatische Hektik im Palatin darüber entfaltet haben, wann denn der geeignete Zeitpunkt wäre, um nun auch das Volk von Rom mit der bitteren Wahrheit zu konfrontieren. Tiberius könnte es an der dalmatischen Küste zeitgleich zum Kaiser bzw. sogar noch etwas früher erfahren haben. Wir können daraus die besondere Dramatik der Stunden im Herbst des Jahres 9 + ableiten. Und wir können uns gut vorstellen, dass alles in eine „Schrecksekunde“ für den ganzen römischen Staat führte. Doch wie stellte sich die militärische Lage im Reich nach der Hiobsbotschaft. Mussten schon für den Pannonienaufstand alle militärischen Kräfte heran gezogen werden, stand dem Imperium nun in kürzester Zeit eine zweite gewaltige Kraftanstregung bevor. Denn auch die Zahl der Legionen war nicht unerschöpflich. Die Legionen auf dem Nordbalkan waren unmittelbar nach dem letzten Panonnieneinsatz noch ungeordnet, abgekämpft vor allem aber nicht mehr in Kampfstärke. Sie lagen immer noch in Grenznähe zu Dalamatien und viele unter Sold stehende Auxiliareinheiten verbündeter Völker oder Stämme hatte man schon in ihre Heimatgebiete entlassen, als urplötzlich die Katastrophennachricht aus dem Nethegau in Rom eintraf. Varus lebte nicht mehr, seine drei Legionen hatte der Boden verschluckt, die Verteidigung war bis auf die zwei Restlegionen von Asprenas und die Kastellbesatzungen an Rhein und Lippe zusammen gebrochen. Nach und nach wurden von den Römern alle römischen Anlagen rechts des Rheins aufgegeben bevor sie überrannt wurden. An den römischen Grenzen im Norden und Osten standen folglich die Einfalltore für weitere Feindvölker einer Einladung gleich, weit geöffnet. Im Jahr 9 + musste Kaiser Augustus wieder einmal eine seiner vielen Bewährungsproben die er schon vor und während seiner Amtszeit zu bestehen hatte durchstehen, dieses mal vielleicht die Gefährlichste die er durch litt. Es muß ihn tief getroffen haben, denn fortan soll er der Überlieferung nach den Jahrestag der Varusniederlage mit Schweigen und Fasten verbracht haben. Kurz gesagt, wer damals in dieser spannungsgeladenen Atmosphäre zu früh Details über die Varusschlacht verbreitete, der beging Hochverrat und lebte dementsprechend gefährlich. Und wer dann obendrein noch Informationen in die Grenzgebiete beispielsweise in die Schwarzmeerregion bzw. den südlichen Balkan weiter gab, den traf die doppelte Schuld. Denn er ermunterte damit auch die entfernten Feinde Roms das Imperium anzugreifen. In der Mittelmeeregion bei den Grenzvölkern, und wo der Pannonienaufstand noch in frischer Erinnerung war oder bei den Parthern konnte sich die Lage urplötzlich ebenfalls zuspitzen. Man hätte sie alle mit derartiger Zurschaustellung der Schwäche und Unvorsichtigkeit erst auf die desolate Instabilität des römisches Staates aufmerksam gemacht, sie politisch gestärkt und militärisch ermuntert. Die Varusschlacht nahm somit bereits, wir würden heute sagen, globale außenpolitische Dimensionen an und hatte Konsequenzen die sich im ganzen Imperium bemerkbar machten. So waren alle Mitwisser bis auf Weiteres zum Schweigen verdammt und wehe dem, der dagegen verstieß. Wobei wir wieder beim Thema Briefkontakt zwischen Hyginus und Ovid wären. Voraus gesetzt Hyginus wäre überhaupt das hohe Risiko eingegangen die brisanten Informationen die er zur Varusschlacht hatte in dieser Zeit an Ovid weiter zu geben, so wird er sorgsam darauf geachtet haben, dass er sich mit diesen Nachrichten nicht selbst in Gefahr begab. Er wird sich also in der Wortwahl überaus vorsichtig ausgedrückt haben. Er war ohne dies im tiefen Zwiespalt. Denn auf der einen Seite stand seine Freundschaft zu Ovid und auf der anderen die uneingeschränkte Loyalität dem Kaiser gegenüber. Das gleiche Risiko ging wiederum Ovid ein, wenn er diese heiklen Informationen in seinen Metamorphosen genannten Klagelieder ungeschminkt hätte verarbeiten bzw. verwenden wollen. Hyginus musste also als Informant unkenntlich bleiben und genau so musste Ovid seine Zeilen sorgfältig abwägen um keine Spur auf seinen Freund Hyginus zu lenken. Für einen Dichter dürfte dies allerdings kein Problem gewesen sein. So gerieten zum einen zwangsläufig die Informationen von Hyginus an Ovid zu verschlüsselten Botschaften und ebenso verkleidete sie Ovid, in dem er sie nur in Gedichtform nieder schrieb um Hyginus nicht in Gefahr zu bringen. Trotzdem musste es Ovid gelingen dem Kaiser Augustus gegenüber seine Unterwürfigkeit und Loyalität zu signalisieren um sich auf diese Weise seine Tür zur Rückkehr nach Rom offen zu halten. Schließlich war es sein Ziel und seine Absicht, dass Augustus von seinen tristen Lebensumständen erfuhr, auch wenn es nur über Umwege möglich war, an ihn heran zu kommen. Was also schrieb ihm Hyginus und wie textete es Ovid um. Dies alles könnte somit erklären, warum wir bei Ovid einige interessante Kernaussagen zur Varusschlacht vermissen, über die Hyginus bereits informiert gewesen sein könnte, Hyginus es aber nicht riskierte sie im Brief an Ovid offen zu erwähnen. Und somit etwas oberflächlich und vage blieb. So bleibt Gaius Iulius Hyginus für uns der „Ghost Rider“ schlechthin, den wir was das rein Informative anbelangt im Gegensatz zu Ovid nicht greifen können, denn wir können nur rätseln was aus seinen Zeilen hervorging. Und so verharren wir an dieser Stelle in einer frühen Stufe der Aufarbeitung und nähern uns langsam dem an, was Ovid aus alledem machte. Es bleibt aber die Tatsache, dass Ovid ein Dichter war, der sich hier unter den frühen Schreiberlingen wieder findet und der sich bis dato keinen Namen als Historiker gemacht hat, was aber für die Zeit nicht unüblich war. So könnte dies aber auch bezeichnend für die Informations- und Nachrichtensperre jener Zeit gewesen sein und lässt den Eindruck entstehen, dass die frühe Berichterstattung aufgrund einer palatinischen Schweigepflicht nur in die Hände unverfänglicher Nichthistorikern gelegt war. Es erinnert dabei etwas an die Hofsitten des deutschen Mittelalters, wo auch nur die Narren ungestraft die Wahrheit aussprechen durften. Offiziell autorisierte Quellen aus der Zeit zwischen dem Jahr 9 + und dem Jahr 17 + über die Varusschlacht sind uns keine bekannt geworden und auch was nach 17 + Strabon oder Paterculus schrieben war nicht gleichbedeutend mit autorisiert. Das lässt die Frage zu, ob es diese „Staatsquellen“ überhaupt gegeben hat oder alles unter Verschluss gehalten wurde. Vielleicht wünschen wir uns auch nur eine offizielle Verlautbarung, weil wir es heute so kennen, was aber die damalige Zeit gar nicht praktizierte. Denn auch Hyginus war keine offizielle Quelle sondern wenn, dann eher eine verdeckte konspirative, die wir heute vielleicht einen „Whistleblower“ nennen würden. Es gab in dieser Anfangsphase sicherlich einen handverlesenen Kreis an Augustus nahestehenden Personen, der ohne großes Aufsehen zu erzeugen nur für ihn recherchieren und forschen durfte und der ihm direkt unterstand. Der anfänglich auch nicht viel Schriftliches produzierte oder dokumentierte und der Informationen nur mündlich weiter geben durfte. Hyginus könnte möglicherweise einer aus diesem erlauchten Kreise gewesen sein. Da uns nichts anderes bekannt ist, müssen wir es zumindest annehmen dürfen, auch wenn wir es nicht so recht glauben wollen, es sich etwas utopisch anhört und nach einem antiken Geheimdienst klingt. Aber auch das müssen wir in Erwägung ziehen, denn Fälle von Totschlag oder Vergiftung waren dem antiken Rom nicht fremd und forderten Maßnahmen der Vorkehrung. Und wer sich am Kaiserpalast von einer diskreten aber schützenden Gruppe an Schwertträgern umgeben ließ und gut protegierte Informanten auf der „Gehaltsliste“ hatte, der durfte sich auch damals schon sicherer gefühlt haben. Kaiser Augustus wird da keine Ausnahme gemacht haben. Aber den ersten Historiographen zur Varusschlacht halte ich nun für identifiziert und dieser Dichter Ovid hält auch noch einige Überraschungen für uns bereit.( 16.8.2019)

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Samstag, 3. August 2019
Wen der letzte Stafettenreiter mit der Depesche aus Vetera I in Rom aufsuchte ist unstrittig - aber wer leitete die palatinische „Pressestelle“
Natürlich war es Kaiser Augustus dem die Depesche vom Niederhein galt, die vermutlich die Handschrift von Asprenas trug, nach dem man sie möglicherweise zuerst seiner germanischen Leibwache aushändigte. Den Senat hatte er weitgehend lahm gelegt, so dass die Zahl seiner Freunde und Berater aus diesen Kreisen überschaubarer geworden ist. Mögliche Vertraute wie Statthalter, Konsuln oder Prokonsuln, etwa Publius Cornelius Dolabella weilten in ihren Provinzen. Aber seine Frau Livia Drusilla wird ihm zur Seite gestanden haben, als er die heikle Depesche las. Die Atmosphäre muss angespannt und bedrückend gewesen sein, denn in derartigen Momenten sind auch nahe stehende Menschen dünn gesät. Aber es gab sie zweifellos, die Person die von diesem Moment an die wichtige Funktion hatte eine Art Stabsstelle „Varusschlacht“ zu leiten und bei der die wenigen Informationen in der frühesten Phase aus dem Norden zusammen liefen. Ein Bindeglied ähnlich einer Schnitt- oder Schaltstelle zwischen dem Kaiser und den Historiographen. Diese dramatische Szenerie der Depeschenübergabe originalgetreu nachzustellen möchte ich den Regisseuren aus Hollywood überlassen. Wir kennen nicht die Tages – oder Nachtstunde, wann die Nachricht eintraf, können uns aber in etwa in diesen Augenblick hinein denken. Die Stunde Null nenne ich jene Phase in der unwiderruflich fest stand, dass es an der Niederlage der drei Legionen nichts mehr zu rütteln gab. Der abgeschlagene Kopf des Feldherrn Varus war für alle das ultimative Zeichen für das Ende der Kampfaktivitäten gleich zu setzen mit einer Kapitulation. Die Ereignisse überschlugen sich und Segestes musste sich als er davon erfuhr mit dem Resultat abfinden, dass es ihm nicht gelungen war, die Schlacht in der uns überlieferten Version abzuwenden. So hatte er nun seine Mühe damit, die gerade abrupt zu Ende gegangene „Ära Varus“ erst einmal verdauen zu müssen. Er tat dies vermutlich ratsamerweise in selbst gewählter Abgeschiedenheit und der nötigen Distanz. Sein Wissen um die Schlacht sollte aber die römische Geschichtsschreibung erst viele Jahre später befruchten helfen, nachdem er vermutlich im Jahre 16 + ins dortige Exil gelangte. In unserem Fall war es aber auch der „D - Day“ für ein fiktiv gesetztes Eckdatum, dass für das Ende der Schlacht im Herbst des Jahres 0009 steht. Aber diese Stunde Null war auch die Zeit, als man in Rom noch keinen blassen Schimmer vom Desaster in Ostwestfalen hatte und auch die zahlreichen Meldereiter in den Pferdewechsel – Stationen, den Taberna an der Strecke zwischen Niederrhein und Tivoli ihr Schicksal noch nicht ahnen konnten, in Bälde mit mörderischem Tempo eine der wichtigsten Botschaften der Zeit an Kaiser Augustus zu überbringen. Als dann die Nachricht Rom endlich erreichte, war für lange Zeit nichts mehr so wie vorher. Jetzt war beim Kaiser und ich möchte ihn mal „Marionetten“ - Senat nennen, nüchternes Denken gefragt und Aktionismus fehl am Platz. Aber uns interessiert hier mehr, wo sich um diese Zeit die frühesten und ersten römischen Historiographen befanden, oder wo wir sie suchen müssten. Die Gelehrten jener Zeit, deren Aufgabe es gewesen wäre, die Details dieser Schlacht von dem Moment an wo sie davon erfuhren, zu recherchieren und zu erforschen, sie nieder zu schreiben, zu archivieren um sie für die Nachwelt zu konservieren. Und wer war dieser Mann oder waren diese Männer. Anders gefragt, lässt sich überhaupt der allererste antike Historiker noch nach Jahrtausenden namentlich greifen, dem die Aufgabe zustand und der das Privileg besaß, das erste Wort über die Varusschlacht auf eine bis dato noch weiße Papyrirolle zu schreiben. Es sollte ein Mann gewesen sein, der Kaiser Augustus sehr nahe stand, denn er müsste als Zuhörer in den Genuss der ersten schriftlichen Quellen und möglichen Aussagen gekommen sein. Die erste Quelle waren zweifellos nicht die Worte des letzten Meldereiters, sondern sie bestand aus dem Inhalt der Depesche aus Xanten, die in Rekordgeschwindigkeit die Alpen passiert hatte. Lucius Nonius Asprenas der amtierende Suffektkonsul wird sie als ranghöchster Römer in Nordgermanien abgefasst haben. Wie umfassend sie ausfiel entzieht sich unserer Kenntnis, aber sie muss bedrohlich geklungen haben. Ausführlich und detailliert wird sie noch nicht gewesen sein, aber das Wesentliche dürfte aus ihr hervor gegangen sein, damit der Kaiser die nötigen Entscheidungen treffen konnte. Man kann sie sich in etwa vielleicht wie im Telegrammstil formuliert vorstellen. So wird man über dieser Nachricht in Rom zunächst einmal gebrütet haben um sich darauf basierend eine Vorstellung zum Geschehenen machen zu können. Sie war unmissverständlich deutlich, da Kaiser Augustus unmittelbar danach seinen Feldherrn Tiberius mit der Aufgabe betraute nach Germanien zu reiten um Asprenas zu unterstützen bzw. die Führung zu übernehmen. Auch der Mann den wir suchen wird dieses Schriftstück möglicherweise in der Hand gehalten haben. Ein Schriftstück über deren Besitz sich heute jedes Museum der Welt glücklich schätzen dürfte, wenn es denn noch existieren würde. Aber ab wann unser Mann die Depesche nicht nur lesen durfte, sondern auch das ihm später zu Ohren kommende auch nieder schreiben durfte wird sicherlich mit einer Zustimmung des Kaisers verbunden gewesen sein. Denn der Kaiser hatte das Recht über den Zeitpunkt zu entscheiden, wann in Rom etwas Nachhaltiges über die Varusschlacht zu Papier gebracht werden durfte. Denn es war unstrittig, dass diese Geschehnisse unweigerlich auch einen dunklen Schatten auf seinen Tatenbericht die „Res gestae“ werfen würden, dem übrigens nichts über die Varusschlacht zu entnehmen ist. Der 6. Oktober 0009 war das uns vom römischen Schriftsteller Gaius Suetonius Tranquillus Sueton viele Jahre danach offiziell überlieferte Datum an dem Kaiser Augustus die bittere Niederlage in leicht theatralisch anmutender Weise verkündete. Ob ihn die Nachricht aus Germanien auch an dem Tag erreichte, an dem er sie verkündete, lässt sich nicht mehr ergründen. Aber anhand des gesamten Kontextes gerechnet ab der möglichen Ausbruchzeit der Schlacht, dem Zeitbedarf für die mehrtägigen Kämpfe, der Nachrichtenüberbringung ins nächste Rheinkastell und dem späteren Stafettenritt nach Rom könnte man davon ausgehen. Unbekannt ist auch, ob Kaiser Augustus dieses Wissen am 6.10.0009 zunächst nur im kleineren Kreis verbreitete, oder ob er es bereits dem ganzen Volk zum Beispiel via „Acta diurna“ also der damaligen römischen Tages- oder Wochenzeitung mitteilte. Er muss es jedenfalls alles und das vermutlich auch unter leichtem Schock stehend, relativ zeitnah getan haben, nachdem er die Nachricht aus Germanien empfing. Es durfte also erst ab diesem 6. Oktober mehr oder weniger offiziell in der römischen Welt über diese verheerende Niederlage gesprochen werden. Man könnte aber annehmen, dass Kaiser Augustus so kurz also unmittelbar nach dem Eintreffen der Hiobsbotschaft aus Germanien, diese am 6. Oktober noch nicht sofort und umgehend in die Welt hinaus posaunt hat. Er dürfte sie zunächst, um sich mit der neuen Lage im Reich auseinander zu setzen, für sich und wenige Eingeweihte zurück gehalten und aus Sicherheitsgründen ein befristetes Schweigegebot erlassen haben. So wie es jeder Staatsmann in seiner Situation auch heute noch getan hätte. Aber lange ließ sich die Nachricht damals nicht zurück halten, denn Tapetentüren sind dünn und Mitwisser zahlreich, so dass er sich zum Handeln gezwungen sah. Denn einmal bekannt geworden, flackerte die Unruhe nun überall in der Stadt auf. Hastig und hektisch rief man sich in den Straßen der Hauptstadt verängstigt die Fragen zu und es grassierten die ersten Horrorszenarien bevorstehender Germaneneinfälle. Der Mann der den Auftrag hatte und dem auch die Aufgabe zustand nicht nur die frohen Nachrichten aus dem gesamten Imperium für die Nachwelt zu erhalten, sondern der auch das Ungute aufbereiten musste, kennen wir nicht bzw. können ihn nicht sicher benennen. So gilt es natürlich als erstes einer Überlegung bzw. Frage nachzugehen, welcher Historiker dies gewesen sein könnte. Ein Mann der nach dieser Stunde Null, als Rom noch den Atem anhielt in der Hauptstadt lebte, zu den Handverlesenen und Privilegierten des Kaisers zählte und sich dieser Tätigkeit widmen durfte. Er sollte schon ein Alter erreicht haben, in dem man Gewissenhaft derart elementare historische Ereignisse in seiner ganzen Dimension erfassen konnte und darüber schreiben durfte, also das volle Vertrauen des Kaisers genoss. Makel oder kritische Äußerungen an achtbaren römischen Feldherren, Politikern und sonstigen Aristokraten in diesem Zusammenhang musste dieser selbstredend und tunlichst in jeglicher Hinsicht unterlassen. Lediglich der Person des Varus, dem Sündenbock, der sich nicht mehr verteidigen konnte, durften ungestraft die Leviten gelesen werden. Der gesuchte Mann zählte nicht zur Riege all derer Historiographen die noch auf ihn folgen sollten. Er war der Hofberichterstatter und hatte anderen Direktiven zu folgen. Anweisungen die der Kaiser erließ und die keinen Widerspruch duldeten. Aber genau diese Abhängigkeit bereitete vielen Gelehrten, Biographen, Historikern, Chronisten oder Geschichtsschreibern wie sie genannt werden, die sich in späterer Zeit mit der Varusschlacht befassten Probleme. Denn viele von ihnen sahen sich genötigt, noch bevor sie zur Feder griffen dem Leser glaubhaft zu versichern, dass sie sich völlig unbeeindruckt, heute würde man sagen überparteilich und von politischen Strömungen unabhängig ihrem Werk widmen werden. Sich also neutral sachlich und nicht beschönigend mit ihrem Werk auseinandersetzen würden. Auf Tacitus zurück geht die Aussage “sine ira et studiou“, aber auch die Überlieferung „sine gratia aut ambitione“ trifft die Zielrichtung. Unser Mann sollte schon eine Verhaltensweise an den Tag gelegt haben, wie wir sie auch heute im Obrigkeitsverhalten bzw. im Dienstverhältnis vieler abhängig Beschäftigter in den modernen Staatsformen wieder finden, denn er musste in etwa schon die Qualitäten eines frühen Regierungssprechers auf sich vereinen und durfte daher nur das Genehme verlauten lassen. Einen dieser Historiker in unserem Fall kann es auch ein Bibliothekar gewesen sein, kennen wir möglicherweise. Er gelangte vermutlich als Kriegsgefangener oder Sklave schon zu Cäsars Zeiten nach Rom und war ein Erzieher der Urenkel von Kaiser Augustus, was ihn schon fasst zu einem kaiserlichen Familienmitglied machte und ihn stark mit dem Kaiserhaus verband. Kaiser Augustus entließ ihn sogar später aus dem Sklavenstand, woraufhin dieser dann aus Dankbarkeit den kaiserlichen Vornamen, nämlich Gaius Julius annahm. Sein kompletter Name lautete Gaius Julius Hyginus und er darf nicht mit Pseudo Hygin verwechselt werden. Um 6o – kam er zur Welt. Sein Todesdatum ist unbekannt, es soll aber wann auch immer nach dem Jahre 4 + gelegen haben. Kaiser Augustus setzte ihn im Jahre 28 - als Leiter seiner zweiten öffentlichen Bibliothek ein, die unterteilt war in einen lateinischen und einen griechischen Bereich. Ab wann er diese Funktion dann aus Altersgründen nicht mehr inne hatte und aus dem Amt schied ist nicht bekannt. Aber er wird seine Schüler eingearbeitet haben. Man schlussfolgert auf Basis dessen, was sich teilweise aus den Überlieferungen ableiten lässt, dass er um das Jahr 9 + noch als Bibliothekar und das hoch betagt im Dienst gewesen sein könnte. Es könnte aber auch schon einen offiziellen Nachfolger in der Palatinischen Bibliothek für ihn gegeben haben, als die Varusschlacht statt fand. Von der Schlacht und ihrem Ausgang könnte er also, ob im Amt oder nicht, noch im Alter erfahren haben. Der Überlieferung nach soll er als Greis verarmt verstorben sein, wobei es für die Verarmung auch einen Grund gegeben haben könnte. Aber Gaius Julius Hyginus könnte, ja müsste fasst schon einer jener mysteriösen Personen, wenn nicht sogar die eine Person gewesen sein, bei der die ersten Erkenntnisse über die Asprenas Depesche hinaus, also die weiteren Informationen über die Varusschlacht zusammen geflossen sein könnten bzw. er in vieles Einblick nehmen konnte was aus Germanien den Weg nach Rom fand. Hinweise von wem und wie auch immer sie nach Rom gelangt sein könnten und das gilt auch für die Nachrichten aus dem Markomannenreich als von dort das Haupt des Varus an Kaiser Augustus weiter geleitet wurde. Natürlich immer voraus gesetzt, dass Hyginus 9 + noch lebte, noch als Bibliothekar tätig war oder zumindest noch Kontakte zur Bibliothek und zu seinen Nachfolgern hatte. Er hätte dann über die wesentlichen Kenntnisse verfügt, die man zu dieser frühen zeitgeschichtlichen Stunde als „umfassend“ bezeichnen könnte. Denn die noch äußerst bruchstückhaften gesammelten Nachrichten aus denen später die offiziellen Staatsakten hervor gingen wird man wohl, nach dem sie gebunden waren in der Palatinischen Bibliothek unter seiner, oder der Regide seiner Nachfolger aufbewahrt haben. Denkbar also, dass er der Mann war, der auch die frühen Berichte aus Germanien als erster sichtete, gewichtete, verfasste und möglicherweise auch selbst mit Zeugen sprach bzw. dabei anwesend, oder stiller Zuhörer war. Auch immer unter der Prämisse betrachtet, dass es überhaupt in Rom jemals aussagewillige Augenzeugen der Schlacht gegeben hat. Er dürfte im engen Kontakt zum Kaiser gestanden haben und war auch sein diskreter also verschwiegener Zuträger. Er war ihm zu hohem Dank verpflichtet und durfte sich daher keinerlei Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Gaius Julius Hyginus stand in diesen Tagen mit vielen bedeutenden Männern seiner Zeit in persönlichem Kontakt und im Briefwechsel. So könnte er auch den Geschichtsschreiber Aulus Cremutius Cordus gekannt haben, von dem man annimmt er habe auch über Wissen zur Varusschlacht verfügt. Möglicherweise auch mit Titus Livius der um 17 + verstarb. Es gibt von ihm in Form eines Nachtrages zu seinem Geschichtswerk "Ab urbe condita"  noch eine Handschrift mit einem Hinweis auf die Varusschlacht.  Es ist allerdings keine gesicherte Überlieferung, sondern nur eine Art Randnotiz die später vielleicht zur Vervollständigung hinzu gefügt wurde. Hyginus war in gehobener Position tätig und konnte sich somit schon früh ein Bild zu den Ereignissen gemacht haben, denn auch im römischen Militär wird er seine Adressen und Ansprechpartner gehabt haben. Um einen von möglicherweise vielen zu nennen, sicherlich auch Gaius Sentius Saturninus, der damals unter Tiberius am abgebrochenen Markomannenfeldzug teil nahm und für den nach 6 + eine Siegesfeier in Rom veranstaltet wurde. Es waren Personen die ihn informierten und andere mit denen er sein frühes Wissen über die Varusschlacht geteilt haben könnte. Hyginus hatte diese Schlüsselstellung inne. Als persönlich ernannter Bibliothekar des Kaisers saßen er oder seine Nachfolger im Amt an den Quellen des Wissens der damaligen Zeit, also müssen wir auch unter ihnen die oder den ersten suchen, bei dem wir mit unseren Recherchen ansetzen sollten. So wäre auch alles sehr einfach gewesen, fasst schon zu einfach. Hyginus war demnach also der Mann den wir suchen, der alles wusste, der aber Schweigen musste und der sich nichts zu Schulden kommen lassen durfte. Folglich war aber auch von ihm und seinem Wissenstand aus der frühen Periode nach der Schlacht auch nichts mehr zu erfahren. Theoretisch könnte man also ab diesem Punkt die Informationsschiene vom Palatin zu den frühen Historikern und hinunter ins Volk als abgebrochen bzw. zum Stillstand gekommen bezeichnen. Aber es lohnt sich doch der Frage nach zu gehen, ob Hyginus wirklich schwieg und all sein Wissen für sich behielt. Um ihr noch weiter auf den Grund zu gehen, müssen wir zuvor noch eine andere Hürde überwinden. Denn auf dem Weg zurück zu den Ursprüngen einer historiographischen Varusschlachtforschung müssen wir den Faden naturgemäß dort aufnehmen, wo sich sein Anfang befindet. Er ist zu suchen an jenem denkwürdigen Tag, an dem Kaiser Augustus die Nachricht von der Niederlage verkündete. Das heißt aber auch, wir müssen uns noch mal näher mit der genauen Position und Funktion von Hyginus beschäftigen, sich ihr widmen und sie hinterfragen. Allein schon die Tatsache, dass sich der Name dieses einen Mannes eines ehemaligen Sklaven und späteren Bibliothekars was man schon eine ordentliche Karriere nennen kann, über die Zeiten erhielt deutet darauf hin, dass Hyginus eine heraus ragende Stellung inne hatte und eine Vertrauensperson war. So kann man eventuell davon ausgehen, dass er als Bibliothekar des Kaisers auch gleichzeitig ein Senatsangestellter also für die Senatoren tätig war. Und wenn man resümiert, dass er sowohl für den Senat arbeitete, als auch die Palatinische Bibliothek des Kaisers leitete, so verwaltete er damit auch all das, was die Senatoren zur Varusschlacht beitragen konnten. Denn wer hätte dies übernehmen sollen, wenn nicht er. Kaiser Augustus hatte den Senat seinerzeit weitgehend entmachtet und hätte an der Stelle des Verwalters möglicher separat auf bewahrter Senatsakten niemanden geduldet, der nicht sein persönliches Vertrauen besaß. Weit und breit erkennen wir hier niemanden anderes als Hyginus der diese Doppelfunktion inne gehabt haben könnte. Hinzu kommt die praktische Erwägung, wie man denn zwei parallele Bereiche voneinander abkoppeln wollte, die sich beide der historischen Aufarbeitung verschrieben und verpflichtet hatten, wenn doch letztlich nur ein Kaiser über alles wachte und sein Zepter über allen schwebte. Diesen Überlegungen gehe ich nicht ohne Grund nach. Denn seit dem wir Kenntnis von Varus und der nach ihm benannten Schlacht haben geistern förmlich Begriffe wie Abstellungen, Sommerlager, Lagerschlacht, Aliso oder ähnliches durch die römische Forschungsgeschichte. Aber ein Wort fehlt noch darunter. Es ist das Wort "Senatsakten". Denn genau diese Senatsakten sind es, die immer wieder zitiert werden, wenn es der Glaubwürdigkeit der antiken Historiker an den Kragen geht, die sich darauf stützten. Und nach meinem Dafürhalten müsste der Anbeginn der Verschriftung, sowohl des Bibliothekbestandes als auch der Senatsakten falls es derartiges überhaupt gab und das den Namen Senatsakten rechtfertigt, unter der Aufsicht von Hyginus gestanden haben. Er besaß die Papyri Urschriften möglicherweise auch die mit der Handschrift von Asprenas gleich was auf ihnen gestanden haben könnte. Aber eben jene Senatsakten sind es, die inhaltlich immer umstritten waren. Wie gelangte Hyginus an die Information steht immer am Anfang der Fragestellung. Wer wusste also von wem, oder über was etwas, welcher Quelle konnte man vertrauen und wo wurde möglicherweise schon frühzeitig hinter den Kulissen manipuliert. Kaiser Augustus steht immer unter Generalverdacht wenn Vorwürfe laut werden, es könnte jemand in die Darstellung der Wahrheit auf irgendeine Weise eingegriffen haben. Denn er war der Machtmensch seiner Zeit und an der Außendarstellung interessiert wie kein anderer, denn letztlich hatte er immer sein Lebenswerk im Auge. Aber auch die Regierungsgeschäfte musste er leiten und lenken und die öffentliche Meinung in den Straßen von Rom konnte für ihn nach solchen Ereignissen schnell umschlagen und er durfte sie nicht ignorieren. Es war ihm also daran gelegen nur für ihn Nützliches verbreiten zu lassen zumal der Pannonienkrieg und die Gefahr einer damit einhergehenden Hungersnot für das Volk erst wenige Monate zurück lag. Und Cassius Dio war nicht unschuldig daran, dass wir heute skeptisch auf diese Senatsakten blicken. Denn er hatte rund 200 Jahre nach der Varusschlacht seinen Anteil daran,  dass ein zwielichter Verdacht auf allem lastete, was uns von der Varusschlacht übermittelt wurde. Zum einen, weil er zu einer Wortwahl griff, mit der er sein Misstrauen gegenüber den von ihm genutzten Vorlagen andeutete und zum anderen, weil er damit auch den Begriff der "Senatsakten" in die Welt setzte und ihn damit gleichzeitig negativ besetzte. Denn der Bezeichnung "Senatsakten" schrieb man immer wieder den unseriösen Beigeschmack zu, es könne sich  dabei um Geheimakten gehandelt haben. Aufzeichnungen die Detailreich das wahre Ausmaß der Schlacht zum Inhalt hatten, die aber der Öffentlichkeit und den antiken Historikern lange vorenthalten wurden, um den Ruf des Kaisers nicht zu beschädigen. Akten die erst an die Öffentlichkeit gelangten, als die Varusschlacht langsam in Vergessenheit geriet. Akten die aber danach immer noch unter der Aufsicht des Nachfolgekaisers Tiberius standen. Dem Feldherrn und späteren Kaiser Tiberius dem besten Germanenkenner aller Zeiten, der immer die Fäden in der Hand hielt und der vermutlich dem Kaiser Augustus immer einen Schritt voraus war. Ich möchte daher die Theorie aufstellen, dass es keine Zweigleisigkeit in Rom gab und gehe davon aus, dass das bibliothekarische Wissen des Hyginus auch immer identisch war mit dem was der Senat wusste, also dem Inhalt der Senatssakten entsprach. De facto schließe ich aus, dass es Unterlagen gab, die sich vom bibliothekarischen Wissen sezieren ließen. Da aber Cassius Dio lange nach dem Tod von Kaiser Augustus seine Version von der Varusschlacht nieder schrieb, könnten seine Aufzeichnungen über die Schlacht nachdem sich das Wissen über sie in den Jahren verfestigte, auch von den auf den Kaiser Augustus folgenden Kaisern immer noch ergänzt, präzisiert aber auch verändert worden sein. Denn zwischen Kaiser Augustus und den Zeiten von Cassius Dio hatte es noch sehr viele andere römische Kaiser gegeben, die der alten Akte "Varusschlacht" noch neues Wissen hätten einhauchen können, auf das Cassius Dio zurück gegriffen haben könnte. Die Informationen die in den ersten Jahren nach dem Jahre 9 + flossen, besaßen zweifellos den höchsten Grad an Authentizität. Den letzten Schub oder Schliff bekamen sie zweifellos im Jahre 17 + im Zuge der Enthüllungen aus dem Munde des Cheruskerfürsten Segestes. So wird man der Akte zur „Battaglia della Foresta di Teutoburgo“ beispielsweise ab dem Jahr 20 + immer weniger hinzu gefügt haben können, weil es nichts Neues mehr dazu gab und spätestens mit dem Auftreten der letztmöglichen Überlebenden, musste die Erkenntnislage stehen bleiben bzw. stecken geblieben sein und die Akte „Varusschlacht“ musste im Palatin mehr oder weniger geschlossen werden. Viele Seiten werden dann allerdings leer geblieben sein, die manche Historiker gerne noch vervollständigt gesehen hätten. Aber es erwies sich als aussichtslos, da die Katastrophe kaum Überlebende kannte, somit der Nachwelt zwangsläufig auch nicht mehr viel an Inhalten zu bieten hatten. Aber könnte man im Rom des Jahres 0009 auch noch anders mit den interessanten Neuigkeiten umgegangen sein. Viele werden sich über die Varusschlacht in der ersten Zeit die Mäuler zerrissen haben, Philosophen, Gelehrte und Advokaten quer durch die Bank werden darunter gewesen sein. Viele blutrünstige Geschichten wird man sich mangels genauem Wissen erzählt haben. Auch Halbwahrheiten und Gerüchte werden die Runde gemacht haben. Wer was über die Schlacht erfahren haben wollte, stand hoch im Kurs und auch in den privaten Bibliotheken der Adligen sammelten sich die Berichte an, denen man damals glauben oder auch nicht glauben konnte. Cassius Dio stand aus den ersten Tagen nach der Katastrophe in Ostwestfalen sicherlich einiges zur Aufarbeitung und Nutzung zur Verfügung, was sich bei Hyginus oder in den privaten Bibliotheken angesammelt hatte. Wir wissen aber auch, dass Cassius Dio unter den Senatsakten möglicherweise auch noch etwas anderes verstand. Denn er bediente sich auch der „Acta diurna“. Ein schon von Cäsar ins Leben gerufenes Bulletin mit dem Schwerpunkt das Tagesgeschehen nachrichtlich zu verbreiten. Die Art und Weise wie dies geschah ist unklar, ob in Form von Tafeln oder als Anschlagzettel und dergleichen. Aber unter Kaiser Augustus wurde es neben den amtlichen Nachrichten auch zum Sprachrohr für seine kaiserliche Propaganda, was zweifellos tendenziös klingt. Nach der offiziellen Verkündung und nach dem sich nichts mehr unterdrücken ließ bzw. es nichts mehr zu beschönigen gab wurde die Varusschlacht nicht nur in Rom, sondern im ganzen Imperium zum Thema Nummer eins und wird zum Lauffeuer geworden sein. Von diesem Zeitpunkt an begann die große Zeit der Historiographen, die je nach Quelle und Interessenslage über das Geschehene zur Feder griffen. Berufene und weniger berufene Historiker kamen dem Wunsch der Massen nach und werden sie mit immer wieder neuen Informationen, ob wahr oder unwahr aus Germanien versorgt haben. Einiges davon aus der großen Gerüchteküche Rom wird sich davon in den bekannten Überlieferungen wieder finden lassen. Das Problem ist nur, dass wir es den Überlieferungen nicht ansehen können. Erst der Cheruskerfürst Segestes könnte dann wieder einiges zur Aufhellung beigetragen haben. Aber als er seine Darstellungen nachschob, lag die Schlacht auch schon wieder etwa sieben Jahre zurück und war im schnell lebigen Rom schon fasst verblasst. Aber im Herbst 0009 war noch alles anders und es lohnt sich einen Blick darauf zu werfen, was uns die Geschichtsschreibung ab dem Jahr 9 + davon übrig ließ. Denn bei allen Nachrichten die sich aufgeregt in den Straßen von Rom von Haus zu Haus verbreiteten, konnte es auch Gaius Julius Hyginus riskieren, seine Zurückhaltung etwas aufzugeben. So könnte auf seinem Wissen basierend auch eine frühe Nachricht im Stil eines Gedichtes erhalten geblieben sein, das wir noch heute nach lesen können um uns unsere Gedanken darüber zu machen. Denn es macht den Anschein, als ob wir dieses Gedicht an die Stelle setzen könnten, an der das Wissen von Hyginus, wenn auch sehr nebulös erstmals in die Welt kam und damit auch das allererste Mal etwas über die Varusschlacht veröffentlicht wurde. Obwohl der Name Varus, Arminius oder Varusschlacht im Gedichtstext nicht fällt, was sich begründen lässt, gestattet die Interpretation einen interessanten Einblick in das Verhalten und die Wesensmerkmale unserer Altvorderen.(3.8.2019)

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Donnerstag, 1. August 2019
Wie geht es weiter mit meinem Blog zur Varusschlacht


Einige dutzend Kapitel habe ich bereits hoch geladen, was in etwa 40 % meiner Gesamtplanung entspricht.
In absehbarer Zeit möchte ich auch damit beginnen, mich dem Schlachtverlauf zu widmen, so wie ich ihn sehe.
Es folgen aber auch noch Kapitel zu den mythologisch, historischen Überschneidungen, zur Lokalisierung der Gnitaheidr, zur Besonderheit des Nethegau aber auch Hinweise dazu, wie aus den Cheruskern die Falen wurden und noch einiges mehr.
Lassen Sie sich inspirieren aber bleiben Sie kritisch.
Viel Spaß.

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