Samstag, 14. September 2019
Die versteckten Botschaften des verbannten Epikers Ovid
Ovid war ein Visionist im eigenen Auftrag und nahm in seinem Klagelied die römische Gefangennahme der ersten germanischen Garde die sich gegen Varus stellte schon mal Wunschtraum artig vorweg und verkaufte damit das berühmte Fell des Bären. So weit können wir ihm in seiner Notlage folgen. Zudem ließ er im Rahmen seiner begrenzten dichterischen Freiheiten durchblicken, welcher Leidensweg die Cherusker erwartete und welch bitteres Schicksal ihnen wohl noch bevor stand. Im Triumphzug mussten sie es in ihren letzten Stunden für alle sichtbar zur Schau tragen. Ovid musste sich dafür ziemlich tief vergeistigt haben um wie hinter einem Vorhang schemenhaft die gefangenen germanischen Anführer ausmachen zu können. Er kannte den Triumphzug Parcours wusste, was man ihnen zumutete und konnte sich lebhaft vorstellen wie sie die römischen Triumphbögen und prächtigen Tempelanlagen passierten. Wie in dumpfen Nebel eingehüllt empfand er, wie ihnen schon von Ferne die kreischenden Massen entgegen fieberten, noch bevor man die Geknechteten sehen konnte. Dann tauchte Ovid in seiner ureigenen Vision sogar selbst in die hysterischen Menschenmengen ein und blickte als stiller unsichtbarer Zuschauer auf das hektische Treiben im Straßenbild. Er konnte nicht übersehen, dass die Germanen in ihren Nacken und über ihren staubigen und vor Schweiß triefenden Schultern einschneidende grobe Fesseln trugen. Und sie alle mussten vor dem feierlich bekränzten Prunk Gespann des Kaiser Augustus gebeugten Hauptes einher stolpern. Momente die das Volk von Rom zutiefst beglückten, denn es war damit endlich für alle die Stunde der lang ersehnten Genugtuung für den Verlust von drei römischen Elite Legionen im Sumpf Germaniens gekommen. Ovid stellte diese bewegenden Augenblicke in seiner gekonnten Art literarisch dar, so als wäre er tatsächlich selbst dabei gewesen. So kann man sich gut in ihn und seine desolate Lage hinein fühlen, denn bei all seiner Wortgewandtheit und Dichtkunst musste er immer Kaiser Augustus und seine Ziele im Auge behalten, dem all sein Tun und seine „Tristien“ letztlich galten. Sich nun die geschundenen und von Entbehrungen gezeichneten und ausgezehrten Mienen jener in Ketten gelegten Germanen vorzustellen fällt uns auch heute sicherlich nicht schwer. Und der römische Pleb genoss es mit Wohlwollen. Es könnte in Rom ein heißer Tag gewesen sein, als ihnen die grimmigen Germanen vorgeführt wurden. Es waren Menschen mit Gesichtern denen sie alle noch ansehen konnten, wie ihnen einst der trotzige Siegeswillen des Kampfes ins Antlitz geschrieben stand. Einst renitent aufsässige und verbissene Züge, die ihnen nun aber gänzlich aus dem Gesicht gewichen waren. Sie hatten sich in der Zeit nach ihrer Gefangennahme in den Kerkern Roms in Verbitterung verwandelt. Ihre aber immer noch Furcht erregend starrenden Blicke hatten nun einen anderen Ausdruck angenommen. Sie hatten sich verändert und trotzten jetzt nur noch ihrem Schicksal, das man für sie bereit hielt. Sie blickten schon ihrem Tod entgegen oder sahen ihr Leben günstigenfalls im Steinbruch enden. Ovid versetzte sich in seinen Klageliedern auch in die dem Zug beiwohnenden Zuschauer hinein, wie sie sich unterhielten köstlich der Darbietung folgten und sich ihre Kommentare gegenseitig zuwarfen. Er stand förmlich mitten unter ihnen und beobachtete das einfache Volk von Rom, wie es sich auch noch genüsslich für die Details interessierte und gierig die einzelnen abscheulichen Taten der nun vor ihnen wankenden Germanen hinter fragte und sich sogar nach den für sie unaussprechlichen fremden Namen erkundigte. So zeigten sie auch auf einen besonders erhabenen Mann, bei dem sie das Gefühl erschlich ihn sogar erkannt zu haben. Ein Germane, in dem sie meinten den großen Anführer in jenem Kriege sehen zu können. Insgeheim sahen oder wollten in ihm alle den berüchtigten Cheruskerfürsten sehen. Ovid wird nun von seiner eigenen Phantasie überwältigt und er lässt nichts mehr aus. So greift er in einem Fall sogar tief in die wohl damals in Rom immer noch vorherrschende Welt der Klischees und der Vergangenheitsbewältigung, denn er lässt den Germanenhäuptling nun in einer völlig untypischen Parademaskierung auftreten. So soll der vermeintliche Arminius, von Ovid symbolisch zum Ausdruck gebracht in „Sidouischem Gold“, also dem Gold aus Sidon geglänzt haben. Die libanesischen Küstenstädte wie Sidon oder Tyros standen einst unter der Herrschaft Karthagos, und in Rom verstand man darunter auch die Phönizier. Diese setzte man mit den Puniern, ihren ehemaligen Erzfeinden gleich. Ovid stellte Arminius damit also indirekt sogar auf eine Stufe mit den punischen Helden der gleichnamigen Kriege eine der größten Feindnationen, die das Imperium Jahrhunderte zuvor zu bezwingen hatte. Hier kommt also eine deutlich überzogene dichterische Komponente in seinem Stil zum Vorschein um es in die Superlative zu heben. Denn es ist schwer vorstellbar, dass man den vermeintlichen Germanenkönig im Prachtschmuck der Könige von Sidon hätte auftreten lassen. Aber Ovid bezweckte damit, dass maßlose Streben und vertragsbrüchige Verhalten der Cherusker nach Macht und Sieg mit den Ritualen der Sidonier zu vergleichen. Das phönizische Volk, das sogar dafür bekannt war Menschenopfer darzubringen womit er die Germanen mit den alten Kanaanitern in Verbindung brachte. Diese Textstelle innerhalb der „Tristia“ erweckt den Anschein, als ob für Ovid außer Frage stand, dass auch die damals gefangenen Römer nach der Schlacht im Nethegau dieses Schicksal über sich ergehen lassen mussten, zumal dies in seiner Zeit gängige Praxis unter den Völkern gewesen sein könnte. Danach fielen die gierigen Augen der schaudernden Massen die den Triumphzug mehr reihig säumten auf einen weiteren Germanen. Er hielt sich eng in der Nähe des germanischen Oberhäuptlings auf. Ihm stand es selbst noch an diesem Tag deutlich ins Gesicht geschrieben, dass seine Augen und sein Antlitz einst leuchtend funkelten, als er sich noch im Vollbesitz seiner Kräfte wähnte und seine germanischen Waffen trug. Mit ihm konnte Ovid den Kaiser besonders erfreuen, denn dieser konnte nur noch starr und gebrochen, in Fessel gelegt und in tiefster Trauer sinnierend auf den Boden unter sich blicken. Man sah förmlich wie der Kaiser beim Anblick dieses Mannes seinen todbringenden Daumen senkte. Dann folgte wieder ein anderer Gefangener der die johlende Menge wie fasziniert die Hälse recken ließ und sie zum Brodeln brachte. Ein besonders trotziger und scheinbar ungebrochener Germane, der sogar noch in seiner jetzigen verzweifelten Lage seinen glühenden, feindseligen und stolzen Blick immer noch nicht verloren hatte. Und da war sich jeder Römer auch völlig sicher. Dieser Germane musste jener gewesen sein, der an der römischen Niederlage eine große Mitschuld trug. Ihm sah man noch an, dass er der schlimme Drängler und Antreiber zum Kampf und der war, der die Germanen auf hetzte und sie zum Aufruhr brachte, auf das sie gegen das Imperium ihre Waffen erhoben. Alle spürten förmlich, dass dieser Mann die Seele des Krieges gewesen sein musste. Aber damit nicht genug, denn die Phantasie des in Zorn und Wut hoch gekochten Volkes, das sich schon in Rage tobte, begann sich nun erst so richtig zu ereifern. Denn nach dem germanischen Kriegstreiber erschien nun jene Person auf der Bildfläche des Triumphzuges der von allen Gefangenen die größte Schuld am Untergang der drei Legionen hatte. Es war ein Mann, den Ovid, den „Treulosen“ nannte. Besser gesagt, die Begrifflichkeit eines "Treulosen" erschließt sich aus der Übersetzung seiner lateinischen Worte "huc aliquem certo uela dedisse Noto", sodass es sich bei ihm folglich um einen treulosen Menschen gehandelt haben soll. Sein Gesicht soll von herab hängendem struppigem Haar nahezu völlig bedeckt gewesen sein. Aber nun folgt die Textstelle innerhalb der Ovid`schen „Tristien“, die nach Ansicht vieler Historiker einen weiteren und deutlichen Bezug zur Varusschlacht offen legt. Denn dieser Treulose, soll nach Ovid jener Germane gewesen sein, „VON DEM DIE UNSRIGEN EINGESCHLOSSEN UND IN EINER FREMDEN GEGEND GETÄUSCHT WURDEN“. Hier treten in einem unscheinbaren und vielleicht auch bewusst von ihm kurz gehaltenen Nebensatz drei wesentliche Attribute hervor, die vom Grundsatz her nur mit der Varusschlacht kompatibel gewesen sein können. Denn unter „eingeschlossen“, verbirgt sich unzweifelhaft der viel zitierte germanische Hinterhalt, den die Germanen für die Legionen legten und in den sie sie lockten. Und die „fremde Gegend“ spricht ebenfalls eine deutliche Sprache und bezieht sich auf das den Römern unbekannte Terrain, in das die Germanen die Römer führten. Die von Ovid erwähnte „Täuschung“ entspricht der Falle, die die Germanen geschickt auslegten und in die ihnen die Legionen gingen. An welche Schlacht oder an welchen Krieg sollte Ovid hier noch gedacht haben können, wenn nicht an die Varusschlacht. Die einzige Schlacht die sich in der Zeit ereignete, nach dem ihn der Kaiser Augustus aus dem römischen Paradies nach Constanta verstieß und die einzige Schlacht die nach Carrhae 53 - den Totalausfall vieler Legionen durch Täuschung und Hinterhalt herbei führte. Der letzte Hinweis von Ovid in seiner „Tristia“ regt noch einmal zum Nachdenken an. Denn nun soll sich auch noch ein Mann im Zuge der Gefangenen befunden haben, den er als einen Priester bezeichnete. Sollte Ovid in diesem Fall mal sein Gedicht gegen die Realität eingetauscht haben, so wäre das vermutlich einer der wenigen historischen Hinweise darauf, dass es in Germanien bei Kult- oder Opferfesten Priester, also Druiden oder Schamanen gegeben hatte bzw. diese dabei anwesend waren. Eine seit jeher umstrittene Diskussion, zu der es keinerlei Quellen, sondern bislang nur Vermutungen und Annahmen gibt, und die sich dann auch noch auf die Tradition der Kelten beziehen. Dieser von ihm als Priester bezeichnete Mann war nach antiker Sichtweise und Vorstellung der germanische Vollstrecker, der die Opfergabe an den heimischen Gott vorbereitete, praktizierte und ausführte und den wir heute einen Ritualmörder nennen würden. Mit dem Auftreten eines Priesters unter den Gefangenen legt Ovid auch noch eine weitere Spur zur sidonischen Menschenopfer Zeremonie. Aber er liefert uns damit und das wiederum nur indirekt eine Bestätigung der Worte von Tacitus, der im Zusammenhang mit der Knochenbestattung auch erwähnt, dass die Germanen die gefangenen Römer auf ihren Altären ihrem Gott geopfert hatten. Aber man muss hier wohl den Sachverhalt drehen in dem es richtig lauten müsste, Tacitus bestätigt die Aussagen von Ovid. Man könnte jetzt aus alledem auch schließen, dass Gaius Julius Hyginus dem Dichter Ovid in seinen Briefen dies alles mitgeteilt hatte, es also möglicherweise auch aus der Depesche des Asprenas hervor gegangen sein könnte. Geht man noch einen Schritt weiter zurück, so könnte man sogar schlussfolgern, dass die Kavallerie des N. Vala noch Zeuge dieser Taten in der Endphase der Schlacht war, oder es im Verlauf der Schlacht mit ansah. So waren die Schwadronen zum Zeitpunkt der Opferungen also noch nicht abtrünnig geworden. Eine zweifellos gewagte Theorie, aber konstruierbar. Ovid schreibt, „ER (also der Priester) HABE DIE ABGESCHLACHTETEN GEFANGENEN DEM WIDERSTREBENDEN GOTTE GEOPFERT“. Aber warum „DEM WIDERSTREBENDEN“. Man könnte annehmen Ovid wollte glauben machen, dass sogar die germanischen Götter die Opfergabe der römischen Legionäre nur widerwillig an nahmen. Ovid setzt seine „Tristia“ in besonders theatralischer Weise ins Bild, bei der es schwer fällt sie zu interpretieren und auch die Worte mit denen er seine Klagelieder bezogen auf die Varusschlacht enden lässt, bilden da keine Ausnahme. Aber sie bergen viel Interessantes auch wenn sie uns in Sachen „Segestes und seinen späteren „Interviews“ mit den antiken Historiker“ an dieser Stelle nicht weiter bringen. Da ist zum Beispiel der Satz “DER HIER MIT GEBROCHENEN HÖRNERN, MIT GRÜNEM SCHILF NUR DÜRFTIG BEDECKT, WIRD VON SEINEM EIGENEN BLUTE MISFARBENEN RHEIN VORSTELLEN“. Ovid erinnert noch mal an Drusus und stellt damit ein weiteren Bezug zum Unglücksfall des Feldherrn in Germanien her, der sich im südlichen Niedersachsen zugetragen haben soll. Sein sterbender Körper oder bereits sein Leichnam wurde nachdem Tiberius Drusus an unbekanntem Ort vor seinem Tod noch mal lebend antraf und ihn sprechen konnte über die Lippe an den Rhein transportiert, wo er möglicherweise auf einer Barke dürftig unter Schilf aufgebahrt, dann den weiteren Weg nach Mainz antrat. Das dabei auch der Rhein noch mit seinem Blut in Berührung kam, ist auf dichterische Weise sicherlich ohne Mühe darstellbar. Übrigens liegen uns keine Hinweise darüber vor, dass Drusus in Kämpfe bei Kalkriese verwickelt war, was für die Forschung auch sehr interessant gewesen wäre. Für uns ist aber diese Parallele ein weiterer Hinweis darauf, dass Ovid bei seinen Klageliedern in Bezug auf Drusus immer den alten Schlachtenhorizont im Hinterkopf hatte, wo auch die Varusschlacht nicht weit entfernt lag. Ovid schwenkt dann noch mal auf seinen ureigenen von ihm zum Leben erweckten Triumphzug über und zieht das ganze Register seiner Vorstellungswelten. Denn bei Ovid zieht dann sogar „Germania“ im Triumphzug mit. Mit aufgelöstem Haar zieht sie vorüber und sitzt dann voller Gram gebeugt zu Füßen des überragenden Kaisers Augustus und wartet auf ihr Urteil. Auch „Germania“ bei der es sich aus römischer Sicht um die fiktive germanische Hauptgöttin gehandelt haben dürfte, musste für das Verhalten ihrer Stammessöhne büßen. Sie hatte sogar selbst Schuld auf sich geladen, weil auch sie im Kampf gegen Rom die Waffen geführt hat und lag nun ebenfalls vor dem Kaiser in Ketten am Boden. Ein wichtiger Hinweis der uns auch tief in die heidnischen Seelen und Wurzeln damaliger Zeiten blicken lässt, als man noch annahm, dass die Götter dem Himmel entstiegen um selbst mit zu kämpfen. In der germanischen Mythologie wird es uns im Kampf der Asen gegen die Wanen ebenso geschildert. Vermutlich hatten sich in diesen Zeiten die Namen der „wahren“ germanischen Götter noch nicht bis nach Rom herum gesprochen und „Germania“ musste sie in sich vereinen. Die germanische Göttin Germania war geschlagen, also war ganz Germanien besiegt, so die klare dichterische Botschaft von Ovid. So mehren sich im Sinne seiner Dichtung die Hinweise und verdichten sich dahin gehend, dass Ovid der Hoffnung Ausdruck gibt, der Tag der Rache sei nun nicht mehr fern und schon fasst mit den Händen zu greifen. Ein positiver Silberstreif am sonst so eingetrübten Horizont jener Jahre, wenn man in Rom verängstigt nach Norden blickte. Seine Zeilen waren Balsam und geeignet die aufgebrachten Gemüter quer durch alle Bevölkerungsschichten des Imperiums zu beruhigen, und zu besänftigen, waren aber natürlich in erster Linie nur für den Kaiser Augustus persönlich bestimmt. Aber immer wieder kehrt zu uns die eine Frage zurück, nämlich die was wohl aus dem oder vielleicht auch den Schreiben des Hyginus hervor gegangen sein mag und was sie für uns Verwertbares enthielten, dass uns später über die filigranen Hände des Ovid erreichte. Informationen die Hyginus dem Dichter zukommen ließ und die wir erst nach dem sie Ovid in seinem Sinne umwandelte, also „metamorphisierte“ unserem Wissen über den Verlauf der Schlacht einverleiben bzw. eingliedern können. Denn so traurig und Herz zerreißend die Worte des verbannten Ovid auch klingen mochten, wir suchen hier einzig nach möglichen Fakten, die uns den Ablauf Varusschlacht erklären helfen. Was also bescherte uns sein Gedichts Stoff und wie bereicherte uns seine Prosa mit dem sich wichtige Erklärungslücken schließen ließen. Bewegen wir uns also wie so oft nach vorne, in dem wir nach hinten gehen und wir könnten fündig werden. Ovid berichtet in seinem Gedicht über eine Reihe bedeutsamer Germanen die, bevor man sie in Ketten schmiedete an der Schlacht teil nahmen. Er listete sie förmlich der Reihenfolge nach auf und er verlieh ihnen in seinem simulierten Triumphzug Funktion, Gesicht, Ausdruck, Gestalt und beleibte sie förmlich, ganz so wie sie sich einst gebarten, als sie noch gegen Varus kämpften und so wie sie jetzt auf alle wirkten. Und wir können nun rätseln, ob die Wesenszüge die ihnen Ovid zuschrieb alle seiner eigenen Phantasie entsprangen, oder ob Hyginus ihm dabei half und sie ihm in etwa schon so beschrieb, ihm also in seinen Briefen dafür die nötigen Impulse und Anregungen lieferte. Vorstellbar ist, dass Hyginus den Hergang der Schlacht aufgrund seines Wissens umriss und auch die germanische Strategie beschrieb. Auf dieser Basis besaß Ovid alles was er wissen musste, um sich das Weitere zusammen reimen zu können. So zählte er außer einer den Göttern zugewandten Priesterperson, explizit vier weitere heraus ragende Germanen auf, bei denen es ihm darauf ankam uns nähere Beschreibungen ihres Verhaltens in der ihm eigenen spekulativen Art zu hinterlassen. Die Übersetzung seiner „Tristia“ ist im Vokabular nicht unproblematisch. Was unser Interesse darin weckt besteht aus einem zeitgemäßen und daher naturgemäß schwer verständlichen Stoff der sich in den Worten der Übersetzung wie folgt ließt und den ich hier einfüge.

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„Freuen wird sich schon das treue Volk und der Senat und der Ritterstand, wovon ich jüngst noch ein kleines Mitglied war. Mir freilich, dem soweit Verbannten, entgeht die allgemeine Freude, davon kommt in solche Entfernung nur ein schwaches Gerücht. Ja, das ganze Volk wird dann die Triumphzüge schauen können, und mit den Titeln der Feldherrn die eroberten Städte lesen. Man trug Tafeln mit den Namen der besiegten Völker und Abbildungen der eroberten Städte und Länder einher. Die gefangenen Könige auf ihrem Nacken Fesseln tragend, werden vor dem bekränzten Gespann einher schreiten. Man wird in Mienen schauen, die sich mit der Zeit geändert haben. In furchtbare ihrem Schicksale trotzende Blicke. Zuschauer werden nach der Geschichte des Kampfes, nach den Taten und nach ihren Namen fragen. Der da, der erhaben in Sidouischem Gold glänzt, war der "FÜHRER IM KRIEGE". Jener, dem Führer der Nächste; der da, der jetzt den Blick mit tiefster Trauer an den Boden fesselt, hatte ein ganz anderes Antlitz, als er noch die Waffen führte. Jener, der Trotzige, mit noch glühenden feindseligen Blicken, war der Drängler zum Kampfe, die Seele des Kriegs. Dieser "TREULOSE", der das Gesicht mit dem herabhängenden struppigen Haar bedeckt, schloss die "UNSRIGEN" ein, die von der "FREMDEN GEGEND GETÄUSCHT" wurden. Der Folgende soll als "PRIESTER" öfters "DIE LEICHEN" der abgeschlachteten Gefangenen dem widerstrebenden Gotte geopfert haben. Hier der See, hier die Berge, dort die "VIELEN BURGEN", die von wildem Morden mit Blut angefüllt waren. In "DIESEN" Ländern erwarb sich "DRUSUS" einst seinen Beinamen, er, der edle Spross eines würdigen Vaters. Der hier mit gebrochenen Hörnern, mit grünem Schilf nur dürftig bedeckt, wird den von seinem eigenen Blute misfarbigen Rhein vorstellen. Seht! auch "GERMANIA" mit aufgelöstem Haar zieht vorüber, und sitzt voll Gram zu den Füssen des unbesieglichen Feldherrn, und dem römischen Beile trotzig den Nacken bietend trägt sie Ketten an derselben Hand, die die Waffen führte. Über alle diese erhaben hältst du, o Cäsar, deinen festlichen Einzug auf purpurnem Siegeswagen mitten durch die Scharen deines Volkes“.

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Städte zum Erobern wird es in Germanien nicht gegeben haben, hier dürfte Ovid auf die gängige Vorstellung siegreicher römischer Feldzüge zurück gegriffen haben. Tafeln mit den Namen der Gefangenen kann man sich jedoch noch gut vorstellen, soweit man sie wusste bzw. sie sich überhaupt lateinisch oder wie auch immer schreiben ließen. Als Vorlage dieses Gedichtes von Ovid könnten nach meiner Auffassung nur die Informationen von Hyginus als Basis gedient haben. So könnte Hyginus dem Dichter mitgeteilt haben, dass sich der germanische Widerstand in Ostwestfalen bei eingeschränkter Unterstützung der Pristerkaste auf eine vierköpfige Führungsriege stützte, die hinter allem stand. Ovid verlieh dann diesen Personen ihr jeweiliges phantasiereiches Auftreten mit einem dazu passendem Gesichtsausdruck und könnte damit bereits Hinweise auf eine mögliche germanische Befehlshierachie, Strategie und Vorgehensweise geliefert haben. Demnach hätten Hyginus und folglich auch Ovid schon Kenntnisse zur Struktur der germanischen Führungselite vor gelegen. Also Informationen, die sich ursprünglich auf Asprenas zurück führen ließen. Denn Asprenas besaß dieses Hintergrundwissen. Aber letztlich macht soviel realitätsnahe Phantasie wie sie Ovid so treffend einflocht bzw. ausformulierte skeptisch und wirft die Frage auf, wer sich hinter den vier Germanen verborgen haben könnte. Da man sein Gedicht mit der Varusschlacht in Verbindung bringt, könnten die Germanenhäupter auch im Zuge dieser Schlacht zu Bedeutung gelangt sein und darin eine Funktion inne gehabt haben. Schriftlich sind uns nur jene cheruskischen Namen überliefert, die aus der Feder von Strabo stammen und wenn diese in Bezug zum Fürstenhaus standen. Personennamen aus dem einfachen germanischen Volk suchen wir fasst überall bislang vergeblich. Segimer nahm vermutlich nicht oder nur anfänglich an der Schlacht teil, da sein Name später nie wieder erwähnt wird. Man vermutet, er sei darin umgekommen. So dass Arminius die königliche Spitzenfunktion unter den vier Germanen übernahm und sie bekleidet haben könnte. Ihm sollte sicherlich die Hauptrolle im germanischen Trauerzug zustehen, was auch zum Ausdruck kommt. Den Reigen der Darsteller sehe ich daher folgendermaßen. Der Erhabene und „Goldglänzende“ war demnach also Arminius. Der dem Fürstensohn am nächsten Stehende, war seine rechte Hand und sein Berater, vielleicht einer seiner alten Weggefährten aus Auxiliarzeiten. Man kann spekulieren. Der Trotzige war blind vor Wut, trieb die Germanen zum Kampf an, war allgegenwärtig, stand immer in der Hitze des Gefechtes und verkörperte Seele und Gestalt des typischen Kämpfers, wie man ihn sich in Rom vorstellte. Ihn beauftragte Arminius für besondere Kommandoaufgaben. Den vierten im Bunde nennt man der Übersetzung nach aber den Treulosen. Die Treue hielt er zweifellos nur seinem Volk, den Cheruskern. Man hielt das Wort "treulos" im Vergleich zu dem von Ovid verwendeten Originalwort offensichtlich für zutreffend. Auf ihn passen würden sicherlich auch die Eigenschaften, gewissen- oder skrupellos, vor allem muss er die Reitergruppe der germanischen Wegbegleiter die er anführte und die die Legionen geradewegs in ihren Untergang führten äußerst kaltblütig vorgegangen sein. Er ist für mich vor allen anderen die wichtigste Personalie und Schlüsselfigur im Reim ovid`scher Einlassungen. Während die Erwähnung von Drusus im Gedicht einen deutlichen Fingerzeig in den germanischen Norden richtete, und der Priester die Opferungen im Saltus ausführte, verbarg sich hinter dem „Treulosen“ ein sehr gezielter Hinweis auf die Varusschlacht. Denn der Hinweis darauf, dass er die "unsrigen, womit die Römer gemeint sind, „einschloss" ist auch für viele Historiker der deutlichste Bezug zur Clades Variana, denn um die Zeit als Ovid aus der Verbannung schrieb, in der er sich ab dem Jahre 8 + befand, wurde außer der Varusarmee keine andere römische Armee von einem Feind getäuscht und im Hinterhalt eingeschlossen. Mit diesem kurz gehaltenen Hinweis bringt es Ovid auf den Punkt, denn der Treulose „schloss die Unsrigen“ ein in „einer den Unsrigen fremden Gegend“. Wie aber sollte man sich nun das Manöver einer einzelnen „treulosen“ Person vorstellen bzw. wie müsste oder kann es eine einzige Person angestellt haben, gleich drei Legionen also mehrere tausend Soldaten zu täuschen und einzuschließen. Dies ist natürlich nicht nachvollziehbar und es kann sich bei dieser Person daher nur stellvertretend um eine bestimmte Gruppe von Germanen gehandelt haben, die unmittelbar am Kampfgeschehen beteiligt waren und diese besondere Aufgabe übernommen hatten. Aber man sollte sich noch mal mit der Vorstellung des Begriffes „der die Unsrigen einschloss“ beschäftigen. Verfolgt man die Absicht eine Person oder wie in diesem Fall eine ganze Armee einzuschließen, so irritiert natürlich die Wortwahl bzw. Übersetzung „einschloss“. Will man eine größere Anzahl Menschen einschließen, so gehört dazu, dass man diese erst in einen, sagen wir mal ausbruchssicheren Sektor führt, in dem sie sich überhaupt einschließen lassen bzw. wo man sie einschließen kann. Im übertragenen Sinne also hinter ihnen symbolisch betrachtet eine Tür verschließt, um ihnen einen Rückweg oder Ausweg zu versperren. Diese Vorstellung verbindet man in der Regel mit der Wortwahl „einschloss“. Um die Menschen aber erst in diese Ausweglosigkeit zu lotsen, wo man sie folglich einschloss und aus der man ihnen ein Entrinnen unmöglich machte, waren die aus germanischer Sicht nötigen Vorbereitungen zu treffen. Und dazu bedurfte es eines Geleitpersonals, Germanen die den Weg wussten und sie führten. Ich halte diesen Hinweis für wichtig, da man Menschen nur einschließen kann, wenn man sie vorher in eine einschlußfähige Position manövriert bzw. bugsiert hatte. Um also kein Missverständnis aufkommen zu lassen, denn unter „unsrigen einschloss“ kann man auch verstehen „die unsrigen in eine Falle zu führen“. Einschloss bedeutet also nicht zwangsläufig, dass man alle drei römischen Legionen zuvor in eine Mitte trieb, wo man sie dann komplett einkreiste, umzingelte und folglich einschloss. Da im visionären Triumphzug des Ovid nur die Großen des germanischen Widerstandes vorgeführt wurden, muss dieser besagte „Treulose“ also auch wenn man ihn in der Mehrzahl betrachtet, eine wichtige Funktion im Zusammenhang mit dem Hinterhalt, also mit dem „Einschluss der Unsrigen“ gehabt haben. Er war demnach der Mann oder einer der Männer, der die Falle stellte, in der dann „die Unsrigen“ eingeschlossen wurden. Die Falle bzw. der Hinterhalt, den sich die Germanen für Varus ausdachten war jedoch in der Topographie des Nethegau keine Sackgasse oder gar ein Canyon der unvermittelt vor einer hohen Felswand endete. Es war schlicht und einfach nur der Marschweg bis hin zu den vermeintlichen Aufrührern. Germanische Rebellen wie sie von Arminius „an die Wand“ gemalt wurden, die sie auch waren aber anders, als man sie Varus dargestellte und wie er sie sich vorgestellt hatte. Germanen nämlich, die sie schon auf dem Weg ins Aufrührergebiet in ihren Verstecken erwarteten und sich später da konzentrierten, wo man Varus und den Legionen das Zentrum der Aufrührer als Falschmeldung vorgegaukelt hatte und wo das Gerichtslager errichtet werden sollte. Und aus nichts anderem bestand auch der germanische Hinterhalt. Varus nahm die Aufforderung siegessicher an, die Aufrührer dort aufzusuchen, wo sie sich scharten. Und nicht nur dort scharrten sie bereits wahrlich schon ungeduldig mit den Füßen, sondern in alle Gauen der Region. Abtrünnige eines entfernten Stammes die es nun von ihm zu befrieden galt, bei denen es etwas zu schlichten gab, wo er notfalls kämpfen musste, wo es was abzuurteilen gab und wo sein Richterspruch über „Richtig oder Falsch“ über ihre zukünftige Handlungsweise entscheiden sollte. Alles war Varus solange recht, wie sie Ruhe gaben, das Imperium nicht schädigen würden, seine Absichten in Ostwestfalen nicht durchkreuzten und seinen Rückzug an den Rhein nicht zu lange aufhalten würden. Dieser schmale und lange, mal sumpfig morastige, mal bewaldete, mal sandige, mal verstellte und mal lehmige Weg war auf die ersten Kilometer Wegstrecke bestenfalls noch ein Spurweg, aber so sehen Hinterhalte aus. Denn derartige Hinterhalte sind für fremde Truppenverbände in noch dazu unbekanntem Terrain nicht auszumachen. Der Hinweis „unbekanntes Terrain“ verdeutlicht uns ebenfalls, dass sich das Schlachtgebiet weit ab von den sonstigen Routen der Römer, sich also nicht in unmittelbarer Nähe zum römischen Hauptquartier an der Weser befunden haben kann. Folglich in einem noch nicht eroberten Gebiet bei vertragslosen Stämmen. Wohin führte man sie also. Die Germanen entschieden über die Zugrichtung, nur sie wussten wo galt es die richtigen Abzweigungen zu erkennen oder einem anderen Weg folgen zu müssen und wo sich ein Bach am Besten überwinden oder eine Sumpfzone am Schnellstes umfahren ließ . Immer waren sie wie Blinde auf jene „treulosen“ Germanen angewiesen die sie auf ihrem Marsch in den Untergang begleiteten. Und solange man den Legionen den Weg wies, wähnten diese sich auch auf dem direkten Weg zu den Verschwörern und warteten auf Arminius der sie in Kürze einholen wollte. Die berittenen Legionäre des N. Vala werden in der Spitzengruppe und immer auf Tuchfühlung zu den germanischen Wege kundigen geritten sein. Ihnen standen die „treulosen“ Germanen Auge in Auge gegenüber, die sich bewegungslos in ihrer Mimik nichts anmerken ließen. Seine Schwadronen hatten diese germanischen Verräter unmittelbar an ihrer Seite und ahnten nichts von alledem. Aus diesen Germanen setzen sich jene zusammen, die Ovid später unter dem Begriff des „Treulosen“ zusammen fasste, jene die die „Unsrigen einschlossen“. Die die den Inbegriff von Verräterschaft, Betrug, Eid- und Vertragsbruch verkörperten. Das es mehreren Manövern bedurfte, Legionen einzuschließen, war letztlich das Werk hunderter oder mehr Germanen die die Strecke säumten, vor ihnen auftauchten und ihre Wege versperrten. Diesen einen Germanen mehr symbolisch als „den Treulosen“ aus der Menge der gegnerischen Germanen heraus zu greifen und vom römischen Pleb erkennen zu lassen, kann dem dichterischen Talent von Ovid zugeschrieben werden. Für mich war es eine Gruppe Germanen und kein einzelner „Treuloser“. Es waren ausgewählte Männer, die auf Anweisung von Arminius am zweiten Marschtag gemeinsam mit Varus das Marschlager Brakel in Richtung Süden verließen und ihnen als Wegbegleiter zur Seite gestellt wurden. Diese Gruppe hatte zweifellos eine der wichtigsten Funktionen im Verlauf der gesamten Schlacht inne. Denn sie mussten den Hinterhalt einfädeln und die Falle schnappen lassen. Daher nannte Ovid für sie auch stellvertretend eine besonders heraus ragende Person nämlich den „Treulosen“ um an ihm das besondere an der germanischen Strategie und Perfidität von Hinterhalt und Niederlage festzumachen. Dieser Gruppe „Treuloser“ stand die entscheidende Aufgabe zu die drei Legionen in ihren Untergang bzw. in den Hinterhalt zu führen sie einzuschießen um sich dann kurz vor Beginn der ersten Kampfhandlungen abzusondern, sich zurück fallen zu lassen und die Fronten zu wechseln. Sie sorgten dafür, dass Varus den richtigen Weg zu den Aufrührern einschlug und dabei nicht vom Weg abkam. „Er“ war der gesuchte Anführer einer Gruppe, den Arminius den Kampflegionen nach dem Verlassen des Marschlagers Brakel mit gab. Seine im Ovid Gedicht personifizierte Existenz beantwortet mir auch die Frage, woher die drei Legionen wussten, in welche Region sie zu marschieren hatten, denn das war bislang auch immer eine der großen Argumentationslücke, wenn man die Varusschlacht rekonstruieren wollte. Und nur Germanen den Arminius besonders vertraute werden die Aufgabe des Geleitpersonals übernommen haben. Dieser Abschnitt meiner Verlaufsanalyse hatte bis dato eine Schwachstelle, der ich bislang spekulative Gründe entgegen setzen musste. Ovid half mir nun mit seinem Hinweis, dass es da wohl einen „Treulosen“ gab, der die Römer einschloss, womit sich die besagte Lücke schließen ließ. Denn schließlich mussten sich die Legionen auf eine ganz bestimmte Landmarke zu bewegen die sie nicht von selbst hätten finden können, da sie sich nicht auskannten. Ein Gebiet, das die Germanen vorher geschickt ausgewählt hatten und wo man ihnen möglicherweise sogar schon einen geeigneten Platz für die Errichtung des römischen Gerichtslagers vorgeschlagen hatte. Ein leicht erhöhtes Plateau oder einen Höhenrücken nahe eines Bachlaufes und unweit des fiktiven zentralen Siedlungsortes der Aufrührer aber inmitten einer unwirtlichen Landschaft die nur den Germanen entgegen kam. Eine Landschaft passend für die germanischen Vorstellungen und zugeschnitten auf ihre Angriffsabsichten. Das Lager lag in einer topographischen Übergangszone. Nördlich in Richtung Brakel war diese über die Hegge noch von Wald bedeckt und südlich ging sie ins Offenland der Warburger Börde über. Genau so wie es uns auch etwa 200 Jahre nach der Schlacht Cassius Dio beschrieb. Dieses Detail aus dem Gedicht von Ovid wird so zu einem Meilenstein in der Varusschlachtforschung und hilft möglicherweise wichtige Beweislücken zu schließen. Aber gehen wir einen Schritt weiter und betrachten wieder Hyginus den vermeintlichen römischen Bibliotekar und Quellautor nachdem er die Depesche aus dem Römerkastell südwestlich des heutigen Xanten bekam. Hyginus wusste demnach also schon einiges, nämlich sowohl vom Vorhandensein eines germanischen Hinterhaltes, als auch von der Existenz eines oder mehrerer Wege kundiger Germanen sowie eines blutrünstigen Priesters, so dass sein Bericht an Kaiser Augustus schon recht umfänglich ausfiel. Woher hätte Ovid, der seit 8 + in Constanta "schmorte" dieses Wissen auch sonst gehabt haben sollen, wenn nicht von einem Mann wie Hyginus. Und sein Informant wiederum konnte niemand anderes gewesen sein als Asprenas, der alles erst dem Kaiser per Kurier mitgeteilt hatte. Als der germanische Geleittrupp die Legionen ins Verderben führte, befand sich wie dargestellt auch noch die Kavallerie von N. Vala im Marschzug und konnte dazu später Bericht erstatten. Fast man es zusammen, so musste die Depesche an den Kaiser inhaltlich schon sehr detailliert ausgefallen sein und war beileibe nicht, wie ich anfänglich annahm, mehr im Telegrammstil abgefasst worden und klingt eher schon wie ein relativ guter militärischer Bericht über den gesamten Hergang der Schlacht. Ovid hinterlässt uns aber noch einen weiteren versteckten und rätselhaften Hinweis. So erging es ihm ähnlich wie später Florus, der auf seine Weise über das Schlachtgeschehen berichtete. Denn auch Florus war kein Historiker sondern auch ein Dichter wie Ovid und beide mussten sich „post mortem“ deswegen diverse Anzüglichkeiten gefallen lassen. Beide hatten sie daher schlechte Karten, wenn sie vor den kritischen Augen der Wissenschaft bestehen wollen. So fanden auch die Hinweise von Ovid nie die genügende Anerkennung und Bewertung um sie interpretieren zu wollen. Denn wenn Ovid schreibt „Hier der See und hier die Berge“, so wollte er damit vermutlich die maritime vom Mittelmeer geprägte Strukur und die alpine Geographie des römischen Weltreiches von der, der Magna Germania abgrenzen. Den Kontrast aber auch die Lokalisierung offenbart er noch zusätzlich mit den folgenden Worten. „Dort, (also in Germanien) die vielen Burgen, die von wildem Morden mit Blut angefüllt waren“. Entziehen wir seinen Worten das dichterische Talent, so werden wir schnell fündig. Wir erfahren nämlich auch bereits von Ovid, dass sich nicht nur die Schlachten des Drusus schon bei Arbalo im Lande „der Burgen“ ereigneten, sondern in diesem Zusammenhang auch, dass sich dort die Varusschlacht ereignete. Wir sprechen also schon zu Ovid`s Zeiten erstmals von einem „Land der vielen Burgen“ also der Mehrzahl und dieser Hinweis lässt sich wie kaum ein anderer mit der späteren Überlieferung aus der Feder von Tacitus nämlich dem „Teutoburgiensi saltu“ in Verbindung bringen. Ovid beantwortet damit auch die Frage, ob sich die Worte „Teutoburgiensi saltu“ nun auf die Ein- oder die Mehrzahl beziehen würden, in dem er von vielen Burgen und nicht von einer einzigen Burg schreibt. Man kann nun den Eindruck gewinnen, dass Tacitus, neben der Erwähnung des opfernden Priesters in Gestalt der beschriebenen Opferungen in den heiligen Hainen und den Burgen in der Mehrzahl gesprochen auf ältere Aufzeichnungen zurück griff und aus denen Angaben hervor gingen, die mit dem Wissen des Ovid deckungsgleich waren. Tacitus las also rund hundert Jahre später das, was auch Ovid zur Verfügung gestanden haben könnte. Aber wo wurde Cassius Dio fündig, denn er wusste mehr zu berichten. Das nun der gesamte Osning Kamm von Wallburgen gekrönt war, lässt sich nicht leugnen. Diese Region also das Land der Teutoburgen zu nennen liegt somit folglich auf der Hand und Tacitus könnte also wie geschlussfolgert auch dies erstmals bei Ovid gelesen und verwendet haben, er könnte es aber auch schon der vorgeschalteten Quelle „Hyginus“ entnommen haben. Aber damit nicht genug, denn diese Burgen waren auch noch angefüllt mit dem Blut aus wildem Morden. Was nichts anderes bedeutet, als dass sich die schrecklichen Szenen der Schlacht oder auch das Abschlachten der Legionäre nach der Schlacht in eben jenen Wallburgen ereignet haben könnte. Innerhalb der Wallburgen und in deren Umfeld könnten also auch die späteren Hinrichtungen erfolgt sein und die dafür nötigen Altäre gestanden haben. Zwei dieser möglicherweise mörderischen Wallburg artigen Anlagen dürften wir in der „Alte Burg“ und der „Behmburg“ also der später in Karlsschanze umgetauften Festung erkannt haben. Ovid beschreibt uns wie sich die gefangenen Germanen im Triumphzug verhielten, in welchem Bezug sie zu Ostwestfalen standen, nämlich über den Feldherrn Drusus, das sich in dieser Region zahlreiche Burgen - oder Befestigungsanlagen befanden, das die Kämpfe sie mit Blut anschwillen ließen und das unter den Germanen der Drahtzieher des Hinterhaltes mit lief. Ovid hat uns die Augen etwas geöffnet und wir konnten uns mit seiner Hilfe ein Bild über den frühesten Kenntnisstand in Rom über die Varusschlacht machen. Segestes spielte in dieser frühen Phase noch keine historische Rolle, sein Name war zu Ovid`s Zeiten in Rom noch unbekannt und was seinen Verrat am Segimerclan oder seine Warnung oder Warnungen Varus gegenüber anbelangte war auch dieses noch nicht bis in die Hauptstadt vorgedrungen. Aber seine Zeit sollte noch kommen, denn die Historiker die auf den Astronomen Manilius und den Dichter Ovid folgten, zerrten den Cheruskerfürsten Segestes aufgrund seines Verhaltens geradezu in den Lichtkegel der Geschichte. Seine Gestalt nimmt exakt von dem Moment konkrete Formen an, wie er im Jahre 0017 die zweifelhafte Ehre genoss zwar als Freund des Imperiums zu gelten, trotzdem aber mit jenen Germanen den Triumphzug bereichern durfte, die Germanicus während seiner Kriegszüge in Germanien vermutlich wahllos gefangen nahm um in Rom etwas vorweisen zu können. Wer wollte da noch dem Dichter Ovid sein tieferes Wissen absprechen, über das er seine Prosa stülpte. Ovid erscheint mir wie eine unterschätzte Quelle. Ein Dichter der uns mehr sagte, als es auf den ersten Blick auffällt. Ihm nur den letzten Platz am äußersten Rande der Varusschlacht Peripherie zubilligen zu wollen, würde ihm nicht gerecht werden. Und einzig in den vielen literarischen Quellen darauf hinzuweisen, dass es Ovid war, der als Erster etwas über sie verschriftete greift zu kurz.(14.09.2019)

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Donnerstag, 12. September 2019
Der „Triumphzug“ Traum des Ovid sollte zur Realität werden.
Mit Bezug auf die Varusschlacht lassen sich in den auf sie folgenden Jahren zwei römische Triumphzüge den antiken Schriften entnehmen. Den Zug, den der Dichter Ovid in seinen „Tristien“ in den Jahren 10 + bis 12 + für Kaiser Augustus nur ersann und den, den Kaiser Tiberius im Jahre 17 + für Germanicus real ausrichtete. Dazwischen lagen maximal sieben Jahre. Aber thematisch und inhaltlich sind sie stark miteinander verzahnt, erscheinen uns so, als ob sie sich ergänzen würden, oder gar identisch sind und könnten sogar verwechselt werden. Sie verdienen daher eine besondere Aufmerksamkeit und vergleichende Betrachtung. Bevor ich mich mit dem Ersteren, nämlich dem fiktiven Triumphzug des Ovid näher beschäftige, müssen erst die irritierenden Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden, die uns der Triumphzug des Jahres 17 + in dem Segestes in Rom seinen spektakulären Auftritt hatte, in den Weg gelegt hat. Die Enthüllungen des Ovid aus seinen „Tristien“ über die Varusschlacht aus denen sich interessante Erkenntnisse und Details für die Forschung heraus filtern und ableiten lassen, müssen also noch ein Kapitel warten. Publius Ovidius Naso kurz Ovid genannt komponierte seine Trauerverse die „Tristien“ sowie die darauf folgenden „Epistulae ex Ponto“ seinerzeit aus der Verbannung heraus. Vom kaiserlichen Edikt des Reiches verwiesen zu werden, erfuhr er auf der Insel Elba. Und er musste die Verbannung unverzüglich antreten, denn der Kaiser gewährte ihm nur 14 Tage um sein Haus in Rom zu räumen. Die Insel liegt rund 10 Kilometer vor dem italienischen Festland und etwa 200 Kilometer nördlich von Rom. Betrachtet man die Distanzen und Reisezeiten, so war es für ihn nach damaligen Maßstäben unmöglich diese Frist einzuhalten. Es war also ein äußerst drastischer Befehl aus dem Munde des Kaisers, dem er zu folgen hatte, aber Wiederaufnahmeverfahren gegen kaiserliche Verbannungsurteile waren im Imperium nicht vorgesehen. So wählte er einen anderen Weg. Denn er bemühte er sich nun in seine „Tristien“ all das zu legen was er für geeignet hielt, um den Kaiser noch mal von seiner Entscheidung abzubringen und ihn umzustimmen. Ovid begann sicherlich schon sehr früh damit Überlegungen anzustellen, wie er dieses kaiserliche Gottesurteil noch einmal abwenden konnte. Vielleicht begann er sogar schon im Jahre 8 + und das möglicherweise bereits auf der Fahrt nach Constanta damit, an seinen „Tristien“zu arbeiten. In der Anfangsphase als er noch unter Schock stand hatte er sicherlich noch kein klares Konzept und auch arge Mühe auf gedanklichen Weg den geeigneten Einstieg in seine Ferse zu finden, denn auf die Idee seinen Wunsch poetisch zu formulieren muss man erst mal kommen. Es werden ihm manche Überlegungen durch den Kopf gegangen sein, die er später in seinen Metamorphosen verarbeitete. Aber nach dem er wie ich annehme von Hyginus die nieder schmetternde Nachricht vom Ausgang der Varusschlacht im Jahre 9 + erhielt, wehte in seine „Tristien“ an denen er bis 12 + schrieb frischer Wind und verleite seinem Werk inhaltlich den nötigen neuen Schub. Ausgestattet mit diesem Schwung fiel ihm die Formulierung seiner „Tristien“ etwas leichter, denn nun bekamen sie auch die nötige und wichtige zeitgeschichtliche Substanz und einen Bezug mit greifbarer Dimension. So brauchte er als Basis nicht mehr nur seine reine Dichtkunst in die Waagschale werfen. Denn nun erst öffnete sich für ihn eine konkrete Tür die er nutzen musste und die sich im übertragenen Sinne inhaltlich gut in seine „Tristien“ einbauen ließ. Und die die kritische Seelenstimmung in der sich Kaiser Augustus nach dem Varusdebakel befand, bot sich dafür ausgezeichnet an. Er entwickelte daraus eine geeignete Strategie und versuchte nun die triste Laune des Kaiser mit allen Mitteln aufzuhellen und dabei seine Gedanken wieder auf sich zu ziehen. Kaiser Augustus regierte das Imperium bis zu seinem Tod im Jahre 14 + und nur er der Kaiser konnte auch die über ihn verhängte Verbannung letztlich wieder zurück nehmen, wenn er dies für angemessen hielt. Man könnte daraus schließen, das die „Tristien“ in ihren wesentlichen Bestandteilen Rom auch erst erreichten nach dem Ovid die Ereignisse der Varusschlacht darin verarbeitet oder besser ausgedrückt versteckt hatte. Ovid nutzte also die wahren und für den Kaiser und das Reich bitteren Ereignisse wie sie sich auf dem Schlachtfeld in Ostwestfalen zutrugen für seine Pläne und entwarf darauf basierend sein ureigenes futuristisches Szenario. So nahm er einen späteren furiosen Sieg der römischen Legionen über die germanischen Varusbezwinger und Widersacher des Kaisers vorweg um dann sogar noch einen Schritt weiter zu gehen. Er gestaltete nämlich zu alledem noch einen imaginären und pompös gestalteten Triumphzug in dem die nieder geschlagenen und im Krieg gefangenen genommenen Germanenhäupter mit hängenden Köpfen in Rom mit marschieren ließ. Einen Zug der Geschundenen den er selbst erfand, der also nur auf seinen Phantasien beruhte. So erträumte er, besser gesagt erdichtete er exklusiv für Kaiser Augustus die pure Vision eines nie statt gefundenen Triumphzuges. Seine Wünsche gipfelten sogar in der Art, als dass er der Wahnvorstellung erlag, der Kaiser habe nun für immer und ewig Germanien erobert, als er in der Sprache der Übersetzung die Worte hinterließ "Nun ist das wilde Germanien wohl den Caesaren erlegen, hat, wie die übrige Welt, endlich die Knie gebeugt“. In der Reihenfolge gesprochen. Rom rächte die Varusniederlage, alle Bösewichter wurden gefangen, nach Rom geschafft und fortan hatte Kaiser Augustus seinen Seelenfrieden wieder gefunden. Für den Kaiser eine äußerst angenehme Vision, wäre sie denn nur schon zur Realität geworden. Darin verbirgt sich aber auch noch ein anderer Hinweis. Denn wenn Ovid bereits das Ende aller germanischen Eigenständigkeit verkündete, so konnte er auch noch nichts von der „Kapitulation“ Roms gewusst haben. Nämlich das Einknicken schon vor dem Erreichen des Endziel einer germanischer Rückeroberung. Kaiser Tiberius hatte bekanntlich im Jahre 16 + nach den unbefriedigenden Germanicus Kriegen das Ende der Germanenkriege befohlen. Diese Nachricht hatte Ovid also noch nicht erreicht, folglich mussten seine „Tristien“ auch wie man aus mehrfacher Hinsicht annimmt, davor verfasst worden sein, nämlich bereits bis zum besagten Jahr 12 +. Aber es war sein innigster Wunsch, dass Kaiser Augustus seine Verbannung aufheben möge. Aber selbst Tiberius der ihm 14 + nach seinem Tod auf den Kaiserthron nachfolgte, hob die Verbannung gegen ihn nicht auf. Was aber den erfundenen Triumphzug innerhalb seiner „Tristien“ auch pikant macht ist die Tatsache, dass es nur wenige Jahre später und genau in dem Jahr in dem Ovid verstarb noch zu einem „realen“ Triumphzug in Rom kommen sollte. Und hier meine ich den von Kaiser Tiberius für den Feldherrn Germanicus ausgerichteten Triumphzug des Jahres 17 + der uns vom griechischen Geschichtsschreiber Strabo samt Namensnennung überliefert wurde. Der Familie des Segestes und anderen Germanen stand in diesem Jahr die wohl eher zweifelhafte Ehre zu, die Rolle der besiegten Germanen im palatinischen Schaulauf übernehmen zu müssen. Beschäftigt man sich nicht sehr tief greifend mit der antiken Literatur und was sie so über die Varusschlacht zu berichten hat, so könnte man schnell dem Trugschluss unterliegen und annehmen, dass es sich um ein und den selben Triumphzug gehandelt haben könnte. Nämlich dem, der nur den Phantasien des Dichters Ovid in seiner mißlichen Lage entsprang und dem, den uns der Geschichtsschreiber Strabo überlieferte. Aber dem war natürlich mitnichten so, denn der Triumphzug den uns Strabo beschrieb fand im Gegensatz zu dem des Dichters Ovid auch in der Realität statt und ihn konnte Ovid definitiv nicht voraus gesehen, geschweige denn gemeint haben. Ovid schrieb seinen erdachten Triumphzug nur für Kaiser Augustus, der aber lebte im Jahre 17 + schon drei Jahre nicht mehr und nicht um damit den auf ihn folgenden Kaiser Tiberius davon zu überzeugen, er möge doch die Verbannung gegen ihn aufheben. Natürlich setzte er auch unter Kaiser Tiberius seine Bemühungen fort zurück kommen zu dürfen, wie es aus den „Epistuale ex Ponto“ der Jahre 14 + bis 17 + hervor geht. Aber nur noch mal zur Orientierung, denn in dem gleichen Jahr als die Großfamilie des Segestes am 26. Mai 0017 vor Kaiser Tiberius die Schmach in einem Triumphzug vorgeführt zu werden über sich ergehen lassen musste, nämlich im Jahr 17 + verstarb auch der Dichter Ovid im abgelegenen Constanta. Das auf seinen fiktiven Triumphzug dann tatsächlich auch noch dieser reale Triumphzug folgen würde, bei dem man in Rom Gefangene oder wohl eher jene Germanen die sich 15 + freiwillig in die römische Obhut begeben hatten um spektakulär vorführt zu werden, konnte Ovid in den Jahren zwischen 8 + und 12 + noch nicht erahnen, denn da war man noch weit von diesen Ereignissen entfernt. Es geschah in der Realität zwar nur wenige Jahre nach seiner „Tristien“ Endfassung, fand aber unter völlig anderen Voraussetzungen und auch unter einem jeweils anderen römischen Kaiser statt. So hätte Ovid schon zum Hellseher werden müssen, um den Triumphzug des Jahres 17 + voraus sehen zu können. Aber er konnte in seiner Zeit definitiv nicht ahnen, was einem Germanicus in Germanien noch so alles an germanischem Widerstand entgegen gesetzt würde und erst recht nicht, dass man ihm für dieses Resultat sogar noch einen glorreichen Triumph zugestehen würde. Denn bekanntlich gelang es ihm nicht die Rückeroberung Zentralgermaniens zwischen 14 + und 16 + zu einem dauerhaften und erfolgreichen Ende zu führen. So haben wir es in der Tat mit zwei völlig gegensätzlichen Triumphzügen zu tun. Nämlich dem, der nur der besagten Fiktion entsprang und der für immer seinen Platz nur im Wunschdenken des Dichters Ovid haben sollte und das reale Ereignis, das im Jahre 17 + statt fand. Nach dem dies unstrittig sein dürfte, möchte ich meiner Vorgehensweise treu bleiben und noch in andere Richtungen nach identitären Verbindungen Ausschau halten. So werden bei genauerer Analyse auch noch weitere Unterschiede zwischen dem erdachtem und dem realem Triumphzug deutlich. Denn sie liegen in der jeweiligen personellen Besetzung der an den Zügen teil nehmenden Germanen. Denn die zu Ehren von Feldherr Germanicus am 26. Mai des Jahres 0017 in Rom freiwillig im pompös inszenierten Triumphzug mit marschierenden und teilweise auch unter Zwang vorgeführten Germanen aus dem Segestes Clan waren nicht einmal im Ansatz mit den Menschen vergleichbar, wie sie uns Ovid für seinen Triumphzug genüsslich erdachte und beschrieb. Dies liefert uns ein zusätzliches Gegenargument womit sich belegen lässt, dass Ovid sich wie auch immer sogar noch im Jahr seines eigenen Todes am Germanicus Feldzug für seine „Tristia“ zumindest orientiert haben könnte. Zum anderen ist es fraglich, ob Ovid an der fernen Schwarzmeerküste von dieser erst am 26.5.0017 in Rom statt gefundenen imperialen Großveranstaltung überhaupt noch etwas erfuhr, also noch gelebt hat. Die Nachricht des Triumphzuges für Germanicus in dem unter anderem auch Segestes mitgeführt wurde, könnte das ferne Constanta etwa im Spätsommer 17 + erreicht haben, also immerhin acht Jahre nach der Varusschlacht. Viel Zeit zum Schreiben wäre ihm danach nicht mehr geblieben. Denn Ovid war im Jahre 17 + um die 60 Jahre alt und könnte theoretisch auch schon zum Zeitpunkt der Veranstaltung nicht mehr gelebt haben. Ovid brauchte auch nicht das Grundwissen, um den Ablauf eines Triumphzug beschreiben zu können, denn Triumphzüge für verdiente römische Feldherren und ähnliche Darbietungen waren auch zu den Zeiten als er noch in Rom das Leben genießen durfte nicht unüblich. Seine Klagelieder sollten nur Kaiser Augustus weich stimmen, aber der starb bereits am 19. August 0014. Folglich sollte damit jeglicher Bezug zum Siegeszug des Germanicus am 26. Mai. 0017 obsolet sein. Und bekanntlich holte ihn auch der spätere Kaiser Tiberius nicht mehr nach Rom zurück, denn auch er ließ ihn am schwarzen Meer bis zu seinem Tod darben, wo er allerdings als Ehrenbürger verstorben sein soll. Das Ovid im Rahmen einer „BIMILLENIUM“ Veranstaltung „2017 OVID UND EUROPA“ post mortem noch eine europaweite Ehrung erfahren sollte, konnte er schließlich auch nicht ahnen. Aber seine nur auf Hoffnungen beruhenden Wunschträume reichten letztlich auch aus um in ihm auch einen Vater der europäischen Kultur zu sehen. Die Schilderungen die uns Ovid in seinem sozusagen improvisierten huldigendem Triumphzug vermittelt, können wir also guten Gewissens unabhängig von jenem des Jahres 17 + betrachten und völlig davon abkoppeln. Und auch die aktuelle, also moderne Geschichtsschreibung geht davon aus, dass Ovid seine Klagebriefe in denen er sich auf die Varusschlacht bezog bereits in der Zeit zwischen den Jahren 8 + und 12 + verfasste, also noch lange bevor der Triumphzug mit Segestes dem Römerfreund durch die Straßen von Rom zog. In dieser Phase zwischen 8 + und 12 + konnte Ovid in Constanta zudem auch noch nicht einmal etwas von den Planungen eines Triumphzuges für Germanicus geschweige denn, den darin mitgeführten Personen gewusst haben, denn da lag etwas derartiges noch in ferner Zukunft. Auf die „Tristien“ die zwischen 8 + und 12 + entstanden und die in Abschnitt III. 12, 45 – 48 die Bezüge zur Varusschlacht enthielten, folgten die „Epistulae ex Ponto“ eine Sammlung von 46 Briefen die Ovid in der Zeit danach von 12 + bis 17 + nieder schrieb. Darin erscheint nun auch der Name des Feldherrn Germanicus, der uns wieder einen Hinweis nach Ostwestfalen gestattet. Ob er sich über seinen im Zuge der Germanenkriege gewachsenen Einfluss im Kaiserhaus noch seine Rückkehrwünsche zu erfüllen hoffte ist denkbar. Man könnte darin aber auch einen letzten Versuch folglich eine Art Akt der Verzweiflung sehen, denn er verstarb im Jahre 17 +. Wir entnehmen seinen Schriften also eine starke Fixierung in den germanischen Raum und explizit auf Ostwestfalen, suchen aber in seinen lyrischen Versen den Namen der Person des Segestes vergeblich. Aber nicht nur Segestes war für den Dichter Ovid noch keine feste Größe, denn man muss annehmen, dass er von seiner Existenz möglicherweise noch nicht einmal etwas gewusst hat, weil auch Hyginus ihn noch nicht kannte. Zumindest zu dem Zeitpunkt, als er seine „Tristia“ dichtete in der er den nicht statt gefundenen Trauerzug der Germanen in Rom beschrieb. Ob er den Namen Segestes kannte, als er Germanicus in seinen „Epistulae ex Ponto“ in seinen Schriftverkehr mit einbezog ist allerdings denkbar aber nicht zu belegen. Das galt auch für die anderen im Germanicus Triumphzug darin allerdings „real“ mitgeführten germanischen Männer plus Thusnelda, denn diese dürften auch alle namentlich noch gar nicht bis zu Ovid ins heutige Rumänien durchgedrungen sein und sind auch nicht in seine „Tristien“ eingeflossen. Aber ich möchte wie immer keine Sichtweise außer acht lassen und da berührt uns ganz besonders seine Phantasie die er anstrengte um den leidenden Germanen im Triumphzug die angemessene gequälte Ausstrahlung zu verleihen. Wie also hat Ovid das Verhalten seiner fiktiven Protagonisten im Triumphzug dichterisch umschrieben und beschrieben und was hat er auf und für sie gedichtet. Wie also hat er die von ihm in Szene gesetzten Personen dargestellt um über ihre Erniedrigung die gekränkte römische Seele zu heilen. Was hat er inhaltlich über sie verlauten lassen, wie entstanden seine Ideen, wodurch wurden sie gespeist und wie hat er das Geschehen im Trubel der Massen um sie herum beschrieben. Ich möchte darauf noch zurück kommen. Aber schnell wird deutlich, dass die von Ovid im Gedicht zum Leben erweckten Personen mit jenen Menschen und deren Charakteren nicht vergleichbar, geschweige denn identisch sind, die an der großen „Show - Veranstaltung“ am 26. Mai 0017 für Germanicus zu dessen Huldigung gezwungen und genötigt waren teilzunehmen, als schon Tiberius der neue Kaiser in Rom war. Alles konnte Ovid dienlich sein um sich auf dichterische Weise wieder an seine alte Wirkungsstätte zurück zu kämpfen, aber der Triumphzug des Jahres 0017 lag seiner Zeit voraus. Sich also wieder seinen alten gesellschaftlichen Platz in Rom zurück zu erobern entsprang seinen irrealen Visionen und dem Wunschdenken eines im Jahre 8 + in die Verbannung Entlassenen. Das andere war ein reales historisch unstrittig statt gefundenes Ereignis. Ovid wuchs in der „Pax Romana“ auf, war sicherlich auch Patriot und wird sich vielleicht sogar auch selbst erträumt oder erwünscht haben, dass sich das Imperium nicht mit der Niederlage am Eggegebirgsrand abfindet, sich verlorenes Terrain zurück erkämpft und die vertragsbrüchigen irgendwann zur Rechenschaft ziehen würde. Triumphzüge hatten in der römischen Geschichte eine lange Tradition, die bis zu Romulus zurück reicht. So war es für Ovid kein Quantensprung sich einen Triumphzug vorzustellen, an dem dann hoffentlich in Bälde auch jene Cherusker vorgeführt würden, die die Vernichtung der Varuslegionen herbei geführt hatten. Am Triumphzug des Jahres 17 + und auch bei keinen anderen römischen Triumphzügen ließen sich Arminius und die anderen germanischen Drahtzieher der Varusschlacht zum Leidwesen des ganzen Imperiums und insbesondere des Germanicus vorführen. Denn die dafür verantwortlichen Germanenoberhäupter entzogen sich für alle Zeiten der römischen Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit, indem sie sich der Gefangennahme lebenslang erfolgreich widersetzen konnten. Ihnen gelang es auf freiem Fuße zu bleiben und Germanicus musste für seinen heroischen Triumphzug im Jahre 17 + auf die zweite Besetzung, sozusagen eine „B – Elf“ ausweichen. (12.09.2019)

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Samstag, 7. September 2019
Der große und letzte klassische Poet Publius Ovidius Naso - Der Mann den die Varusforschung vergaß
Wie auch das Leben seines möglichen Informanten Gaius Julius Hyginus, so nahm auch das des Dichters Ovid keinen gradlinigen Verlauf besser gesagt kein gutes Ende. Während Hyginus im Alter verarmte, verstarb Ovid im fernen Constanta am schwarzen Meer, das über die Jahrtausende betrachtet vielfach seinen Namen wechselte in der Verbannung. Irgend wann im Jahre 8 + also etwa ein Jahr vor Ausbruch der Varusschlacht ereilte Ovid das Schicksal und seine Vita erlitt einen schmerzlichen Bruch. Während er sich auf der Mittelmeerinsel Elba aufhielt die vom Imperator auch für Verbannungen genutzt wurde erfuhr er, dass der Kaiser auch ihn in die Verbannung schicken wollte. Immer nahe am damaligen Puls der Zeit lebend, war er fortan vom Geschehen in der Hauptstadt Rom abgeschnitten. Warum Augustus ihn nicht gleich auf Elba beließ, sondern für den Dichter das noch weiter entfernt liegende frühere griechische Tomoi, das sich in der römischen Epoche Tomi oder Tomis nannte am Schwarzen Meer auswählte, wo er in der Fremde bis zu seinem Tod sein Dasein fristen musste, klingt wie eine Strafverschärfung. Die Gründe für seine Verbannung sind in einer von ihm begangenen Verfehlung zu suchen. Wie sich recherchieren lässt, wusste Ovid von der Arminiusschlacht, aber nicht nur der Bibliothekar Hyginus könnte wie ich vermute, dem Dichter auf geheimen Wegen verdeckte Botschaften mit Hintergründen zur Varusschlacht zugesteckt haben. Auch anderen Spuren aus dem damaligen Zentrum der Macht, könnten ihn aus unterschiedlichen Regionen des Reiches in Constanta über Umwege erreicht haben. Zwischen der rumänischen Schwarzmeerküste der historischen Region Dobrudscha und Ostwestfalen liegen rund 1700 Luftkilometer, so dass ihn wenn überhaupt alle Nachrichten über die Ereignisse aus dem germanischen Norden und sonstwo immer nur sehr zeitversetzt, also möglicherweise erst Monate später erreicht haben. Wobei man aber den Nachrichtenverkehr auch in der Antike nicht unterschätzen sollte. Constanta lag zwar in einer Randzone imperialer Einflüsse, aber wiederum auch in keiner von Kommunikation und Außenwelt völlig abgeschotteten Region des römischen Reiches. War von der 52 Kilometer entfernt fließenden Donau auf dem Landweg erreichbar und hatte als Küstenstadt über das Schwarze Meer und den Bosporus eine Seeweg Verbindung zum Mittelmeer. Dies könnte die Nachrichtenwege verkürzt haben. Was ihm beliebige Reisende oder Schiffskapitäne nur mündlich und als wahrhaft und absolut glaubwürdig nach dem es sich erst über diverse Stationen und Münder verbreiten musste mitteilten, möchte man nicht mehr hinterfragen wollen. Aber natürlich könnte ihm auch diese Informationsquelle für seinen Hilferuf aus der Diaspora zur Verfügung gestanden haben und nicht nur die seines Freundes Hyginus. Ob ihm die Nachrichten unbekannter Zeitgenossen inhaltlich genügt hätten, sei dahin gestellt und ob sie ihn animierten sie zu nutzen und er sich von ihnen inspirieren ließ ist ebenso fraglich. Aber auch dieser Verdacht sollte angesprochen sein, obwohl ich seinen für mich nahe liegenden Kontakt zu Hyginus für den Entscheidenden halte. Aber letztlich erhoffte er sich schließlich seine alsbaldige Rückkehr nach Rom und schmeichelte daher aus der Verbannung heraus seinem Kaiser Augustus in einer aus seiner Sicht effektiven Weise und in den höchsten Tönen, denn anders lassen sich Teile seiner Klagelieder „Tristia“ nicht interpretieren. Der Tag an dem der Kaiser die Katastrophen Nachricht aus dem „Teutoburger Wald“ erhielt war für selbigen bekanntlich ein trister und es schien für Ovid wie ein Zeichen des Himmels bzw. ein probates Mittel gewesen zu sein, das Wissen darüber nachdem er es erfuhr zu nutzen um Augustus für die dadurch erlittene herbe Demütigung der Germanen auf dichterischem Wege aus der Ferne seinen Trost zu sprechen zu können. Für Ovid hing in diesem Moment vieles von der geschickten und klugen Wahl seiner Worte ab. Er war Dichter, und so lag es nun einzig in der Kraft der Poesie um den Kaiser nochmal umstimmen zu können. In der Hoffnung er würde davon gerührt seine Verbannung gegen ihn aufheben zog er alle Register. Andere Mittel, Wege und Möglichkeiten schienen ihm vermutlich nicht zur Verfügung zu stehen. Die Schlacht im Nethegau wurde für ihn somit zu einer Art Strohhalm mit dem er sich den Rückweg in seine altgewohnte Lebensweise im quirligen und hektischen Rom oder auf seinen ruhigen Landsitz ebnen wollte. Aber wer hätte je gedacht, dass es einmal ein Dichter sein würde, der uns die erste Nachricht über diese weltgeschichtliche und Weichen stellende Schlacht zukommen ließ, bei der es sich nach allgemeiner Auffassung und Analyse nur um die Varusschlacht gehandelt haben kann. Die Historie versprühte immer schon ihre Überraschungen und so blieben uns wie in diesem Fall auch Berichte über längst Geschehenes erhalten, die uns auf äußerst skurrilen Wegen erreichen. konnten. Auch wenn es nur ein Gedicht ist, aber es kommt eben auf seinen Inhalt an und wie offen und bereit man ist es zu lesen, es zu verinnerlichen oder zu interpretieren bzw. auszulegen.
Für uns sind nur die Fakten von Bedeutung die sich als hilfreich für die Forschung erweisen können. Aber für die Aufarbeitung des Varus Ereignisses ist uns jedes noch so kleine Mosaik Steinchen lieb um unser Einfühlungsvermögen zu wecken es zu verfeinern und unsere Gedanken zu schärfen. Aber woraus bestand nun bei genauem Hinsehen sein großes historisches Verdienst, das Ovid der Nachwelt als Metamorphose, Gedicht, Klagelied bzw. Tristia oder wie man es nennen möchte hinterlassen hat. Die Örtlichkeit der Varusschlacht verriet auch er uns nicht. Konnte er auch nicht und wir machen es ihm „post mortem“ auch nicht zum Vorwurf. Denn kaum ein Römer kannte sich und das nicht nur in den Zeiten von Kaiser Augustus nach der Zeitenwende im innersten Germaniens aus. Römische Händler gelangten nur in die Nähe der germanischen Grenzgebiete, wo sie möglicherweise ihre Waren germanischen oder keltischen Händlern übergaben. Im wesentlichen bestanden die frühen römischen „Besucher“ Germaniens nur aus Militaristen, Landvermessern oder einem vergleichbaren Personenkreis. Viele dürften sich nach ihrer Dienstzeit in den Kolonien nieder gelassen haben und behielten ihr geographisches Wissen für sich. Hinzu kommt, dass bekanntlich vor 2000 Jahren aus Ostwestfalen auch nicht alle von ihnen an den Rhein zurück kehrten, denn viele von ihnen gingen in der Zwischenzeit „über die Wupper“. Auch was ein Segestes damals im Vorfeld der Schlacht genau tat oder eben nicht tat und wie er sich verhielt, wusste uns Ovid auf seine poetische Weise ebenfalls nicht zu sagen, denn über seine Existenz und andere Fakten war ihm schlicht und einfach nichts bekannt, denn davon wusste auch ein Hyginus noch nichts. Militärische Details so wie die Anzahl der Legionäre, die an der Schlacht teilnahmen oder umkamen, können wir aus seinem Gedicht natürlich nicht heraus lesen und dürfen es auch nicht erwarten. Aber es sind die von ihm in seinen Triumphzug - Visionen verwendeten Hinweise, die er innerhalb seiner "Tristien" verarbeitete, auf die es uns ankommt. Nur wenige von ihm kenntlich gemachte, oder verborgen eingeflochtene Bezüge nach Germanien und zur Clades Variana die uns ein Hineindenken in das Wesen, Verhalten und Auftreten der dort damals agierenden Persönlichkeiten erlauben, können wir erkennen die uns bei der Analyse helfen. Aber sie sind vorhanden und helfen uns unser Wissen um die alte Geschichte und die Schlachten Teilnehmer zu vertiefen. Bei genauem Hinschauen lassen sich sogar Ansätze und Aussagen zum Schlachtenverlauf ausfindig machen. Den von ihm in der Verkörperung dargestellten und wie lebendig wirkenden Menschen im symbolhaften Trauerzug der besiegten Germanen verleiht er, in dem er sie über die jeweiligen Fragesteller am Straßenrand „zum Sprechen“ bringt, eine individuelle und starke Aussagekraft. Er verdeutlicht auf besondere Weise ihre prekäre und üble Lage und die extreme Ausnahmesituation in der sie sich in diesem Moment befanden. So bringt er Kraft Beschreibung ihres Aussehens und Gebarens ihre geballte Gefühlswelt und innere Aufgewühltheit nachvollziehbar und das auch noch nach über 2000 Jahren für uns verständlich und gekonnt zum Ausdruck. Weder von einem Cassius Dio noch von anderen Historikern liegen uns derart authentische Gefühlsbeschreibungen vor, die diese Ausdrucksstärke deutlich machen. Diesen Seeleneinblick verdanken wir einzig dem Dichter Ovid der in der Abgeschiedenheit seiner Verbannung die nötige Muße fand, diesem Phantasiegebilde den letzten Schliff zu geben. Von Glück kann man sprechen, dass es sich bis heute bewahrte. Nur er beschrieb uns in Worten das, was wir an anderer Stelle erst beim Anblick kalter Skulpturen oder steinerner Reliefbändern in abgedunkelten Museen in ruhiger Minute nach empfinden können. Nämlich dann, wenn wir in die in Stein gemeißelten faltigen und leidvollen Gesichter unterdrückter und gepeinigter Menschen blicken die nur erahnen lassen, welches Schicksal ihnen wieder fuhr. Ovid lässt uns indirekt daran teilhaben, wie es damals in der Hitze der Schlacht im „Nethegau“ zugegangen sein könnte, wenn den Germanen noch Jahre danach Zorn und Wut ins Gesicht geschrieben standen. Zumindest so, wie es sich ein Dichter in den damaligen Zeiten vorstellte. Und da wir um sein persönliches Schicksal wissen, wissen wir auch um seine tieferen Absichten die hinter seiner Poesie stecken. Aber ungeachtet dessen lässt sich nur hinter seinen Zeilen, nämlich denen eines dichterischen Meisters seines Fachs nachlesen und dabei immer noch spüren, welche gewaltigen, physischen Kraftanstrengungen die Germanen in jener Zeit aufbringen mussten, um sich in die Lage zu versetzen, dieses Opfer bringen zu können. Eine aus germanischer Sicht unvermeidbare kollektive Tat, wenn man zum Ziel hat auf Dauer von Fremdherrschaft verschont zu bleiben und um diese zu vollbringen ihnen jedes Mittel recht schien. Vom hinterlistigen Vertragsbruch bis hin zur offenen Bluttat. Weder Historiker, Astronom oder Militarist brachten es fertig uns den kämpfenden, in diesem Fall besser gesagt den abgekämpften Germanen plastisch so ausdrucksstark ins Bewusstsein zu rufen, wie es dem Dichter Ovid mit knappen Worten gelang. So lässt dies auch erkennen wie nahe sich doch Poesie und Historik kommen sollten, wenn man begreifen und verstehen will. Ovid musste und wollte in seiner aussichtslosen Lage sein ganzes Können aufbieten und es in diese Verse legen um den Kaiser zu beeindrucken. Dem Kaiser wollte er auf diese Weise seinen späteren Triumph über die Feinde des Reiches nach dem Schlachtenerfolg den man schließlich erwartete literarisch vorweg nehmen und gleichzeitig seinen Blick auf sich ziehen. Er sollte den Erfolg quasi „ante mortem“ bereits als Vision vorab genießen dürfen und alles sollte ihm köstlich erscheinen und gefallen noch bevor es zur Realität geworden ist. Das ihm dieser Triumph über die Varusbezwinger auf ewig verwehrt bleiben würde konnte dem Kaiser da noch nicht bewusst gewesen sein, denn er erhoffte sich in diesen Zeiten noch einen als baldigen Sieg über seine Widersacher. Kaiser Augustus konnte nicht ahnen, dass er bis zu seinem Tod mit den blumig prosaisch dargestellten Wunschvorstellungen eines Ovid vorlieb nehmen musste und sie mit ins Grab nahm. In der grundsätzlichen Erwartung eines dem Imperium bevorstehenden Sieges über Zentralgermanien war es aus der Sicht des Kaisers sowieso nur eine Frage der Zeit, wann danach in der Konsequenz auch ein greifbarer triumphaler Siegeszug durch die Straßen Roms folgen würde. Wohl wissend, dass es sich letztlich nur um die gequälten Schmeicheleien eines leidenden Verbannten handelte, werden diese vermutlich nur auf einen in sich hinein schmunzelnden Kaiser gestoßen sein, der seine Absichten durchschaute. Nur Ovid verdeutlichte uns in seiner Tristia, dass diese nunmehr wie Verstoßene herum irrende armselige Germanenschar, einst die Spitze des Widerstandes gegen Varus und das Imperium bildete. Es sollten jene nun zu einer Masse Mensch verschmolzenen ehemals bedeutsamen Hintermänner vor aller Augen zur Schau gestellt werden, die einst diese gewaltige Herausforderung stemmten und die Nerven - und Körperkraft aufbrachten die nötig war um drei römische Legionen zu vernichten. Eine gewaltige Inszenierung die da hinter den geistigen Augen eines Ovid getobt haben musste. Eben keine Halbwilden, sondern selbstständig agierende Strategen und logisch denkende Individuen die dies erst alles in Bewegung gesetzt hatten, und denen es letztlich gelang, das ganz Große zu bewältigen und erfolgreich umsetzen zu können. Doch im „Theaterstück“ des Ovid dienten sie nur noch dazu, die erniedrigende Rolle der Geschlagenen zu übernehmen. Komparsen einer letztlich egoistischen Zielen dienenden Selbstinszenierung. Hier hatten sie die deprimierende Aufgabe zu erfüllen dem Kaiser ein Zerrbild seiner ureigenen Wunschvorstellungen zu liefern, mit denen Ovid die Sympathien von Augustus für sich zurück gewinnen wollte. Hier sollten die Geschundenen einen perfekten Trauerzug abgeben, wie ihn besiegte Feinde nun einmal Spießruten artig in einem hysterischen Hexenkessel zu durchlaufen hatten. Ovid wollte sie zum Zwecke der Erniedrigung wieder zu Naturvölkern degradieren, denen eine ungezügelte animalische Hatz näher lag, als die hohe römische Zivilisation. So schrieb ihnen Ovid auch den Ausdruck von Todesverachtung ins Gesicht, der immer noch in ihnen vorherrschte und den man ihnen ansehen sollte. Aber nicht zu vergessen, zu diesem todesmutigen Verhalten mussten sich auch die germanischen Kämpfer erst einmal durchringen. Sie entstand nicht über Nacht und wollte auch erst von unbändigem Zorn angetrieben sein. Bis sich auch ein Germane, der von Natur aus Bauer und Viehzüchter war mit gezogener Klinge auf einen Feind stürzt, der noch dazu über eine bessere Ausrüstung verfügt, müssen Dinge voraus gegangen sein, die ein Ovid der dem gehobenen italienischen Landadel entstammte gar nicht erahnen konnte. Sein Gedicht besser gesagt, sein dramatisches Gesamtwerk stellt uns aber auch vor die Frage wie weit uns allzu nüchterne Historie bringt, wenn wir uns nicht mit den einzelnen Menschen als Individuen beschäftigen. Längst verblichene Menschen die man leider hinter den kalten Ziffern der Jahreszahlen schnell aus den Augen verliert und sich als Studienobjekte nur noch für die Untersuchung ihrer Skelett- oder ihrer Aschereste bzw. zur Erforschung ihrer Bestattungsbeigaben eignen. Aber Ovid verleiht ihnen noch mal Leib und Seele wie es kein Bodenfund je zu leisten imstande sein wird. Schauen wir unter dem Begriff "Ovid/Varusschlacht" auf die Internet Quellenhinweise, so lesen wir unter „Ovid Tristia III. 12, 45 - 48“ folgendes. „Die Tristia. Sie besteht aus fünf Büchern. Darin überliefert sind poetische Briefe in elegischer Form, die der römische Dichter Ovid zu Lebzeiten des Kaiser Augustus aus seinem Verbannungsort Tomis, ungefähr in den Jahren 8 + bis 12 + an verschiedene Adressaten richtete“. Aber wir vermissen in dieser kurzen Zusammenfassung jegliche inhaltliche Auseinandersetzung und die Analyse von Querverbindungen im Zuge und im Sinne der Varusschlachtforschung. Es scheint, als ob der historischen Forschung diese Quelle nicht ergiebig genug ist, um sich näher damit beschäftigen zu wollen. Aber wir müssten unsensibel sein, wenn wir derartige Bezüge zur Varusschlacht außer acht lassen und nicht entsprechend würdigen würden. Denn wir haben es hier schlicht und einfach, nicht mehr und nicht weniger mit der Ersterwähnung der Varusschlacht zu tun. Ein Fingerzeig aus einer Zeit in der die Varusschlacht erst maximal drei Jahre zurück lag, der also noch taufrisch gewesen sein musste. Ovid dichtete seine Tristia zwischen 8 + und 12 +. Die Schlacht ging im Herbst 9 + zu Ende. Augustus selbst erfuhr davon am 6.10.0009. Ovid könnte davon also frühestens ab November 0009 etwas erfahren haben. Und er wird sich nicht sofort hin gesetzt haben um daran zu schreiben, denn seine Metamorphosen erstrecken sich nicht nur auf den kleinen Anteil den der Bezug zur Varusschlacht darin einnimmt. Demnach gelangte sein poetischer Rücklauf nach Rom etwa im Jahre 10 +. Die Spur die Ovid zur Varusschlacht legte war also noch ziemlich heiß. Sie lag innerhalb einer Zeitspanne in der man an der Niederrheingrenze sogar noch zittern musste, weil man nicht wusste, was da noch so alles von Osten auf sie zukommen könnte. Eine Zeit in der der „Nochfeldherr“ Tiberius gerade erst in Xanten eintraf und erst noch das Konzept einer strategischen Grenzmarkierung entwerfen sollte. Nämlich die Errichtung eines Landlimes anders ausgedrückt eines Schutzstreifens in Form einer Gebückhecke anzugehen, in dem er begann ihn Schneisen artig umzusetzen um den Germanen damit ein symbolisches Stoppschild aufzuzeigen. Sich dahinter vor einer möglicherweise drohenden Gefahr vor den Germanen zu schützen war militärisch betrachtet eine Illusion und nicht möglich, hier sollte die Psychologie der Abschreckung schon zur Waffe werden. Eine Zeit in der der Fürst Segestes noch gefahrlos und unbehelligt von „Freund und Feind“ wie ich vermute an der Leine bei Einbeck lebte, bis ihm die Luft 15 + zu dünn wurde. Und diese wichtigen Zeilen eines Ovid ignorierte man mehr oder weniger und wertete sie nicht akribisch aus. Aber vielleicht habe ich auch die eine oder andere Schrift darüber übersehen und bitte daher um Nachsicht bzw. bin für Informationen immer dankbar. Man könnte dieses vermeintliche Desinteresses in der Wissenschaft an Ovid natürlich auch noch etwas überspannter zum Ausdruck bringen. Apropos, tun wir nicht sogar überhaupt der römischen Literatur, Dichtkunst und Poesie unrecht, wenn wir alle überkommenen Nachrichten gleich aus welcher Zeit sie stammen immer nur auf ein nüchternes Zahlenwerk reduzieren möchten. Merkmal vieler Pädagogen, die so manchen lernwilligen Schülern mit dieser Methodik jegliches Interesse an der Geschichte raubten. Auch Tacitus, Florus, Dio und andere haben in ihre Überlieferungen Hinweise gelegt, die uns ermuntern könnten sich mehr mit der philosophischen Natur und Ausrichtung unserer Altvorderen zu beschäftigen. Und wir wissen das auch in uns noch ein Bruchteil ehemaliger Mentalität schlummert, der uns bei der Aufarbeitung behilflich sein kann. Filmische Produktionen versuchten immer schon uns eine Krücke zu sein bzw. uns zu animieren damit wir uns ein besseres Bild über jene alten Zeiten machen können, was in der Tat keine leichte Aufgabe ist. Denn die Phantasie sich innerlich soweit zurück begeben zu können, ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Von Ungeübten und mit wenig Geldmitteln ausgestatteten Regisseuren kann dies zudem schnell ins Gegenteil von dem umschlagen, was sie bezwecken sollen, vor allem wenn man versucht der germanischen Dialektik nach - bzw. sie aufzuspüren, die richtigen Requisiten verpasst, sich für die Außenaufnahmen am falschen Geländemodell vergreift oder sich für untypische Statisten entscheidet. Wir sollten aber nicht stehen bleiben, daran verzweifeln und daher unsere Gedanken einkerkern. Und sollten uns auch nicht noch damit brüsten uns nur das Hinterfragen dessen zu erlauben in was uns die unbestechliche Welt der Historik anhand von Bodenfunden lenken möchte. Denn es gibt bekanntlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als die, die sich mittels Verstand erschließen lassen. Sich deswegen und ohne Not alle freigeistigen, schöpferischen und gedanklichen Spielräume zu versagen ist sicherlich der falsche Ansatz, wenn man zur Quelle zurück möchte. Sind es nicht gerade die Gedichte eines Ovid die uns die Lebendigkeit der Geschehnisse erst erkennen lassen. Schöben wir achtlos und herablassend alles Poetische beiseite, begingen wir einen Fehler, denn wir verzichten ohne zu müssen auf viel Wissen und klammern es vor lauter übertriebenem und sachlichem Denken aus. Und was für Ovid gilt, gilt übrigens auch für den Codex Regius, die Edda und andere Werke auf die ich noch zu sprechen kommen möchte. Aber wir erkennen dank Ovid auch erst die Bedeutung dessen, was die römische Klassik unter Geschichtsschreibung verstand. Und da sind wir bei einem interessanten Punkt. Denn wir verwenden heute noch immer das Wort Geschichte, wenn wir Historie meinen. Aber eine beredte Geschichte ist keine wissenschaftliche Historie und beileibe keine chronologische Aufzählung von Kriegen, Schlachten, Siegen oder Niederlagen. Eine Geschichte ist auch eine Erzählung über das was mal war und wie es mal war. Und alles fing doch mal mit dem Satz an „Ich will Dir jetzt mal eine Geschichte erzählen.....“ Und nicht „Ich will dir jetzt mal eine Historie erzählen“. Aber zu dem was uns Ovid vermittelt müssen wir tiefer schürfen. Denn seine gesamten Geschichten die den Namen Klagelieder tragen, folgen sicherlich in weiten Teilen seinem ureigenen Beweggrund, nämlich dem Kaiser gegenüber das triste Leid seiner Verbannung zu klagen. Dabei bedient er sich in unserem Fall zwar einer wahren Begebenheit, lässt diese aber nicht deutlich werden und verschleiert sie auch um seinen Informanten zu schützen. So gesehen, war seine „Tristia“ zumindest was dies anbelangt auch ein Produkt des Eigennutzes und diente keineswegs dem Zweck der Nachwelt ein besonders reich ausgeschmücktes poetisches Werk als Leistungsnachweis seiner Fähigkeiten oder einen historischen Beitrag für die germanischen Jahrbücher zu hinterlassen. Aber Ovid wäre nicht Ovid hätte er sich nicht auch bemüht seinen Metamorphosen ungeachtet seiner Rückkehrwünsche nach Rom auch einen dichterischen Glanz für die Ewigkeit mitzugeben. Aber hier richtet sich unser Blick nur auf den Inhalt seiner Tristia in der er sich in wenigen Zeilen der Varusschlacht nähert oder wie wir begründet annehmen, in denen er sich dieser vermeintlichen Schlacht widmet. Und genau das macht sein Werk für diese Betrachtung so bedeutungsvoll. Denn es war nun mal nicht seine Absicht, dass wir noch Jahrhunderte später den Germanen „seines“ erdachten Triumphzuges gar noch Achtung zollen, oder das wir ihr jeweiliges persönliches Schicksal ihren Gesichtern entnehmen oder es gar interpretieren sollen. Ovid wollte erreichen den Ausdruck menschlicher Niedergeschlagenheit, Trotz oder Demoralisierung den er ihnen ins Gesicht dichtete drastisch heraus zu stellen. Denn um so desolater deren Mimik ausfiel umso freudiger dürfte es vom Kaiser aufgenommen worden sein, sodass dieser sich daran erlaben und ergötzen konnte. So wählte Ovid eine interessante Methodik an. Denn er schlüpfte selbst in die Rolle eines Berichterstatters und Kommentators, erdachte sich selbst einen Platz unter den Zuschauern auf der Tribüne oder in der Masse. Er ging auf die im Zug mit laufenden Personen ein, in dem er den römischen Bürgern die ihn von den Straßenrändern verfolgten Fragen und gleichzeitig Antworten in den Mund legte. Er erzeugte damit einen Monolog bestehend aus Fragestellern, die sich mangels Orientierungsmöglichkeit ihre Antwort selbst geben mussten. Eine in der Tat interessante Inszenierung die sich Ovid da erdachte um seinem Traum Leben einzuhauchen. Mit dem was er in seinem Gedicht beschrieb, versuchte er dem visuellen Schauspiel einen realen Anstrich zu verleihen um es wie ein tatsächlich statt gefundenen Ereignis auf seine Leser in Rom vor allem aber Augustus wirken zu lassen. Er spielte somit die ganze Klaviatur seiner Zeit aus, um sein Ziel erreichen zu können, ohne seinen Informanten und Freund Hyginus zu gefährden. Mit der von ihm gewählten Darstellung erhöhte er den Glaubwürdigkeitsfaktor beträchtlich. Er beschwichtigte und spielte die Katastrophe im Saltus damit auch etwas herunter und jeden Leser sollte das Gefühl erschleichen, es wäre im Jahre 9 + doch alles nur halb so schlimm gewesen und der Kaiser wird es schon zu gegebener Zeit richten und die Feinde bestrafen. Er brachte es also keineswegs für unsere kritischen Augen zu Papier, womit seine Tristia auch etwas propagandahafte Züge im Sinne des Kaiserhauses annahm. Und das macht es historisch betrachtet wiederum zusätzlich wertvoll, analysefähig und steigert die Notwendigkeit sich mit dem Papier auseinanderzusetzen. Denn Ovid wollte uns Jetztmenschen damit schließlich keinen Gefallen erweisen. Allerdings muss man es nochmal wiederholen, denn es passierte alles nur auf der Basis eines in seiner Phantasie entstandenen rein fiktiven und nie statt gefundenen Ereignisses. Eben ein Wunschtraum um sich damit aus seiner elenden Lage und Isolation poetisch frei dichten, innerlich frei kämpfen oder moralisch frei kaufen zu können. Was aber letztlich für unsere Betrachtung unerheblich ist, denn wir schauen auf den Kern, die verwertbare Aussage und auch die Botschaft seines Gedichtes und fragen hier nicht nach wahr, unwahr oder seinen Beweggründen. Im alten Rom wusste man es immer schon, denn man wollte die Menschen begeistern und erreichen, dort stand wenn es nicht an die eigene Haut ging, immer schon stärker der Unterhaltungswert und weniger der tatsächliche Verlauf einer historischen Begebenheit im Vordergrund. Der Dichter Lukan rückte sogar die Muse in die Nähe der Historie. Tacitus interessierte es damals auch nicht uns mitzuteilen, auf welchem Meridian östlicher Länge Germanicus den Knochenhügel aufstapeln ließ und Cassius Dio verspürte nicht im Geringsten das Verlangen uns genau zu sagen, wie viel Tage die Varusschlacht andauerte, wo man kampierte und wie Varus es anstellte trotz akuter Gefahrenlage seinen persönlichen Reichtum, für den zu besitzen er ja bekannt war, sicher an die Lippe zu bringen. Ihm war es wichtig die schrecklichen Umstände und die Aussichtslosigkeit unter diesen Bedingungen einen Sieg zu erringen dem Leser zu verdeutlichen. Und Florus lag es natürlich genauso fern, ob wir uns unter seinen Zeilen eine Lagerschlacht oder eine Mehrtagesschlacht vorzustellen hatten. Aber warum sind wir heute davon so überzeugt, dass Ovid in seiner „Tristia“ wenn es auch nur indirekt geschah auf die Varusschlacht ein ging und nicht auf irgendeine andere Schlacht seiner Zeit. Man kann es entschlüsseln. Denn da sind in erster Linie Verbindungen, die er selbst nach Germanien legte und sonst in keine andere Region. Dafür brauchte er auch noch keinen Hyginus in Anspruch zu nehmen. Allein die Tatsache, dass er sich fasst die Hälfte seines sechzig Jahre währenden Lebens zwar aus der Distanz heraus, so aber doch immer wieder mit den Germanenschlachten der Jahre 12 – und 16 + konfrontiert sah rechtfertigen derartige Überlegungen. Es gab für ihn Zeit seines Lebens wenn man es so ausdrücken will, immer nur einen bedrohlichen Schlachtenhorizont wo sich das Imperium rieb, nämlich den zwischen Rhein und Elbe, wenn man mal von Panonnien absehen möchte. Ebenso wie einige unserer Generationen den Krieg lange Zeit nur als einen „kalten Krieg“ erlebten, aber davon lebenslang geprägt wurden. Ovid der drei Jahre nach Kaiser Augustus im Jahre 17 + verstarb, machte es uns einfach, denn er öffnete für uns und das natürlich unbeabsichtigt die „Varustür“, auch wenn es nur einen Spalt breit war. Er lokalisierte nämlich das von ihm in seiner Tristia verarbeitete Geschehen sogar auf einen ganz speziellen germanischen Siedlungsraum. Denn er verband es mit einer bedeutsamen Person seiner Zeit die wir relativ gut zurück verfolgen können und über die sich dann wiederum der Schlachtenraum eingrenzen lässt. Diese Person war zweifellos nicht P. Q. Varus, denn ihn nannte Ovid nie mit Namen. Aber er schob uns an seiner Stelle eine andere ein, mit der wir arbeiten können. Und dieser Mensch war, was zweifellos für die Forschung sehr bedeutend ist, eine reale Gestalt und damit die einzige Person die wir auch historisch greifen können. Ein wesentlicher Anhaltspunkt mit der sich seine Informationen überhaupt erst auf den von mir apostrophierten Schauplatz Ostwestfalen konzentrieren lassen. Denn er griff bzw. suchte sich zum Aufbau seiner heimlichen Rückkehr - Strategie mit der er den Kaiser beeindrucken wollte, eine frühe vor allem aber politisch unantastbare Identitätsfigur. Einen Mann in den Kaiser Augustus einst große Stücke gesetzt hatte und auf den das Imperium stolz sein konnte. Ein Mann der sich noch nicht einmal in die Nähe der Varusschlacht rücken ließ und womit er Hyginus in dieser Hinsicht völlig unverdächtig erscheinen lassen konnte. Und besser geht es nicht, denn dieser Mann war zu dem Zeitpunkt als die Varusschlacht tobte, bereits 20 Jahre tot. Unverfänglicher wie es also nicht hätte sein können. Er knüpfte mit dieser Person an die glorreichen Zeiten an, als Rom noch mit dem kraftvollen militärischen Schwung eines Gaius Julius Caesar im Rücken Germanien nahezu widerstandslos zu überrollen schien. Und wir reden hier natürlich von keinem anderen, als dem Feldherrn Drusus dem dieses militärische Meisterstück der Eroberung Zentralgermaniens auch beinahe gelungen wäre. Hätte alledem damals nicht ein tragischer Sturz vom Pferd irgendwo zwischen Weser und Elbe ein frühes Ende beschert. Ovid kannte alle seine Erfolge und seinen Werdegang bis zu seinem Tod im Jahre 9 -. Der berühmte Feldherr Drusus war ein langjähriger Zeitgenosse von Ovid und vielleicht sogar auch noch sein persönliches Idol. Drusus verstarb fasst gleichaltrig zu ihm im Alter von 29 als Ovid selbst 34 Jahre alt war. Sein Tod könnte für ihn zu einem einschneidenden Trauererlebnis geworden sein. Denn unter Drusus entfaltete sich noch der frische und ungezügelte Eroberungsdrang einer Weltmacht. Sein besonders heraus gehobener Hinweis auf seinen Heldenmut, der ihm nach seinem Tod den Beinamen „Germanicus“ einbrachte und darauf, dass er ihn als den edlen Spross eines würdigen Vaters bezeichnete, bezeugte seinen hohen Respekt für diesen Mann. Drusus operierte damals bevorzugt in eben jenem Kerngebiet, wo sich 18 Jahre nach seinem Tod auch die Varusschlacht zutragen sollte. Nach Auffassung vieler Historiker soll er 11 - auf dem Rückweg von Corvey zur Lippe auch in den nahezu schon legendär zu nennenden germanischen Hinterhalt bei Arbalo geraten sein. Ovid erwähnt diesen Drusus mit Namen und setzt damit für uns eine wichtige Markierung. Mit der Erwähnung der Person des Drusus stecken wir folglich schon mitten in Ostwestfalen und damit in dem Bereich in dem sich die Varusschlacht entfalten sollte. Ein Hinweis wie er kaum eindeutiger sein kann. Kein Varus und auch keine andere an der Schlacht beteiligte Personen nennt er in seinen Klagelieder beim Namen einzig Drusus ist es ihm wert. Allein schon sein Bezug auf diese Person verrät uns nicht nur eine intuitive Nähe zur Varusschlacht. Daraus lässt sich für die Zeit nach seiner Verbannung ab 8 + bereits eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit ableiten, dass er nur diese eine Schlacht gemeint haben kann. Es sind insgesamt drei besondere Hinweise die diesen Verdacht erhärten und uns gestatten derartige Rückschlüsse ziehen zu dürfen. In der Zusammenfassung möchte ich sie später noch darstellen. Ovid ging also geschickt vor in dem er seine wahren Absichten verschleierte, aber alles war letztlich der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl. Auf diese recht unverfängliche letztlich aber doch eindeutige und möglicherweise auch zum Ziel führende Weise entschloss er sich dem Kaiser die Ängste vor der ungewissen Zukunft und der möglichen Existenzgefährdung seines Staates auf die lyrische Art zu nehmen. Man könnte auch sagen, er wollte ihn damit zu einer positiven Denkungsweise ermuntern. So vermittelte er ihm das Gefühl, dass in Bälde der Tag kommen würde an dem er, der Kaiser wieder als ein glorreicher Sieger über die Germanen triumphieren würde und der dann alles Vorgefallene überstrahlen und vergessen machen würde. Gleichzeitig drängte er sich wieder in seine Gedankenwelt. Wie ich es häufig praktiziere bin ich immer bemüht weitere Argumente zusammen zu tragen. Warum möchten wir also in seinem Gedicht nur die Varusschlacht und keine andere Germanenschlacht innerhalb der langen Zeit der Germanenkriege erkennen. Ovid präsentiert uns in seiner Tristia eine Gruppe zerknirscht drein blickender Germanenoberhäupter. Germanen also die Kraft ihres Erscheinungsbildes eine demütigende Niederlage einstecken mussten aber in keinem Fall einen siegreichen Krieg gegen das Imperium geführt hatten. Sie sollten die Gefangenen eines Krieges gewesenen sein, den Rom gewann. Und dies dürfte unstrittig sein. Ovid der 43 – zur Welt kam erlebte mit etwa 27 Jahren den einzigen für das Imperium schmählichen Ausgang einer Schlacht nämlich die bei der der römische Statthalter Lollius um 17 - / 16 – geschlagen wurde wonach der römische Adler für immer verschollen blieb. Danach war das Imperium zwar nur noch auf der Siegerstraße wieder zu finden, aber welche Schlacht zwischen Rom und den Germanen hätte zwischen der "Clades Lolliana" und der Varusschlacht schon einen Triumphzug rechtfertigen sollen. Kein Sieg wäre für Ovid geeignet genug gewesen um ihn aus der Verbannung nach dem Jahre 8 + für seine Metamorphosen zum Anlass zu nehmen. Für die triumphale Zurschaustellung geknickter germanischer Persönlichkeiten gab es nur einen Sieg nach dem Jahre 8 +, nämlich den ersehnten allumfassenden Vergeltungssieg den die Germanen mit der Varusschlacht herauf beschworen und den sie sich somit dann auch selbst zuzuschreiben hatten. Siege über Germanien zwischen diesen beiden römischen Niederlagen sowohl der im Zuge der „Clades Lolliana“ als auch der „Clades Variana“ waren für das römische Reich zum Normalzustand geworden. Triumphzüge aber waren nur den besonders wichtigen Ereignissen und Anlässen vorbehalten. Aber die Tatsache, dass Ovid erst 8 + in die Verbannung kam, grenzt das Spektrum Ovid`scher Möglichkeiten entschieden ein. Denn warum hätte er sich für Augustus das Szenario eines weit zurück liegenden römischen Sieges erdenken sollen, wenn es ein aktuelles Ereignis, nämlich die Varusschlacht schon vor der Haustür gab. Etwa der so genannte “glückliche“ Sieg von Drusus im Jahre 11 - bei Arbalo. Dieser hatte für Ovid sicherlich über zwanzig Jahre später als er im Jahre 8 - seine Verbannung antrat wo er seine Metamorphosen verfasste keine besondere Bedeutung mehr. Und auch den römischen Immensum Bellum Krieg der bis 5 + andauerte dürfte er nicht thematisiert haben. Es war kein ruhmreicher Krieg er trug wohl eher die Züge eines brandschatzenden Vernichtungsfeldzug und ging durch keine herausragenden und Triumphzug würdigen Einzelschlachten in die Geschichte ein. Und darauf folgte bereits im Jahre 9 + die verheerende Varusschlacht die das Reich ins Mark traf. In dem Ovid seine Herz erweichenden Klagelieder breit an viele Personen aus dem Umkreis des Kaisers streute, konnte er sicher gehen, dass sie auch in seine Hände gelangen würden, um ihn milde zu stimmen. So half Ovid dem Kaiser bei seiner inneren Vision sich doch noch einen erfolgreichen Abschluss der Eroberungen in Germanien vorstellen zu können, wenn denn die irgendwann beginnenden Revanche Schlachten „erfolgreich“ zu Ende gegangen sein würden. Aber er erlebte noch nicht einmal den Beginn dieser Rückeroberungsschlachten, da diese erst ab 15 + durch Germanicus aufgenommen wurden, denn er verstarb ein Jahr zuvor. Wenn man sich nun seinen "Tristien" annähert, so wie Ovid sie ausformulierte, dann beginnen diese mit einem von ihm selbst verfassten seltsamen Hinweis. Denn wem galten seine Worte aus denen hervor ging, dass er seine Fährte die er offensichtlich nur für Augustus legte, sogar selbst ein Gerücht nannte. Wollte er damit noch mal klar zum Ausdruck bringen, dass er hier nur seine Wunschvorstellung zu Papier brachte um damit den Kaiser nicht doch noch zu nahe zu treten oder gar beleidigen zu wollen. Denn der Kaiser hätte seine "Tristien" auch völlig anders auffassen, anders ausgedrückt auch in den falschen Hals bekommen können und dann hätte ihm auf die Verbannung, die noch gelinde Züge getragen haben soll. noch eine Strafe drohen können. So entzog er seiner lyrischen Botschaft von vorn herein den realen Hintergrund und machte sie deutlich als eine Vision kenntlich. Dies machte ihn wiederum vor den kritischen Augen der Historiker um so glaubhafter. Denn so konnte er es vor den kritischen Augen der Öffentlichkeit seiner Zeit nach der freiwilligen Offenbarung auch noch wie eine Halbwahrheit aussehen lassen. Seinen Informanten Hyginus konnte er dadurch um so mehr der Gefahr entziehen, damit in Verbindung gebracht zu werden. Es ist zudem auch denkbar, dass es Hyginus sogar selbst war, der es aus taktischen Gründen zum Gerücht abwertete, denn auch er lebte mit jedem zuviel gesagten Wort gefährlich und überließ es Ovid wie er damit umzugehen gedachte. In dem Ovid wohl wissend, dass es kein bloßes Gerücht war darauf basierend für den Kaiser ein Szenario erdichtete, wonach es in absehbarer Zukunft einen wundersamen Triumphzug in Rom geben würde, an dem all jene Schergen, die ihm in Germanien von cheruskischer Seite aus die Schmach der Niederlage beibrachten teilnehmen würden, konstruierte er sozusagen sein eigenes dichterisches Reliefband. Eines in der Art wie es später in plastischer Form die Mark Aurel Säule schmückte. Der Übersetzung nach, die es zu einem Gerücht hochstilisierte spricht allerdings auch noch für eine andere Auslegung der frühen Unglücksbotschaft aus Ostwestfalen. Und die träfe ebenfalls in Gänze auf die damalige Stimmungslage zu, wie man sie sich in Rom nach der Hiobsnachricht aus Germanien vorstellen kann. Ovid könnte aus Sicherheitsgründen auch zu dieser Vorkehrung gegriffen haben, in dem er es als ein Gerücht bezeichnete. Denn war es denn alles auch tatsächlich so in den dunklen Wäldern Germaniens geschehen, oder war man hier am Ende noch einer Falschmeldung aufgesessen. Wie wäre es, hätten sich die Nachrichten aus Germanien nachträglich als Irrtum heraus gestellt. So wäre es gar nicht auszudenken gewesen, wenn Kaiser Augustus dann noch obendrein seine Prosa zu lesen bekommen hätte. Ein Gedicht über ein Ereignis das sich nachträglich als Fehlinformation erwies, da war es doch besser alles schon mal vorher als ein Gerücht darzustellen. Denn es schien vielleicht anfangs so, als ob man alle Nachrichten die in diesen Tagen aus dem Norden die Hauptstadt erreichten für unglaublich halten musste. Denn es war einfach völlig unvorstellbar absurd und undenkbar, dass es so eine dramatische Niederlage überhaupt geben konnte. Denn seit der Schlacht von Carrhae 53 – kannte man so etwas nicht mehr. Eine Armee in der man allgemein und historisch belegt, die beste im ganzen Imperium sah und die man für unbezwingbar hielt. Diese sollte angeblich in kurzer Zeit in Germanien und noch dazu von einem militärisch unterlegenen Feind förmlich verschluckt und aufgerieben worden sein. Es war wohl letztlich ein Mix aus allem. Jene, die in Rom mehr wussten hielten den Atem an und schwiegen, während die anderen weitere Nachrichten aus dem Norden abwarten wollten. Aber Ovid musste sich in alle Richtungen absichern, bevor er zur Feder griff, wartete also möglicherweise noch bis ins Jahr 10 +. Denn all das konnte ja eigentlich in den Augen vieler auch nur ein böses Gerücht gewesen sein, zumindest könnte Ovid es auch noch selbst für ein solches gehalten, oder es eben auch als ein solches bewusst gekennzeichnet haben, um in seiner Situation Vorsicht walten zu lassen. Nun ja, im Kaffeesatz der Geschichte zu lesen war eben immer schon eine schwierige Aufgabe. Unmittelbar nach dem es Ovid als ein Gerücht darstellte, wird die Übersetzung seiner Metamorphosen diffuse. Denn ab diesem Moment beginnt Ovid damit, den Inhalt seiner „Tristia“, also das was er kurz zuvor noch selbst als ein bloßes Gerücht bezeichnete, doch in eine scheinbar real existierende Siegeszugveranstaltung zu verwandeln. So wirkt sein Gerücht urplötzlich nicht mehr wie ein Gerücht und nimmt scheinbar reale Züge an. Damit nimmt es die, wie es wohl auch von Ovid bezweckt war irrealen Züge einer Scheinwelt an. Denn der Leser spürt nun instinktiv, dass Ovid den Boden von Gerücht und Vision verlassen möchte und es wie eine reale Begebenheit darstellen möchte. Denn nun beschreibt er uns seinen originären Traum wie ein lebendiges Ereignis, indem er basierend auf den Informationen von Hyginus dem ganzen Volk von Rom einen Triumphzug samt germanischem Feldherrn vorgaukelt, den es nie zu Gesicht bekommen hat und auch nie sehen wird. Das Volk sieht, wie die reuigen germanischen Sünder, die in ihren Augen alle Verbrecher waren, da sie Verträge brachen, nun gesenkten Hauptes und teils auf den Boden starrend an Augustus vorbei geführt werden. Also jene Germanenhäuptlinge, die von Ovid Könige genannt wurden bzw. so übersetzt werden und die dem Imperium diesen herben Verlust an Soldaten einbrachten. Die ihm die gewaltige Machteinbuße zufügten und ihm damit so schwer geschadet hatten. So sollten die Phantasien des Ovid den geheimen Wunschträumen des Augustus recht nahe kommen. Sein lebhaftes Vorstellungsvermögen, wie jene damaligen germanischen Hauptverantwortlichen vor Augustus in den Staub gedrückt wurden war recht ausgeprägt und müsste den Kaiser wieder wohl gesonnen stimmen. Dieser erdachte Triumphzug wie ich ihn im nächsten Kapitel kommentiere, sollte Augustus erweichen und ihm am Ende die ersehnte Rückkehr nach Rom ermöglichen. Hyginus war für Ovid sein Kontakt zur Außenwelt und Hyginus wollte ihm möglicherweise helfen seine Isolation etwas zu erleichtern. Was hätte ihm also damals nicht näher gelegen, als dass er sich auch mit dem Dichter Ovid über die Varusschlacht ausgetauscht haben könnte. Vielleicht sogar für Hyginus nichts ahnend, dass Ovid in seinen Nachrichten eine letzte Chance erkannte, die ihn nach Rom zurück führen konnte. In diesem Fall könnte man auch sagen, Ovid könnte Hyginus missbraucht haben. Resümierend kann man sagen, dass Gaius Julius Hyginus letztlich einen großen Bekanntenkreis hatte und einer dieser bedeutenden Personen zu denen er in Kontakt stand, war eben auch sein Freund dieser besagte und uns namentlich bekannte Dichter Publius Ovidius Naso zu deutsch Ovid. Dieser Mann war neben Vergil und Horaz einer der drei großen Poeten der klassischen römischen Epoche. Geboren wurde er 43 - und er starb im Jahr 17 +, dem Jahr, in dem der Feldherr Germanicus seinen lang ersehnten Triumphzug in Rom ausgerichtet bekam. Und was uns Ovid hinterließ könnte nach aller Schlussfolgerung seine Quelle möglicherweise in Gaius Julius Hyginus gehabt haben. Was Ovid uns hinterlassen hat, ist also hoch interessant, gleichermaßen aber auch gewöhnungsbedürftig, denn Ovid der Freund von Hyginus und war ein Dichter und kein Historiker. Und das was er dichtete stellt zweifellos ein äußerst schwer verdauliches Produkt dar. Aber was hätte man von einem Poeten auch anderes erwarten sollen. Wenn sich also der Verlauf bzw. die Informationsschiene von Hyginus zu Ovid in dieser Form vollzogen haben sollte, so ist das erste je zu Papier gebrachte Schriftgut, dass uns überhaupt etwas zur Varusschlacht verrät von Ovid dem Poeten gewesen. Und wer hätte da von einem Poeten auch etwas anders erwartet, als eben „nur“ ein Gedicht. Da wir aber auf die Asprenas Depesche leider verzichten müssen da wir ihren Inhalt nicht kennen, geben wir uns also zunächst einmal mit einem Gedicht zufrieden. Und ein Gedicht auf historische Weise zu hinterfragen und analysieren zu müssen, ja gar zu dürfen, ist beileibe eine Herausforderung. Aber auch über dichterisch verschlüsseltes Wissen über Germanien und seine Bewohner zu Zeiten der Varusschlacht verfügen zu können, ist uns höchst willkommen, erfordert aber ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Und Gefühle einzusetzen sind in der Historie wie auch bei der Bodenforschung bekanntlich keine harte und belastbare Währung. Aber auf der Suche nach der Erkenntnis sind wir auch gerne bereit beides mit einander verschmelzen zu lassen, wenn es uns denn zu einer besseren Einsicht verhilft. So ranken sich also viele Auslegungen um all das, was uns Ovid hinterließ und was uns gedankliche Freiräume eröffnet. Denn seine Dichtkunst gestattet es uns im frühen Morgentau unserer Geschichte einen ersten Blick auf das aus römischer Sicht tragisch verlaufene Ereignis in Ostwestfalen werfen zu können. Sich aber mit einem Ovid Gedicht zu befassen, ja geradezu befassen zu müssen, da wir uns mangels anderer Hinweise nur auf diesem Wege weiter vorwärts bewegen können ist ein heikles Unterfangen. Aber es zwingt uns die nüchterne Wissenschaft einmal mit der blumigen Dichtkunst verknüpfen zu müssen und es erfordert, dass wir uns schon fasst an die Grenzen historischer Belastbarkeit herantasten müssen. Eigentlich ein Unding für jeden seriösen Historiker. Das man in den antiken Zeiten das Unterhaltsame gegenüber dem Informativen bevorzugte, um die Menschen besser erreichen zu können, ist ein Wesensmerkmal der frühen historischen Literatur, aber in diesem Fall auch ein Rettungsanker zu dem wir gerne greifen, wenn wir mehr erfahren wollen. Aber wer war diese ominöse Gestalt auf die wir blicken können, nachdem sich die ersten Nebel lichteten. Ovid stünde demnach das literarische Urheberrecht zu sich posthum nicht nur als Dichter, sondern auch als Historiker bezeichnen zu dürfen. Denn hinter Gaius Julius Hyginus erkenne ich mehr den in seinen Tätigkeiten eingeschränkten Staatsbeamten, als den weltoffenen Historiker. Es könnte also Ovid gewesen sein, der uns noch vor allen anderen auf Basis der Informationen von Hyginus den Ersthinweis auf die Schlacht gab. Rein dichterisch beschrieb er die vermeintlichen Protagonisten und ließ sie in Schmach und Schande auftreten. Ovid überließ es letztlich der Nachwelt sich um eine einfühlsame Interpretation seiner Klagelieder, den Metamorphosen und die richtige Zuordnung in die Geschehnisse des Jahres 9 + zu bemühen. Es bestand selbst bei differenzierter Betrachtung eine Verbindungslinie zwischen Hyginus dem Bibliothekar aus Rom und seinem Freund dem Dichter Ovid in Constanta. Und wenn die Hyginus Depesche aus Rom sogar noch in der Endphase seines Lebens Ovid erreichte, so könnte Ovid diese immer noch genutzt haben. Und es spricht in der Tat sogar einiges dafür, dass Hyginus selbst im Jahre 10 + noch lebte. So gibt es bekanntlich Historiker die einer Anrede von Ovid an Hyginus im Jahre 10 + im Zusammenhang mit dem dritten Buch der Tristien meinen entnehmen zu können, dass sogar noch in diesem Jahr die Bibliothek unter der Leitung von Hyginus stand. Einer Bibliothek die in dieser Zeit aufgrund höherer Anweisung über keine Schriften des Ovid mehr verfügen durfte. Und auch wenn Hyginus selbst wie uns überliefert ist im Alter verarmte und um diese Zeit wohl auch nicht mehr im Dienst war, also nicht mehr seiner früheren Tätigkeit nach ging, so bedeutet dies nicht, dass er als Freund von Ovid diesen nicht immer noch auf schriftlichen Wege über die allgemeinen und aktuellen Ereignisse im Imperium informiert haben könnte. Und das natürlich zuvorderst in Dingen, die sich auf die Varusschlacht bezogen. Während man historischerseits Ovid dem Dichter, nur eine Art Randerscheinung im Wissen um das große Kräftemessen der Varusschlacht zubilligen möchte, so musste die Fachwelt auch nahezu zwangsläufig seinen bedeutungsvollen Hinweis zum Präludium bzw. zum Auftaktgeschehen der Schlacht übersehen. Denn eine auf den ersten Blick unscheinbare Notiz von Ovid, die sich auf den Tag bezogen haben könnte, als Varus sein erstes Marschlager bei Brakel verließ, erweckte meine Aufmerksamkeit. Eine kurze Botschaft die nur auffallen kann, wenn man den Verlauf der Varusschlacht wie ich es bereits in einem anderen Kapitel darstellte in einen fließenden und übergangslosen Zusammenhang bringen kann. Eben wie aus einem Guss sollte es sein und sollte sich wie eine Abfolge von Ereignissen nahtlos aneinander reihen. Es war eine brisante Meldung noch aus der Feder des Bibliothekars Gaius Julius Hyginus an Ovid. Eine mutige Zwischenmeldung, die Ovid riskanterweise unverschlüsselt in seiner Tristia verarbeitete und auf die ich im nächsten Abschnitt noch eingehen möchte. (7.9.2019)

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