Donnerstag, 2. April 2020
Das Rom der Antike war unserer Zeit schon sehr ähnlich - Strabo spornt unsere Phantasie an.
Nach Manilius und Ovid konnte uns auch Strabo mit dem Wenigen was er in den Jahren 17 oder 18 + nieder schrieb nichts Näheres über das Leben, Wirken und Tun des Segestes in Ostwestfalen berichten. Wir erfahren von ihm lediglich, dass Segestes nicht die Ansichten des Arminius teilte, was sich aber eher minder dramatisch anhört und keinen Rückschluss auf einen tiefer gehenden Disput zulässt. Aber wir können aus seinen Zeilen heraus lesen, dass Segestes schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine andere Meinung vertrat als Arminius. Worauf sich diese Meinungsunterschiede bezogen hatten bleibt unklar, sie dürften wohl mit dem römischen Vordringen nach Ostwestfalen zu tun gehabt haben, was auch das Verhalten von Varus mit eingeschlossen haben dürfte. Segestes stand also nach Strabo in mancherlei Hinsicht im Widerspruch zu Arminius, was die Einschätzung der damaligen Lage anbetraf. Und dies soll der griechischen Übersetzung nach sogar schon „von Anfang an“ der Fall gewesen sein. Womit uns Strabo wieder einmal neue Denkaufgaben mit auf den Weg gibt, die sich in mehrere Gedankenketten aufsplitten lassen. Zu Beginn muss daher erst einmal die Frage gestellt und möglichst beantwortet werden, was Strabo unter der Begrifflichkeit des „von Anfang an“ verstanden haben könnte. Das Strabo sich dabei eindeutig auf Arminius bezog und er nicht den Namen seines Vaters nämlich Segimer nennt, weist darauf hin, dass sich schon zu diesem recht frühen Zeitpunkt die Machtfrage in Richtung Arminius gedreht, also verschoben hatte. Doch wie sollte man dies zeitlich einstufen, denn Strabo sagt uns dazu nicht genau was er unter „Anfang“ versteht. Es konnte natürlich und was auch plausibel wäre, zu einer Meinungsverschiedenheit beider nur gekommen sein, wenn sich Arminius auch in seiner Heimat aufhielt, wo sie beide in Kontakt zueinander standen. Der allgemeinen Theorie zufolge nahm neben Tiberius und Paterculus auch Arminius am Pannonischen Krieg teil, der etwa im Sommer 6 + urplötzlich ausbrach. Da diesem Krieg der unvollendete Markomannen Feldzug im Frühjahr 6 + voraus ging könnte man annehmen, dass Arminius mit weiteren germanischen Hilfstruppen bereits am Feldzug gegen Marbod beteiligt war, bevor er mit den Legionen den Schwenk nach Süden vollzog um mit in die Kämpfe in Pannonien einzugreifen. Er könnte aber auch wegen erhöhtem Truppenbedarf auf Anforderung von Tiberius direkt nach Pannonien aufgebrochen sein, ohne vorher gegen Marbod zu ziehen. Ob nun im zeitigen Frühjahr oder erst im Sommer des Jahres 6 +, so könnte Arminius in diesem Jahr etwa 23 Jahre alt gewesen sein. Er verließ seine Heimat im Verlauf des ersten Halbjahres 6 + und hatte sein Stammesgebiet seit dem, also einige Jahre nicht gesehen. Die Kämpfe in Pannonien endeten im Jahre 8 + für Rom siegreich und Arminius könnte demzufolge unmittelbar danach mit seinen Gefolgsleuten nach Ostwestfalen aufgebrochen sein und so hätte er ungefähr zwei Jahre für Rom gedient. In etwa der gleichen Zeit könnten sich möglicherweise auch die ersten römischen Legionen, die für den Dalmatinischen Krieg nicht mehr gebraucht wurden angeschickt haben wieder ihre alten Standort Quartiere am Niederrhein aufzusuchen. Das Arminius noch selbst im Dalmatinischen Krieg des Jahres 9 + kämpfte, schließe ich wegen der zu geringen Vorbereitungszeit für die Varusschlacht bzw. der zeitlichen Überschneidung aus. Aber Teile bzw. Vexillationen der drei varianischen Legionen wird man noch im Dalmatinischen Krieg gebraucht haben. In Anbetracht der Umgekommenen oder der Verletzten die der Kriegsschauplatz an der Donau forderte, dürften Varus für seine Schlacht wie in einem der letzten Abschnitte ausführlicher dargestellt im Herbst 9 + viele kampffähige Männer gefehlt haben. Als sich Arminius im Alter von etwa 23 Jahren im Jahre 6 + mit germanischen Hilfstruppen den römischen Legionen anschloss, konnte er noch nicht in einer führenden Position innerhalb der Cheruskersippe gewesen sein, da diese in der Zeit noch sein Vater Segimer inne hatte. Arminius war daher wohl vor dem Jahre 6 + auch noch kein angemessener Gesprächspartner für Segestes, der seinem Vater in etwa gleichrangig gestellt war. Zu einer ernst zunehmenden Führungsperson in der Nachfolge seines Vaters dürfte Arminius erst nach seiner Rückkehr aus Pannonien aufgerückt sein. Die frühen Anfänge von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Segestes auf die sich Strabo bezog, könnten demnach erst nach seiner Rückkehr im Jahre 8 + aufgetreten sein. Eine Phase in der das Willkür Regime eines Varus erste negative Auswirkungen zeigte. Aber Strabo lässt nicht erkennen, dass diese voneinander abweichenden Meinungen und Ansichten zwischen Arminius und Segestes so weit gingen, dass aus ihnen ein offener Zwist wurde. Anderer Auffassung zu sein ist nichts Ungewöhnliches und in der Regel kein Grund um zu den Waffen zu greifen und auch nicht um so weit zu gehen annehmen zu können, es sei Verrat im Spiel gewesen. Zweifellos klingt aber alles bereits nach einem Vorspiel zu dem was noch kommen sollte. Aber Strabo konnte oder wollte uns in diesem Zusammenhang noch nichts über die vermeintlichen Warnungen eines Segestes an Varus berichten, weil er wie ich schlussfolgere davon keine Kenntnis hatte. Es werden lediglich Animositäten zwischen Arminius und Segestes deutlich, aber es lässt sich bei Strabo daraus kein Bezug auf die zentrale Figur des Varus und sein Verhältnis zu Segestes herstellen oder ableiten. So lässt sich dies natürlich erst Recht noch nicht der verklärenden Lyrik entnehmen, wie sie vor ihm Ovid an den Hof des damaligen Kaisers Augustus lancierte. Eine Fiktion die Ovid sich vermutlich in einer äußerst trübsinnigen und tiefsinnigen Stimmung zusammen reimte, woraufhin man seinem Gesamtwerk auch den Namen „Tristia“ gab. Dennoch verrät Ovid`s zu Papier gewordener dichterischer Wunschtraum in gewisser Weise verblüffende Ähnlichkeit zu dem, was uns Strabo später mit eigenen Worten beschrieb. So möchte man hinter seiner Tristia, die er nur wenige Jahre vor Strabo`s realem Triumphzug sehnsüchtig auf Rückkehr nach Rom dürstend, aus seiner Feder tropfen ließ in Teilbereichen schon fasst hellseherische Fähigkeiten erkennen. Und es lassen sich darin in Ansätzen schon fasst Spuren des wahren Triumphzuges entdecken, so wie er sich dann am 26. Mai 0017 tatsächlich zugetragen hat. Aber die phantasievolle Darstellungskunst des Ovid verwundert nicht, denn er wusste wie man in Rom Triumphzüge inszenierte und es bedurfte für ihn keiner besonderen Gabe daraus eine Vision erstehen zu lassen. Das staatstragende Großereignis von dem Ovid wohl am fernen Schwarzen Meer, wo er auch verstarb schon nichts mehr erfahren hat. So war es auch immer das nur scheinbar Identische oder Übereinstimmende was unser besonderes Erstaunen ausgelöst hat. Denn die Voraussetzungen zwischen beiden Überlieferungen konnten unterschiedlicher nicht sein. Hier der Traum, dort die Realität. Was aber Ovid seinen inneren Phantasmen nicht entlocken konnte gelang Strabo einige Jahre später, denn er stand wie man annehmen darf, in Rom selbst unter den Zuschauern. Und von ihm erfuhren wir sogar etwas über die Bedeutung jener Germanen, die er uns mit Namen überlieferte. Personen die an dieser für unsere heutigen Vorstellungen skurrilen und unsäglich zu nennenden Darbietung mitwirkten. Während er für die Menschen die zur Teilnahme erniedrigt und gezwungen wurden keine Namen hatte. Ein Ereignis in dem auch innenpolitische Tragweite, Brisanz und sicherlich kaiserliche Nabelschau mitschwang. Denn in den Wandelgängen wurden wie überall, unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Weichen der Diplomatie gestellt. Hier ging es nicht einzig nur um Germanien, hier trafen sich die „akkreditierten“ Größen der Zeit und wo auch über die weitere Verwendung von Germanicus die Entscheidung fiel. Aber im Triumphzug lag etwas Monströses, dass in uns bereits beim Lesen des Wenigen Gänsehautschauer hervorruft und uns damit schlagartig bewusst werden lässt, in welch graue und raue Zeiten der Zivilisation wir hier geistig zurück kehren müssen, wenn wir verstehen wollen. Wir möchten uns immer wieder dieses Spektakel vor Augen halten und stellen uns alles vor wie eine gigantische, scheinbar nie enden wollende bunt gemischte Parade und Glitzershow. Und alles klingt für uns, da wir von der Ausdruckskraft amerikanischer Monumentalfilme sträflich voreingenommen sind nach einem kolossalen Siegeszug. Geschundene Menschen wie sie durch die Straßen von Rom getrieben wurden und die Luft erfüllt war vom Geschrei und Gestöhn der Opfer und der Schaulustigen. Aber liegen wir überhaupt richtig, wenn wir uns an die Stelle der Zuschauer begeben und dabei an ein trunkenes, weinseeliges Tamtam denken, dass in scheinbar ungeahnter Dimension die Stadt fasst zum Bersten brachte und bei dem Brot im Überfluss ausgegeben wurde. Wir wissen es nicht, können es uns aber in etwa vorstellen, da uns römische Sitten und Gebräuche historisch gut überliefert sind. Hinzu kommt, dass die damalige Unterhaltungsbranche imstande war phantasiereich zu agieren, sich zu inszenieren und es für das Volk annehmlich zu gestalten. Viele Ausgrabungen und die im Imperium zahlreichen noch vorhandenen Arenen verdeutlichen uns noch heute sehr anschaulich was man vor 2000 Jahren unter Volksbelustigung verstand. Wir sehen förmlich vor unserem inneren Auge einen sich wabernden Menschenknäuel bestehend aus Germanen und deren Bewachern und vielleicht sogar enge Verwandte von Segestes mit voraus getragenem Namensschild in „latinisiertem Germanisch“. Und unter den besonders gequälten wohl auch unmittelbare Landsleute von Arminius, wie sie sich in schmachvoller Unterwürfigkeit gesenkten Hauptes fortzubewegen hatten. Hier kommt uns auch nochmal Ovid zu Hilfe, der uns mit seiner gekonnt ausformulierten Beschreibung ungewollt dabei half und unterstützte unser Vorstellungsvermögen zu schärfen. Aus der erhöhten Position einer Empore, alles genüsslich betrachtend wohnten Tiberius und Germanicus mit Lorbeeren bekränzt und in strahlender Siegerpose samt Hofstaat dem Spektakel bei. Mit auf der Tribüne auch Segestes von dem wir aber annehmen dürfen, dass er sich dabei in seiner Haut nicht sonderlich wohl fühlte. Denn Strabo beschreibt ihn etwas zwitterhaft. Es kommt bei ihm zum Ausdruck, dass er zum einen beim Triumphzug anwesend war. Das es für ihn aber unvermeidbar war sich dort auch mit seinen nächsten ungeratenen Verwandten zeigen zu müssen. Das dies aber nichts ehrenrühriges darstellte, seiner Ehre also keinen Abbruch tat. Strabo schob also einen unsichtbaren Riegel zwischen Segestes und dem mit unrühmlichem Makel behafteten Teil seiner Familie, insbesondere aber zu seiner Tochter und ihrem Sohn, dessen Vater Arminius war. Eine Szenerie die schwer in Worte zu kleiden ist und für Strabo zu einer literarischen Herausforderung wurde. Aber aus seinem rhetorischen Spagat wird deutlich, wie mühsam es auch für Segestes gewesen sein musste, diese Distanz für alle glaubhaft und sichtbar aufrecht erhalten zu können. Keiner durfte in diesen schwierigen Stunden an seiner Loyalität zweifeln. Denn sein Auftreten beim Triumphzug musste inhaltlich und äußerlich überzeugend zu den Hinweisen passen, die er damals an Varus gegeben haben wollte. Dem römischen Volk konnte es gleich sein. Denn es war für die Menschen kein ungewohnter Anblick und tags darauf begann für sie wieder der Alltag. Aber wie sah es zur gleichen Zeit in den Weiten Germaniens aus, dort lebte man vor 2000 Jahren abgeschnitten und isoliert von der mächtigen Kapitale Rom und erfuhr nichts vom bunten Treiben in der pulsierenden Hauptstadt des Großreiches in Mittelitalien. Das galt besonders für den aufreibenden Triumphzug über den uns nur Strabo berichtete. Die Uhren für die Raum übergreifenden Nachrichtenströme nach Norden tickten damals noch sehr langsam und standen zeitweise lange still. Antike Metropolen kannte man in Westfalen im Höchstfall nur vom Hörensagen und erst recht waren pompöse Veranstaltungen wie etwa dieser Triumphzug den man für Germanicus ausrichtete für die Germanen der Zeit unvorstellbar. Was aus der Mittelmeerregion an Informationen zu ihnen tröpfelte, dürfte auch vielfach als unglaubwürdig abgetan worden sein. Frei aber sinngemäß nach der alten Weisheit „Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich.“ könnte man diesen Satz auch darauf anwenden. So war auch vom Triumphzug für Germanicus in Ostwestfalen nichts zu spüren. Segestes entkam damals mitsamt einigen engen Familienangehörigen und Vertrauten und überließ im Frühjahr 15 + seinen alten Herrschaftsbereich Halsüberkopf möglicherweise anderen Fürstensippen vielleicht aber auch der seines Rivalen Segimer. Seit dem befand sich Segestes unter der Kontrolle von Germanicus und wer von den zurück Gebliebenen stellte danach schon viele Fragen nach seinem weiteren Verbleib oder was aus ihm wurde. Man könnte die Meinung vertreten, dass es auch sein Gutes hatte, dass man in Germanien von all den Dingen die im Zuge des Triumphzuges vor sich gingen lange Zeit nichts wusste und nichts derartiges ahnte, denn es hätte zu überstürzten und unkontrollierten Racheausbrüchen führen können. Einzig Arminius war wegen Frau und Kind persönlich vom Schicksal schwer getroffenen. Auch zu ihm wird die schmerzliche Nachricht zeitversetzt irgendwann durch gesickert sein. Aber er wird auch erkannt haben, dass er sich mit den Gegebenheiten des Verlustes beider abzufinden hatte. Aber die Schmach, die man ihm persönlich in voller Absicht damit antat, traf ihn sicherlich tief, als er davon erfuhr, so wie es uns auch überliefert wurde. Betrachten wir nun einmal das Ganze von dieser Warte aus, folglich aus der Sicht der Germanen, würden aber heutige Maßstäbe ansetzen. Man stelle sich vor, ein einfacher Germane aus dem Lipperland hätte sich seiner gewohnten Umgebung entrissen und konnte schon damals einen Flug nach Rom buchen, um sich das Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Er erkannte vielleicht Männer seines Stammes wie sie nun im Staub lagen und hätte dabei sicherlich nicht applaudiert. Im Gegenteil, Zorn wäre in ihm aufgestiegen und er hätte nach seiner Rückkehr aufgebracht über das Geschehene berichtet. Und dies hätte möglicherweise auch Konsequenzen gehabt bzw. zu Rebellionen geführt. Dafür fänden sich nach heutigen Sprachgebrauch so gehobene Worte wie die von einem zwischenstaatlichen Zerwürfnis, über das Überreichen einer Protestnote bis hin zur Einbestellung des Botschafters des beschuldigten Landes reichen würden, ganz so wie es die internationalen Regularien vorsehen. Insgesamt aber schon ein diplomatisches Reglement wie es sich auch schon im römischen Imperium in den frühen Grundzügen erkennen ließ. Wäre man in Germanien seinerzeit auf der Höhe unserer Zeit gewesen, so könnte dies das gängige Prozedere gewesen sein und mit etwas Phantasie beflügelt, wäre folgender Ablauf denkbar. Spinnen wir also den Faden weiter dann drifte ich mal etwas ins Humoristische ab und es klingt in etwa so. Radio Germania – Magna. Wir unterbrechen unser Programm „för ne wichtech“ Durchsage. - „Mer verston et nit, un mer könne et koom glöwe“. Wie wir „et eban hoeren möten“ wurde im „Winnemânôth för de“ Feldherr Germanicus in Rom „a risich Fira“ veranstaltet. Viele in „haptbandum“ vorgeführte Männer aus unseren „Gawi“ wurden in „cuoniouuidi“ gebunden am „groten Käsa“ vorbei geführt und hatten „ne mords Pinn“ zu erdulden. Wir im „franken“ Germanien sehen darin „open un ährlich jeseit ne“ Akt der offenen Provokation gegen all unsere Stämme und Sippen bis „danauf“ ans „suewische“ Meer. Das Ereignis beweist uns, „dat de“ Tiberius 16 + den Waffenstillstand „nit kundt jetan hätt“ um mit uns in Frieden leben zu wollen. „Vie möten us fürhten, datt he een un en anner mol“ unser Land mit Krieg überziehen wird, wenn er seine Legionen wieder aufgefüllt hat und über genügend Waffen und Pferde verfügt. Er hatte nie die Absicht unsere Würde zu achten und hat es trotz unseres Anerbittens abgelehnt auf den Triumphzug zu verzichten. Wir werden ein solches Verhalten der römischen Okkupationsmacht nicht dulden und zu gegebener Zeit in angemessener Weise reagieren. Und dazu kam es dann möglicherweise auch zu einem späteren Zeitpunkt, man griff in Germanien nochmal zu den Waffen und hielt sich an keine Vereinbarungen und Verträge mehr. Und fühlte sich daher auch nicht mehr an die einstige Zusage gebunden römische Schiffbrüchige unversehrt an den Rhein zurück kehren zu lassen. Womit sich ein weiterer Argumentationskreis zur Schlacht bei Kalkriese aufbauen ließe. Aber zurück zu Strabo, aber auch zu Ovid und zudem was sie noch zu sagen hatten. Strabo hingegen konnte Ovid etwas Reales entgegen halten. Er sah die zwei Machtmenschen wohl noch mit eigenen Augen, was bei Ovid ein unerfüllter Wunsch blieb. Aber nun hatte sich der Kaiser durch gesetzt, denn er verhinderte ein Jahr zuvor, dass die andauernden Feldzüge in Germanien, die das Imperium nahezu ausbluten ließen, ohne das sich ein Erfolg einstellen wollte, beendete. Wie überlieferte es uns Tacitus noch gleich in seinen Annalen 2,5-10, „Sein (Germanicus) Heer leide nicht so sehr durch das feindliche (germanische) Schwert, als durch die weiten Märsche und den Verlust an Waffen und Gallien sei der Lieferung von Pferden müde“.  So lässt sich ein logistisches Desaster in Worte kleiden, wenn der Nachschub ausbleibt. Trotz alledem vertrat Tacitus aber andererseits auch die optimistische Meinung, dass Germanicus am Ende sogar hätte siegen können. Vergessen wir aber nicht, dass Tacitus dies erst lange Zeit danach und auf Basis eines völlig anderen Wissensstandes nieder schrieb. Strabo ist aber nun unbestritten der Mann, der uns das erste Licht in das Dunkle der illustren Teilnehmerschaft des 26. Mai 0017 brachte und der uns den Kontrast erkennen lässt, wodurch sich seine Darstellungen von den schillernden Metamorphosen des Ovid, die von ihm nur wenige Jahre zuvor verfasst wurden unterscheiden und abheben. Strabo der am 26.5.0017 vielleicht „nur mal so“ durch Rom schlenderte, wie man es annehmen könnte, überlieferte uns, wie nicht anders zu erwarten, alles nur in so weit, wie er es auch selbst wusste, beurteilte, beobachtete oder im Detail auch erst später erfuhr. Und sicherlich hatte und musste er auch diverse Dinge und Verläufe vielleicht auch nur aus profanen Gründen heraus weg gelassen, weil sie nicht sein Interesse weckten und ihm nichts bedeuteten, denn er wollte Fakten hinterlassen. Aber ungeachtet dessen, können wir ihn auch nicht ganz davon frei sprechen, wenn es darum geht ihn zu hinterfragen, was er wusste, was er uns wissen ließ, aber vor allem was er uns wissen lassen wollte. Denn er wusste sicherlich noch einiges mehr, was er uns aber verschwieg bzw. auch verschweigen musste. Ein ewiges Dilemma in das uns alle Historiker stürzen, ob wir sie Antik oder Neuzeitlich nennen. Denn eine neutrale Geschichtsschreibung gibt, gab und wird es auch nie geben. Da nutzen auch die vielen Staaten übergreifenden Schulbuchkonferenzen nichts. Und es ist wohl noch schlimmer als gedacht, denn selbst Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Historikeraussagen helfen oftmals nicht weiter, denn auch diese könnten tendenziell ausgerichtet und formuliert worden sein, so dass selbst das Hinzuziehen anderer Quellen weiteren und damit wieder neuen Schwachstellen Tür und Tor öffnet. Aber an irgend etwas wollen wir uns fest halten können und da müssen wir immer ganz tief hinter die Bühne und in die Requisitenkammer der Weltgeschichte blicken. Nämlich bis dort hin wo die Komparsen, Kulissenschieber und Statisten der Historie die wahren Berichte über Leid und Leben in der alten Zeit schrieben. Aber diese Stimmen bleiben für gewöhnlich stumm, da sich für ihr Alltagsleben kaum einer interessiert. Graphittiartige Hinterlassenschaften an den Wänden beispielsweise in den Katakomben des Collosseums in Rom bringen uns da schon eher auf die Spur jener Menschen die wir suchen. Haben wir denn jemals erfahren, wie halb tote und verstümmelte Römer oder Germanen medizinisch versorgt wurden, wo man sie achtlos liegen ließ und wie man mit ihnen umging, bis sie irgend wann qualvoll verendeten, ob erfroren, verbluteten, verdursteten oder Tiere sich über sie her machten. Hier war Krieg und Schlachten und hier starb man und hier endete auch sehr schnell das, was uns die Geschichtsbücher von der Varusschlacht zu berichten wussten. Und wenn sich Kaiser Augustus keine Überlebenden in Italien wünschte, so wollte er auch nicht, dass man in Rom erfuhr, wie erbärmlich es in Ostwestfalen, so wie in allen Kriegen zugegangen ist. In der Endphase, als der römische Generalstab versagte, die komplette Übersicht verlor, hilflos umherirrte, alles im Chaos der letzten Stunden versank und man sich nach und nach ins Schwert stürzte, abschlachten oder abführen ließ. Es waren die typisch grässlichen Stunden die Sieger und Verlierer immer völlig anders erlebten und natürlich auch später darstellten. Verlässliches aus der Zeit ist und wird bis in alle Zeiten immer Mangelware bleiben, aber man kann es sich vorstellen. Die entscheidenden Anekdoten könnten uns nur die Menschen liefern, die man nie befragte, weil sie sich nicht zeigten und deren Antworten für die große Weltgeschichte ohne Belang sind. Sie spiegelten die Wahrheit im eigentlichen Sinne wider die aber niemand wissen wollte, weil sie sich letztlich jeder denken konnte. Denn wenn das gleißende Kameralicht der Historienforschung erlosch besaßen oftmals die Menschen mehr Courage die man nie in blinkenden Rüstungen sah. Denken wir nur an die heutigen Geheimhaltungspflichten selbst in den modernen demokratischen Staaten und Gesellschaftsformen. Denn bei gewissen aktuellen und vor allem brisanten Ereignissen werden die genauen Verläufe auch oftmals erst lange nach dem Tod diverser Politiker zur Veröffentlichung frei gegeben. Was zu Misstrauen führt und Legendenbildung schürt, aber in Kauf genommen wird. Und das Veröffentlichen kann dann sehr lange dauern und das soll es auch nämlich bis sich später kaum noch jemand dafür interessiert als …., wer wohl, natürlich die trockene Historik. Die sich dann ihre Wahrheit oftmals zusammen basteln muss. Aber das hat System, ist Absicht, man nennt es Politik und Menschenführung, kennt aber auch noch viele andere und weniger schmeichelhafte Namen. Segestes überlieferte uns teilweise die Personennamen der Teilnehmer am Marschzuggeschehen des Jahres 17 +. Aber nicht für alle hatte er Namen parat und machte da einen Unterschied. Zweifellos war es ihm nicht möglich die Namen jener Gefangenen in Erfahrung zu bringen denen man Ketten oder Fesseln angelegt hatte. Sein besonderer Augenmerk galt dem unmittelbaren Anhang von Segestes. So verriet er uns Zusammenhänge über ihren Familienstand und ihre verwandschaftlichen Beziehungen untereinander, teilweise ihre Bedeutung und Funktion und noch etwas über ihren früheren Werdegang. Aber wir haben keine Vorstellungen davon wie und woher er sich sein Wissen erwarb. Er konnte nur den Eindruck wieder geben wie er sich vor seinen Augen abspielte, konnte vielleicht die eine oder andere Frage an diese oder jene Person im Umfeld oder andere Umstehende richten und bekam dann auch die dementsprechenden Antworten. So gelangte er wie auch immer zu der erstaunlichen Feststellung, dass „alle“ Germanen für die Niederlage des Varus büßen mussten. Wen er unter „alle“ verstand bleibt unklar. Dachte er an Personen oder an germanische Völker. Vermutlich meinte er die Germanen die Germanicus im Zuge seiner Feldzüge bekämpfte und was Strabo so aus der Ferne miterlebt hatte. Sein Hinweis auf „alle“ Germanen die büßen mussten kann sich daher vermutlich nur auf jene beteiligten Völkerschaften bezogen haben, die sich in einer Allianz gegen Germanicus und vorher gegen Varus zusammen geschlossen hatten um sich ihnen entgegen zu stellen. Andernfalls wäre es eine sehr mutige wie diffuse Aufzählung mit wenig Aussage – und Beweiskraft gewesen, denn die germanische Führungsriege bzw. die Hauptschuldigen an der Niederlage im Saltus konnte Rom nicht büßen lassen, denn sie ließen sich nie zur Rechenschaft ziehen und sie begaben sich bekanntlich auch nicht freiwillig in die Hände Roms. Die Germanen die Germanicus 17 + die Gelegenheit boten sich von ihm im Triumphzug präsentieren zu lassen, bestanden aus Gefangenen aber auch der Segestessippe samt Anhang. Auch jene Personen die sich einst erhofften als neue Führungsriege an der Weser von Germanicus installiert zu werden. Anführer, die man aber nicht so tief demütigte und nicht in einem Triumphzug zur Schau stellte. Aber auch eine ungenannte Zahl von Germanen erwähnt Strabo die aus völlig unterschiedlichen germanischen Stämmen und Völkern stammten und die als Gefangene deklariert wurden. Wie sollten es also „alle“, gebüßt haben. Ihr Auftritt am 26. Mai 0017 in Rom stand nicht für „alle“. Strabo`s Hinweis „alle“ bezog wohl eher auf jene Germanen, die Germanicus in Germanien in den vielen Jahren bekriegt hatte. So leitete er daraus ab, dass sie damit ihre Schandtaten gegen Rom zur Genüge gebüßt hatten. Ob man es so interpretieren kann, bleibt aber letztlich gleich, denn Strabo wollte verherrlichen und blieb uns in diesem Fall die von ihm gewohnte Präzision schuldig. Aber erstaunlicherweise konnte Strabo immerhin die erlauchtesten Personen unter den Germanen beim Namen nennen. Familienclanmitglieder die sich im Jahre 15 + hinter Segestes gestellt hatten um sich gemeinsam mit ihm und das bekanntlich nicht unbedingt aus freien Stücken heraus in die Hände von Germanicus zu begeben. Es würde sicherlich zu weit greifen anzunehmen, Segestes könnte gedanklich schon zu diesem Zeitpunkt Rückkehrpläne gehegt haben, wenn denn Germanicus dem Arminius Treiben ein Ende gesetzt hätte. Bei den Blutsverwandten des Segestes plus Corona handelte es sich allesamt um Personen aus dem Arminius gegenüber rivalisierenden Fürstenhaus um Segestes, obwohl einige von ihnen unter dem konkreten Verdacht standen, sogar selbst auf Seiten von Arminius gegen Varus gekämpft zu haben. Möglicherweise sogar Segestes selbst. Strabo hat uns also schon mit wenigen Worten einen tiefen Einblick in die Geschehnisse vermitteln können. Mit der Strabo Wortwahl des „büßens aller Germanen“ ist also nicht unbedingt der Bußgang pardon Triumphzug der Gefangenen im Mai 0017 zu verstehen. Denn es ist schwerlich vorstellbar, dass ausgerechnet jene die Varusniederlage hätten büßen sollen, die im Jahre 15 + aus freien Stücken auf Rom zu gingen und um Hilfe baten, während die eigentlich Schuldigen für immer unbehelligt bleiben sollten. Zu dem erweckt Strabo noch den irritierenden Eindruck, als ob Segestes nur auf eine sich bietende Gelegenheit gewartet hätte, um sich angesichts der durch Germanicus drohenden Gefahr in den Schutz Roms zu begeben. Strabo stellte den Wechsel von Segestes ins Lager des Germanicus also wie eine Tat dar, die aus freien Stücken heraus geschah und sah dahiner keinen Zwang. Denn Strabo verlor damals kein Wort darüber, dass es nur dazu kam, weil die Segestesschanze von Arminius belagert wurde und er um sein Leben bangen musste. Strabo wollte also jeglichen Verdacht von Segestes lenken, er habe aus der Not heraus handeln müssen. Vielleicht lag dahinter wieder ein Hinweis verborgen, wie vorsichtig er mit der Person des Segestes umgehen musste um nicht in den Verdacht zu geraten, Rom habe sich mit ihm einen Pharisäer eingehandelt. Driftet man an dieser Stelle ins Spekulative ab, dann dürfte man sogar die Frage aufwerfen, ob Segestes jemals von Arminius in seiner Burg belagert wurde und nicht sogar dieses Szenario schon Teil einer umfassenden Strategie von ihm war indem er sich Germanicus gegenüber als ein rettungswürdiges Opfer präsentierte. Vielleicht „befürchtete“ es Segestes nur bzw. gab es nur vor, Arminius könne ihn angreifen. Vor dem Hintergrund, dass Arminius ausgerechnet in der Zeit, als Germanicus in Ostwestfalen bzw. Nordhessen mit starken Verbänden operierte auf die Idee gekommen sein sollte Segestes zu belagern, dann wäre das in der Tat ein recht unpassender Zeitpunkt gewesen. Aber der Herz zerreißende Entführungsfall „Thusnelda“ eröffnete, Jahrhunderte vor Romeo und Julia ein weitaus dankbares Spekulationsfeld in das sich noch vieles mehr hinein interpretieren ließ.(01.04.2020)

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