Samstag, 8. August 2020
Arminius sammelte seine Kräfte gegen Germanicus - waren sie mit den Belagerern der Segestesburg identisch ?
Und seine Kämpfer zusammen zu rufen war im Frühjahr 15 + bedingt durch das Vorrücken von Germanicus und Caecina auch das Gebot der Stunde und eine angemessene und plausible Gegenreaktion. Tacitus beschrieb es sehr ausführlich in seinem Jahrbuch 1.59 (1-6) wie Arminius durch die Gaue zog um zum Widerstand gegen Rom aufzurufen. Anders als von Tacitus im Zusammenhang mit den Chatten dargestellt, denen man nun nicht mehr helfen konnte oder wollte, wurde uns von einer möglichen cheruskischen Unterstützung für die Marser nichts überliefert. Nun aber galt die Priorität dem eigenen Territorium um es gegen die anrückenden Legionen zu verteidigen. Der Vorstoß von Germanicus zur Burg des Segestes kam für alle Germanen und nicht nur für Arminius sicherlich völlig unerwartet und fiel in eine Phase in der noch an der Abwehrfront und Strategie gegen Rom geschmiedet werden musste, Denn zu diesem Zeitpunkt hatten die Cherusker noch nicht die volle Kampfkraft gegen Germanicus zusammen gezogen. Was mag da im Kopf von Arminius vor sich gegangen sein. Germanicus tauchte auf Gesuch von Segestes urplötzlich im vermeindlichen Hinterhof des cheruskischen Stammensgebietes auf, griff sich ihn samt Anhang und setzte dann, warum auch immer seinen Kriegszug nach Norden gegen die Cherusker nicht mehr fort. Arminius rekapitulierte. Er wusste von der Existenz des zweiten Feldherrn Caecina der westlich von ihm stand, der ebenso viele Legionen mit sich führte wie Germanicus und er wusste vom Ausgang der Schlacht Caecinas gegen die Marser. Aber er war sich im Unklaren darüber, welche Schritte Caecina und Germanicus nun gegen ihn ergreifen würden und war unschlüssig wie er auf die Bedrohung im Falle eines Vorstoßes zu reagieren hätte. Gefahren die in den Weiten Ostwestfalens und Nordhessens verborgen lagen und sich für ihn noch nicht klar abzeichneten. Er war also nicht zu beneiden und man wollte nicht in seiner Haut stecken. Tacitus konnte sich die Brisanz der damaligen Lage auch aufgrund seiner lückenhaften Informationen nicht mehr vergegenwärtigen, zudem machten es ihm die räumliche und zeitliche Distanz zu den Ereignissen unmöglich. Was er dann in Anbetracht dieser diffusen Gemengelage verfasste, beruhte auf dem Wenigen was ihm vorlag. Für ihn schien dies aber stimmig geklungen und muss ihn überzeugt haben, sonst hätte er das Verhalten von Arminius wohl nicht so theatralisch aufgebläht beschrieben. Was aber an seiner Darstellung verwundert ist die Reihenfolge in der es es zu Papier brachte. Denn danach soll Arminius seine Männer erst zu den Waffen gerufen haben nachdem Germanicus die Befreiung abgeschlossen hatte und sich schon mit Segestes samt Tochter abgesetzt hatte. Für Tacitus war es offensichtlich keine Frage, dass einzig der Verlust seiner Frau ursächlich dafür war, dass Arminius erst durch die Tat des Germanicus in Rage und Wut versetzt, zum allgemeinen Widerstand gegen Germanicus aufrief und nicht schon vorher. Folglich erkannte er in Arminius auch an vorderster Stelle nicht den germanischen Feldherrn, der sich seiner Verantwortung bewusst zum Handeln gezwungen sah und den Abwehrkampf zu organisieren hatte, sondern den zornigen Ehemann. Aus der Sicht von Tacitus mag die Reaktion von Arminius schlüssig gewesen sein, denn er stützte sich in seiner Einschätzung der damaligen Lage in Germanien auf die Worte von Segimund die dieser gegenüber Germanicus fand, als auch die spätere Darstellung von Segestes. Denn danach sprach für ihn alles nach Weibesentführung, Rache und Ehrenrettung, aber nicht nach militärisch Notwendigen. Nach Tacitus konnte dies alles nur Thusnelda bewirkt und entfacht haben und nur sie konnte den Grund dafür geliefert haben, dass Arminius dem blinden Jähzorn verfiel. Die germanischen Tugenden die Tacitus in seiner Germania ausführlich beschrieb, ließen für ihn nur diese eine Erklärung zu. Sie war für ihn der Antrieb das Arminius seine Männer zusammen trommelte und nicht die weitaus realistischere unmittelbar bevorstehende römische Bedrohung seines Herrschaftsgebietes und dessen notwendige Verteidigung. Das Nahe liegende übersah er, dass nämlich Arminius staatsmännisch denken und handeln musste, in dem er zuvorderst die Front gegen Germanicus zu stabilisieren hatte. Tacitus schien es ausgeblendet zu haben, da ihm seine Quellen keinen tiefen Blick ins germanische Hinterland werfen ließen, wo sich im Rücken Roms völlig andere Prozesse vollzogen. Er konnte nur auf dem Wissen basieren was die Überläufer berichteten. Aber in die germanischen Befehlsketten hatte Arminius die Segestes Sippe sicherlich nicht mehr hinein blicken lassen, geschweige denn sie daran beteiligt, so dass nur Halbwissen Rom und später Tacitus erreichte. Nach dem Germanicus mit der Vereinnahmung der Familie von Segestes und dem vorgeschalteten Befreiungskampf einen militärischen Teilerfolg erzielen konnte, erwartete Arminius noch im gleichen Frühjahr entweder einen von zwei Seiten vorgetragenen Angriff oder einen massierten gemeinsamen Einmarsch aller Legionen aus nur einer Stoßrichtung in seine Territorien, die nun auch das vergrößerte Stammesgebiet von Segestes mit umfassten. Vor diesem Hintergrund stand Arminius nicht mehr viel Zeit zur Verfügung und er konnte die Generalmobilmachung auch nicht erst angegangen sein, als sich Germanicus schon wieder mit Segestes auf dem Rückweg befand. Arminius müsste früher gehandelt haben und den allgemeinen Notstand bereits ausgerufen haben als sich die konkrete Gefahr eines römischen Angriffs abzeichnete. Und das war als sich Germanicus und Caecina schon auf getrennten Wegen seinem Stammesgebiet unaufhaltsam annäherten. Es ist also gut vorstellbar, dass Tacitus den zweiten Gedankenschritt vor dem ersten machte. Er ließ also Arminius erst nach dem Absetzmanöver des Segestes seine Männer mobilisieren und nicht schon vorher, was mehr strategischen Sinn ergeben hätte. Man kann nicht beurteilen wie kurzfristig man sich damals im Rahmen einer Mobilmachung mit Verpflegung eindecken konnte, ob die wehrfähigen Cherusker schon auf ihren Schwertern schliefen, also wie viel Zeit nötig war, bis die Krieger aus allen Regionen an den diversen Sammelplätzen zur Heeresschau eintrafen. Denn auch dafür wird es in Germanien verstreut liegende „Marsfelder“ gegeben haben, wo man sich traf und der Heereszug langsam anschwoll. Der Wettlauf mit dem Imperium begann für die Cherusker nach dem Marserkrieg 14 + und ging im Frühjahr 15 + in die nächste Runde. Aber es lässt sich hier in der Analyse möglicherweise wieder die seltsame Methodik der römischen Geschichtsschreibung erkennen wonach man, wie es auch bei Cassius Dio erkennbar wird, eigene Zeitabläufe definierte. Zeitlicher Versatz wodurch der Forschung beinahe auch der friedvoll verlaufende erste Marschtag des Varus nach dem Sommerlager entgangen wäre. So kommt den antiken Historikern eine hohe Bedeutung für unser Gesamtverständnis zu. Um die antiken Zeiten besser zu verstehen möchte man schon fasst zu einem Hilfsmittel greifen in dem man sich eines Rasters bedient, mit dem sich die Historiker dem jeweiligen Geschehen zuordnen lassen. Es über die Ereignisse zu legen um zu versuchen sie auf diese Weise zu kategorisieren. Fallen uns immer zuerst die Cäsaren, Gaufürsten oder die Schlachtenlenker ins Auge, denn sie prägten die jeweiligen Epochen und sind den Menschen seit der Schulzeit ein Begriff, so steht die nicht minder bedeutsame Berichterstattung darüber leider zu oft im Dunkeln. Und das obwohl die beiwohnenden Zeitzeugen und mit gewissen Abstrichen auch die willigen Biographen, vor allem aber die später in Erscheinung tretenden Geschichtsschreiber den Ereignissen noch relativ nahe standen und ihnen zumindest eine in etwa gleich wichtige Bedeutung zukommen sollte. Denn sie waren es letztendlich, die maßgeblich mit darüber entschieden was wir, die interessierte Nachwelt später erfahren sollte und glauben durfte. Die längst verblichenen Helden die in den Schreibstuben Roms und anderswo wirkten und auf die wir uns dennoch gerne verlassen und berufen möchten. Cäsar und teilweise auch Augustus bildeten da noch Ausnahmen, denn sie waren beides Protagonisten und gleichzeitig auch die Biographen ihrer eigenen Taten. Jeder antike Historiker nutzte die ihm vorliegenden Texte auf seine Art, ließ Manuskripte unbeachtet und wendete sich dafür anderen Informanten zu um später alles nach eigenem Gutdünken zu gewichten, aber wovon sie sich letztlich leiten ließen nahmen sie mit ins Grab. Der Geschichtsschreibung ist die eine Wahrheit fremd, sie wird immer parteiisch sein, subjektiv unterwandert, befangen oder beeinflusst wirken. Auch Tacitus sichtete seine Quellen und analysierte sie. Er wog das Gelesene ab und zog daraus seine Schlüsse. Verunsicherte ihn der Text, war seine Auswahl begrenzt oder konnte er ihn nicht zufriedenstellend bewerten, dann ergänzte er ihn und gab seinen persönlichen Eindruck wieder. Gelangten aber bereits seine Quellen zu schwammigen Aussagen und verrieten Unsicherheit, dann steckte er in der gleichen Notlage wie wir heute auch. Er musste sich für eine Form der Interpretation entscheiden, und es stand im frei, ob er den Inhalt seiner Hauptquelle zusätzlich kommentieren oder im Original übernehmen wollte. Ob es sich so oder anders zutrug, ließ sich für ihn nicht befriedigend beurteilen und mit der Zeit die zwischen Ereignis und Verschriftung verging stellten sich zusätzliche Probleme ein. Hätte man es nicht mit der lebendigen Geschichte zu tun, würde man sich etwa der Erforschung der Naturgesetze oder der Mathematik widmen, käme es uns der Mensch nicht so oft in die Quere, was vieles vereinfachen würde. So wird nicht deutlich, ob schon der oder die Verfasser auf die sich Tacitus stützte bereits mangels Wissen eine zögerliche und vorsichtige Bewertung abgeben mussten und Tacitus daher seine eigenen Quellen in Zweifel ziehen musste. Wir wissen also nicht, wann, ob und warum Tacitus aus diesem oder jenem Grund zur dritten Person wechselte, möglicherweise misstraute er bereits seinen uns verborgen gebliebenen Quellen, die er uns nicht preis gab. Sie zu kennen würden wir uns natürlich wünschen. So greift er zum Mittel der Umschreibung. Er macht es, in dem er die Reaktion von Germanicus, nach dem ihn die Reiterschar um Segimund antraf und bei ihm zwecks Befreiung vorstellig wurde in die nebulösen Worte kleidet. So „schien es ihm“ den Preis oder die Mühe wert gewesen zu sein, es sich also für ihn lohnen würde, Segestes in seiner Burg aufzusuchen. Genau geschrieben steht es unter Tactius 1,57 (3) „Germanico pretium fuit convertere agmen“ bzw. auch „es hat sich für Germanicus gelohnt seinen Heereszug umzudrehen“. Mit dieser Form der Interpretation öffnete Tacitus Tür und Tor für viele Spekulationen. Denn was verleitete Germanicus letztlich dazu die Entscheidung zu treffen ein Wendemanöver mit seinem Heereszug einzuleiten und wie verlief sein Abwägungsprozess der dem voraus ging. Warum marschierte Germanicus also nicht in die cheruskische Herrschaftsgebiete ein auch ohne das ihn eine Abordnung aus dem Hause Segestes vorher dazu „einlud“, denn er bewegte sich bereits in relativer Nähe zu den südlichen Stammesgrenzen der Cherusker. Das Wendemanöver einzuleiten war für die Geschichtsschreibung die Bestätigung dafür, dass er sich sowohl für die Rettung von Segestes entschieden hatte, als auch der Hinweis, dass er bereit war dafür sogar zu kämpfen. Es hatte also alles gut gegeneinander abgewogen, bevor er seinen Befehl gab. Was bei seiner Entscheidung letztlich überwog und ob auch die reine Machtdemonstration mit eine Rolle spielte sei dahin gestellt. Aber woraus bestand die Quelle des Tacitus aus der er seine Schlussfolgerungen zog. Gar aus einem Legionär mittleren Dienstgrades, der noch nicht einmal Zutritt in das Befehlszelt von Germanicus hatte. Ein Informant, der lediglich die Tatsache beschrieb, dass er den Befehl zu einer Kehrtwendung bekommen hatte. Es könnte also auch so gewesen sein, dass die Beweggründe zu Segestes zu reiten auch ganz andere waren als die, die Tacitus oder andere Quellen darin sahen. Zum Beispiel seine Macht in dieser Situation zu zeigen, in dem er urplötzlich mitten im Cheruskergebiet erschien und dies eindrucksvoll durch strategische Stärke und Flexibilität unter Beweis stellte. Dies könnte für ihn bereits Grund genug gewesen sein zurück zu reiten. Und die Rettung des Segestesclans war demnach nur das Nebenprodukt einer reizvollen militärischen Herausforderung, der er sich nicht verweigern wollte. So könnten Tacitus bereits einfachste Quellen oder Zeugenaussagen gedient haben die ihm im Zuge seiner Recherchen in die Hände fielen und ihm Anhaltspunkte für das Geschehene lieferten. Und plötzlich war es auch keine heroische Rettungstat mehr um einem germanischen Römerfreund zur Seite zu stehen, sondern der Versuch die militärische Stärke des Gegners zu testen. Aber auch diese Gedankengänge helfen nicht dabei das Varusschlachtfeld besser verorten zu können, sie verdeutlichen lediglich das Dilemma die Quellenlage zu interpretieren. Es ist also mitnichten eine belastbare Faktenlage auf wir uns hier erneut mangels anderer Historiker stützen müssen. Soweit wir wissen, musste sich aber Germanicus einem Gefecht mit den arminiustreuen Cheruskern stellen. Ein Gefecht, das der Überlieferung nach keine großen Ausmaße annahm und das Tacitus seinen Vorlagen entnehmend Germanicus gegen die Belagerer zu führen hatte. Die Belagerer für die Tacitus sich auf die lateinische Begrifflichkeit für „Volk“ entschied. Nun ließe sich daraus auch folgender Hergang ableiten. Man könnte annehmen, dass Arminius den Chatten Unterstützung zugesagt hatte wie es Tacitus andeutete, aber auch, dass er seine Männer anwies dort lediglich Grenzsicherung zu betreiben. Aus welchen Regionen zwischen Weser, Leine, Solling und Harz, den angenommenen Stammesgebieten der Cherusker diese Kämpfer kamen und sich auf Weg in Richtung Süden zu den Chatten aufgemacht haben könnten, wissen wir nicht. Kamen sie aber aus den Gauen nördlich von Einbeck etwa zwischen dem Ith und dem heutigen Hildesheim, so ist nicht auszuschließen, dass sie bei Ihrem Ritt oder gar Fußmarsch der sie möglicherweise letztlich bis in die Region am Gudensberg führen sollte, auch zwangsläufig die Burg des Segestes an der Leine passieren mussten, denn dieser Fluss war für sie die klassische Zugtrasse nach Nordhessen. Möglicherweise sollten sich ihnen im Raum Einbeck den fundhistorisch belegbaren Siedlungskammern dieser Zeit weitere Krieger anschließen um das Kontingent aufzufüllen und zu verstärken. So ließen sich folgende Szenarien spekulativ bewerten. Sie erfuhren in Vogelbeck, dass Caecina die Marser schlug, wodurch sie zögerten weiter vor zu rücken. Segestes könnte sich aber auch geweigert haben Kämpfer seiner Sippe Arminius zu unterstellen und wollte sie nicht in den Marschzug integrieren. Man begrub also den Plan weiter zu ziehen blieb im Raum Vogelbeck, beriet sich dort über die weitere Vorgehensweise und wartete auf Nachricht von Arminius. Und das geschah natürlich ohne Segestes. Das cheruskische Expeditionskorps lagerte demnach noch an der Leine, bzw. nahe des Segestes Herrschaftssitzes als Germanicus eintraf um Segestes ins Imperium zu geleiten. So könnte es im Zuge dessen zu einem Aufeinandertreffen gekommen sein, was Germanicus erwartete vielleicht auch erhoffte, aber die Cherusker aufgrund der noch unausgereiften Lage vermeiden wollten. Frontale Schlachten mit Rom vermied man in Germanien, so muss man sich fragen wie sich die Germanen den zahlreichen Legionen, also einer Großmacht gegenüber in Position gestellt haben sollen. In den aufgeweiteten Leineniederungen wird sich kaum ein Hinterhalt und auch kein Saltus finden lassen, wo sich die Cherusker hätten zum Kampf stellen wollen. Nach bekannter germanischer Kampfmethodik ist es also fraglich wie sich das Duell entwickelt haben könnte und welche Ausmaße es annahm. Die Cherusker könnten zwar schon über einen kampfkräftigen Verband verfügt haben, zumal Tacitus ihm die Bezeichnung Übermacht gab, ob man sich aber bereits eine größere Auseinandersetzung mit Germanicus liefern wollte oder aus taktischen Gründen erlauben durfte ist fraglich, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. In dieser Zeit bestand die Taktik von Arminius aufgrund der militärischen Großwetterlage wohl aus purer Defensive. Nach der taciteischen Darstellung also der Leichtigkeit mit der Germanicus das Kontingent bezwungen haben soll, spricht alles allerdings eher nach einem kleineren Geplänkel und mehr geben die Quellen auch nicht her. Im Zuge dieser Betrachtung gibt es allerdings auch eine andere Überlegung auf die ich in einem weiteren Kapitel noch eingehen möchte. Betrachtet man es also aus dieser Perspektive, so wurden die cheruskischen Hilfskräfte nicht zur Belagerung entsendet, wie Tacitus es ableitete, die die Absicht hatten die Segestesburg zu erobern und kamen auch nicht um Thusnelda ihrem Vater zu entreißen. Sondern sie waren identisch mit dem chattischen Hilfskontingent bzw. einer ersten Sammlungsbewegung in Erwartung einer größeren Schlacht. Also Kämpfer, denen Arminius andere Aufgaben zugewiesen hatte, als eine Wallburg zu erobern. Aber bei Segestes befand sich seine Tochter, eine schwangere Frau die in ihrer Situation andere Probleme hatte und die um ihr Ungeborenes besorgt war und die sich nicht den Gefahren aussetzen wollte, den römischen Legionen zu entkommen und gezwungen sein könnte mehrfach flüchten zu müssen oder gar unmittelbar in Kämpfe verwickelt zu werden. Kämpfe in die möglicherweise ihr Ehemann auf kurz oder lang geraten und in denen er auch umkommen könnte. Aber da die Geschichte von Männern geschrieben wurde, kommen derartige Überlegungen bekanntlich zu kurz. In diesem Zusammenhang wäre es auch interessant zu wissen, ob Thusnelda noch eine Schwiegermutter hatte, die eine maßgebliche Rolle gespielt haben könnte. Es mag in dieser Situation für die junge unerfahrene Thusnelda eine sehr schwere Entscheidung gewesen sein, wem sie sich zuwenden bzw. folgen sollte. Und wenn sie bei ihrem Vater bleiben wollte, so hätte Arminius dies auch respektieren können. So kann man es auch sehen. Das die Geschichtsschreibung schon in antiken Zeiten daraus einen Belagerungsring samt Befreiungsaktion machte kann man den späteren Historikern nicht verdenken, denn es könnte alles dicht beieinander gelegen haben. Und zweifellos passte die Theorie einer Belagerung auch besser in die Strategie eines Segestes mit der er sich besser als Opfer darstellen konnte. Und ob nun Germanicus gegen eine zusammengewürfelte Horde von Belagerer, oder gegen jene kämpfte die sich ihm entgegen stellen wollten, wird für ihn gleichbedeutend gewesen sein. Er traf auf einen Feind den es zu besiegen galt, der eigentlich ihn angreifen wollte und dem er nun auf halben Weg entgegen kam. Ein germanischer Feind der möglicherweise noch zurück schreckte, da er sich nicht stark genug fühlte wäre für ihn ein angenehmer Gegner gewesen. Es kann also damals ein Konglomerat aus vielem gewesen sein, aber Segestes suchte sich das für ihn beste Argument heraus um der Gefahrenlage zu entkommen. Aber all das klingt wahrlich nicht nach dem, was uns Strabo mit wenigen Worten hinterlassen hat. Denn nach Strabo der dem alten Geschehen hundert Jahre näher stand als Tacitus soll Segestes nach einer „günstigen Gelegenheit Ausschau“ gehalten haben um dann zum Überläufer zu werden. Anders ausgedrückt, hätte sich ihm diese günstige Gelegenheit nicht geboten, wäre er wohl zwangsläufig in Ostwestfalen geblieben und auch weiterhin im großen Herrschaftsbereich der Cherusker und dort von den anderen Fürsten geduldet worden. Und das klingt dann nicht mehr so, als ob Germanicus gerade noch so im richtigen Augenblick auf der Bildfläche erschienen wäre, um Segestes vor dem Schlimmsten zu bewahren. Nämlich dem Mann in die Hände zu fallen, bei dem es sich sowohl um seinen größten Widersacher handelte, als auch um den des Germanicus. Ein Mann mit Namen Arminius. Eine „günstige“ Gelegenheit zum Seitenwechsel zu nutzen hört sich also völlig anders an, als ein Hilfegesuch in höchster Not an Germanicus abzusetzen, damit dieser ihn im letzten Moment aus der feindlichen Umklammerung befreit. Aus einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben (Tacitus) eine günstige Gelegenheit zu machen (Strabo), klingt in der Tat nach einem erheblichen Unterschied. Und Strabo könnte gegenüber Tacitus der Glaubhaftere gewesen sein, aber es offenbart uns die zwei unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Historiker. So wird es wohl eher der günstigen Gelegenheit nämlich der Anwesenheit von Germanicus der vielleicht nur ein oder zwei Tagesmärsche von seiner Residenz entfernt zu verdanken gewesen sein, dass sich Segestes für diese Form des Frontenwechsels entschied. Und so darf man rätseln, ob es die Bedrohung wirklich gab und wenn, ob sie wie zuvor dargestellt, den Namen Bedrohung rechtfertigt. Aber auch in dieser Zusammenfassung erkennen wir wieder an vielen Stellen interessante Merkmale und Auffälligkeiten. Nämlich die Ur - Handschrift eines Segestes, sehen aber auch die Unterschiede in den Schriften zwischen Tacitus und Strabo. Werfen wir aber auch noch den Blick auf eine weitere Alternative die in zusätzliche Theorien münden würde. Germanicus wusste vom cheruskischen Kontingent was zu den Chatten unterwegs war und sah darin eine gute Gelegenheit sich ihm entgegen zu stellen um es auszuschalten. Aber eine größere Schlacht gegen die Cherusker um den Sitz des Segestes geben die antiken Quellen nicht her. Aber wer von beiden, Strabo oder Tacitus kann nun die Wahrheit für sich beanspruchen bzw. kam ihr am Nächsten. Strabo der es wie einen kühnen Schachzug von Segestes darstellt, der aber über die Befreiungsaktion des Germanicus wiederum kein Wort verlor, oder Tacitus der es wie eine Rettung in letzter Sekunde aussehen lässt und wofür sogar die Legionäre des Germanicus zur Waffe greifen mussten. Und wie so oft, steht uns außer diesen beiden Herren Tacitus und Strabo wieder einmal kein dritter Historiker zur Gegenprüfung zur Verfügung, dessen Darstellung wir noch mit ins Kalkül ziehen könnten. Wo sind die Kriegstagebücher von Germanicus abgeblieben, denen man hätte entnehmen können, ob es nun so war wie Strabo schrieb oder mehr wie es Tacitus etwa 100 Jahre später formulierte. Sollte es sie jemals gegeben haben sind sie verschollen. Aber die Bedeutung der Zeilen die uns Tacitus hinterließ soll damit nicht infrage gestellt werden, denn Tacitus berichtete vieles über die Feldzüge des Germanicus auch ohne das wir wissen woher er seine Kenntnis nahm. Waren sie ein Gemisch aus vielen Quellen, fügte er sie so zusammen, wie es später auch Cassius Dio nach bestem Wissen und Gewissen tat in dem er aus den vorliegenden Informationen versuchte einen schlüssigen Erzählstrang zu entwickeln. Blätterte auch Tacitus unterschiedliche Akten durch deren Verfasser wir nicht kennen, formte er sie, machte er sie passend und bildete er darauf basierend eine eigenständige Reihenfolge und stellte dann einen verständlichen Bezug her. Man könnte es fasst annehmen. So hatte er demnach auch Kenntnis über den Verlauf, aber nur soweit er ihn den Papieren der Gespräche mit Segestes entnahm. Musste aber auch auf Aussagen anderer Zeitzeugen zurück gegriffen haben können. Zeitzeugen die man zwar zu den Germanicus Feldzügen befragen konnte, deren Wissen aber nicht bis zur Varusschlacht zurück reichte. Denn dazu blieben im Frühjahr 15 + noch alle Zungen stumm. Bis auf eine, die des Segestes. Und erst im Sommer 15 + war es letztlich das qäulende Gewissen der Legionäre was uns den Stoff lieferte, römische Veteranen die nämlich ihren verstorbenen Kameraden noch einen letzten Dienst erweisen wollten. Ein Anliegen oder ein Wunsch bzw. eine Idee auf die Germanicus selbst nicht kam, hätten es die Legionäre nicht angesprochen. So hat wohl vieles aus den Mündern auch der einfachen Soldaten Eingang in die Chroniken der Weltgeschichte gefunden, Bruchstücke und kleine Anekdoten, die uns dann einen wichtigen Pfad zum Varusschlachtfeld wiesen. Was hätten wir also ohne jene Alt Legionäre gemacht die Caecina den Befehl von Germanicus einbrachten nun die unbehbaren Sümpfe zum Schlachtfeld wieder herzurichten. Caecina, der noch im Frühjahr 15 + gar nicht so weit weg vom Varusschlachtfeld gegen die Marser kämpfte. Caecina der auch da schon ungefähr gewusst haben könnte, wo Varus starb (08.08.2020)

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Samstag, 1. August 2020
Segestes fürchtete sich in seiner Burg - aber mehr vor seinen Freunden......
....... als vor seinen Feinden. Und so galt seine Sorge auch eher den anrückenden römischen Legionen des Germanicus, als dass er eine Gefahr hinter den angeblichen cheruskischen Belagerern sah, die ihm nur als willkommener Vorwand dienten. Vieles könnte man Segestes vielleicht vorwerfen, soweit man sich einbildet seinen Charakter zu kennen, aber einen fehlenden Realitätssinn wird man ihm wohl nicht nachsagen können. Denn das Taktieren und Lavirieren zwischen und hinter den Fronten lag ihm wie man weiß und das musste in jenen Tagen auch eine der Grundvoraussetzungen dafür sein, um alt werden zu können. So setzten ihn seine Informanten auch schon frühzeitig über die wachsende militärische Bedrohung und die Gewalttaten der Legionen in Kenntnis, die sich an seiner Südgrenze ereigneten. Ihre Zielrichtung ließ sich nun nicht mehr verheimlichen, wodurch für ihn die Stunde der Entscheidung immer näher rückte. Es mögen sich in den Jahren Antipathien, Animositäten und Differenzen zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn aufgebaut haben und Segestes könnte sich Arminius gegenüber auch aus Gründen des Altersunterschiedes überlegen gefühlt haben, was insgesamt zur Rivalität beigetragen haben dürfte. Aber auch die möglicherweise freiwillige Anwesenheit von Thusnelda rechtfertigt in dieser brisanten Lage noch keine Belagerung, wenn römische Legionen schon vor der Haustür stehen. Sich aber Arminius zu beugen falls man ihn belagert haben sollte um dann für ihn in einer Schlacht gegen Rom zu sterben, zumal seine Pläne bereits weiter viel griffen war für Segestes keine Option. Und die Überlieferungen von Strabo und Tacitus untermauern diese Theorie auf die ich noch eingehen möchte. Er kannte alle Großen und Mächtigen seiner Zeit von Drusus über Tiberius bis Germanicus, möglicherweise auch Augustus, sowie Marbod und natürlich Varus und fasst alle germanischen Fürsten im Großraum, sowie zahlreiche römische Legionskommandeure persönlich. Das machte aus ihm einen nicht zu unterschätzenden und mit allen Wassern gewaschenen Stammenslenker heute würde man sagen Innenpolitiker. Aus der Tiefe der Vergangenheit wirkt er auf uns diplomatisch geschmeidiger, besaß weder die widerborstigen Gene eines Arminius und er war auch kein Hellseher, obwohl er Gefahren gut einschätzen konnte. Hätte er damals voraus sehen können, dass Arminius einmal als Sieger und wohl nicht nur „am grünen Tisch“ die Kriegsschauplätze des Jahres 16 + verlassen würde, so wäre manches anders gelaufen und der krönende Abschluss im Mai 17 + in Rom hätte vermutlich ohne Segestes statt gefunden. Aber in Germanien beherrschte im Frühjahr 15 + Pragmatismus und Überlebenswille sein Verhalten und vieles spricht für sein nüchternes Kalkül. So malte er die Zukunft was auch nicht verwundert, für Germanien in schwärzesten Farben. Er hatte sich bei den vielen politischen Verwerfungen seiner Zeit bislang seine relative Selbstständigkeit bewahren können, war vermutlich auch schon in die politischen Ränkespiele unter dem römischen Konsul Ahenobarbus 1 + verstrickt und wusste wann es Zeit war die Zeichen des Himmels richtig zu deuten. Denn nun bewegte sich die römische Front scheinbar unaufhaltsam wie eine Lawine auf ihn und sein Herrschaftsgebiet zu. Durch sie fühlte er sich nicht nur bedroht, sondern war es auch. Geostrategisch betrachtet sah er sich urplötzlich mitten im Zentrum imperialer Kriegspläne. Lagen doch die Ostgrenzen des römisches Reiches für ihn seit seiner Geburt, etwa um das Jahr 30 - immer am Rhein, so konnte er sich im Hinterland an der Leine über die Zeiten sicher fühlen. Die lange Anmarschstrecke die die Legionen durch die westfälische Bucht zu bewältigen hatten, die schroffe Egge, dann die Weser samt ihren Niederungen und der waldreiche Solling boten ihm Schutz. Und bei Bedrohung konnte er sich zur Not auch in den Harz mit seinen zahlreichen zerklüfteten Schluchten zurück ziehen, der nur nur 20 Kilometer von Vogelbeck entfernt begann. Als man Segestes mit dem römischen Bürgerrecht hofierte, anders ausgedrückt köderte waren die Zeiten andere. Da hatte die Varusschlacht noch nicht die Stimmung getrübt und die neuen Realitäten waren noch nicht absehbar. Aber nun ist Segestes schon lange, besser gesagt zu lange den Beweis schuldig geblieben mit dem er sich für die alte Ehrung hätte erkenntlich zeigen können. Sechs Jahre hätte er Zeit gehabt mit dem Imperium in Kontakt zu treten um alte Verbindungen aufzufrischen. Sein ängstlichen Verhalten spricht dafür, dass er es unterließ. Im Frühjahr 15 + konnte und musste daher auch Germanicus die einstige Würdigung als überholt betrachten und konnte sich sogar die Frage stellen, ob man sie ihm damals überhaupt zurecht zuteil werden ließ. Aber Germanicus kannte die Methode wie Rom sich seine Vasallen heran zog und wusste, dass man derartigen Auszeichnungen keine große Bedeutung beimessen brauchte. So könnte es nicht nur Germanicus gesehen haben und man sah in ihm mehr den Germanen als den „Halbrömer“. Als Römerfreund ist er soweit man es weiß, seitdem nicht mehr auffällig in Erscheinung getreten. Mit seiner Entscheidung das Lager zu wechseln hielt er sich lange zurück, was ihn verdächtig machte. Mit einer frühzeitigen Ergebenheitsadresse an Germanicus, hätte er das Blatt schon eher wenden können. Etwa zu dem Zeitpunkt als dieser mit seinen Legionen die Wetterau gerade hinter sich gelassen hatte. Folglich musste Germanicus in Segestes zunächst einmal den potenziellen Feind sehen und so hätte er ihn, der immerhin auch der Schwiegervater seines größten Widersachers Arminius war, wohl auch im Ernstfall behandelt, folglich schonungslos. Augenfällig war es schon, wie Segestes im Zuge seiner Reputationsrede die Gegenseite eindringlich daran erinnern musste, besser gesagt darauf pochte wie er doch immer treu und fest zu Rom gestanden hatte. Und dazu musste er sich 15 + auch die Mär von seiner an Varus ergangenen Warnung einfallen lassen, um sich seine letzten Chancen zu wahren. Mit dem unglaubwürdigen Status eines selbst ernannten Römerfreundes stand ihm nun bald ein kritischer Seiltanz in Form eines Kotau vor Germanicus bevor. Das war die Ausgangslage einer gänzlich neuen Situation, in der sich Segestes im Frühjahr 15 + wieder fand. Und damit ging eine bittere Erkenntnis einher. Denn nun lief er Gefahr sogar selbst und das noch dazu völlig ungewohnt von Süden her nicht nur bedroht, sondern auch bald angegriffen werden zu können. Segestes war noch ein junger Mann, aber wohl schon stolzer Vater als Drusus vermutlich über das zu seiner Zeit gegründete Höhenkastell Hedemünden zwischen 11 - und 9 - durch das Leinetal nach Norden zog um vielleicht in Wilkenburg die ersten römischen Spuren zu hinterlassen. Dabei kann einem Legionär möglicherweise die 1994 gefundene Bronzemünze des ersten Nemausustyps nahe der Vogelsburg aus der Tasche gefallen sein. Seitdem kam kein römischer Feldherr mehr aus dieser Richtung. Und selbst während des „Immensum Bellum“ der von 1 + bis 5 + andauerte gab es keine römischen Vorstöße aus dem Süden, was der aktuellen Lage eine deutlich kritischere Note verlieh, als alles bisherige. Segestes wurde nun verständlicherweise unruhig, denn er ahnte die Gefahr und so sah er sich gezwungen zu handeln, wollte er sich wieder schadlos halten. So bot ihm die von Strabo beschriebene „günstige Gelegenheit“ im letzten Moment den Anstoß, um den drohenden zukünftigen kriegerischen Auseinandersetzungen geschickt zu entrinnen. Damit gelang es Segestes noch rechtzeitig den schon auf ihn gerichteten römischen Spieß umzudrehen und er suchte nur noch nach einer geeigneten Brücke auf der es sich gut den heiklen Gang ins Imperium antreten ließ. Da passte das Kontingent der Cherusker, dass als Unterstützung der Chatten dienen sollte möglicherweise gut in sein Konzept und er gab diese Germanen als eine Gefahr für sein eigen Leib und Leben aus. Er machte aus ihnen Germanen, die ihn angeblich bedrohen würden, so dass sich auf dieser Basis ein Germanicus als willkommener Retter aufschwingen konnte und sein Ansinnen die Fronten zu wechseln wirkte vor diesem Hintergrund umso glaubhafter. Worauf ich aber noch näher eingehen möchte. Obwohl es vermutlich gar nicht die ureigene Aufgabe und Bestimmung der Cherusker war die Herausgabe von Thusnelda zu erkämpfen, denn sonst hätten sie dieses aufgrund der geschilderten Übermacht gegen die Verteidiger wohl auch geschafft. Diese Theorie soll mit eine Basis für die Überlegung bilden, dass Segestes weniger glaubwürdig als eigennützig handelte und daher sind auch seine angeblichen Warnungen an Varus mit der gebotenen historischen Vorsicht zu genießen. Träfe diese Hypothese zu, würde sich auch der Verlauf der Varusschlacht schärfer abzeichnen, denn dann hätte ein nicht gewarnter Varus seinen Marsch in den Untergang völlig blauäugig angetreten und konnte daher auch um so leichter bezwungen werden. Aber zur Stärkung dieser Hypothese möchte ich mich in den folgenden Kapiteln noch mit den abweichenden Äußerungen der anderen römischen Historiker näher auseinander setzen, die sich zu der Frage wie Varus gewarnt worden sein soll, ebenfalls geäußert haben. Die cheruskischen Krieger rotteten sich jedenfalls wie bereits in der Theorie dargestellt in der Region an der unteren Leine nur in der Absicht zusammen abzuwarten und möglicherweise auf Verstärkung zu hoffen, da man nun mit einem römischen Vorstoß in ihr Kernland rechnen musste. Segestes sah sich unverhofft im Brennpunkt der Geschehnisse und nutzte wie argumentiert diese Gemengelage aus um es Germanicus gegenüber wie eine Bedrohung aussehen zu lassen. Eine Gefahr für seine Person, die es aber de facto nicht gegeben haben muss. Denn die cheruskischen Kämpfer hatten es nach meinem Dafürhalten nicht auf ihn abgesehen, da man diese Kampftruppe für größere Aufgaben abkommandiert hatte, aber nicht um eine schwangere Frau zurück zu bringen. Aber man sollte den Faden auch in die Bereiche des Möglichen spannen. Also noch mal von vorne. Tacitus hatte folglich seine Quellen in dergestalt interpretiert, als ob eine Belagerung statt gefunden hat. Denn Segimund soll es gegenüber Germanicus bei dem Zusammentreffen so zum Ausdruck gebracht, also gesagt haben. Zeugen die diesen Gesprächsverlauf dokumentierten bzw. bestätigen könnten und die es sicherlich gegeben haben dürfte, kennen wir nicht. Und selbst wenn es damals von Anwesenden römischen Kommandeuren aus dem Stab des Germanicus so protokolliert worden wäre, wir hätten nie erfahren, ob Segimund die Wahrheit sagte, oder ob er nur der Anweisung seines Vaters blindlings folge leistete. Und selbst das ist infrage zu stellen, denn es besteht auch die Möglichkeit, dass es Segimund gar nicht sagte und es nur die Protokollanten überlieferten um die Handlungsweise von Germanicus der Nachwelt gegenüber angemessener begründen zu können. Nach der Devise „Traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast“, könnte man abgewandelt sagen „Traue keinem antiken Historiker, gleich ob er dabei oder nicht dabei war“. Aber verlassen wir uns nun im Rahmen dieser Theorie darauf, dass Segestes nicht geflunkert hat, seine Burg tatsächlich belagert wurde und Segimund es korrekt Germanicus berichtete. Aber Segimund sprach auch von einer Übermacht. Und da wird man schon nachdenklich und gerät ins Grübeln, denn was wollte man oder er in diesem Zusammenhang mit „Übermacht“ zum Ausdruck bringen. Vermutlich wollte Segestes über seinen Sohn Druck auf Germanicus ausüben, dass dieser nicht lange nachdenken und sich schleunigst auf den Weg machen sollte, bevor es zu spät sein könnte. Germanicus folgte bekanntlich der Bitte und ritt zur Burg des Segestes um ihn zu befreien. Er tat es allerdings ohne Segimund, denn den hatte man schon mal als Geisel zurück gehalten. Dann kam es also zu einer Auseinandersetzung zwischen Germanicus und den belagernden Cheruskern im Umfeld der Burg. Nun sollte man sich die Belagerung die im Zuge dieses Exkurses als glaubhaft eingestuft wird, näher betrachten. Dazu muss man aber zunächst in die Vorgeschichte zurück greifen. Vergegenwärtigt man sich die Lage in der Burg des Segestes die von einer Übermacht an cheruskischen Kämpfern umringt war, so müsste es in diesen Stunden ziemlich spannungsgeladen und turbulent zugegangen sein. Vor den Wällen möglicherweise eine dicht gedrängte grölende Menschenmasse, die gerade mit dem Versuch beschäftigt war sich ins Innere der Burg vorzukämpfen, aber von den Verteidigern noch gerade zurück gedrängt werden konnte. Oder wie sollte man es sich vorstellen ? Eine Belagerung entsteht nicht aus dem Nichts heraus und bahnt sich an. Es könnten untätige Cherusker mit oder ohne Auftrag von Arminius gewesen sein, die nun über die Stränge schlugen und die Phase im Raum Einbeck inne halten zu müssen nutzen wollten um Thusnelda der Obhut ihres Vaters zu entreißen. Und natürlich hätte er seine Tochter auch ohne Gegenwehr übergeben können, aber er handelte wohl eher nach dem Motto „Nur über meine Leiche“. Segestes und seine Männer beobachteten von der Wallkrone aus, dass sich der Belagerungsring um sie immer enger zog. So beriet er sich im engsten Kreis seiner Sippe und man entschied sich Segimund zu Germanicus zu senden um ihn um Hilfe zu Bitten. Aber von diesem Augenblick an reden wir über ein sehr schmales Zeitfenster und das immer unter der Prämisse betrachtet, dass es diese Belagerung tatsächlich gegeben hat. Dieser Hypothese nach hatte Segestes seinen Fürstensitz auf der Vogelsburg bei Vogelbeck, aber wir kennen nicht die Struktur und die Verteidigungsfähigkeit dieser prähistorischen Anlage in den ersten Jahrzehnten nach der Zeitenwende, zumal sie in den folgenden Jahrhunderten zahlreiche Umbauten erfahren haben dürfte. Fliehburgen in Höhenlagen in denen die Gaufürsten ihren Sitz hatten orientierten sich in der Bauweise an den von der Geologie vorgegebenen Strukturen. Die Vogelsburg gehört nach Ansicht von Dr. Geschwendt zu den eindrucksvollsten Anlagen aus frühgeschichtlicher Zeit in Niedersachsen. Die baulichen Reste befinden sich auf einer 262 Meter hoch gelegenen Bergkuppe am östlichen Leineufer und ihre ersten Bauspuren sollen mindestens in die Phase zwischen 150 – bis 0 -/+ zurück reichen, während Keramikfunde noch weit aus älter sind. Der Hauptzugang in die Doppelwallanlage befand sich im Nordosten, wo er auch stärker gesichert war. Um den Moment des Verlassen der Reiterschar um Segimund rekonstruieren zu können kommt der Frage eine Bedeutung zu, ob die Delegation dabei von den Belagerern beobachtet wurde, oder ob es ihnen gelang unbemerkt in Richtung Germanicus aufzubrechen. Man darf nun rätseln wie die Reiterschar um Segimund die Bergfestung verlassen hat. Waren die Hänge zur Kuppe baumfrei, dann ließ sich die Wallburg von allen Seiten kontrollieren. Benutzte man dafür den Hauptzugang musste man durch die Reihen der Belagerer. War der Anstieg zum Fürstensitz mit Bäumen bestanden und gab es Notausgänge und versteckte Fluchtwege so war es für Berittene riskant die Wälle auf derartigen Pfaden zu verlassen. Es bei Dunkelheit zu wagen ein Pferd zu besteigen um dann schnellen Rittes ein Ziel zu erreichen ist riskant. Und auch wenn Pferde bei Dunkelheit besser sehen als Menschen dürfte ein Nachtritt wenn nicht Selbstmord, so zumindest ein Wagnis gewesen sein. Man könnte also davon ausgehen, dass keine Geheimhaltung möglich war und die Entsendung einer Delegation an Germanicus nicht ohne Wissen der Belagerer statt gefunden hat. Und ab diesem Moment tickte die Uhr und das sowohl für die Eingeschlossenen, als auch für die Belagerer. Denn beide Parteien standen nun vor der Frage wieviel Zeit diese Aktion kosten würde. Die Reiterschar musste eine Wegstrecke unbekannter Distanz zurück legen. Sie musste Germanicus finden und es waren zudem noch überzeugende Gespräche mit ihm zu führen. Germanicus musste dann entscheiden, sich vielleicht auch mit Caecina absprechen um dann nach Norden aufzubrechen. Hier stößt man aber noch unzweifelhaft auf eine gewisse Unlogik. Dadurch, dass Segimund eine Schilderung lieferte, mit der er eine germanische Übermacht zum Ausdruck brachte und die Lage auf Messers spitze stand war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Germanicus umsonst zur Burg des Segestes aufbrach. Denn er hätte bei seiner Ankunft nur noch auf die rauchenden Trümmer einer einstiges Segestesburg blicken können, aus der die Arminen bereits alle Bewohner nach Norden abgeführt hatten. Das Germanicus trotzdem aufbrach ist bemerkenswert und erweckt daher eher den Anschein einer Machtdemonstration mit ungewissem Ausgang oder den Willen einen Kampf riskieren zu wollen. Es lässt aber auch Zweifel an der geschilderten Übermacht der Arminen zu. Aber zurück zur vermeindlichen Realität. Unter günstigen Bedingungen ließe sich also für Hin- und Rückritt ein Zeitfenster von drei Tagen öffnen. Das bedeutet, die Eingeschlossenen mussten drei Tage durchhalten und die Belagerer hatten drei Tage Zeit um die Belagerung erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Es standen sich nun eine Verteidigerschar in einer möglicherweise gut befestigten Wallanlage und eine Übermacht cheruskischer Belagerer gegenüber. Schenken wir Tacitus glauben und tragen wir einer wahrheitsgetreuen Darstellung Rechnung, dann hingen die Tage an der Vogelbecker Vogelsburg an einem seidenen Faden. Wen konnte Segestes aufbieten der ihm bis zuletzt die Treue hielt und der vor allen Dingen sein Leben für Thusnelda auf`s Spiel setzten wollte. Hinzu kam noch, dass er nun auch noch auf die Kämpfer verzichten musste, die mit Segimund zu Germancius unterwegs waren. Auf wie viel Cherusker konnte sich Segestes überhaupt stützen die bereit waren mit ihm die Burg verteidigen zu wollen. Männer auf die später gemeinsam mit Segestes ein Übertritt ins Imperium folgte. Aber Männer über die uns Strabo nichts berichten konnte und wollte, denn seine Aufzählung im Rahmen des Triumphzuges 17 + umfasst keine einfachen namenlosen germanischen Mitstreiter von Segestes die dann mit ihm auf der Tribüne in Rom platz nehmen durften. Männer die noch zwei Jahre zuvor mit ihm gemeinsam die Burg gegen die Arminen verteidigt hatten. So spricht es für eine überschaubare Schar an Cheruskern, die sich da zur Wehr setzte und es unterstreicht die Strategie des Segestes die Belagerung nur vorgetäuscht zu haben um sich auf diese Weise eine goldene Brücke zu Germanicus aufbauen zu können. Allemal eine Episode mit vielen Fragezeichen. Man sollte annehmen die Belagerer, zumal sie als Übermacht dargestellt wurden, hätten die wenigen Tage genutzt um alles auf eine Karte zu setzen. Sollte es also tatsächlich Aufgabe und Auftrag dieser historisch überlieferten „Übermacht“ an arminiustreuen Germanen gewesen sein Thusnelda zu befreien, so gelang es ihnen letztlich nicht die Burg des Segestes in der verbleibenden Zeit sozusagen im Sturmangriff in Besitz zu nehmen, denn Segestes konnte schließlich befreit werden. Werfen wir nochmal einen Blick auf die Methodik einer Belagerung. Wie hätte man sie sich überhaupt vorzustellen. War es eine dichte und undurchdringliche Kette die Segestes mit seinen Männern nicht hätte durchbrechen können, da sich unter den Belagerern auch noch zusätzlich seine eigenen Männer befunden haben sollen. Denn der Hinweis, dass sich auch seine eigenen Stammensgenossen unter den Belagerer befanden lässt aufhorchen. Denn dies kann man den taciteischen Worten „adversus vim popularium“ entnehmen. In deutscher Sprache bedeutet es etwa er wurde „Volk“ belagert bzw. von „dem Volk zugehörigen“ belagert. Und ein Volk ist gemischt und setzt sich aus der Gesamtheit aller Stammesgruppen der Cherusker zusammen. Und so könnte man darunter auch Männer verstehen die zum Segestesclan gehörten. Sein eigener Stamm war also geteilt in Freund und Feind, folglich stand nicht sein gesamter Stamm geschlossen hinter ihm und verteidigte mit ihm seinen Fürstensitz. Und das dem so sein könnte, ist auch nicht aus der Luft gegriffen, denn dies belegt eine Übersetzung aus der sich der Hinweis auf die Anziehungskraft und das Talent eines erfolgreichen, rhetorisch fähigen und taktisch klug agierenden Mannes wie Arminius heraus lesen lässt, der sie alle faszinierte und auch die Kämpfer aus dem Segestesclan magisch mit anzog. Wer sich der Aura von Arminius entziehen konnte blieb bei Segestes, aber es deutet darauf hin, dass ihm da nicht viele Männer gefolgt sein dürften. Um seine Verteidigungsfähigkeit war es also nicht zum Besten bestellt. Aushungern wollte man Segestes wegen seiner Tochter sicherlich auch nicht, aber man sollte auch die Fortifikation frühgermanischer Wallburgen nicht unterschätzen. So stellt man sich dennoch die Frage wie ernsthaft man diese Belagerung einstufen soll, wenn sie unter diesen Voraussetzungen nicht gelang. Entweder war die Übermacht doch nicht so groß wie Segestes über seinen Sohn verlauten ließ bzw. Tacitus es darstellte, oder die Burg war wie dargestellt sehr gut zu verteidigen, bzw. man ging nur halbherzig ans Werk. Und dann geschah das Seltsame. Denn Segestes entschied sich für die heikle Vorgehensweise Germanicus sozusagen über die Köpfe der feindlichen Belagerer hinweg direkt aufsuchen zu lassen um ihm sein Anerbitten mitzuteilen. Und in dieser Form der Kontaktaufnahme zwischen ihm und Germanicus muss man sicherlich mehr ein gewagtes Unternehmen sehen vielleicht sah er darin auch seine letzte Chance und es war alles andere als ein gut durchdachtes Manöver. Aber es weist trotzdem auf einen abgebrühten Schachzug des Taktikers Segestes hin auch in dieser schwierigen Lage noch nicht aufzugeben. Oder den Mut der Verzweiflung die Gunst der Stunde verpassen zu können. Auf Segimund und die anderen, die den Auftrag von Segestes auszuführen hatten wird es wie ein Himmelfahrtskommando gewirkt haben. Denn ein Ritt zu Germanicus hätte für sie im ungünstigen Fall auch in der römischen Gefangenschaft enden können. Denn letztlich war ihnen bewusst, dass sie auch als Geisel dienten, wenn etwas Unvorhergesehene eintreffen könnte bzw. Segestes vielleicht sogar Arglistiges im Schilde führte. Germanicus hat, wie es überliefert ist seine Entscheidung gut abgewogen. Und dazu gehörte eine realistische Einschätzung der Lage. Wie also könnte sich Germanicus außer der Geiselnahme noch abgesichert haben bevor er ins Lager des Segestes aufbrach. Zweifellos war Caecina nicht mehr weit und der Korridor zur Segestesburg berührte auch keine Gaue bzw. kein Stammesgebiet der Arminen konnte also nicht als Provokation aufgefasst werden. Und während Germanicus vermutlich noch zögerte und grübelte, musste Segimund etwas nachhelfen und tischte ihm die Belagerungszenerie auf. Dadurch war Segimund aber auch gezwungen ihm klare Angaben darüber zu machen mit welchen germanischen Kräften aus der Arminius Sippe Germanicus im Umfeld der Segestesburg zu rechnen hatte. Denn davon hing jetzt ab, wie viel Männer Germanicus mitnehmen musste um in keinen Hinterhalt zu geraten. Allerdings lässt sich der Übersetzung der Hinweis entnehmen, dass er seinen ganzen Heereszug drehen ließ. Segimund berichtete ihm wie befohlen, schätzte die Anzahl als überschaubar ein, musste aber das Risiko abgeschwächt darstellen. Denn andernfalls hätte Germanicus möglicherweise auf diese Stippvisite völlig verzichtet, denn in eine ungeplante Schlacht wollte er sich nicht verwickeln lassen. Schließlich hatte er sich schon bevor Segimund kam abgesetzt und seine Pläne die Cherusker im Alleingang von Süden aus anzugreifen, also ohne Caecina hinzu zu ziehen, bereits aufgegeben. Germanicus könnte für die Aktion auch auf genügend schnelle berittene Einheiten zurück gegriffen haben, unter denen sich kampfbereite Männer befanden die im Ernstfall auch schlagkräftig genug waren mit kleineren cheruskischen Ansammlungen fertig zu werden und keine Fusslegionäre die zu unflexibel und deren Anmarsch zu zeitraubend gewesen wäre, wogegen aber die Überlieferung spricht. Und über allem schwebt die Frage, ob das cheruskische Kontingent, dass man als Übermacht darstellte nicht auch für Germanicus ein Wagnis hätte bedeuten können. Segimund gelang es jedenfalls einen überzeugenden Auftritt hinzulegen und das Ansinnen seines Vaters geschickt vorzutragen, denn Germanicus reagierte wie erhofft und ließ seine Kräfte nach Nordosten zurück reiten bzw. marschieren. Bei einem Marsch ist allerdings davon auszugehen, dass die römische Entsatz Armee wohl mehr als drei Tage dafür benötigt hätte. Germanicus muss also die Risiken gut abgewogen und sie zu seinen Gunsten ausgelegt haben, sonst hätte Segestes vergeblich auf seine Befreiung bzw. seinen Seitenwechsel gewartet. Am 26.5.0017 durfte Segestes aber dann dank Germanicus in Rom doch noch seinen großen Tag erleben, aber über seinen weiteren Werdegang schweigt die Historie bis auf den kleinen Hinweis, dass man ihn in Gallien untergebracht haben könnte. Segimund überbrachte im Beisein der Gesandten brav die Botschaft seines Vaters an Germanicus. Und dieser erfuhr möglicherweise auch erst in diesem Moment etwas über die Existenz einer Schar kampfbereiter Cherusker die an der oberen Leine standen und auch davon, dass sich Segestes mit einem kleinen Teil der Cherusker vom Gesamtstamm abspalten wollte. Informationen über die er vorher keine Kenntnis besaß. Diese Erklärung würde zweifellos einer bislang geltenden historischen Auffassung entgegen stehen. Nämlich der, dass Germanicus seinen Frühjahrszug 15 + nur deswegen antrat, da er von den Stammeskonflikten zwischen den Cheruskerfürsten schon in seinem Mainzer Kastell Kenntnis hatte und davon profitieren bzw. deswegen den Zwist für sich nutzen wollte. (01.08.2020)

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Mittwoch, 15. Juli 2020
Arminius musste im Frühjahr 15 + mit einem Zweifrontenkrieg rechnen
Und nicht nur das. Er hatte auch noch in seinen Reihen den berüchtigten „unsicheren Kantonisten“, also den Mann auf den man sich nicht verlassen konnte und dem die Lage in seiner Burg langsam zu heiß wurde. Diese vor Nebulösität triefenden Wochen im Frühjahr 15 + stellen neben der Varusschlacht eines der elektrisierendsten Kapitel der Varusforschung dar und verdienen es sich ihnen in umfänglicher Hinsicht zu widmen. Folglich wieder alle Möglichkeiten auszuschöpfen und nach Erklärungen für längst vergangene Abläufe zu fahnden. Nicht nur das Jahr 1989 brachte eine Wende. Auch für das Jahr 9 + , dass 1980 Jahre früher statt fand, darf man das Wort Wendejahr ruhigen Gewissens anwenden. Und die damaligen Geschehnisse trugen sogar noch ein großes Stück weiter als das uns allen geläufigere Jahr 1989. Die Varusschlacht wurde bekanntlich nicht nur zum Auslöser der kriegerischen Epoche zwischen den Jahren 14 + und 16 + und hinterließ uns viel Rätselhaftes. Sie weckte auch den germanischen Widerstand auf Nachhaltigste und beschleunigte den Zusammenschluss der Stämme zu Völkern. Oftmals stoßen wir bei der Aufarbeitung dieser Kernphase auch auf direkte Bezüge mit denen sich Verbindungen zur Varusschlacht herstellen lassen. Schlussfolgerungen, die auch ein Lokalisieren ermöglichen und unser Bild komplettieren helfen. Manchmal verbergen sich kleine Hinweise hinter unscheinbaren Nebensätzen und kurzen Bemerkungen, aber am Ende bleiben uns dann doch die alten Geschichtsschreiber eine zielgenaue Antwort schuldig. Aber für das Frühjahr 15 + ist uns Segestes zu einem wichtigen Gewährsmann und Meilenstein der Forschung geworden, dessen letzter Weg ihn im Mai 17 + durch Rom führte und den uns Strabo als ein Zeuge des Geschehens, vermutlich im Folgejahr 18 + beschrieb. Im Frühjahr 15 + zogen Germanicus und Caecina mit dem Ziel Arminius zu stellen erneut in die besser gesagt durch die Stammesgebiete der Feinde von einst. Den Chatten und Marsern. Die Legionen der römischen Feldherren belauerten förmlich ihren Erzgegner und näherten sich scheinbar unaufhörlich den Grenzen seiner Herrschaft. Und wo diese Stämme zu ihren Gegnern wurden, da lag auch das Zentrum der Varusschlacht nicht fern. So umkreisten ihre Operationsgebiete in dieser Zeit zwangsläufig auch wieder jene fiktive Konzentrationszone auf die sich sechs Jahre zuvor die Endkämpfe mit den Resten der Varuslegionen konzentrierten. Ein Zufall scheint wohl ausgeschlossen, dass sich beide römischen Feldherren wieder genau dort aufhielten, wo alles seinen Anfang nahm und genau dort musste Germanicus auch wieder die Fährte seines größten Widersachers aufnehmen. So war der Verlust der Varus Legionen immer noch Antriebsfeder genug um auch nach 14 + wieder genau diese Region anzusteuern um dort die Entscheidung zu suchen und möglicherweise wäre es im Frühjahr 15 + bereits zu besagter Machtprobe gegen die Cherusker gekommen. Denn Germanicus war schon auf dem Weg zu Caecina um mit ihm gemeinsam einen Keil über die Weser zu schlagen, wenn nicht wie aus heiterem Himmel die Reiterschar um Segimund die Pläne von Germanicus durchkreuzt hätten. So könnte man sogar annehmen, dass mit dem Wissen von Segestes die Pläne und Ambitionen von Germanicus beeinflusst, in eine andere Richtung und letztendlich auch gebremst worden sein könnten, sodass er den möglicherweise schon gemeinsam mit Caecina gefassten Beschluss eines Frontangriff durch den Nethegau und die Weser unterließ bzw. verschob. Was in diesem Zusammenhang auffällt und worauf uns ebenfalls die historische Antwort fehlt, ist die Frage, ob sich nur die hohe Fürstenfamilie des Segestes und eine große Anzahl seiner Anhänger zu Germanicus begab, oder ob auch einfache Krieger und Leute aus seinem Stamm mit ihm die Chance bekamen, die Seite wechselten. Brachte sich da nur die Führungsschicht noch rechtzeitig vor dem großen Kräftemessen in Sicherheit oder durfte sich auch der einfache Krieger der Segestes Sippe anschließen, wenn er es gewollt hätte oder hätte ihm dann römischerseits die Sklaverei gedroht. Der Auflistung nach zu urteilen, die uns Strabo vom Triumphzug hinterließ macht es den Eindruck, als ob es nur ein erlauchter Kreis war, der sich damals absetzen konnte bzw. durfte. Es ist zwar bei Strabo von Gefangenen die Rede aber nicht von Untertanen des Segestes. So würde es ein völlig anderes Licht auf die Ereignisse werfen, wenn Segestes tatsächlich nur mit den wenigen Personen der ihm Nahestehenden geflüchtet sein sollte, deren Namen man dank Strabo kennt. Somit wird aber erneut ein Überlieferungsdissens augenfällig. Denn bei den bekannten Namen muss es sich nicht unbedingt um alle Personen gehandelt haben, die mit Segestes und Germanicus zwei Jahre zuvor den Herrschaftssitzes des Germanen verließen. Aber Tacitus berichtet uns dazu in seinem Jahresbuch 1.57 (3) noch Genaueres. Denn nach ihm soll es sich um eine „große Anzahl“ von Personen gehandelt haben, die von Segestes abhängig waren und die dann Germanicus rettete oder abführte, ganz so wie man es lesen möchte. Während uns aber Strabo nur eine Handvoll Germanen namentlich aufzählte, die in Rom beim Triumphzug auf der Empore anwesend waren. Und man darf wohl davon ausgehen, dass sich unter den in Rom in Fesseln vorgeführten Germanen nicht jene befanden, die Germanicus zwei Jahre zuvor im vermeindlichen Vogelbeck rettete und die mit Segestes die Seite gewechselt hatten. Sicherlich verließen damals nur hoch gestellte Personen um Segestes ihr Land die in Ihrer Heimat für sich keine Zukunft mehr sahen und befürchteten, dass ihnen an der Leine keine ruhigen Jahre mehr vergönnt waren. Denn wer bleiben wollte der hatte genug Möglichkeiten und nicht nur bei Nacht und Nebel ins Lager des Arminius überzuwechseln. Was natürlich nicht für die Tochter von Segestes galt. Der einfache Stammeskrieger oder Bürger im damaligen Sinne, wird jedenfalls nicht darunter gewesen sein. So deutet alles darauf hin, dass Segestes damals mit seiner Entscheidung die Zustimmung seines gesamten Stammes verloren hatte, als er sich mit seinen „Clientium manu“ wie sie Tacitus nannte zum Übertritt entschied. Tacitus hatte es richtig beschrieben aber auch hier verwendete er wieder eine bzw. seine ihm eigene und kommentierende Wortwahl in Ergänzung und besserer Vollendung dessen was vor ihm schon Strabo schrieb. Denn während Strabo sich mit der Nennung der Namen begnügte, erweiterte es Tacitus und machte daraus die „Clientium manu“. Tacitus rekapitulierte selbstständig und kam zu dem Ergebnis, dass sie doch letztlich alle auf Segestes angewiesen waren, machte aus dem von Strabo erwähnten Personenkreis gleich eine große Anzahl und half damit etwas nach die Worte von Strabo zu verstehen und argumentiert es auch plausibel. Was aber wieder augenscheinlich wird, ist sein Interpretationsbedürfnis auf Basis dessen was ihm vorlag. Aber außer dem was ihm von Strabo vorlag hatte er wohl nichts mehr in der Hand was er hätte kommentieren können, denn es war in der Summe recht mager. Denn Strabo sagte nichts von abhängigen Personen dafür erwähnte aber Strabo die zahlreichen gefangenen Germanen die im Triumphzug und das gegen ihren Willen vorgeführt wurden. Diese Leidtragenden wurde von Tacitus nicht erwähnt auf sie verzichtete er, denn es waren die üblichen Kolateralereignisse und Nebensächlichkeiten einer Krieg führenden Nation. So bleibt uns auch hier die Feststellung und verschafft uns eine relative Gewissheit, dass Tacitus auch dieses Wissen erneut nur den Hinterlassenschaften seines Vorgängers und Zeitgenossen der damaligen Ereignisse nämlich Strabo entnehmen konnte. Und er ergänzte es genauso, wie das von Segestes später in Rom Gesagte wie man annehmen kann und übernahm es als glaubwürdig und unstrittig in seine Jahrbücher weil es ihm plausibel erschien und er es nicht mehr hinterfragen konnte. Tacitus hätte aber gut daran getan in Segestes weniger einen gewissenhaften und glaubwürdigen Informanten und Berichterstatter zu sehen, als einen Menschen, der völlig andere Pläne verfolgte und es in seiner Lage auch musste. Ein Germane dem in dieser Situation alles wichtiger war, nur nicht die Wahrheit. Aber damit nicht genug. Denn nun ließe sich schlussfolgern, dass es dem in der Heimat verbliebenen Segestes Clan und seinem Stamm auch Recht gewesen sein könnte, wenn ihr Fürst seinen Stammsitz verließ und man ihn auch nicht mehr halten wollte. Ungeachtet dessen, dürfte die Nachricht von der Flucht des Segestes samt seines Husarenstücks auch noch einen römischen Feldherrn mit eingebunden zu haben in der Großregion wie eine Bombe eingeschlagen haben. Vermutlich übernahm danach kurzzeitig sein Bruder Segimer seine Funktion, bevor sich dieser im Zuge des Sommerfeldzuges 15 + ebenfalls Rom unter Mitwirkung und Mithilfe von Lucius Stertinius auslieferte. So lässt sich den wenigen Worten von Tacitus vieles entnehmen, was sich in nur wenigen Tagen, Wochen oder Monaten in jener Zeit in Germanien zutrug. Wüssten wir alles, wir würden wohl staunen, welche Fülle an Nachrichten damals das Land bewegten. Neuigkeiten die unsere heutigen Medien dazu nutzen würden Sondersendungen am laufenden Band zu produzieren. Die zwiespältige Gesinnung von Segestes war in Germanien hinreichend bekannt und man könnte Angesichts der herauf ziehenden Gefahren froh gewesen sein, einen Quertreiber wie er es war, weniger in den eigenen Reihen zu haben. Man legte ihm also keine Knüppel in den Weg, als er in Begleitung von Germanicus seine Burg verließ. Nach seinem Weggang und dem Abgang seines Bruders wird es keine anderen höher Dekorierten mehr an der oberen Leine gegeben haben die Anspruch auf seine Herrschaft erhoben hätten, sodass Arminius die Gaue von Segestes in seinen Machtbereich integriert haben dürfte. Derartige Fragen werden seltener gestellt, gehören aber genauso in den Kontext, wie die Frage warum Germanicus nicht schon im Frühjahr 15 + die Knochen der Varusarmee bestattete, wo er doch unweit des „Teutoburgiensi Saltu“ agierte aber eben nicht nördlich besagter Stätte des Grauens wie im Sommer 15 + sondern südlich davon. Aber auch dafür könnte es Erklärungen geben.

Variante 1.)

Germanicus kam im Frühjahr 15 + auf dem Weg zu Caecina nicht bis in die Nähe der Region in der sich der letzte Marschtag des Varus und seine Selbsttötung vollzog, da er vorher von Segimund abgefangen bzw. umgelenkt wurde. Die verbleibende Entfernung war also noch zu groß, so dass sich daraus für ihn nicht die sprichwörtlich günstige „Strabo“ Gelegenheit bot, die er hätte nutzen können. Was auch mehr für ein Zusammentreffen zwischen Germanicus und Segimund im Raum Oberelsungen oder sogar weiter südlich sprechen könnte, von wo aus der „Teutoburgiensi Saltu“ noch etwa 27 Kilometer Luftlinie entfernt liegt. Germanicus hätte dann von dort aus seinen Kurs über Hedemünden in Richtung Leinetal verändert und Segimund hätte dann bis zu Germanicus 66 Kilometer zurück legen müssen um ihn zu erreichen. Für Berittene keine große Anstrengung zumal man direkte Wege nutzen konnte und auf kein Straßennetz angewiesen war.

Variante 2.)

Der Besuch der „Varus Walstatt“ fand letztlich im Sommer 15 + statt, als sich Germanicus zwischen Ems und Lippe bei den äußersten Brukterern aufhielt, die man den Schilderungen nach im Raum Schwaney verorten kann. Bis zum „Teutoburgiensi Saltu“ wären es von dort 18 Kilometer gewesen, was wiederum gegenüber „Oberelsungen“ ein kurz entschlossenes Aufsuchen der „Varusgedenkstätte“ zusätzlich vereinfacht hat.

Variante 3.)

Des Weiteren kann man auch davon ausgehen, dass Germanicus im Frühjahr 15 + nicht zum Saltus ritt, da er unter seinen Legionären die in Mainz stationiert waren keine Ortskundigen hatte die wussten, wo sich die Kämpfe mit Varus damals zugetragen hatten. Denn er selbst wusste nicht wo er die Stätten hätte finden sollte.

Variante 4.)

Sollte Germanicus jedoch Ortskundige in seinen Reihen gehabt haben, die damals auch noch selbst an den Kämpfen beteiligt waren, so konnten diese den Weg von Süden aus nicht beschreiben. Denn aus der Richtung Brakel kommend aus der sich damals der Varusszug nach Süden bewegte wirkt di Landschaft unkenntlicher. Ihre Erinnerung daran war folglich eine andere, denn ihr Fluchtweg dürfte sie damals nach Westen oder Norden geführt haben und nicht nach Süden. Nun standen sie aber südlich der Diemel. Um die Wegeführungen nach sechs Jahren wieder zu finden oder noch mühsam zu rekonstruieren war im Frühjahr 15 + zudem die Zeit nicht reif und es war wohl auch kein Legionär daran interessiert Germanicus im Frühjahr 15 + auf eine moralische Bestattungspflicht hinzuweisen.

Variante 5.)

Im weiteren Verlauf mit Segestes plus Anhang in seiner Mitte dürfte Germanicus zudem nicht der Sinn danach gestanden haben noch bei Varus vorbei zu schauen. Die Route die er mit Segestes zum Rhein einschlug und bei der er sich von der Leine kommend an der Diemel orientiert haben könnte, führte ihn schon recht nahe an die südlich Ausläufer der Egge heran, möglicherweise bei Scherfede, von wo aus er auch einen freien Blick auf einen 415 Meter hohen Berg hatte, der (noch) heute den Namen "Varenberg" trägt, wann auch immer man ihn so benannt hatte.

Somit gäbe es wie dargestellt eine Reihe von Erklärungen vorzubringen, warum Germanicus nicht schon im Frühjahr 15 + die Knochen der Varusarmee bestatten wollte oder konnte. Überlegungen die für die Lokalisierung der Schlachtenschauplätze dienlich sein könnten. Denn sie schließen nicht aus und unterstreichen die Wahrscheinlichkeit bzw. offenbaren im Hintergrund die Möglichkeit, dass sich Germanicus trotz der Tatsache sich im Frühjahr 15 + nicht der Knochenbestattung gewidmet zu haben und die räumliche Nähe dazu auch keine Erwähnung fand, sich doch nahe den „Theudoburgen“ am Saltus dem Osenegger Schliefen aufgehalten haben könnte. Aber es sind Fragestellungen die nie beantwortet werden können, so dass jegliche Schlussfolgerungen die wir ziehen auf Indizien und Mutmaßungen beruhen muss. Es verdeutlicht uns aber wie umfangreich unser Nichtwissen ist, was sich nur mit Spekulationen füllen lässt. Die Alternative dazu kennen wir und sie ist die triste Feststellung unser Unwissen letztlich akzeptieren zu müssen. Der Theorie Raum zu geben wie sich die Cherusker verhalten hätten, wenn die Marser im Frühjahr 15 + gegen Caecina erfolgreich gewesen wären ist müßig und würde nur die Phantasie strapazieren. Nachdem sich Germanicus und Caecina im Frühjahr 15 + mit Segestes und Sippe ohne einen Angriff auf die Cherusker durchgeführt zu haben an den Rhein zurück zogen hielten es die Cherusker letztlich für ratsamer in ihren sicheren Stammesgebieten zu verbleiben, was sie aber möglicherweise im Falle eines Sieges der Marser auch getan hätten. Das gewohnte Nachkarten hätte gleich wie die Schlacht ausgegangen wäre, den Germanen üblicherweise gut zu Gesicht gestanden, fand aber im Frühjahr 15 + (noch) nicht statt. Aber zurück zu den Ereignissen in der Phase als Germanicus in in die nordhessischen Chattenkämpfe verstrickt war. Das zur Unterstützung der Chatten vorgesehene cheruskische Kontingent setzte also aufgrund der unklaren Gefechtslage seinen weiteren Marsch nach Süden lt. Tacitus nicht mehr fort, Germanicus könnte aber gleichzeitig seine Aufgabe in Nordhessen auch als erfüllt betrachtet haben, verließ die Region und plante mit Caecina nun einen von westlicher Seite denkbaren konzertierten Vorstoß gegen die Cherusker. Man könnte den Versuch machen auf die Region einen optischen Lichtkegel fallen zu lassen um sich die Lage bewusster zu machen. Oben rechts im Feld eine Zusammenballung unschlüssiger cheruskischer Kräfte bei Vogelbeck an der Leine, südlich davon Germanicus bereits in der Marschbewegung befindlich und sich auf die Diemel zu bewegend und Caecina am westlichen Rand noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen irgendwo mittig zwischen Paderborn und Bredelar stehend. Caecina stand also in jenem Raum von wo aus er Tacitus zufolge den Cheruskern den Rückweg hätte abschneiden können und man sie gegen Germanicus gedrückt hätte. Und daraus resultierend hätten wir es nun mit einer untätig gewordenen Schar Germanen zu tun. Junge Männer die innerlich auf Kampf eingestellt waren, die aber auf neue Anweisungen von Arminius warteten. Heißspornige, die sich im Großraum an der oberen Leine sammelten, die aber nur bis dort hin kamen und sich nun die Zeit in einer Region vertrieben, wo unweit Segestes, wie ich vermute seine Burg hatte. Und diese Germanen lagerten nun in seinem Umfeld und man konnte sie daher auch wie Tacitus es tat Stammesgenossen von Segestes nennen, man konnte sie aber auch wie Tacitus es ebenfalls zum Ausdruck brachte in ihnen feindliche Belagerer sehen. Sie waren demnach beides. Germanen die sich dem anrückenden Germanicus an unbekannter Stelle in den Weg stellten, aber für einen größere Schlacht nicht gewappnet bzw. dazu auch nicht befugt waren. Denn Arminius wird sich in dieser, für sein Volk relativ ungefährdeten Lage für eine defensive abwartende Handlungsweise entschieden haben. Es bleibt aber eine verschwommene Interpretation der Quellenlage und man könnte dahinter ein Gefecht sehen, dass wohl nicht über ein Scharmützel hinaus ging, was Germanucs führen musste um Segestes „zu übernehmen“. Aber die Cherusker könnte man „last not least“ auch eine zusammen gewürfelte Menge Krieger aus allen cheruskischen Lagern einschließlich dem des Segestes ansprechen, die nun untätig geworden wieder im Rückzug begriffen war und sich zu zerstreuen begann. Denn Arminius hatte ihren ursprünglich nach Süden angeordneten Marsch gestoppt. Allemal aber waren es Germanen die sich für viele Interpretationen und Auslegungen der Historie eigneten oder möchte man es negativ sehen, sich vielleicht sogar missbrauchen ließen. Und auch Tacitus könnte aufgrund der ihm vorliegenden Schilderungen dem Glauben verfallen sein, hier ginge es einzig darum eine Fürstentochter zu befreien und vergas dabei das flächige Desaster, in dem sich die Cherusker in diesen Tagen befanden. Vielmehr ist es denkbar, dass sich hier ein trickreicher aber auch verängstigter, seines Volkes überdrüssig gewordener Cheruskerfürst geschickt absetzen wollte und schob die Rettungsaktion lediglich vor um im Imperium als ein angesehener Germane auftreten zu können bzw. so empfangen und behandelt zu werden. Ein Germane der eigentlich nur die erwartungsgemäß siegreichen Kriege des Germanicus in Ostwestfalen am Rhein geruhsam überdauern wollte, um sich danach im Schutze des römischen Reiches in Germanien in ein gemachtes Nest setzen zu können. Das die Segestes Story in Rom endete war nicht sein Wunschziel. Aber wie verhält sich ein Germanenfürst wie Arminius der befürchten musste, dass gegen ihn nun eine römische Doppelspitze antreten würde, um ihn von zwei Seiten aus anzugreifen. Welche Taktik wählte er als er erkannte, dass sowohl Germanicus als auch Caecina siegreich waren und er nun das nächste Ziel sein würde. Auf seine einstigen Partnervölker die Marser und Chatten konnte er nicht mehr zählen. Allenfalls hätten ihm noch die Brukterer zur Seite stehen können. Aber sie steckten in der gleichen Falle wie das Cheruskerkontingent. Hätten sie den Zusammenschluss mit Arminius rechts der Weser gesucht, wären auch sie in die Gefahr geraten von ihren Siedlungsgebieten abgeschnitten zu werden. Die Cherusker waren auf sich gestellt. Wie eine Rebellenarmee die sich in Unterzahl befand hätte man aus den unzugänglichen Waldgebieten heraus operieren müssen und eine Strategie der Nadelstiche anwenden können. Oft erfolgreich und gefürchtet. Abwarten, flüchten oder den Widerstandskampf aufnehmen waren die Optionen. Und dann geschah das Unvorhersehbare. Germanicus zog ab, ritt aber noch mal zurück um den Segestesclan in seine Obhut zu nehmen und verschwand dann mit ihnen in Richtung Rhein. Kein Zusammenschluss mit Caecina und auch kein Angriff auf die Cherusker im Frühjahr 15 +. Denn Germanicus hätte wie Segimund auch, Segestes unter Bewachung auf das linke Rheinufer abschieben können um dann gemeinsam mit Caecina die Cherusker anzugreifen, aber es passierte nicht. Um zu rätseln was Germanicus davon abgehalten haben könnte lassen sich viele Szenarien durchspielen. Dazu gehört auch, dass Segestes ihn, wie bereits dargestellt davon abgeraten haben könnte. Aber da steht noch eine andere Theorie. Einen Arminius wird man nicht gegen seinen Willen zur Schlachtbank führen können und so traf er Vorsorge. Die Historikerwelt ist sich noch im Unklaren darüber, warum Germanicus im Zuge seines Sommerfeldzuges 15 + nach einem kurzen Gefecht mit den Cheruskern, die ihn über die Weser lockten schon den Krieg abbrach und auf zwei getrennten Routen den Rückmarsch antrat. Ohne also einen nennenswerten Erfolg gegen sie erzielt zu haben. Und dann folgt bereits das nächste Rätsel, denn wie konnte es den Germanen gelingen die Großschlachten des Jahres 16 +, die zumindest unentschieden gegen die gewaltige Heeresmacht eines Germanicus ausgingen, zu überstehen. Die Antwort darauf könnte sein, dass Arminius bereits im Frühjahr 15 + einen engeren Kontakt zu anderen Germanenstämmen zwecks Unterstützung aufgebaut hat die aber für das ganze Jahr 15 + in keiner taciteischen Überlieferung auftauchen. So dürfte er sich zum einen mit den Angrivariern abgesprochen haben. Und zum anderen sind da auch noch die Suebenstämme zu nennen, die nördlich und östlich des Harzes siedelten wie die Langobarden oder die Angeloi bzw. Angili. Sollte Segestes von diesen Bündnissen erfahren haben, wird er Germanicus im Frühjahr 15 + davon abgeraten haben mit seinen durch die Marser und Chattenkämpfe geschwächten Legionen auch noch die Cherusker anzugreifen. Dies würde auch noch sein vorsichtiges Taktieren im Sommer 15 + verständlich machen. Aber die erwartete Kraftprobe blieb im Frühjahr 15 + aus und Arminius hatte wieder Zeit gewonnen die er nutzen konnte.(15.07.2020)

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