Freitag, 4. Oktober 2019
Täuschte Segestes ganze Historiker Generationen ?
Velleius Paterculus kannte neben dem Feldherrn Tiberius die Germanen wie kaum ein anderer Römer, er kämpfte lange an der Seite von Tiberius in Germanien, hatte sie persönlich erlebt, wusste um ihre Wesenszüge und kannte ihre schlechten Eigenschaften. Er war daher auch derjenige der über sie schrieb, dass sie ein Menschenschlag waren, der bei all ihrer Wildheit trotzdem sehr schlau und zur Lüge nahezu geboren war. Den Gegner zu täuschen und zu hinter gehen war ihnen in die Wiege gelegt und offensichtlich ihre Spezialität. Vermutlich erzwangen es die damaligen Lebensbedingungen in Germanien. Und ihre Verschlagenheit setzten sie bekanntlich auch erfolgreich ein, um die Varusschlacht für sich zu entscheiden Aber Paterculus persönlich war im Teutoburger Wald wie man weiß nicht dabei ! Segestes war einer dieser Verschlagenen und hatte es wohl dank dieser Attribute sogar bis zum Fürsten gebracht. Er war folglich ebenso unberechenbar wie alle anderen Germanen auch und Paterculus dem ihre Charaktere nicht verborgen blieben, kannte auch den Fürsten Segestes. So hätte eigentlich Paterculus schon wissen müssen, zu was dieser Mann so alles imstande sein konnte und ein bisschen Skepsis an ihm und seinen Worten wären für ihn daher sicher angebracht gewesen, als er über ihn schrieb. Ich möchte darauf aber noch im weiteren Verlauf näher eingehen. Den Wohnsitz von Segestes vermute ich in Einbeck - Vogelbeck und es war vermutlich auch kein Zufall, dass rund 1700 Jahre nach Segestes und das nicht weit von dort wieder ein Mann zur Welt kam, der Lügen konnte wie gedruckt bzw. wie man so sagt, es tat ohne rot zu werden. Dies war kein anderer als der bekannte Baron von Münchhausen im etwa 37 Kilometer nordwestlich davon entfernten Bodenwerder an der Weser nördlich von Höxter. Als Cheruskerfürst behauptete sich Segestes über viele Jahre in Germanien, überstand viele Schlachten der Römer gegen die Germanen und auch die Varusschlacht dank List und Tücke. Intrige und Gerissenheit waren seine ständigen Weggefährten. Aber alles begann einmal im Sommerlager des römischen Feldherrn Varus. Und wer mag damals im Spätsommer 9 + im Kommandeursgebäude des Feldherrn Varus an der Weser so alles dabei gewesen sein, als Segestes ihn oder vielleicht auch andere auf die germanische Gefahr hinwies. Wer von diesem Teilnehmerkreis mag dann die später folgende Schlacht überhaupt überlebt haben und welcher Personenkreis wurde noch darüber informiert, der die Warnungen von Segestes selbst nicht mit angehört hatte und erst später davon erfuhr. Aber vielleicht hatte er es auch nur dem Feldherrn Varus seinem Vertrauten in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, denn Derartiges hängt man nicht unbedingt an die große Glocke. Wie stellt es ein germanischer Fürst an mit einem Feind zu kollaborieren wohl wissend, dass er damit sein eigenes Volk verriet. Wahrscheinlich diskret. Ob er dafür die große Bühne suchte ist daher fraglich. Eher steckte er die brisante Botschaft dem Feldherrn im kleinen Kreise oder wie gesagt nur persönlich zu. Man ist sich darüber im Klaren, dass es eine explosive Phase im unmittelbaren Vorfeld der Schlacht gewesen sein muss, deren Verlauf heutzutage keiner nachzuvollziehen imstande ist. Sozusagen eine Lageveränderung die bei genauem Hinsehen, schon fasst unglaublich klingt. Denn ein Mann der sein eigenes Volk hinter geht, der lief in allen Zeiten Gefahr gemeuchelt zu werden. Entweder je nach Kenntnisstand bevor er die Tat beging oder danach. Sein Vergehen war waghalsig und nahezu selbstmörderisch, in jedem Fall für eine Verfilmung geeignet aber mindestens gut genug um es für die Bayreuther Festspiele zu inszenieren. Aber Segestes kam damals, was für jeden Historiker unbegreiflich ist, ungeschoren davon. Aber was geschah danach. Der Kreis der Mitwisser entschied letztlich darüber wer diese Information später weiter trug, auf welche Weise es erfolgte, wie schnell es passierte und wann das Wissen um seinen Verrat Eingang in die römische Geschichtsschreibung fand. Ich schlussfolgere, dass der Kreis den er informierte sehr überschaubar blieb und es auch sein musste, allein schon um die riesige Menschenmenge vor dem Rückzug nicht unnötig und unzumutbar zu beunruhigen. Vielleicht auch noch um es vor dem rivalisierenden Fürstenhaus lange geheim zu halten. Arminius geriet dadurch jedenfalls in eine nahezu unfassbar schwierige Situation. Denn er musste diesen Verräter neutralisieren ihn unglaubwürdig machen, aber er durfte ihn nicht vernichten. Eine schier unlösbare Aufgabe. Wie ihm dies gelang bleibt daher auch völlig im Verborgenen. Denn es war eine Information der höchsten Warnstufe die bei Varus oder auch beim römischen Generalstab damals wie eine Bombe eingeschlagen sein muss. Und die dann Varus erstaunlicherweise nicht ernst genommen haben soll. Da passierten also drei unvorstellbare Dinge gleichzeitig. Ein Verräter riskierte sein Leben, ohne das sein Verrat wirkte und zu entscheidenden Konsequenzen führte. Der Betroffene und spätere Leidtragende tat es ab indem er es nicht erst nahm. Und dem Widersacher gelang trotzdem ein militärischer Erfolg. Man sollte diese Ereignisse mal auf sich einwirken lassen. Aber die Warnung des Segestes machte letztlich die große Runde und das weit über Ostwestfalen hinaus bis man auch in Rom davon erfuhr. Allgemeines Fazit. „Die Varusschlacht ging also im Wesentlichen deswegen verloren, weil Varus nicht auf Segestes hörte“. Ein Ereignis in diesen dramatischen Ausmaßen und Konsequenzen nun zu ordnen und zurück zu verfolgen bis die Nachricht den Palatin in Rom erreichte, ist eine Gleichung mit diversen Variablen. Sicher da überliefert, scheint aber zu sein, dass viele Römer die den Worten des Segestes noch mit eigenen Ohren zuhörten die späteren Kämpfe aber nicht überleben sollten, so gab es dafür auch nur wenige Zeugen, die über den Verrat später noch berichten konnten. Aber letztlich muss es auf dem germanischen Kriegsschauplatz Personen gegeben haben, die es wussten und die es auch weiter tragen konnten, denn sonst hätten die Chroniken nicht darüber Auskunft geben können. Waren es nun die römischen Legionäre also die wenigen Fußsoldaten die es erfuhren, die die Schlacht überlebten und denen es später irgendwie gelang die Kunde zu verbreiten, oder waren es redselige Germanen auf die man sich später in Rom beziehen konnte. Eine direkte Linie wäre zweifelsfrei jene gewesen die im Gebäude des Varus ihren Anfang nahm. Möglicherweise war dieser Mann sogar Numonius Vala der Reiterpräfekt. Der Mann der später gemeinsam mit den verräterischen Germanen, die den Weg wussten, in Richtung Untergang ritt. Er, der in dieser Zeit selbst noch nicht wusste, dass er später einmal Fahnen flüchtig werden würde. Er informierte aber seine Nächsten in der Kavallerieeinheit und die Überlebenden seiner Schwadronen, denen die Flucht gelang, denn er starb auf dem Weg zum Rhein, gaben sie an Asprenas weiter und der wiederum nach Rom. Auch so könnte es gewesen sein. Aber wir werden nie erfahren auf welche Weise der Verrat des Segestes an seinen Landsleuten öffentlich wurde. Das die überlebenden Teilnehmer der Schlacht ihr Mutterland nicht mehr betreten durften schließt nicht aus, das Asprenas ihr Wissen nicht an den Kaiser weiter gegen haben könnte. Aber viele Überlebende soll es zudem nicht gegeben haben, die den Rhein wieder sahen. Aber wir stehen erst am Anfang der „Saga des Segestes“, denn wir gehen davon aus, dass der alte Dichter Ovid noch nichts vom Verrat des Segestes wusste. Gleiches gilt für den Astronomen Manilius der zwar über einen Verrat berichtet, aber noch nichts zu den Details wusste. Und danach folgt Strabo, der den Triumphzug des Jahres 17 + unter Mitwirkung von Segestes und seiner Familie beschrieb, aber auch kein Wort über den Verrat des Segestes an seinem Volk verlauten ließ. Ich rekapituliere also, dass bis ins Jahr 17 + kein Dichter, kein Astronom und auch kein Strabo etwas über die Warnungen eines Segestes die er im Kommandeursgebäude des Varus ausgesprochen hatte, etwas wusste bzw. es nieder schrieb. Erst nach der Ankunft des Segestes in Rom tauchen und wie immer zeitversetzt die ersten Nachrichten auf, die seine Warnungen gegenüber Varus zum Inhalt hatten. Sie gelangen dann vermutlich der Reihenfolge nach über Paterculus, Florus, Tacitus und Dio an die Öffentlichkeit. Bezogen auf die Person des Segestes habe ich mich bei meinen An­alysen und Gedankenspielen unter anderem aber auch der Frage gewidmet, welchen Charakter dieser Mann gehabt haben könnte, der zu einer solchen verräterischen Tat imstande war. Segestes kann aber unter gewissen Voraussetzungen möglicherweise auch sogar zu unrecht, als der klassische „Antiheld“ in die germanisch/deutsche Geschichte eingegangen sein. Nämlich dann, wenn sich eine abweichende Argumentationsschiene aufbauen ließe und in dem ihm kein Fehlverhalten in Germanien unterstellt werden kann bzw. sich dieses nicht nachweisen lässt. Solange dies jedoch nicht der Fall ist, verbirgt sich hinter ihm das Gegenteil eines Menschen, den man für gewöhnlich einen Patrioten nennt. Heute gilt er also nach wie vor für die Forschung als ein Mann, von dem man meinen könnte, dass er die pure Niedertracht in Person dargestellt hat. Nennen wir diese Zeiten die frühhistorische Vergangenheit, so hat diese kaum einen zwielichteren Menschen hervorgebracht als ihn. Lediglich die später bekannt gewordene üble Sagengestalt des Hagen von Tronje könnte ihn zum Vorbild gehabt haben und es an Verwerflichkeit mit ihm aufnehmen. Segestes, der wie wir den Überlieferungen entnehmen können äußerst fragwürdig in Erscheinung trat, war es aber gelungen sich geschickt durch eine kritische Epoche der frühdeutschen Geschichte unmittelbar nach Beginn der christlichen Zeitenwende zu lavirieren was tief blicken lässt. So wurde er zu einer frühen symbolträchtigen Figur für die gespaltene und zerrissene menschliche Seele in Zeiten kriegerischer Wirren. Eigennutz, Überlebenswille, Machtstreben und Intrigantentum scheinen sich bei ihm zu vereinen. Positive Eigenschaften sind bei ihm schwer zu entdecken. Was bei ihm Attribute wie Treue oder Zuverlässigkeit anbelangt, so galten diese wie ausdrücklich von ihm selbst festgestellt wurde zuvorderst dem römischen Volk und nicht seinen germanischen Stammesgenossen. Die Erfahrung der Menschheitsgeschichte hat sein Verhalten und die Zeit in der er wirkte stigmatisiert. Denn mit Gewalt voran getriebene Landgewinne kehren sich wie es uns im Regelfall die Natur bei Ebbe und Flut lehrt, wieder gegen die einstigen Eroberer. Nach den Worten von Tacitus besaß Segestes auch, oder sogar das römische Bürgerrecht. Es wurde ihm vermutlich in jenen Tagen zugesprochen, als sich der Stamm der Cherusker der römischen Okkupation hilflos gegenüber gestellt sah und man die Römifizierung widerstandslos zu akzeptieren und sie wie ein unabänderliches Schicksal hinzunehmen hatte. Segestes und viele andere mögen sie damals mit Freude entgegen genommen haben. Ob auch Segimer sie besaß ist nicht überliefert. Als der Sohn von Segestes, der wechselhafte und wankende Segimundus die Priesterschaft in Köln antrat und auch die Söhne des Segimer, Flavus und Arminius in das „System Rom“ integriert wurden, befand man sich möglicherweise auf dem von Segestes viel beschworenen Weg in eine gemeinsame und friedliche neue Zeit. Allerdings stand alles unter dem Zeichen bzw. war mit dem Makel des einseitigen römischen Gewaltmonopols behaftet. Und eine Zukunft zu gestalten bei der der Nährboden die Schwäche des germanischen Volkes dar stellte, ist kein gutes Fundament. Man sollte aber nicht übersehen, dass auch Arminius als römischer Ritter über das römische Bürgerrecht verfügte und mithin vermutlich auch sein Bruder Flavus, ohne das es in den Annalen explizit Erwähnung fand. Das römische Bürgerrecht war eine heimtückische Methode und ein perfides Instrument. Man setzte es ein in dem man es den höher gestellten Fürsten und ihren Söhnen antrug um ihre Bedeutung hervorzuheben und ihren stolz zu wecken. Ein fragwürdiges Privileg, womit man sie scheinbar adelte und den Eindruck entstehen ließ, man würde sie dem römischen Niveau angleichen, band sie aber auf diese Weise geschickt in die römische Machtpolitik mit ein. Karl der Große wiederholte es einige Jahrhunderte später auf die gleiche Weise. So ließen sich viele Germanen und später die Sachsen erfolgreich ruhig stellen. Das Bürgerrecht wirkt da auf den ersten Blick wie ein nachträglich verliehener Orden der sich zwar wie eine ehrenhafte aber letztlich doch inhaltlose und unverbindliche Auszeichnung darstellt, ohne das damit zukünftige Gegenleistungen zu verknüpfen waren. Unterschwellig erwartete sich Rom davon, ein wichtiges Gut einzufordern, nämlich die uneingeschränkte Loyalität dem römischen Staatswesen gegenüber. Segestes ließ sich davon blenden, an Arminius prallte es ab. Es war eine schmückende und wirksame vielleicht schon inflationäre Methode damit verbunden, um aufstrebende Emporkömmlinge im neuen Großreich willkommen zu heißen. Die schmeichelhafte Verleihung an Segestes wird in die Anfangsjahre des Varus in Germanien gefallen sein, als zwischen beiden Völkern die Verhandlungen über den Besatzungsvertrag liefen. Als dann die Zukunft des Segestes im Jahre 15 + sechs Jahre nach der Varusschlacht auf des Messers Schneide stand, besann sich der umstrittene Fürst dieser alten Ehrung und warf sie mit voller Absicht in die Waagschale seiner persönlichen Reputation um sich eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Ein Akt den er in seiner misslichen Situation wahrlich dringend nötig zu haben schien. So brüstete er sich damit und unterstrich seinen, wie er annahm seit jeher unverändert guten Ruf als Römerfreund. Er verwies auf diese alte Zeremonie in jenem wichtigen Moment als Germanicus Segestes und seine Sippe in seiner Wallburg aus der Umklammerung des Arminius befreien musste. Aber nicht nur das. Man möchte fasst sagen und kann es noch nahezu spüren, wie sich plötzlich die Blicke von Segestes und Germanicus trafen. Es war jener historische Moment, als Germanicus bei Segestes einige für ihn unangenehme und peinliche Gegenstände auffielen. Es waren jene Waffen und Trophäen, die den Anverwandten von Segestes nach der Varusschlacht als Beuteanteil zustanden, die sich vor der Schlacht auf die Seite von Arminius geschlagen hatten. Sie existierten also immer noch die alten Relikte und man fragt sich, warum man diese nicht noch rechtzeitig vor dem Eintreffen des Germanicus bzw. vor seinen Augen aus taktischen Gründen verborgen hat. Man hatte sie über die Jahre sorgfältig gehortet und bewahrte sie wohl an würdevollem Platze auf. Möglicherweise schwellte sich ihnen noch die Brust, als man sie Germanicus präsentierte. Wobei soviel Naivität schon fasst unglaublich klingt, wenn man am kürzeren Hebel sitzt. Aber die Zeiten waren damals andere und es scheint, als ob man es römischerseits sogar toleriert hat. Hier wäre es auch mal interessant zu wissen, ob Germanicus auch diese cheruskischen Haudegen aus der Segestes Sippe von einst bei der Gelegenheit mit „befreite“. Aber diese dubiosen und mißratenen Anverwandten bekannten sich nun zu Segestes, hatten sich also wieder gegen Arminius gestellt, verdienten daher seinen Schutz und folglich hatte er sie auch mit einzubeziehen. Vielleicht waren diese ehemals scheinbar abtrünnigen Familienmitglieder des Segestes aber auch der lebende Beweis dafür, dass die beschworene Unversöhnlichkeit zwischen Arminius und Segestes in den vergangenen Jahren gar nicht so unüberbrückbar war wie sie dargestellt wird. So könnte hier bereits ein wichtiger Hinweis verborgen liegen, der die Inszenierung des späteren Triumphzuges 17 + in Rom wesentlich mit beeinflusst haben könnte. Denn es gab wie überall auch in Germanien solche und solche. Von Strabo wird nämlich nicht deutlich genug heraus gestellt, wo die Trennlinie zwischen bösen und guten Germanen verlief. Wem also von germanischer Seite aus betrachtet stand später in Rom ein Logenplatz zu und wer musste im Zug der vorgeführten und versklavten Germanen die Rolle der misshandelten Gefangenen übernehmen. Denn in Rom wollte man keine geachteten Römer beklatschen, sondern die Früchte des Sieges, bestehend aus geknechteten Germanen oder erbeuteten Edelmetallen genießen und bewundern. Man kann sich in die unmittelbare Phase der Befreiung des Segestes möglicherweise im südlichen Niedersachsen hinein denken. So könnten sich turbulente Szenen abgespielt haben und wir wissen auch nicht, ob es zu heftigen Kämpfen oder kleineren Scharmützeln zwischen Arminius und Germanicus an der Leine kam. Aber die neue Lage einer wieder heran rückenden römischen Armee bei gleichzeitigem Zwist mit Arminius brachte Segestes wie man annehmen darf in arge Bedrängnis und ernste Argumentationsnöte und er rang um geeignete Rechtfertigung für die Dinge der Vergangenheit. Einst mit dem römischen Bürgerrecht geehrt, kam ihm daher dieses alte Zugeständnis in diesem Moment sehr gelegen. Aber seit der Verleihung waren viele Jahre verstrichen, dazwischen lagen die Varusschlacht aber auch der Marserfeldzug des Jahres 14 +, so dass Segestes sehr viel an Überzeugungskraft aufbringen musste, um die Lage in seinem Sinne zu beschönigen und sich und seine Sippe zu retten. Denn es stellte sich für Rom die Frage wie denn er, der ausgewiesene Römerfreund diese lange Zeit im Germanenland unweit einer rivalisierenden Sippe überstehen konnte, oder wie es ihm gelang die Jahre bis zu seiner Befreiung unbeschadet zu überbrücken. Das von ihm in Erinnerung gerufene römische Bürgerrecht, dass ihm vom Kaiser Augustus verliehen wurde, war sicherlich ein Akt der sich aus der Distanz vollzogen haben dürfte. Es gibt allerdings Auslegungen, die sich anhand der Übersetzung aus dem Lateinischen auch eine persönliche Ehrung möglicherweise durch Handreichung oder gar Urkundenübergabe durch Kaiser Augustus vorstellen können, Ich denke nicht, dass Arminius, Segestes oder andere für die Verleihung extra nach Rom pilgern mussten, so dass sich der Kaiser dafür eines Stellvertreters bedient haben dürfte. Was im Moment der Befreiung, die wie ich mutmaße in Vogelbeck statt fand, ein möglicherweise positives Wesen des Segestes stark in Zweifel ziehen lässt war eine von ihm selbst gemachte Aussage die uns Tacitus hinterließ. Denn er gibt in seiner heiklen Lage auch der Überzeugung Ausdruck, dass er immer der Ansicht war, dass Römer und Germanen ein gemeinsames Ziel verfolgten, nämlich den Frieden gegenüber dem Krieg zu bevorzugen. Man halte sich jedoch noch mal vor Augen, was der Befreiung des Segestes Clans voraus ging. Erst ein Jahr zuvor, im Spätsommer des Jahre 14 + fielen die römischen Legionen in Übermacht und völlig überraschend in einem blutigen Feldzug in das Siedlungsgebiet der westlich von ihm siedelnden Marser ein und verschonten kein menschliches Leben. Fielen dann völlig unvermittelt im Frühjahr 15 + über die Chatten her, lieferten sich erneut eine Schlacht mit den Marsern und hätten auch die Cherusker angegriffen, wenn diese sich nicht geschickt einer Schlacht entzogen hätten. Das es Segestes noch im gleichen Jahr mühelos über die Zunge ging zu sagen, wie friedliebend doch das Imperium sei, klingt da für unsere Ohren heute eher wie Hohn. Wie eng muss sich die Schlinge um Segestes zugezogen haben, wenn er sich in derartige Lobeshymnen versteigen musste. Das Wasser dürfte ihm folglich bis zum Halse gestanden haben und jeder Strohhalm war ihm recht. Aber auch ohne sein unterwürfiges Verhalten hätte Germanicus ihn gerettet und mitgenommen bzw. befreit, denn für ihn stand sicherlich schon fest, dass sich der Segestes Clan als Sinnbild und Manifestation für ein Großereignis in Rom wann auch immer hervorragend eignete und wo er sich samt Thusnelda und Sohn gut in Position bringen ließ. In Rom dachte man in diesen Kategorien und diese Gelegenheit konnte sich Germanicus nicht entgehen lassen. Natürlich stand damals parallel dazu auch noch die Überlegung im Raum Segestes nach der später erhofften Niederwerfung der Arminius - Cherusker den Fürsten Segestes als Oberhaupt aller Cherusker unter Roms Gnaden an der Weser einzusetzen. Germanicus machte also 15 + keinen Fehler, wenn er Segestes trotz seiner nebulösen Vorgeschichte befreite. Das allerdings Tacitus diese Phase kommentarlos übergeht ohne auch nur mit einem Wort Zweifel oder Kritik an der sonderbaren Verhaltensweise der Person des Segestes laut werden zu lassen, lässt sich nicht beantworten. Aber man nannte Tacitus nicht umsonst den Schweigsamen. Ich möchte aber auch versuchen deutlich zu machen, dass dieser Mann von dem Moment an, als er sich im Jahre 15 + aufgrund seiner Notlage freiwillig in die Hände des Germanicus begab und erst recht nach dem er zum späteren Zeitpunkt römischen Boden betrat, sich in eine für ihn äußerst prekäre Lebenslage begab. Er entkam zwar seinem Schwiegersohn Arminius, hatte aber von diesem Augenblick an den römischen Spielregeln zu folgen, hatte sie zu achten vor allem aber zu gehorchen. Segestes war zunächst mal ein schwacher Fürst und für das Imperium nicht mehr das, was es sich von ihm erhofft hatte und das Imperium war nicht das, was er sich unter ihm vorstellte, als er ihm immer näher kam. Er kannte die römische Kultur nur von seinen Begegnungen und Kontakten in Germanien, fraglich ist auch, ob er je bis an den Rhein kam. Nun sah er sich im Gefolge der römischen Armee in ein ungewisses Schicksal aufbrechen, denn das große Schlachtenjahr 16 + lag noch vor ihnen. Er hatte eine entwurzelte, zusammen gewürfelte stattliche Familie und bunte Schar um sich versammelt und bezog mit ihnen möglicherweise in Xanten sein neues Quartier. Hier verharrte er ungeduldig und meiner Meinung nach solange, bis Tiberius allen römischen Expansionsplänen im Jahre 16 + eine jähes Ende setzte. Nun entschieden Germanicus und vielleicht auch Tiberius selbst, über seine weitere Verwendung. Denn Germanicus der ihn noch für die Siegesfeier brauchte, könnte um seine schützende Hand über Segestes zu halten im Imperium nicht die nötigen Machtbefugnisse besessen haben. Germanicus trat gegenüber dem Römerfreund Segestes als Retter auf, aber nach dem Segestes danach für das römische Staatswesen seinen Wert als politische Größe, besser gesagt Schachfigur verloren hat und auch als diplomatische Waffe nicht mehr taugte, war er nur noch als Spielball für die römische Glemmerwelt für eine Zurschaustellung geeignet. Die Luft dürfte für ihn zunehmend dünner geworden und er wird sich auch dieser Tatsache schon in Teilen bewusst gewesen sein, als er bei Germanicus um Hilfe nach suchte. Als aber Germanicus letztlich gegen die Germanen im Kampf oder am grünen Tisch unterlag, musste sich auch Segestes umorientieren. Nun stand für ihn fest, dass man ihn mit römischer Hilfe nicht mehr in Germanien inthronisieren konnte. Eine Karriere, die er sich insgeheim erhofft haben könnte. Ab dato befand er sich völlig im Zugriff und unter Aufsicht eines fremden vor allem aber eines potenziell gegnerischen Staates. Nun war für ihn und seinen Anhang der weitere Lebensweg vorgezeichnet und der verlief erst einmal über Mainz und die Alpen nach Italien. Was dann dann auf diese Germanen zukommen sollte, konnte von ihnen niemand voraus sehen. Wir wissen nicht wie man Segestes in Rom empfing und ihm gegenüber im Kernland des Reiches gesonnen war. Denn das Treiben in den Garnisonsstädten am Rhein war nicht mit Rom vergleichbar. Besondere Sympathie wird man ihm und seiner Begleitung in Rom nicht entgegen gebracht haben, denn auch Rom treue Germanen blieben immer noch Germanen. Und Loyalität musste man ihm bzw. ihnen entgegen bringen, weil es die Obrigkeit so befahl. Man ging möglicherweise auf Distanz zu ihm oder begegnete ihm sogar mit offener Feindschaft zumindest aber mit Misstrauen. Allemal wird man ihn mit skeptischen Augen betrachtet haben. Viele Reaktionen auf römischer Seite sind also denkbar und die Meinungen über ihn dürften geteilt gewesen sein. Es kann also mit dem Zeitpunkt seines Erscheinen in Rom angenommen werden, dass sich der Umgang mit ihm rauer gestaltete und alles für seine römischen „Freunde“ nur eine leidige Pflichtübung darstellte. Germanicus hatte ihm Asyl gewährt und das Verhältnis zu ihm war eher unterkühlt und nur rein taktischer Natur. Im Gewirr der Metropole Rom wird er nicht weiter aufgefallen sein und das Volk wird wenig Notiz von ihm genommen, bzw. ihn gar nicht erkannt haben. Voraus gesetzt er stand nicht bis zum Triumphzug unter Kontrolle oder sogar Hausarrest. Das römische Herrscherhaus wird sich über ihn eine Meinung gebildet haben und das Volk so weit es informiert war, gleichermaßen. Aber nun näherte sich für ihn so langsam auch die kritische Nagelprobe und er musste sich in Rom für sein Verhalten erklären. Man wollte dort wissen, mit wem man es zu tun hatte und wie es damals in Germanien überhaupt so weit kommen konnte. Er mag ein viel gefragter Mann gewesen sein der nun mit seinem Wissen zur Aufhellung der Ereignisse beitragen sollte. Warum ging Varus in die Falle, wie stark waren die Germanen. Aber vor allem wurde ihm die Frage gestellt was denn er, der Römerfreund tat um das Unglück zu verhindern. Reichten seine eigenen Kämpfer nicht aus, um sich mit Varus gemeinsam gegen Arminius zu stellen und vor allem die Frage, warum Varus so unbedacht ins offene Messer lief. Die Stunde „seiner“ persönlichen Wahrheit war nun gekommen, und er tat es auf eine Art und Weise und sicherlich so, wie es wohl jeder von uns in seiner Lage auch gemacht hätte. Denn er musste die gesamten Abläufe und Dinge über die er aus Germanien berichten konnte, soweit sie ihm bekannt, oder eben auch nicht bekannt waren, wie sie sich zutrugen sowohl vor, während als auch nach der Varusschlacht so darstellen, dass sie ihm nicht schaden konnten. In Rom wird man gespannt auf seine Darstellung gewartet haben. Und es werden ihm einige Historiker wohl schon fasst an den Lippen gehangen haben, denn sie waren wissbegierig was er nun zu berichten wusste. Denn immerhin hatten einige tausend Römer ihr Leben gelassen und Segestes stand damals nicht nur mitten im Geschehen, sondern war demzufolge auch einer der jenigen die den Schlachtenverlauf zu Gunsten Roms noch beinahe hätte wesentlich beeinflussen können. So die allgemeine Auffassung. Sein Basiswissen war brisant und Sprengstoff zugleich und alles konnte auch für ihn nach hinten los gehen, wenn er die falschen Worte fand. Diese Stunden in denen er im Verhör stand, waren die entscheidenden für die gesamte Historie und Chronologie zu den Hintergründen der Varusschlacht. Seine Worte beeinflussten von Stund an die römische Historie und lieferten die ersehnten Fakten und alles was vorher in Rom die Runde gemacht hatte, war nun obsolet. Denn jetzt tauchte der Mann auf, der alles wusste und der mit vielen Fehlinformationen und Gerüchten aufräumen konnte. Er könnte oder müsste sogar gewusst haben, was aus den vielen römischen Gefangenen wurde, wie und ob man die toten Römer bestattete, wie die späteren Freikaufverhandlungen verliefen. Wer als Sklave auf Nimmerwiedersehen in den Osten Germaniens verschlagen und verkauft wurde und welche hoch angesehenen römischen Militärführer auf dem Schlachtfeld erbärmlich versagten, denen die Angehörigen kein Lösegeld wert waren und die später für die Germanen nur noch kläglich die Ziegen hüten durften. All dieses umfassende Wissen besaß er und auch die endlosen Details die ihm noch in den langen Jahren nach der Varusschlacht zugetragen wurden, konnte er zum Besten geben. Aber all dies Wissen machte ihn in Rom andererseits höchst verdächtig. Handelte es sich denn bei ihm wirklich um einen ehrlichen Römerfreund, oder gab er sich nur als solcher aus um vor seinen Landsleuten zu entkommen. Warum wäre er dann nicht schon in den langen Jahren zwischen 9 + und 15 + ins römische Xanten oder nach Mainz geflohen und verblieb so lange und das noch dazu unangetastet in seiner Heimat, die er sich mit den Varusmördern teilte. Aber außer ihm gab es nur wenige Jahre nach der verheerenden Schlacht keinen Germanen der in Rom imstande gewesen wäre, den Sachverhalt so zu schildern wie Segestes. Andere aus seiner Sippe sprachen vielleicht kein Latein oder durften sich den römischen Fragen nicht stellen, da dies nur Segestes vorbehalten war bzw. zustand. Er wurde und war schließlich auch Garant ihrer Sicherheit. Und nun hatte nur er es in Hand die römische Geschichtsschreibung in seinem Sinne zu beeinflussen und auf sie einzuwirken. Und er konnte sie damit vielleicht sogar solange lenken, wie sich niemand fand, der ihm widersprechen konnte oder wollte und der hat sich auch nie gefunden. So hätte er denn die Geschichte, wenn es denn seinen Interessen dienlich war, auch mit fragwürdigen Darstellungen in eine völlig falsche Richtung gelenkt haben können. Des Weiteren versuche ich aber auch heraus zu arbeiten, ab welchem Zeitpunkt wir diesen unerwarteten Informationsfluss und Reichtum aus dem Herzen Germaniens ins Zentrum des Imperiums anzusetzen hätten. Nämlich ab wann wurden seine Nachrichten aus Ostwestfalen in Rom zu einer historisch unvergleichlichen Aussagequelle die der römischen Geschichtsschreibung dazu verhalf, hinter die germanischen Kulissen jener Tage zu schauen. Alles was in Rom vor seinem Erscheinen über die Varusschlacht bekannt war, stammte aus nicht germanischen Quellen und die waren nach den Wirren der Varusschlacht auch nicht unbedingt belastbar. So musste man in Rom meines Erachtens bis dato auch ohne das Wissen über seinen Verrat am Volk der Cherusker, also seine gegenüber Varus ausgesprochenen Warnungen auskommen. Er wurde für sie der einzige greifbare Zeitzeuge und war keine zweifelhafte Quelle irgendwelcher Überlebender die ihr Wissen oder Halbwissen verbreiteten. Er erzählte aus ihrer Sicht seine Lebensgeschichte und warum sollte er sie verfälschen. Er brauchte nicht befürchten, dass Arminius oder andere in Rom eine abweichende Version auftischen würden. So konnte er die Gelegenheit nutzen die Begebenheiten in Ostwestfalen auch anders darstellen, als sie tatsächlich waren um seine Position in Rom zu verbessern. Er hatte die Wahl und konnte die Chance nutzen. Noch heute ist es gesetzlich verankert, dass ein Zeuge auch die Aussage verweigern darf, wenn er die Gefahr sieht, sich selbst zu belasten. Er sah die Gefahr und wählte einen anderen Weg. Von einem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, hätte er sich möglicherwei­se selbst entlarvt. Die damalige Lage für sich beschönigend darzustellen war für ihn also ein Gebot der Stunde und gewissermaßen auch zu einer Überlebensfrage für ihn geworden. Aber wie müsste man sich seinen Einzug in Rom vorstellen. Sein Eintreffen in Italien hatte ich aufgrund der neuen politischen und militärischen Lage in Germanien nach dem Abbruch der Germanenkriege sowie der Marschstrecke auf den Winter 16 + /17 + bzw. spätestens auf das Frühjahr 17 + gelegt. Sehe also den Marschbefehl zum Aufbruch aus der niederrheinischen Befehlszentrale von Germanicus nach Rom in zeitlicher Nähe zu dem Tag als Tiberius das Ende der germanischen Eroberungsfeldzüge verfügte. Denn für Germanicus in dessen Obhut sich der Segestes Anhang befand, gab es in Germanien nichts mehr auszurichten. Germanicus mit großem Anhang überschritt nun die Stadtgrenzen von Rom. Und er traf auf Kaiser Tiberius, der ihm damals weitere Feldzüge gegen die Germanen untersagte. Möglicherweise wurde daraus für ihn auch ein unangenehmes Zusammentreffen. Germanicus hatte seine anvisierten Kriegsziele in Germanien, einige Historiker meinen schmählich verfehlt. Den Rest gab seinen Truppen ein Sturmtief, das über der norddeutschen Tiefebene wütete, so die Überlieferung. Man tröstete sich gegenseitig damit zumindest die Stärke der germanischen Stämme nachhaltig geschwächt zu haben. Aber um diese Zeit kannte man in Rom noch nicht den erfolgreichen Ausgang der Schlacht des Arminius gegen Marbod. Die Annahme einer Schwächung stellte sich später also auch als Trugschluss für das Imperium heraus. Das recht erfolglose agieren innerhalb der drei Jahre andauernden Germanenkriege des Germanicus galt es folglich auch für Tiberius zu überdecken, der in alle Entscheidungsprozesse eingebunden war. Ein überragend inszenierter Triumphzug sollte nun die Abhilfe bringen und man wollte auf diese Weise dem Volk von Rom Sand in die Augen streuen und sie über die wahren Begebenheiten in Germanien hinweg täuschen. Die Marschzeit von Germanien nach Rom war zeitaufwändig und es wird spätestens unterwegs in den Süden auch zu Vieraugengesprächen zwischen Segestes und Germanicus über die Dinge im Zusammenhang mit der Varusschlacht gekommen sein. So sah sich Segestes erstmals der prekären Lage ausgesetzt, sich sein Verhalten hinterfragen lassen zu müssen und er konnte sich eine Vorstellung darüber machen was in Rom auf ihn diesbezüglich zukommen würde. Es mögen bei ihm denkwürdige Stunden gewesen sein in denen er sich darüber klar wurde, dass es sich nicht damit bewenden ließ, sich als Römerfreund feiern zu lassen. Kritische Fragen könnten ihm drohen auf die er sich vorzubereiten hatte. Die Gespräche mit Germanicus dürften ihm deutlich gemacht haben, dass er sich zusätzliche Argumente einfallen lassen musste auf deren Basis er sich von jeglicher Schuld, nämlich letztlich immer mit einem Bein im Lager des Arminius gestanden zu haben, rein waschen musste. Später hören wir auch von Tacitus, dass sich Segestes in die Varusschlacht hat hinein ziehen lassen. Denn er schrieb: „Segestes, quamquam consensu gentis in bellum tractus, discors manebat, auctis privatim odiis“. Und in der Übersetzung lautet dies „Obgleich Segestes durch die Einmütigkeit des Stammes in den Krieg hinein gezogen war “. Man wusste also in Rom oder konnte sich dort denken, dass der „Römerfreund“ Segestes wenn nicht sogar mit Arminius „Gutfreund“ war, zumindest aber eine all zu passive Rolle im Vorfeld der Schlacht eingenommen haben könnte. Diesem Eindruck musste Segestes mit allen Mitteln entgegen treten. So zwang ihn die Lage dazu nach Argumenten Ausschau halten zu müssen, wie sich dieser „Irrglaube“ in Rom entkräften ließe. Es war eine Strategie vonnöten wie Segestes diesem Dilemma entweichen konnte. Es ist anzunehmen, dass er sich bereits auf dem Hinweg mit derartigen Überlegungen trug und die Glaubwürdigkeit seiner Strategie bereits an Germanicus austestete. Und das Format seiner Notlüge zeichnet sich bereits ab. Wie sich dann aber in Rom alles entwickelte bleibt Fiktion. Kam es zu einer „hochnotpeinlichen Interrogation“ oder ersparte man ihm vielleicht sogar derartige Rückfragen. Ich kann es mir nicht vorstellen, denn dazu war seine Position in Germanien zu herausragend. Kaiser Tiberius kannte Segestes persönlich und wusste auch um die Umstände seiner Befreiung bzw. Gefangennahme. Er wusste dass innerhalb seiner Familie Männer auf der Seite von Arminius standen und auch er konnte daran interessiert gewesen sein zu erfahren, wie sich Segestes damals verhielt. Folglich sah Segestes nur einen Ausweg um seine Haut zu retten. Er musste die Tatsachen verdrehen bzw. auf den Kopf stellen um sich glaubhafter zu machen. Und mangels Zeugen konnte er es auch riskieren sein Verhältnis zu Varus in ein anderes und unbeweisbar besseres Licht zu rücken. Nur durch einen Akt, eine Handlung oder eine Äußerung ließ sich die nötige Beweiskraft herstellen um in Rom jeglichen Verdacht von seiner Person abzulenken und seine Loyalität zu untermauern. Er musste sich als ein Mensch verkaufen, der sich 8 Jahre zuvor uneingeschränkt an die Seite von Varus gestellt hatte um ihn vor der Katastrophe zu bewahren. Folglich als ein Mann, der so eng zu ihm stand und sich mit ihm verbunden fühlte, dass ihm sein Leben und sein Schicksal ganz besonders am Herzen lag und ihm sogar wichtiger war als sein eigenes Leben und als das seines eigenes Volkes. Einen alle überzeugenden Freundschaftsdienst mit dem sich jegliche Zweifel an ihm vom Tisch wischen lassen würden, ließ sich nur durch einen ultimativen und massiven Vertrauensbruch an seinem eigenen Volk herstellen lassen. Seinen eigenen Stamm zu verraten dürfte und müsste auch das Volk in Rom sowie den Kaiser überzeugt haben, um ihm die Bezeichnung „Römerfreund“ zu attestieren bzw. zuzubilligen. Und Segestes tat es. In dem er glaubwürdig vorgab Varus noch rechtzeitig vor dem Abzug vor einer drohenden Gefahr durch die Arminius Germanen gewarnt zu haben, gelang ihm der entscheidende Befreiungsschlag. Denn im Falle einer möglichen Gegenüberstellung stand Aussage gegen Aussage. Und da er Germanien nie wieder sehen und ihn wo auch immer keiner mehr dafür zur Rechenschaft ziehen würde und er auch niemanden damit schädigte und zudem Tote schlechte Zeugen sind, hatte er seinen Kopf damit aus der Schlinge befreit. Meine These lässt sich kaum beweisen, aber es gibt nicht nur die hier beschriebenen Anhaltspunkte dafür, dass es so gewesen sein könnte. Segestes konnte sich also nach den vielen Jahren auch ziemlich sicher sein, dass dieser Widerspruch bzw. seine Lüge nie aufgedeckt werden konnte, denn er wusste es ja nur allein, dass es diese Warnung nie gegeben hat. Und wenn Segestes vorgab, den Feldherrn Varus fiktiverweise nur in einem Vieraugengespräch und nicht vor versammelter Mannschaft gewarnt zu haben, so konnte er sich auch absolut sicher sein, dass seine Geschichte für ewig bestand haben würde, denn Varus hatte die Schlacht nicht überlebt. Und das seine Darstellung in der Tat bestand haben würde, beweist uns letztlich die Historie
selbst. Sollte sich dieser Akt tatsächlich noch durch verspätetet auftauchende Quelleninterpretationen bestätigen lassen, so würden sich auf diesem Weg auch viele andere offenen Fragen klären lassen. Zuvorderst natürlich jene die allen Historikern seit jeher unter den Nägeln brennen, nämlich die wie Varus nur so naiv, unbedacht und ohne Vorkehrungen getroffen zu haben den Germanen in die Falle gehen konnte. Die Antwort darauf wäre dann schlicht und einfach die gewesen, dass er gar nicht wusste was ihm drohte. Wie so häufig ist die Wahrheit oftmals sehr nahe liegend und man muss sich gar nicht groß anstrengen um sie heraus zu finden. In dem Moment als Segestes diesen von ihm erdachten Sachstand offenbarte, nahm die römische Geschichtsschreibung einen anderen Verlauf. Ein Verlauf der vielen in Rom sehr gelegen kam und den man daher nachträglich auch nicht anzweifeln wollte. Nun machte auch alles Sinn, hatte Hand und Fuß und man konnte sich auch in Rom erst plausibel vorstellen, was sich im Teutoburger Wald zutrug. Dank Segestes konnte man sich jetzt auch auf alles einen Reim machen. Die lang gesuchten Erklärungen lagen auf dem Tisch, man konnte die Akte im Jahre 17 + schließen und man war nun imstande dem Feldherrn Varus nahezu die Alleinschuld am Desaster in die Schuhe zu schieben. Dies wäre auch eine Erklärung dafür, dass es nach dem Jahr 17 + keine aufwändige Aufarbeitung der Geschehnisse mehr bedurfte, denn die Sachlage war geklärt. Das Volk von Rom war beruhigt, der Schuldige war gefunden und Segestes brauchte sich nicht mehr vor falschen Beschuldigungen und möglichen Repressalien in Acht zu nehmen. Allen war geholfen. Nach dem ich diese wie ich meine überzeugende Hypothese aufgestellt habe, möchte ich nun auch versuchen sie im nächsten Abschnitt mit zusätzlichen Fakten zu untermauern. (4.10.2019)