Montag, 1. Februar 2021
Die Antithese: Segestes war am Komplott beteiligt - Die Vision: Varus blieb Sieger
Bevor es in den nächsten zwei Kapiteln verstärkter um die Analyse der Überlieferungen aus der Feder von Publius Annius Florus über Segestes geht, ist immer eine angemessene Verknüpfung mit dem bisherigen Sachstand nützlich und angebracht. Gemeinsam und übereinstimmend berichteten seine beiden Vorgänger, zuerst war es Paterculus und ihm folgte später Tacitus, dass Varus von Segestes vor den Gefahren eines offenen Gewaltausbruchs gewarnt wurde. Aber beide wichen in einem Punkt voneinander ab. Denn Paterculus zu Folge kam es nur zu einer einzigen Warnung, da für eine zweite keine Zeit mehr blieb und nach Tacitus geschah es mehrfach und sogar noch am Vorabend vor dem Marsch in den Unruheherd. Wir wissen nicht wer recht hatte aber ungeachtet dessen zeugt diese Abweichung von einer für beide bestehende unklare Quellen - oder Interpretationslage. Zumindest aber löst dieser Dissens Fragen nach der Glaubwürdigkeit segestinischer Warnung aus. Aber alle und darin einbezogen auch die in den nächsten Abschnitten noch folgenden Überlieferungen von Publius Annius Florus und Cassius Dio schweigen, wenn es um die Frage geht wie präzise sich Segestes gegenüber Varus hinsichtlich der auf ihn zukommenden Gefahren ausgedrückt haben soll oder will. Auf was also genau Segestes den Feldherrn hingewiesen haben will wissen wir nicht. Denn lediglich auf ein Bedrohungsszenario hinzuweisen sagt nichts über das Inhaltliche aus was er damit gemeint hat. Denn alle angesprochenen Historiker berichten lediglich von Warnungen, aber keiner von Ihnen konnte deutlich werden und war imstande uns genaueres zu hinterlassen, sodass ihre Worte diesbezüglich inhaltsleer blieben. Sollte Segestes, ob es nun eine einzige Warnung gab, oder ob er mehrere Warnungen tatsächlich ausgesprochen haben will, was sich nach über 2000 Jahren nicht mehr beweisen lässt, so ist es ihm jedenfalls nicht gelungen dem Feldherrn das ihm Drohende so plausibel zu verdeutlichen, dass Varus ihm glauben konnte und sogar glauben musste damit er die nötigen militärischen Konsequenzen zog. Bekanntlich geht diese Theorie davon aus dass sich Segestes weder minimal noch optimal zur Gefahrenlage äußerte sondern gar nicht. Den Überlieferungen zufolge blieb Segestes demnach oberflächlich, ging hinsichtlich seiner Warnung nicht in die Tiefe und ließ es scheinbar darauf ankommen, ob Varus ihm nun glauben würde oder eben nicht. So die gewonnene Auffassung die sich aus den alten Schriften herleiten lässt. Sollte er Varus gewarnt haben, dann kann man auch den Eindruck gewinnen, als ob er auf die wichtigen Details verzichten wollte oder musste. Aber die Varusschlacht fiel nicht urplötzlich aus dem Himmel. Sie erforderte unter den Germanen zahlreiche Kontakttreffen, Abstimmungen, Absprachen vor allem aber Überzeugungsarbeit bis alle auf die Vorgehensweise und das Ziel eingeschworen waren und auch der Letzte die Pläne akzeptierte. Segestes dürfte der Quelleninterpretation nach zu urteilen und Kraft seiner gehobenen fürstlichen Position auch Teilnehmer an den vor beratenden Versammlungen der Germanen gewesen sein. Somit war er auch in die Geschehnisse einbezogen und könnte sich sogar an der Strategiedebatte beteiligt haben. Ein demaskierender Umstand den er der Nachwelt verständlicherweise verschweigen musste. Mitwisser von alledem war er allemal, denn auch im alten Germanien hatten die Wände Ohren. Und das er tiefer im Geschehen steckte als er es uns glauben machte, davon zeugt eine seltsame Begebenheit. Denn seine Sippe oder waren es sogar Angehörige seiner unmittelbaren Familie prahlten 15 + gegenüber dem römischen Feldherrn Germanicus noch stolz mit den in der Varusschlacht erbeuteten Waffen. Segestes konnte oder wollte warum auch immer diesen Akt sechs Jahre nach der Schlacht nicht unterbinden, denn er lief seiner Verteidigungsstrategie zuwider. Es war für ihn vermutlich ein peinlicher, aber für die Aufarbeitung der Zusammenhänge aufschlussreicher Zwischenfall, der uns hier über eine römische und sicherlich keine Quelle aus dem Hause Segestes erreichte. Und dann berichtet Tacitus noch unter 1,55 (3), dass Segestes obwohl er mit Arminius uneinig blieb sich trotzdem wegen dem „consensu gentis“, also der Zustimmung des Volkes in den Krieg mit hinein ziehen ließ. So darf und muss man geradezu annehmen, dass er auf Seiten der Germanen wie es auch immer stattfand, an der Varusschlacht selbst mit teilnahm. Als ein hoch angesehener Germanenfürst wie er es war, erwartete es sein Stamm förmlich von ihm, dass auch er selbst mit das Schwert gegen Rom erhob. Denn seine eigene Sippe oder Familie vorzuschicken und kämpfen zu lassen, sich selbst aber zurück zu halten, hätte gegen jeden germanischen Ehrenkodex verstoßen und man hätte ihm zudem noch Feigheit anlasten können. Nachdem er, wie man es auch interpretieren kann vom ganzen Volk unter Druck gesetzt wurde und was wohl das Volk in seinem Fall für nötig erachtete, so stand er offensichtlich schon unter argwöhnischer Beobachtung. Natürlich nur unter der Prämisse betrachtet, dass es sich so zutrug, denn Segestes musste immer noch nach einem Vorwand dafür suchen, warum er nicht schon viel früher die Seiten gewechselt hatte. Nimmt man des Volkes Stimme als eine Tatsache hin, so darf man davon ausgehen, dass er es sich auch nicht erlauben konnte sich zu drücken. Aber selbst redend geschah es „natürlich alles gegen seinen ureigenen Willen“. Insgesamt Hinweise und Schlussfolgerungen die es gestatten annehmen zu dürfen, dass er nicht nur mit kämpfte, sondern auch die gesamte germanische Vorgehensweise recht gut kannte. Was man ihm noch einzig zubilligen könnte, wäre der Umstand, dass er halbherzig zwischen den Fronten schwebte, aber Schizophrenie sollte man ihm nicht unterstellen. Denn nüchtern betrachtet taten sich bezogen auf sein Verhalten unüberbrückbare Verständnislücken auf. Auf der einen Seite über Detailwissen zu verfügen, dieses aber im entscheidenden Moment Varus gegenüber zu verschweigen passt nicht zusammen. Aber bei dieser Sachlage kann und muss man aufgrund seines guten Wissenstandes auch noch einen anderen wichtigen Aspekt mit in Betracht ziehen. Denn er gehörte auch zu jenen, die über die besten Kenntnisse zum Kräfteverhältnis der beiden Konfliktparteien verfügte. Er kannte zudem die germanische Strategie, kannte die Zugstrecke von Varus, kannte das Terrain wo man Varus angreifen wollte, kannte auch die anderen Germanenstämme die Arminius ihre Unterstützung zugesagt hatten und wusste um ihre Anmarschwege. Und wer Kenntnis über diese großen Zusammenhänge besaß, der weiß auch noch etwas anderes. Denn der erkennt auch, dass die Germanen nicht nur eine reelle Chance hatten den Sieg davon zu tragen. Dem erschließt sich auch frühzeitig wer als Gewinner den Platz verlassen würde. Selbst wenn er innerlich das Ansinnen verspürt haben sollte Varus warnen zu müssen, so wird ihn allein schon dieser Umstand davon abgehalten haben. Denn unter derartigen Bedingungen stellt man sich nicht mehr und das angeblich sogar noch, sozusagen in letzter Sekunde auf die Seite eines möglichen späteren Unterlegenen. Ganz im Gegenteil, denn dann sucht man rechtzeitig die Nähe zur anderen Seite. Überzeugend hätte er gewirkt, wenn er sich mit allen Konsequenzen klar positioniert hätte. Dann hätte er sich in seiner Handlungsweise ultimativ und alternativlos gegen sein Volk und gegen die Arminen Cherusker aussprechen und sich voll auf die Seite der Römer stellen müssen. Wenn auch seine Sippe Arminius zuneigte, so hätte dies nicht für ihn gelten brauchen. Er hätte sich demonstrativ neben Varus stellen können, hätte ihn auf dem Marsch sogar begleiten können und hätte auch für ihn gegen sein eigenes Volk die Waffe schwingen können und müssen, wenn er seinen Worten Gewicht hätte verleihen wollen. Er tat es nicht. Vor diesem Hintergrund wirkt seine angebliche Warnung bereits wie eine plumpe Ausrede die glauben konnte, wer wollte. Auch aus dieser Indizienkette lässt sich ableiten, dass auf Segestes auch das harte Wort Lügner angewendet werden könnte, denn er log insofern, als dass es von ihm weder eine einzige noch mehrere Warnungen gab. Interessant wäre es in diesem Zusammenhang auch die Fragestellung aufzuwerfen, was aus Segestes im umgekehrten Fall geworden wäre. Was wäre passiert wenn Varus, der wie man annehmen darf von Segestes mit keiner Silbe gewarnt wurde, dann doch aufgrund unerwarteter Fügung dem Massaker hätte knapp entkommen können, oder wenn Varus gegen alle Erwartungen die Schlacht sogar für sich entschieden hätte. Varus wäre dann mit seinen siegreichen Legionen in die Winterlager am Rhein weiter gezogen. Wäre aber im Frühjahr 10 + wieder gekommen. Und noch etwas. Er hätte dann auch wieder über seine ursprüngliche Sollstärke verfügen können, da ihm weitere Legionäre aus dem Dalmatienkonflikt zugeflossen wären, die ihm im Herbst 9 + noch fehlten. Mit einem Großaufgebot hätte Varus eine Strafmaßnahme umgesetzt und den fälligen Rachefeldzug gegen die Cherusker geführt. Dann aber gegen alle Cherusker. Und er hätte auch vor Segestes nicht halt gemacht, der sich in den Krieg mit hinein ziehen ließ. Auch Segestes hätte dann bei Varus keine Gnade gefunden. Aber wie sich Segestes vor dieser schicksalhaften Wende hätte absichern können, falls Rom tatsächlich gesiegt hätte, soll hier nicht zum Gegenstand weiterer Spekulationen werden. Es sollte aber auch nicht unerwähnt bleiben, denn auch diese Möglichkeit könnte sein Verhalten beeinflusst haben. Aber er brauchte diese Möglichkeit nicht in seine Entscheidung einbeziehen, da er keinen römischen Sieg erwartete. Aber zurück zum Versuch die Theorie lebendig werden zu lassen. War also Segestes später sogar selbst auf dem Kriegsschauplatz aktiv, so musste ihm auch bekannt gewesen sein, wo bzw. auf welchem Streckenabschnitt es zum Gefecht bzw. zum ersten Aufeinandertreffen kommen sollte. Denn der Nethegau war auch ihm nicht unbekannt und die Methodik verrät, dass die Germanen nicht völlig strategie- und kopflos, konfuse oder vom Zufall abhängig, irgendwo am Wegesrand dem römischen Marschzuges aufgelauert und auf die Legionäre gewartet haben um dann blindlinks los zu dreschen. Denn das vorherige Ausschalten der Abstellungen, also des zivilen Trosses und andere belastbare Hinweise lassen eine gut durchdachte und vielleicht sogar schon langfristig angelegte germanische Strategie erkennen. Cassius Dio bestätigte uns ihre, nennen wir sie Weitsicht, also die frühzeitige Vorbereitung für den Tag des großen Kraftaktes in seiner Textstelle 56.18–22. Er stellte es darin so dar, als ob man das Imperium schon von Beginn an bewusst in eine abwegige Region lockte. Dahin wo sich ihnen keine schiffbare Ostwestverbindung mehr bot, denn die Weser fließt bekanntlich nach Norden und wo man zudem noch den aufwendigen Wegeausbau anzugehen hatte. Man zwang Rom auf diese Weise in Anreppen alles umladen und alle Marschbewegungen, seien sie von logistischer oder militärischer Natur auf den Landweg verlegen zu müssen. Und das Wegstück vom Oberlauf der Lippe bis an die Weser hatte es in sich und war ungleich beschwerlicher, denn sie mussten immer den Eggeanstieg von beiden Seiten aus bewältigen. So spricht aus den Worten von Cassius Dio im übertragenen Sinne auch die an anderer Stelle überlieferte Kernaussage, dass die Germanen das Land und die Natur für sich kämpfen ließen. Rom ließ sich leicht verführen und daran könnte schon Segimer beteiligt gewesen sein. Denn nach dem Rhein erkannte man im Imperium in der Weser bereits das nächste Okkupationsziel, verkannte aber die geographisch kritische Lage. Des Weiteren brachte Cassius Dio zum Ausdruck wie geschickt man damals in Germanien vorging in dem man sich für einen entfernt lebenden Stamm als Zielort entschied und ihn vorschob, also keinen der im Nahbereich zum Sommerlager oder zum Hellweg siedelte. Vor allem hielt Cassius Dio fest, dass man Varus in dem Glauben ließ im Freundesgebiet unterwegs zu sein. Was auch für den ersten Marschtag noch vollumfänglich zugetroffen haben mag, denn von Höxter nach Brakel bewegte man sich im Cheruskerland. Aber seine Bemerkung gipfelt in der präzisen Aussage, dass alles nach einem „abgesprochenem“ Plan verlief. Ein Ablauf dem eine eindeutige Strategie zugrunde lag. Aber demzufolge auch einer Taktik folgte die Segestes gekannt haben muss. So sollte also auch Segestes gewusst haben, welchen Weg er dort hin zu nehmen hatte und wo, wenn nicht auch er selbst, so doch seine Sippe sich in die verabredete Gefechtsphalanx der Germanen einzufügen hatte um effektiv zu sein. Da nicht überliefert ist, dass Segestes gemeinsam mit Varus das Sommerlager verließ, sondern nur Arminius gemeinsam mit Varus ritt, könnte sich Segestes erst am zweiten Tag, dann aber wohl unmittelbar „an die Front“ begeben haben und da er und seine Sippe nicht aufs Geratewohl aufgebrochen sein dürfte, wird er auch die Zielrichtung gut gekannt haben. Aber alle diese sehr aufschlussreichen Details erfuhr Varus von keiner Seite und auch nicht aus dem Munde von Segestes. Darüber ließ man ihn im Unklaren, obwohl genau das dazu hätte führen können, dass Varus Segestes die ernsthafte Bedrohung da detailgetreu geschildert hätte abnehmen können. Denn diesem präzisen Wissen über den Ablauf hätte Varus auch nichts mehr entgegen setzen können und hätte ihm glauben müssen. Allesamt dürfte Segestes bereits ausgereifte Pläne zumindest aber Gedanken gehabt haben, die er aber dieser Theorie nach Varus gegenüber am Vorabend des Ausmarsches verschwiegen hat. Denn zum besagten Zeitpunkt am Vorabend sollte Segestes schon genau gewusst haben, wie er sich später selbst verhalten würde. Und der Vorabend wäre demnach auch der richtige Zeitpunkt für ihn gewesen, dem Feldherrn gegenüber Schritt für Schritt die Strategie der Germanen offen zu legen, um Varus von der Ernsthaftigkeit der Gefahr zu überzeugen und um ihm die Schlacht bzw. Niederlage zu ersparen. Es war die letzte Möglichkeit, denn danach sah er ihn wohl nie wieder. Er hätte Varus also beim Gastmahl in jedem Fall sagen müssen, dass auf ihn eine größere Auseinandersetzung zukommen würde und diese nicht vergleichbar mit dem sei, was ihn bei den so genannten Aufrührern erwarten würde. Das es auf einen möglicherweise mehrtägigen Zermürbungskampf hinaus laufen würde, das es zu keiner offenen Feldschlacht kommen würde und auch das der Kampf nicht zentriert nur dort statt finden würde, wo er die Aufrührer anzutreffen gedachte. Das Stammesgebiet jener Rebellen wo er seine Konvention, wie Florus es nannte, also eine Versammlung bzw. einen Gerichtstag abhalten wollte. All dies unterließ Segestes letztlich, denn von seiner vermeintlichen Warnung lesen wir „nur“ im Geschichtsbuch, einem dicken Buch in dem leider zu oft „nur“ Geschichten stehen. Ereignisse die oft alle so nicht zutrafen, wie wir es heute annehmen. Sicherlich verschwieg es Segestes ihm nicht aus Gründen der Peinlichkeit, weil er befürchtete, Varus möglicherweise später sogar noch auf dem Kampfplatz selbst hätte begegnen können. Denn wie anders sollte man auch die Textstelle auffassen, wo nach sich Segestes noch „in den Krieg mit hinein ziehen ließe“. Wobei allerdings in Historikerkreisen auch die Auffassung vertreten wird, dass damit gemeint sei, Segestes habe sich erst nach der Varusschlacht gezwungen gesehen am Aufstand gegen Rom teilzunehmen. In diesem Fall sei dann aber die Frage erlaubt, an welchen Aufstand die Historiker dabei gedacht haben mögen. Denn davon ist nichts dergleichen überliefert. Offensichtlich tut man sich mit der Vorstellung schwer, Segestes habe sogar selbst wie seine Männer auch gegen Varus zur Waffe gegriffen. Denkt man alle historischen Hinweise zu Ende dann wäre Segestes bei seinen Warnungen, hätte es sie gegeben bewusst unpräzise geblieben. Denn desto mehr Hintergrundwissen er gehabt und Varus offenbart hätte, um so exakter wären dann auch seine Informationen an ihn ausgefallen und um so glaubwürdiger wäre er auch ihm gegenüber gewesen. Dann hätte Varus sich anders verhalten müssen. Segestes hätte sich dann aber auch selbst einer nicht minder großen Gefahr ausgesetzt nämlich der als Doppelspion zu agieren. Denn dann hätte sich Segestes bei diesen Detailkenntnissen auch auf die Frage von Varus vorbereiten müssen, woher dieser denn genau wusste, was die Germanen so alles gegen ihn im Schilde führten. Denn wer über so viel Insiderwissen verfügte, der könnte auch schon am Komplott gegen ihn mit gewirkt haben und der würde nicht noch 5 Minuten vor 12 die Front wechseln. Dies hätte ihn zweifellos sehr verdächtig gemacht und am Ende hätte dann nur einer in Fesseln gelegen, nämlich Segestes. Varus hätte hinter seinen Worten dann sogar möglicherweise ein geschicktes Täuschungsmanöver ganz anderer Natur und mit völlig anderem Hintergrund sehen können. Etwa ein Segestes der den Auftrag hatte Rom in eine völlig andere Position zu dirigieren. Vielmehr stehe ich allerdings für die Behauptung, dass Segestes Varus gegenüber in Gänze schwieg, es keine Warnung und demzufolge auch keinen Verrat von seiner Seite gab und sich andere Spekulationen erübrigen. Dieser Dissens in der Wahrnehmung und Gewichtung der alten Überlieferung muss auffallen, wenn man versucht die Szenerie nach menschlichem Ermessen zu greifen und nachzuspielen. Erst diese Vorgehensweise lässt uns auf die verschwiegenen Lücken innerhalb der historischen Berichterstattung stoßen. Folglich unplausible und halbherzige Warnungen auszustoßen um dann doch noch gegen Varus mit zu kämpfen, da Beute lockt, oder weil man sich vom Volk genötigt fühlt, wirkt widersprüchlich und macht wenig Sinn. Gleiches gilt für die in historischen Kreisen geäußerte Vermutung, Segestes habe sich erst nach der Varusniederlage den späteren römischen Rückzugskämpfen, also gegen Aliso oder die Lippekastelle angeschlossen. Aber nicht nur das Volk wird Segestes unter Zugzwang gesetzt haben auch seine eigene Familie und Sippe wird Einfluss ausgeübt haben, dem er sich nicht entziehen konnte. So musste er sich im entscheidenden Moment doch mehr zur germanischen als zur römischen Sache bekennen. Jedenfalls wird auch an dieser Stelle deutlich um wieviel enger der oft unterschätzte Protagonist Segestes gegenüber Arminius mit in die Ereignisse verstrickt war und nicht viel Wahlfreiheit besaß. Er erwartete oder erhoffte vielleicht sogar einen römischen Sieg, konnte aber auch eine Niederlage nicht völlig ausschließen, was dann für ihn bedeutet hätte auch weiterhin entweder mit den siegreichen unter Umständen aber auch mit geschlagenen Germanen zusammen leben zu müssen. Aber das Risiko sich mit seiner Sippe direkt dem Rückmarsch in die römischen Winterlager am Rhein anzuschließen schien ihm dann doch zu groß gewesen zu sein. Mit anderen Worten ausgedrückt fällt es schwer für diese Faktenlage andere Argumente aufzutischen als die von mir vertretenen. Denn wer am Vorabend der Schlacht noch seinen vermeintlichen Freund Varus gewarnt haben wollte um dann gegen ihn am übernächsten Tag und nur rund 4o Stunden danach selbst das Schwert zu ziehen, lässt kaum andere Schlüsse zu, als dass es keine Warnung gab. Wenn sich ein von außen als Germane erkennbarer Kämpfer wie Segestes im Kampfbereich sehen ließ, musste er auch davon ausgehen von römischen Legionären sowohl erkannt als auch angegriffen zu werden und sich verteidigen zu müssen. Somit verstrickte er sich, selbst wenn er etwas passiver auftrat, mitten ins Gefecht. Wäre es anders gewesen, hätte der strahlende Sieger Arminius ihn, den Verräter auch nicht sechs lange Jahre nach der Schlacht in seinem Umfeld geduldet und ihm den Frieden gelassen. Und das auch dann nicht, wenn er mit ihm verwandt gewesen wäre. Aber die reale Geschichte schlug wohl andere Wege ein und schließlich ging für die Germanen alles gut aus. Schließlich „durfte“ Arminius der Widersacher fünf Jahre nach der Varusschlacht noch seine Tochter Thusnelda schwängern und so etwas passierte im alten Germanien sicherlich nicht hinter dem Rücken des Schwiegervaters, sondern war eine abgesprochene und eingefädelte vor allem aber traditionelle und übliche Verbindung unter den Fürstenhäusern (01.02.2021)

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