Samstag, 3. November 2018
3 Legionen - 6 Kohorten - 3 Reitereinheiten ? Hört sich viel an - aber wie war es um deren Schlagkraft bestellt ?
Hätte unser Kontaktmann in die Antike Paterculus auch darüber berichtet wieviel Soldaten Varus in die Schlacht führte dann wäre es für uns hilfreicher gewesen, denn das Aufzählen von Truppenteilen allein will nichts besagen. Und natürlich hatte Kaiser Augustus mit seinem Ausruf "uitili Vare, legiones redde" Recht, denn auch diesem Schrei des Entsetzens lässt sich keine Anzahl entnehmen. Aber durch die mit diesem Internetbuch verbundenen Disziplin übergreifenden Recherche Arbeiten reicherte sich auch das Wissen bezogen auf die Vorgeschichte, den Verlauf, sowie die Auswirkungen der Varusschlacht an. Die Kräfteverhältnisse der Konfliktparteien zu analysieren um daraus ableitend das Szenario besser abbilden zu können ist daher eine Voraussetzung zum besseren Verständnis der Vorkommnisse. Derartige Untersuchungen aufzustellen setzen Grundannahmen voraus, die sich aber nach über 2000 Jahren schwerlich nachvollziehen lassen. Es beginnt damit sich über die antike Literatur eine Vorstellung zu erschließen wie stark überhaupt die kämpfende Truppe war, die unter Kaiser Augustus Zug um Zug zur Berufsarmee umgebaut wurde. Dazu grassieren selbst von namhaften Militärhistorikern nur vage Theorien und Annahmen, so dass alles ein unvollständiges Bild hinterlassen muss. Aber es wird bei allem deutlich, dass eine römische Legion über keine starre Anzahl an Soldaten verfügte, weil es die Zeiten und die Möglichkeiten nicht zuließen. Auch Legionen wollten aufgestellt sein, die Anwerber sollten erfolgreich dabei sein freiwillige Kräfte zu finden, die sich dafür besolden lassen wollten. In der Regel soll daran zwar kein Mangel bestanden haben aber nur selten soll es vorgekommen sein, dass sich zu viele Rekruten meldeten. Zwangsrekrutierungen waren Notsituationen vorbehalten die sich aber im Vorfeld der Varusschlacht nicht abzeichneten da Tiberius die Lage nach dem "Immensum Bellum" in Ostwestfalen als stabil einschätzte. Zahlenmäßig orientiert sich die Militärhistorie seit jeher an der fixen Größe von 6.000 Soldaten pro Legion. Eine Angabe die auf Schriften des Sextus Pompeius Festus der in der 2. Hälfte des 2. Jhdt. lebte, bzw. Paulus Diaconaus der zwischen 725 und 730 geboren wurde zurück geht und wohl auf Marcus Verrius basiert, der um 6o - geboren wurde. Die Überlieferung besagt, dass Gaius Marius eine Legion mit 6.000 Mann bezifferte und die er in die Schlacht führte. "Sex millium et ducentorum hominum primus Gaius Marius legionem conscripsit, quum antea quatuor millium fuisset, unde etiam appellabatur quadrata....". Fortan vertrat man die Ansicht, man könne diese Zahl als Normalstärke auch für alle späteren römischen Legionen als Sollstärke zugrunde legen. Eine Legion war jedoch ein homogener Militärapparat und selbständig operierender Verband der sich hinsichtlich seiner Dimension immer nach den Gegebenheiten und Erfordernissen, also vor allem der Stärke des Feindes zu richten hatte. So bestand immer ein Unterschied zwischen dem Wunsch des Generalstabes und der Wirklichkeit. Der Forschung lässt sich entnehmen, dass es keine fest stehende Sollstärke für eine römische Legion gab. Sie wurde mal mit 3.000, 3.600, 4.200, 4.800 oder auch eben 6.000 Mann angegeben. Unter Cäsar soll sie 3 - 4.000 Mann betragen haben und nach Polybios verfügte die Legion Campana im 3. vorchristlichen Jhdt. über 4.000 Mann. Daher schwankt die aktuelle Bewertung auch zwischen 3000 und 6000 Mann pro Legion was wiederum einen weiten Interpretationsspielraum auch für die drei Varuslegionen zulässt. Mal anders ausgedrückt ließe sich auch fragen was mehr ist, 4 Legionen a`3.000 Mann oder 2 Legionen a`6.000 Mann. So war natürlich der Rekrutierungsgrad von Bedeutung aber auch die Kriegskasse, denn sie sollte entsprechend gefüllt gewesen sein und alles wirkte sich begrenzend auf die Truppenstärke aus. Die Realität deckelte also immer die Lage an der Front und triumphierte über die kühnen Pläne mancher Strategen. So greifen viele Faktoren ineinander und eben auch die Frage die immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion steht, nämlich die nach den eingesetzten Kontingenten beider Konfliktparteien. Da uns die Angaben über den Umfang der römischen Armee wie sie von Varus angeführt wurde immer wie eingemeißelt vor Augen gehalten wird, wir aber die Anzahl der Germanen nur daran messen können, wonach ihnen der Sieg über eben diese Legionen gelang, so bleiben uns nur die öden Hochrechnungen. Möchte man sich an eine Verlustbilanzierung der römischen Streitkräfte heran wagen um sich die Fragen zu beantworten wie vielen von ihnen es später gelang Aliso zu erreichen und sich noch dazu die Frage stellen über wieviel Kilometer sich die Länge des Marsches zu den Aufrührern erstreckte, so bedarf es zunächst einmal einer ungeschminkten Rekonstruktion über wieviel Legionäre Varus an der Weser überhaupt verfügte. Vorweg lässt sich sagen, dass man das Thema zehn mal aufgreifen könnte um jeweils zu neuen Ergebnissen und Erkenntnissen zu gelangen. Den Überlieferungen nach waren es die besagten drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten. Aber die moderne Interpretation ordnet ihnen auch noch diverse Auxiliartruppen unbekannter Anzahl zu, unter denen man vermutlich jene Germanen versteht die Arminius anführte, denn Paterculus berichtete nichts darüber. Danach schätzt man nun die Gesamtzahl der Varusarmee wohlweislich einschließlich der cheruskischen Abtrünnigen auf 15.000 bis 20.000 Mann ein. Was sich aber anfänglich noch plausibel anhört fällt jedoch schnell in sich zusammen da sich erkennen lässt, auf welch tönernen Füßen sich bislang unsere Annahmen bewegten. Legt man den untersten Wert der recherchierten römischen Sollstärke von 3.000 Mann pro Legion zugrunde, so wird die Teilnehmerzahl der römischen Streitkräfte erheblich nach unten gedrückt. Zweifellos wäre es den Germanen unter diesen Umständen auch leichter gefallen sie zu besiegen. Die Grundannahme, dass Tiberius gezwungen war auch die varianische Lippearmee dezimieren zu müssen, um gegen Marbod genügend Soldaten aufbieten zu können stärkt die Vermutung, dass Varus sogar mit einem derart schwachen Kontingent auskommen musste. Da die Legionen für den folgenden Pannonienaufstand noch zusätzlich aufgestockt werden mussten lässt sogar den Verdacht aufkommen, dass nach Abbruch des Marbodfeldzuges im Jahre 6 + noch weitere Kräfte abgezogen wurden unter denen sich möglicherweise auch Hilfstruppen der Cherusker befanden, wenn diese nicht sogar schon mit im Aufgebot gegen Marbod standen. Möchte man die Länge, die Ausstattung, die Marschzeit und den personellen Umfang der Kölner Rosenmontagszüge dazu als kleine Hilfestellungen heran ziehen, so kann dies einen Eindruck vermitteln aber der Kern dessen was es damals zu erfassen gilt, sitzt doch um einiges tiefer. Bevor man es also riskieren kann ein vorsichtiges Urteil dazu abzugeben, sind nachvollziehbare und begründbare Theorien die unerlässliche Basis möchte man sich Angesichts der mageren Datenlage nicht völlig der Kristallkugel ausliefern. Eine in diesem Fall nie überprüfbare Wahrheit liegt vermutlich auch hier in der Mitte. Kennt man aber weder Ausgangspunkt noch Ende, so ist es schwer die Mitte zu finden. Bevor man sich auf weitere Zahlenspiele einlässt müsste die erste Frage lauten, wie viel römische oder auch nicht römische Soldaten brachen im Frühjahr des Jahrs 9 + auf, um vom Rhein an die Weser zu ziehen. Ein große Distanz die nicht nur mehrere Tage Anmarschzeit in Anspruch nahm, sondern auch etwas am Bestand der Truppe nagte. In der Folge käme dann der Punkt, wieviel Männer am Morgen des 1. Marschtages mehrere oder das eine Sommerlager verlassen haben. Des Weiteren, wie viele von ihnen am Abend im 1. Marschlager in Brakel ankamen. Erst danach kann man sich der Frage widmen, wieviel römische Kämpfer Varus in die Mehrtageskämpfe folgten. Die Zahlenwerke der Ausmarschstärke ab Höxter/Corvey, der Ankunft in Brakel und des Ausmarsches am Folgetag ab Brakel folgten jeweils anderen Gesetzmäßigkeiten der Militärstrategie. So verließen bereits am Abmarschtag die cheruskischen Hilfskräfte, also die besagten germanischen Auxiliareinheiten den Varusconvoi. Es gilt anzumerken, dass von gallischen Hilfskräften an keiner Stelle de Rede ist. Am Folgetag verließen nach dieser Theorie die römischen Abstellungen die Legionen zum Schutz des zivilen Trosses. In der Konsequenz der Aufrechnung also der zum Abzug zu bringenden römischen Kämpfer läge eine vorsichtige Schätzung darüber vor mit wieviel Soldaten Varus am Morgen des zweiten Marschtages den Marsch zu den Aufrührern antrat. Des Weiteren hat man sich der Frage zu nähern, wie hoch man die Anzahl der Besatzungen der Kastelle von Aliso über Anreppen bis zu den anderen Lagern einschätzen sollte, denn auch diese Lager wurden von Männern besetzt die Bestandteil der drei Varuslegionen waren. Welche Lager von Kräften der zwei Asprenas Legionen gesichert wurden ist unklar. Auch bleibt offen, ob es römische Streckenposten oder anderweitige Personengruppen gab, denen uns nicht bekannte Aufgaben zugewiesen worden waren und die ebenfalls abzuziehen wären, da sie fern vom Schlachtgeschehen agierten aber trotzdem Varus unterstanden. Des weiteren gilt es sich der Frage zu widmen wieviel Legionäre aus gesundheitlichen Gründen nicht einsatzfähig waren, da sie sich über die Sommermonate an der Weser aufgrund ungewohnter Nahrung oder andere Einflüsse Krankheiten zugezogen hatten. Der Krankenstand war also auch nicht unwesentlich. Möchte man versuchen allen diesen Fragen mathematisch auf historischer Basis und weniger mit der Kugelstange auf den Grund gehen, dann lassen sich viele Szenarien entwerfen. Eine Maximale eine Minimale und und eine mittlere These. Alle drei Versionen können der Gesamtanalyse dienen wie viel Römer letztlich den Marsch antraten wie viel von ihnen letztlich zu Tode gekommen sein könnten und welche Marschzuglänge und Marschzeit sich damit hoch rechnen ließe. Man könnte dann vielleicht auch noch der Frage hypothetischen Raum geben wie viel Römer letztlich die Varusschlacht überlebten, denn es gab auch Überlebende wie man weiß und diese könnten zahlenmäßig höher gewesen sein, als allgemein angenommen, denn die Schlacht durfte nicht schön geredet werden aber Aliso konnte lange verteidigt werden. Und auch dazu gibt es einige Hinweise und allein die vielsagende Überlieferung bezogen auf das Verbot, dass diese Italien nicht mehr betreten durften rechtfertigt bereits diese Annahme. So wissen wir von Caius Pompeius Proculus aus Rom, der der XVIII Varus Legion angehörte, dass er die Varusschlacht überlebte, denn ihm war sogar später eine ritterliche Karriere als Militärtribun vergönnt. Vielleicht nahm er aber auch gar nicht erst an der Schlacht teil, oder er hatte Glück und lag beim Abzug der Legionen aus Vetera nach Ostwestfalen im Frühjahr 9 + ebenso wie der Überlebende Titus Atidius Porcio, ein einfacher Soldat im Dienstgard eines Miles gragarius der gleichen Legion aus der venetischen Stadt Ateste dem heutigen Este, in einem Lazarett mit Rheinblick. So ist Proculus auch möglicherweise kein Einzelfall und noch andere Angehörige aus den drei Legionen nahmen nicht an den Kämpfen teil überlebten deswegen aber man müsste sie demnach von einer Gesamtrechnung der in den Kampf ziehenden Legionäre in Abzug bringen. Da der Überlieferung nach die Überlebenden der Varusschlacht italienischen Boden nicht mehr betreten durften, wäre es auch interessant zu erfahren wie es Proculus gelingen konnte nach Italien zurück zu kehren. Aber erst recht wie es der einfache Soldat Procio schaffte für den man sicherlich kein Lösegeld bereit stellte, da ihm dazu wohl die betuchten Anverwandten fehlten. Zuerst sei aber ein Blick auf die überlieferte Darstellung der gesamten Varusarmee gestattet, die sich auf die Angabe von Paterculus (II. 117 (1) stützt und davon ausgeht, dass dem Feldherrn Varus drei Legionen in unbekannter Stärke unterstanden. Ebenso viele, also drei Reiterabteilungen (alae) sowie sechs Kohorten (cohortium). Die zwei Asprenas Legionen, obwohl auch sie Varus unterstanden, waren natürlich nicht betroffen und sind außen vor zulassen. Da auch der Tross zur Truppe gerechnet wurde, resümierte die Forschung daraus die sogenannte offizielle Gesamtzahl von 15.000 bis 20.000 Männern die in der Varusschlacht bis auf wenige Menschen umgekommen sein sollen. Von der Anzahl der nur am ersten Marschtag im Zug befindlichen Frauen und Kinder wird auch in keiner Quelle gesprochen. Die Forschung teilt die germanischen Gegner Roms in zwei Gruppen. Die Abtrünnigen die Arminius unterstanden und Varus wohl erst später angriffen und die Aufrührer, die sich Varus Speere werfend am ersten Kampftag entgegen stellten. Die cheruskischen Hilfstruppen die Arminius unterstanden noch mit unter die römischen Kämpfer zu rechnen, dürfte an der Realität vorbei gehen. Aber dafür darf man sich die Frage stellen, warum Paterculus die Anzahl von drei Legionen bezifferte aber die weiteren sechs Kohorten separat erwähnte. Sechs Kohorten entsprachen fasst einer Legion die mit 10 Kohorten angegeben wird. Unabhängig davon aus wieviel Soldaten diese sechs Kohorten bestanden so nannte sie Paterculus separat und fasste sie nicht mit den drei Legionen zusammen. So hätte Varus die Kämpfer dieser sechs Kohorten auch auf die drei Legionen verteilen können und ihre Stärke hätte sich entsprechend erhöht. Das Paterculus diese sechs Kohorten unabhängig von den drei Legionen erwähnte dürfte daran gelegen haben, dass es sich dabei um keine römischen Soldaten sondern um Auxiliareinheiten handelte die sich für das römische Bürgerrecht empfehlen wollten wie etwa die "Cohors quingenaria". Wie sich diese sechs Kohorten dann im Verlauf der Varusschlacht verhielten, also wie zuverlässig sie waren muss offen bleiben. Angesichts der dramatischen Ereignisse lässt sich bis zur möglichen Fahnenflucht nichts ausschließen. Es fällt daher schwer sie sowohl hinsichtlich ihrer Anzahl als auch ihrer Kampfkraft einzustufen und man könnte dazu neigen ihnen im Ernstfall nur wenig oder keinerlei strategischen Wert zuzubilligen. Ähnliches gilt für die von Paterculus angeführten Alen, er nannte sie alarum. Auch für Alen gilt, dass sie sich immer aus Auxiliareinheiten zusammen setzen und darunter ist nicht die jeder Legion angeschlossene Kavallerieeinheit von 120 in der Regel Meldereiter zu verstehen. Da Paterculus die Auxiliarkohorten als auch die Auxiliarkavallerie zu den nieder gemetzelten rechnet wird es sich in beiden Fällen auch nicht um jene Cherusker gehandelt haben die sich vor dem Gefecht unter Arminius von der Truppe entfernten. Ihnen wird Paterculus keinen Platz in der Verluststatistik eingeräumt haben. Aber wie viele Legionäre verteilt auf drei Legionen sollen sich nun dem mehrtägigen Kampf mit den Germanen gestellt haben. Um die vielen denkbaren Szenarien im Zuge einer akrobatische Retrovision zu vermeiden soll hier von der untersten Bezugsgröße ausgegangen werden. Dem Geschichtsfreund mag es vorbehalten sein sie dann nach belieben nach oben zu korrigieren. Varus verfügte also dieser Einschätzung nach in seiner geballten Allmacht doch nur über sehr bescheidene personelle Möglichkeiten und setzte daher wohl auch wie nachgewiesen auf die "Accensi velati", also die Unbewaffneten und verließ sich zudem ganz auf das zugesagte Arminius Kontingent, so blieb ihm unter Abzug der Hilfskräfte nur noch die besagte römische Reststreitmacht. Die vom zukünftigen Kaiser Tiberius entleerten sozusagen übrig gebliebenen Rumpfmannschaften. Da im Zuge der Recherche die Legionsgröße an der Weser nie die 6.000 Mannstärke erreichte, könnte man einen Mittelwert zwischen 3.000 bzw. 6.000 Mann, also 4.500 Mann pro Legion greifen. Es blieben Varus demnach ungeachtet der Kohorten, der Reiterei und den übrigen abzugsfähigen Männern etwa 13.500 Legionäre. Und unter dieser Voraussetzung beginnt sowohl die Rück- als auch die Hochrechnung. Tiberius brauchte gegen Marbod eine stattliche Armee und entzog ihm von diesen 13.500 Legionären eine geschätzte Legion, gleich 4.500 Soldaten. Somit fehlten Varus später in der Schlacht rund 1/3 der Männer die man ihm seinerzeit zugesagt haben könnte und es standen ihm demnach zunächst nur noch 9.000 Männer zur Verfügung die er auf drei Legionen aufteilte. Damit hätte Varus mit 3.000 Mann pro Legion immer noch an der untersten Grenze der Sollstärke gelegen. Von diesen 9.000 Mann sortierte er eine Anzahl X als Begleitmannschaft aus, die so genannten Abstellungen. Man könnte sie mit 500 Männern niedrig ansetzen, womit sich die Kampfstärke auf 8.500 Soldaten weiter reduzierte. Bezieht man nun die überlieferten aus Hilfskräften bestehenden sechs Kohorten mit ein, so könnten auch sie von der Tiberius Entscheidung betroffen gewesen sein und unterlagen ebenfalls dem Zensus der Dezimierung. Auf Basis einer Drittelung würde dies bei einer Kohortenstärke von 500 Mann wiederum einen Anstieg der Kampfkraft von 8.500 auf 10.500 Mann bedeuten. Auch für die drei Reitereinheiten den "alae quingenaria" ebenfalls bestehend aus Hilfsvölkern wird gleiches gegolten haben. Man könnte sich umgerechnet auch bei ihnen statt auf 1.500 Reiter auf 1.000 Reiter festlegen, wodurch die Kampfkraft nun bei 11.500 liegen würde. Abzüglich des Krankenstandes und der auf die Stützpunkte verteilten Mannschaften würde sich die Zahl erneut reduzieren und könnte nun bei 11.000 Kämpfern gelegen haben die Varus am Morgen des zweiten Marschtages zur Verfügung standen. Abschließend betrachtet ist es zwar nicht unbedingt zielführend die römischen Streitkräfte auf diese Weise gegen Null zu rechnen besser gesagt abzusenken, aber die Annahmen rechtfertigen diese Vorgehensweise um auf diesem Umweg den Beweis zu erbringen, dass es im Gegenzug auch schon wenigen Germanen gelungen sein könnte, drei Legionen zu vernichten. Die möglicherweise schwache germanische Siedlungsdichte in Ostwestfalen um damit die Anzahl der kampffähigen Germanen niedrig zu rechnen war seit jeher Ziel jener die von der Annahme ausgingen, die Varusschlacht wäre möglicherweise nur eine belanglose Schlacht mittleren Bedeutung gewesen, die später historisch übertrieben und aufgebläht wurde. Aber hier ließen sich diese zwei Denkansätze miteinander verbinden, was uns die Lösung näher bringen könnte. Diesen Hypothesen lässt sich entnehmen, dass die varianische Streitmacht zwar im Zuge der geopolitischen Ereignisse der damaligen Zeit unter Schwund litt, aber immer noch recht voluminös war. Die aufgezwungene kolonnenartige Marschformation über mehrere Tage die zum Spalierlauf wurde, der geschickt gelegte Hinterhalt und die widrigen Marsch - und Wetterbedingungen taten ein Übriges und machten diesen Feind für die Germanen besiegbar. (25.08.2021)

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Freitag, 19. Oktober 2018
Der Aufbruch in die Winterlager am Rhein
Varus verbrachte jetzt schon das dritte Jahr hintereinander die Sommermonate an der Weser und er war es seit dem gewohnt, dass man seinen Anweisungen Folge leistete. Dazu gehörte es auch, dass sich die Germanen zu ihm begaben, wenn sie ein Anliegen hatten und er sie zum Gerichtstag vor seinen Richterstuhl rief. Aber im Frühherbst 9 + nahmen die Dinge einen für ihn bislang ungewöhnlichen Verlauf. Nunmehr war von einem dubiosen Aufstand die Rede, der ausnahmsweise einmal die persönliche Anwesenheit von Varus vor Ort erforderlich machte. Es ließ sich offensichtlich nicht vermeiden, dass der Feldherr in diesem Herbst sogar höchst persönlich seine Aufwartung bei den Germanen machen musste, sich also unter sie zu begeben hatte. Denn im südlichen Nethegau schwelte ein Brandherd vor dem ihn Segestes schon seit längerer Zeit warnte und worin dieser sogar schon einen Aufstand gegen Rom erkennen wollte. Was seine Darstellung jedoch von der, der Segimer Gefolgschaft abweichen ließ war die Tatsache, dass Segestes hinter den Aufrührern eben jene cheruskische Segimer/Arminius Koalition sah, während es natürlich von diesen bestritten wurde. Die Forschung fragt sich allerdings seit jeher, wie es den germanischen Großen damals insgesamt gelingen konnte, dass Theaterstück nennen wir es „Die Verlockung des Varus“ nicht nur in Szene zu setzen, sondern auch erfolgreich umzusetzen. Die Position von Segestes scheint historisch deutlich heraus gekommen zu sein, er prophezeite ein über Varus herein brechendes Unheil in Form eines Kampfgeschehens ausgelöst von einer größeren germanischen Allianz. Ohne aber auf andere mit teilnehmende germanische Stämme näher einzugehen, befürwortet er als Vorsichtsmaßnahme nur die Gefangennahme von Cheruskern einschließlich seiner Person. Aber wie stellten es seine Widersacher an ihn zu neutralisieren und gleichzeitig noch erfolgreich zu sein. Ein Aufruhr ließ sich in verbaler Form und bei guter Rhetorik in unterschiedlicher Art und Weise schnell konstruieren und vortragen. So ließ er sich zum Beispiel als die offene Revolte eines oder gleich mehrerer germanischer Stämme gegen Rom darstellen. Diese Variante entspräche in etwa der Lesart des Segestes und man könnte sie aus Sicht Roms als die gefährlichste aller infrage kommenden Möglichkeiten eingestuft haben. Diese hätte dann, würde sie einer Überprüfung stand halten eigentlich nach Bekanntwerden einen unmittelbaren Kampfeinsatz zur Folge haben müssen. Man konnte es aber auch so beschrieben haben, als ob hier diverse germanische Stämme auch in einen Streit unter einander verwickelt gewesen sein könnten. Es sich also um einen innergermanischen Konflikt gehandelt haben könnte. Diesen hätte Varus daher auch nicht als eine unmittelbar gegen ihn bzw. das Imperium gerichtete Bedrohung wahr genommen hätte und er hätte sogar relativ gelassen dem Treiben zu schauen können wenn es sich nur um kleine abseitig siedelnde Stämme gehandelt hätte. Man könnte es aber auch so ausgesehen haben lassen können, als ob sich die germanischen Aufrührer aus zwei gegensetzlichen Fraktionen zusammen setzten, eine die dem Imperium feindlich gesonnen war und eine Gruppierung, die zu Rom tendierte. Die Germanen im Aufrührergebiet also in eine pro Rom als auch in eine contra Rom Fraktion gespalten waren. Die erste Version hätte für Varus einen deutlichen Kampfauftrag mit allen gebotenen Mitteln bedeutet und hätte unweigerlich in einen Waffengang gemündet. In der zweiten harmloseren Version hätte sich Varus dann in der Rolle des Schlichters gewähnt, um als Respektperson unter den Konfliktparteien vermitteln zu können. Die dritte Version aber war die pikanteste von allen drei Szenarien. Denn hier galt es unbedingt der Rom treuen Gruppe beizustehen, sie zu stärken, also zu unterstützen und möglicherweise mit deren Hilfe die Rom kritische Gruppierung zu bekämpfen folglich auszuschalten, wobei man die beiderseitigen Größenverhältnisse nicht kannte und sich erst einen Überblick zu verschaffen hatte. Die eingeschränkte, also die weniger zum Kampf geneigte Reaktion von Varus, nämlich die zahlreichen Abstellungen von denen Dio spricht nicht hinzu gezogen zu haben spricht dafür, dass sich die Germanen tendenziell dazu entschieden haben könnten, den Römern die Version zwei bzw. drei zu verkaufen. Also jene, die von Varus entweder einen Schlichterspruch abverlangt hätte, bei der man aber auch mit einem, allerdings nur begrenzt denkbaren Einsatz von Waffen hätte rechnen müssen. Und so gaukelte man Varus aus der Distanz heraus betrachtet zwei erdachte Konfliktparteien vor und brachte damit einen künstlichen Disput in der gespielten Manier eines kritisch eskalierenden Prozesses bewusst verbal zum Gären. So könnte es gewesen sein und so konnte man es Varus gegenüber auch dargestellt haben. Dadurch vermied man es, dass der an einer Schlichtung weniger gewogene und nicht interessierte Teil der Aufrührer auch nicht den Weg zu ihm an die Weser antreten wollte und man Varus mal den umgekehrten Weg empfahl, zumal dieser auf der Wegstrecke lag. Germanen die möglicherweise sogar bereit waren gegen Rom zu den Waffen zu greifen, die begeben sich nicht noch vorher freiwillig zwecks Empfang eines Richterspruches in die Hände des Feindes bzw. man konnte es nicht von ihnen erwarten. Die wahre Lage, dass man anderes im Schilde führte ließ sich auf diese Weise geschickt und auch lange verschleiern und man konnte ihn damit unter Druck setzen in diesem Fall einmal den gewohnten Weg zu verlassen um einen zu den Germanen einzuschlagen. Unmittelbar vor dem Zug in die Winterquartiere also in eine Phase hinein, die man als nahezu optimal betrachten könnte, trieben die Germanen dann über ihren Mittelsmann, man kann ihn auch Verbindungsoffizier Arminius nennen, die Schilderung bzw. die Dramaturgie auf den Höhepunkt. Sozusagen zum taktisch günstigsten Zeitpunkt ließen die Germanen die Bombe platzen und die Fürsten der Stämme gaben Arminius nun den Startschuss bzw. den Auftrag, er solle jetzt Varus und das vielleicht nur wenige Tage vor dem Verlassen des Lagers jenen verhängnisvollen Vorschlag präsentieren und die Katze aus dem Sack lassen. Der Plan war in sich schlüssig und Arminius als Kenner der innergermanischen Verhaltensweisen und zudem ausgestattet mit bestem Ruf, dürfte es nicht schwer gefallen sein Varus einen überzeugenden Plan zu unterbreiten, wie er denn am Besten mit der Krise und den beteiligten Konfliktparteien seiner Landsleute umzugehen hatte. Es könnte und es sollte sich aus seinem Munde sogar schon fasst wie ein Kinderspiel anhört haben. Er wird auch versucht haben die Gesamtlage noch mal nachdrücklich darzustellen bzw. sie so aussehen zu lassen, als ob nun auch noch zusätzlich Eile geboten sei, da sich die Situation doch auch für ihn unerwartet schnell hoch geschaukelt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt könnte Varus noch keine unmittelbaren Eingreifpläne verfolgt haben und alles kam für ihn vermutlich auch etwas überraschend. Man setzte ihn damit gewissermaßen unter Zugzwang nun handeln zu müssen und auch keinen Fehler begehen zu dürfen. Um nun das Problem aus der Welt zu schaffen bzw. Schlimmeres zu verhindern, schlug man nach Absprache Varus vor, die bevorstehende Gelegenheit des herbstlichen Auszuges zu nutzen und die Aufrührer vor Ort zu treffen und zur Rede zu stellen. Man kann sich vorstellen, dass die veränderte Lage auch zu heftigen Diskussionen anlässlich des letzten Gastmahles von Varus geführt haben dürfte. Es sind uns natürlich keine Hintergründe und handfeste Fakten für die Ursachen des Aufruhrs bekannt, was auch nicht verwundert, da ja alles letztlich auch nur auf vorgeschobenen Gründen basierte. Da aber der ganze Prozess nicht an mangelnder Glaubwürdigkeit scheitern durfte, müssen wir uns immer mit der Frage der Plausibilität auseinander setzen. Und ihr kommt man am Nächsten, wenn man versucht sich mit der damaligen Situation, den Rahmenbedingungen und der Ausgangslage vertraut zu machen. Vielleicht liegt in dieser explosiven Stimmung sich möglicherweise überstürzender Ereignisse oder Nachrichten aus dem Aufrührergebiet auch der Grund dafür verborgen, dass man die zahlreichen Abstellungen, die vermutlich aus Römern als auch aus Hilfsvölkern bestanden, aus Zeitgründen gar nicht mehr alarmieren bzw. abziehen konnte und wollte. Nach dem die Entscheidung gefallen war einen Umweg einzuschlagen, hatte man ihnen auf parallelem Weg den Auftrag zukommen lassen nach Beendigung ihrer Tätigkeit den direkten Rückmarsch an die Lippe anzutreten und ihnen noch einen zeitlichen Spielraum gelassen. Arminius indes beschwichtigte Varus und leistete dieser Anordnung möglicherweise noch zusätzlich Vorschub. Vielleicht löste er sie aber auch aus nahe liegenden Gründen erst aus, in dem er Varus dafür im Gegenzug seine bewährten Männer bereitwillig als einen angemessenen Ersatz anbot. Dadurch konnte Varus mit ruhigem Gewissen auf die Truppenverstärkung durch Hinzuziehung der Abstellungen verzichten, die er möglicherweise andernfalls doch noch rechtzeitig herbeigerufen hätte. So ließ sich Varus also überzeugen und Arminius gewann dadurch noch an zusätzlichem Vertrauen. Dieser Akt der Hilfsbereitschaft könnte für Varus auch mit den letzten Ausschlag dafür gegeben haben, die Warnungen von Segestes endgültig in den Wind zu schlagen. Es war Varus bewusst, dass nun vieles von ihm, also seiner Person abhängen würde, denn bald waren seine höchstrichterlichen Talente in einer möglicherweise ernsthaften Lage gefordert um einen denkbaren Aufruhr vielleicht noch im letzten Moment zu verhindern bzw. im Keim zu ersticken. Ob er zu diesem Zeitpunkt noch von einem rein innergermanischen Konflikt ausging, oder ob ihm Arminius ein andersartiges Szenario geschildert hat, wissen wir natürlich nicht. An dieser Stelle möchte ich aber auch festhalten, dass die Überlieferungen der antiken Historiker so kurz sie auch gehalten gewesen sein mögen, doch den exakten Verlauf der entscheidenden Ereignisse recht gut wieder geben. Denn letztlich haben sie uns insgesamt betrachtet doch allesamt das Wesentliche und Nötige hinterlassen um den Ablauf, wenn auch nur in groben Zügen, aber so doch in etwa rekonstruieren zu können. Nun versetzen wir uns also in die Person von Herrn Varus dem ehemaligen Statthalter aus Syrien. Für ihn war es nun eine völlig neue Erfahrung erleben zu müssen, dass er es dieses Mal war und sein sollte, der den Weg zu den Germanen antreten musste und nicht umgekehrt. Was ging da in ihm vor. War es für ihn etwa erniedrigend oder empfand er es als eine besondere Tat der er sich zu stellen hatte, wenn er als „Landesvater“ anerkannt sein wollte. Doch was ging da plötzlich in "old old Germany" vor sich. Hatte er da vielleicht doch eine Lage falsch eingeschätzt, hatte er bisher nicht erfolgreich bewiesen, wie gut seine Politik der ruhigen Hand immer funktioniert hatte ? War am Ende etwa seine ganze dreijährige Aufbauarbeit umsonst ? Die vielen Verhandlungen in denen er Streitigkeiten schlichtete, Urteile fällte, alles umsonst ? Aber vor allem doch zum Wohle der germanischen Welt und um des lieben Friedens willen. Aber das herbstlich gesetzte enge Zeitfenster ließ ihm keine andere Wahl. Es könnten Fragen der Proviantversorgung gewesen sein die ihn auch noch zu alledem unter Druck setzten, und die einer längeren Verweildauer an der Weser im Wege standen um möglicherweise mit den Aufrührern in einen umfassenderen und zeitaufwändigeren Dialog treten zu können oder nach anderen Lösungen zu suchen. Zeit die man nun nicht mehr hatte, da plötzlich alles ganz schnell gehen sollte und nahezu hektisch geworden sein könnte. Denn die Einplanung eines Umweges an dem tausende von Menschen beteiligt waren erforderte allemal eine Vielzahl logistischer Entscheidungen und Weichenstellungen. Man kam jetzt also nicht mehr umhin, denn nun galt es diesen kleinen, aber doch überschaubaren Umweg eine Struktur und ein Konzept zu geben, denn aufs Geratewohl ließen sich keine Legionen führen und schon gar nicht mitsamt des großen anhängigen Trosses. Er wollte es sicherlich mit so wenig wie möglich an Aufwand hinter sich bringen, denn am Rhein lockten ihn die Genüsse der Zivilisation. Was aber stand Varus nun bevor ? War es ein harmloser Streit oder doch schon ein größeres Unterfangen mit dem Potenzial eines Flächenbrandes. Nicht nur er, auch seine Legionskommandanten schwebten im Ungewissen über die Dinge die da auf sie zu kommen würden, aber man war ja personell und waffentechnisch bestens gerüstet und gut vorbereitet. Und da es sich hier wohl eher nur um einen unter den halbwild und unzivilisiert lebenden Germanen nichtigen Zwist über eine Bagatelle vielleicht noch verbunden mit unerheblichen Streitigkeiten über den Grenzverlauf zum Nachbarstamm oder ähnlich Unterschwelligem gehandelt haben könnte, was zu Streitereien führte, die man aber bereits als Aufstand bezeichnete und sich auch gegen Rom hätten richten können war man allerseits guter Dinge. Varus war doch sehr daran gelegen auch diese Ränke möglichst diplomatisch und nicht mit übermäßiger Waffengewalt aufzulösen. Das bloße Vorzeigen römischer Waffen hatte oftmals schon Wunder gewirkt. Aber seine regelmäßige Abstinenz über die langen Wintermonate ließ es nicht zu, dass sich an der Weser ungeklärte Verhältnisse anstauten. Ich gehe auch nicht davon aus, dass sich Varus und seine Kommandanten mit halbherzig geschilderten Bedrohungsszenarien abspeisen ließen, sich die Germanen als Lockmittel also sicherlich schon etwas hatten einfallen lassen müssen. Habe ich was übersehen oder gab es noch andere Motive Varus in den Hinterhalt zu locken ?Aber womit ließen sich die römischen Wölfe noch ködern. So wird oft darüber spekuliert, ob sich auch Sugambrer an der Varusschlacht beteiligt haben könnten. Ich schlussfolgerte bereits, dass sich nach oder kurz vor der tiberianischen Zwangsvertreibung des Jahres 8 – aufgrund ihrer Fluchtbewegung auch neue Stammesgebiete möglicherweise bis weit in den Osten hinein erstreckt haben könnten. Man kann sich vorstellen, dass sich Teile der Sugambrer bis zum Unterlauf der Diemel in den Raum Marsberg abgesetzt haben könnten. Wäre es also denkbar oder könnte man den Schluss ziehen, dass Arminius jene Teile der Sugambrer gegenüber Varus als die vermeintlichen Aufrührer dargestellt haben könnte, da diese noch eine ältere, genau genommen etwa 17 Jahre zurück liegende Rechnung mit dem Imperium zu begleichen hatten ? Strabon überlieferte uns, dass die Stämme des Landes, in diesem Falle meinte er die Stämme östlich des Rheins, die etwa im heutigen Bergischen Land siedelten, von Tiberius gegen ihren Willen ins Keltenland und dort nachgewiesenermaßen in die Region um Xanten umgesiedelt wurden. Teile wanderten besser wohl gesagt flüchteten aber wie zum Beispiel auch die Marser und Sueben schon vor der Deportation ins rechtsrheinische Landesinnere bzw. Hinterland und damit folglich nach Osten ab. Im alten Stammesgebiet blieben danach nur noch wenige Sugambrer übrig bzw. sesshaft. Ob isoliert oder im Verbund mit den Marsern gelangten somit auch Sugambrer in neue östliche Siedlungsräume. Und bei den Sugambrern handelte es sich aus römischer Sicht wie wir wissen um wahrliche Störenfriede. Denn sie machten schon zu Cäsars Zeiten auf sich aufmerksam und vereitelten ein schnelleres Vordringen der Römer über den Rhein hinaus. Diese ehemals aufgeriebenen Reststämme vom Rhein nun als Abtrünnige und Aufrührer darzustellen, könnte daher auch sehr gut in das Konzept von Arminius und das Klischee der Römer gepasst haben. Es ist daher aufgrund ihrer Vorgeschichte auch gut denkbar, dass die Sugambrer in der späteren antiken Literatur keinerlei Erwähnung mehr fanden, da sie als eliminiert und für das Imperium als unschädlich galten und daher nach römischer Lesart an der oberen Diemel gar nicht mehr existieren durften. Und bei dem Stichwort „Sugambrer“ oder „Sicambrer“ brauchte Arminius sicherlich auch nicht mehr weiter ins Detail gehen, denn mit diesem Stamm kannte man sich auch im Jahre 9 + im alten Rom und darüber hinaus noch bestens aus. Varus mag hier aber auch noch mal eine Chance gewittert haben, um sein allen gut bekanntes vielleicht besser ausgedrückt berüchtigtes Recht sprechen zu können. Sollten hier noch immer Sugambrer ihre Finger mit im Spiel gehabt haben, so hätte ihm auch die Rolle als der endgültige Bezwinger der Sugambrer gut zu Gesicht gestanden und er konnte sich so einen weiteren Platz in den römischen Geschichtsbücher sichern. Vielleicht reichte alles auch schon für einen kleinen Triumphzug in Rom aus oder zumindest um Augustus zu imponieren. Dieser möglicherweise geschickte Hinweis von Arminius auf die Sugambrer könnte allein schon geholfen haben, Varus den Weg in den Untergang schmackhaft zu machen. Da Arminius für alle Fälle großräumig zu planen hatte ist es auch denkbar, dass er die Legionen in einen Raum führen musste, der vielleicht sogar noch weiter in den Süden bis an die Diemel bei Scherfede gereicht haben könnte. Varus wollte seinem Auftrag im Germanenland unbedingt gerecht werden, getreu seinem Selbstanspruch die Provinz für Rom zu stabilisieren steuerpflichtig zu machen und dieses in Gänze zu erfüllen. Das er dies letztlich bis zum letzten Augenblick bzw. Atemzug erfüllte, war ihm zu dieser Zeit noch nicht bewusst. So wollte er sich diese unerwartete Gelegenheit auch nicht entgehen lassen und es mag in ihm eine Reihe von Beweggründe gegeben haben, auf die Pläne von Arminius einzugehen. Arminius hatte ihm auch zu verstehen gegeben, dass es sich hier möglicherweise auch nur um eine kleine Auseinandersetzung handeln könnte, die im Zuge der Herbstsonnenwendfeier und den damit verbundenen Opfer- und Weihefesten auf den Anhöhen der Osen Egge nicht unüblich war. Unter Einfluss des berauschenden Met wäre das in dieser Zeit allemal denkbar gewesen. Arminius machte aber auch vage Andeutungen, es könne eventuell auch mehr dahinter stecken, womit er Varus wiederum gezielt in Unruhe versetzen wollte. Arminius musste es gelingen und so galt es für ihn ein perfektes Doppelspiel zu beherrschen. Das fiktive Siedlungsgebiet sollte und musste daher sicherlich mitten im Zentrum der Aufrührer liegen. Dennoch durfte der ausgelegte Köder des vorgeblich unruhigen Stammes nicht weit entfernt von einem der wenigen nutzbaren Eggedurchgänge liegen. Sich also auch an einem Rückweg zur Lippe befinden, der wiederum nicht zu weit weg vom Sommerlager entfernt gelegen haben kann, um die Bedingungen für den Hinterhalt zu erfüllen. Ich lokalisierte diesen wie bereits voraus geschickt im Großraum um die Eggeschlucht westlich von Borlinghausen. Für Varus sollte der Marsch eine kalkulierbare Aktion mit überschaubares Risiko sein, er brauchte daher auch seine Legionen nicht umfangreich in Alarmbereitschaft versetzen, oder die Marschordnung ändern bzw. die Strecke absichern und er hielt es daher auch nicht für nötig berittene Kundschafter in alle Richtungen aber insbesondere voraus zu senden. Viel hing davon ab, ob Varus den Verhältnissen nach nun mit einer Strafexpedition oder mit größeren Kampfhandlungen rechnen musste. Er verließ sich da offensichtlich völlig auf die Einschätzung von Arminius. Ihm unterstanden fünf Legionen, zwei davon führte Asprenas unbeschadet an den Rhein. Drei Legionen wurden im Jahre 9 + aufgerieben. Die Sommerlager an der Weser verließen jedoch nur drei Rumpflegionen, da sich viele Legionäre unter den Abstellungen befanden und man davon aus geht, dass auch zahlreiche Legionäre auf Aliso und Anreppen konzentriert wurden bzw. auch einige zu Sicherungsarbeiten andere Funktionen übernommen hatten. Das klingt trotz reduzierter Kampfkraft immer noch mehr danach, dass man mit einem größeren Kampfeinsatz statt einer Strafexpedition zu rechnen hatte, wobei es schwer fällt hier einen Trennstrich zu ziehen. Allerdings hätte eine Strafexpedition auch von einer im Kampf geübten Kavallerieeinheit ausgeführt werden können. Arminius hatte und er musste Varus im Unklaren lassen, was ihm bevor stehen könnte, dass gehörte zu seinem Plan. Man entschloss sich also nach Bekanntwerden der Unruhen bzw. Zuspitzung der Lage schon an den Vortagen noch diese Kurskorrektur mit einzuplanen und hatte wegen der Änderung des Zugverlaufs zum Rhein vielleicht sogar schon vorher angeordnet, dass die Lippeflotte in diesem Jahr von Anreppen etwas weiter flussabwärts in Richtung Lippstadt verlegt werden solle, um den Legionen die abweichende etwas längere wieder nach Norden führende und damit unnötig gewordene Route bis Anreppen zu ersparen. Bei normaler Wetterlage konnte um diese Jahreszeit mit gut 12 Stunden Helligkeit gerechnet werden, was für einen Marschtag gute Bedingungen bedeutete. Die Regenwahrscheinlichkeit hoch zu rechnen gelang bekanntlich erst später und die sich jahreszeitlich verändernde Wolkenbildung in Germanien konnten die Römer offensichtlich nicht deuten und da sie die Sprache der Unterdrückten nicht beherrschten, wussten sie auch nicht was „Schöpkes uuërdan Dröppkes“ also „Schäfchenwolken bringen Regen“ bedeutet. Aber letztlich konnten sie sich das Wetter auch nicht aussuchen. Erschwerend hinzu kommt, dass auch die feuchtere und auch kühlere Jahreszeit über diese Region von Deutschland östlich der Egge nahezu 14 Tage früher herein bricht, als zum Beispiel in der milderen Warburger Börde. Das Ausgangslager der unglücklichen Odyssee des Varus lag in einem Flusstal und über Flusstälern breitet sich über viele Tage im Jahr und das besonders im Herbst je nach Wetterlage eine geschlossene Nebeldecke aus. Man konnte die dichte Nebeldecke damals vielleicht schon fasst greifen aber auch sehr gut erkennen, wenn man von Schwaney zum Solling blickt und dazwischen das nebelverhangene Wesertal nur erahnen kann. Nebel in der Schreibweise von Nibel begegnet uns auch in den Sagengestalten der Nibelungen und in den Dialektformen Niewel, Newel, newelig oder niwelig. Im holländischen und niederdeutschen Raum spricht man es auch als Nevel aus. Als Niflheim ist es uns aus dem Altisländischen bekannt. Die Nibelungen, auch sie kamen aus dem Nebel und verschwanden dann wieder irgendwo im Nebel der Geschichte und kamen der Sage nach auch nicht mehr wieder, sie gingen bis auf einen blinden überlebenden Barden unter. Und natürlich gehört auch das Wesertal dort, wo sich die Nethe in den Fluss ergießt zu einer nebelreichen Region, wenn sich der Regen aus dem Westen über der Egge abgeregnet hat und als Nebel ins Wesertal abfällt. Sollte Varus für seinen Zug zum Rhein einen dieser unseligen Nebeltage ausgewählt haben, so traf ihn neben den folgenden regenreichen Niederschlagstagen schon beim Abzug das Pech. Denn Nebel entfaltet bekanntlich immer seine ureigenen mystischen Kräfte. Hat sich erst einmal eine Nebelsuppe schön ausgebreitet, kann man sich gut vorstellen wie schwierig es ist unter diesen Bedingungen einen geordneten Marsch zu bewerkstelligen. Abstände lassen sich nicht immer einhalten, Stimmen und Rufe im Nebel klingen anders, wirken teilweise wie verschluckt, Signalhörner täuschen Nähe vor, obwohl sie aus weiterer Distanz kamen aber auch umgekehrt. Alle Geräusche wirken dumpfer und lassen sich schlechter lokalisieren, Baumstämme erscheinen wie Gestalten und ziehende Nebelschwaden werden zu lebenden Wesen. Hier fühlten sich die Germanen nicht nur in ihrem Element, hier waren sie es auch. Und Menschen die in solchen Regionen aufwachsen, empfinden Nebel und Regen nicht als einen Feind, da sie damit vertraut sind. Die Tatsache, dass Dio von niederschlagsreichen Marschtagen berichtet, bedeutet um diese Jahreszeit auch immer Bodennebel, da in der Übergangszeit beides in einander über geht. Schon lange vor Sonnenaufgang erschallten an diesem besonderen Tag im September, eventuell dem besagten 24.9.0009 die Signalhörner oder Fanfaren der Hornisten, Sie riefen die Legionäre in aller Frühe zum Sammeln und signalisierten auch allen anderen, dass der Zeitpunkt der großen alljährlichen Rückreise gekommen war. In gewohnter Hektik, denn jeder hatte noch irgend etwas vergessen, sammelte sich der Heerwurm vielleicht sogar schon vor Tagesanbruch teils vor und teils im Lager in der großen Weserschleife. Einen viele Kilometer langen Treck mit den nötigen Versorgungswagen zusammen zu stellen und zu ordnen bedeutet sicherlich immer eine beträchtliche Herausforderung für die Organisatoren und bedurfte trotz Routine immer noch tagelanger generalstabsmäßiger Vorarbeit. Um den Versuch eines Vergleichs zu wagen und um sich eine bessere Vorstellung über das Bevorstehende zu machen, habe ich mich mal an einem möglicherweise ähnlichen Ablauf orientiert. So war der Kölner Rosenmontagszug etwa 2007 Jahre später am 8. Februar 2016 etwa 8 Kilometer lang. Die Länge der Zugstrecke durch die Straßen von Köln betrug etwa 7,5 Kilometer, während die Vorbeimarschzeit bei etwa 4 Stunden lag. Beteiligt waren 114 Fest-, Prunk -, als auch Persiflage Wagen sowie Kutschen, 90 Traktoren und 85 Baggage Wagen. Die übrigens auch Wurfmaterial allerdings von anderer Qualität mit sich führten. Der Zug bestand aus immerhin 12.000 Teilnehmern, 82 Musikkapellen marschierten mit, 500 Pferde und fast 3000 Helfer sei es als Traktorfahrer oder Schildträger begleiteten 2016 diesen modernen Lindwurm. Damit kommen wir der Dimension und Ausdehnung der Varus Legionen doch schon etwas näher. Interessant ist dabei aber, dass der Karnevalsumzug „nur“ etwa 8 Kilometer lang war, obwohl er auch von zahlreichen Personen aber auch relativ vielen Fahrzeugen begleitet wurde. Zweifellos sind allerdings die Straßen von Köln auch breiter, als der römische Hellweg von Höxter nach Brakel. Aber auch diese Art von Marschzug zu ordnen, zusammen zu halten und zusammen zu stellen bedeutete viel Aufwand. Und wo ich mir hier schon einen kleinen Schwenk zum Kölner Karneval gestatte, sei mir auch noch ein anderer erlaubt. Er bezieht sich noch mal auf diese ebenfalls nebulös erscheinenden Sugambrer, die damals überall aufzutauchen schienen und immer für Ärger sorgten. Die im Zusammenhang mit den Römerkriegen mehrfache Erwähnung finden und die möglicherweise schon gegen Varus ihre Kämpfer mit ins Feld führten. Die schon unter Cäsar Schlagzeilen machten und mit denen natürlich Lollius seine liebe Not hatte. Die Tiberius in fasst ihrer gesamten Volksmasse auf die linke Rheinseite vertrieb. Die sich aber teilweise noch rechtzeitig nach Osten absetzen konnten. Und die wie Phönix aus der Asche in der Person des Merowingerkönigs Chlodwig später mit an der Wiege Europas standen. Aber bis in unsere Tage treffen wir sie erstaunlicherweise immer noch dort an, wo sie schon seit jenen prähistorischen Zeiten ihre angestammten Siedlungsgebiete inne hatten. Und dieses sozusagen mit Blickkontakt zur Kernmetropole Köln stehende Völkchen, wollte sich doch nie so recht mit den „ubischen“ linksrheinischen Stadtteilen verbrüdern. Und dafür mag es auch noch einen kurios zu nennenden Hinweis geben, der an diese lange zurück liegende und noch heute tagesaktuelle Diskrepanz erinnert. Denn diesem alten Stamm der Sicambrer oder auch Sigambrer wie sie lateinisch genannt werden, könnte es vergönnt gewesen sein in der Neuzeit zu einer recht seltsamen Berühmtheit bzw. Wiedergeburt aber an einem völlig unerwartetem Platze gekommen zu sein. So gelingt es mir vielleicht, neben dem einige Kilometer östlich von Köln verlaufenden vorgelagerten Saum eines uralten aber nachweisbaren dialektischen Unterschiedes noch ein weiteres Argument für das Vorhandensein unserer frühen Vorfahren zwischen Rhein und Bergischem Land ins Bewusstsein zu rücken. Und wer jetzt noch letzte ernsthafte Zweifel oder Bedenken an meiner Theorie haben sollte, der möge es zum Ausdruck bringen „oder für immer schweigen“. Denn dies wäre dann in der Tat der letzte „unerschütterliche“ und „unbestreitbare“ Beweis dafür, dass die Sugambrer im rechtsrheinischen Bergischen Land und dort in jenem schmalen und langen Sprachkorridor der so genannten niederländischen Varietät die Zeiten problemlos überdauerten. Und genau dafür gibt es einen untrüglichen und auch noch bis in unsere Tage modern gebliebenen und besonders lebhaften da handfesten Anhaltspunkt der so seine Blüten treibt. Und bei der Erforschung bzw. Aufarbeitung und Analyse was der große trennende Rheinstrom so alles bewirkte, kommt uns wieder einmal das ureigene alte Wissen um die besonderen Gemütszustände, die Mentalitäten und die Charaktere unserer Altvorderen zu Hilfe. Nämlich die unbeschreibliche Disharmonie die sich zwischen dem sinnenfrohen und kontaktfreudigen Rheinländer links und dem wie man so sagt miesepetrigen und muffeligen Rheinländer rechts des Flusses auftut. Diese unverwechselbaren Charaktere treten besonders in den beiden rheinischen Originalen des Tünnes und des Schäls zutage. Wobei die damit verbundene Vorstellung der rheinischen Frohnatur natürlich einzig und allein auf den linksrheinischen Tünnes zutrifft und nicht auf den mürrischen, dafür aber mit äußerst trockenem Humor ausgestatteten Schäl vom rechten Rheinufer, der berühmten „schäl Sick“. Es mag noch andere Beispiele dafür geben die im regionalen Volkstum längs des Rheinstromes verwurzelt sind und ebenfalls auf die mentalen Unterschiede zwischen den beiden vom Fluss getrennten Völkern mit ihren jeweiligen Attitüden und Allüren anspielen. Vielleicht gehört dazu auch die gespielte Animosität zwischen Wiesbaden und Mainz, wo man sagt, dass das Beste an Wiesbaden die Busverbindung nach Mainz sein soll. Aber hier spricht man nicht von der "schäl - Sick" sondern von der "Ebsch - Side". Obwohl es richtig "Eebsch" lauten müsste, da dass "E" lang gezogen gesprochen wird. Aber was besagt die "Ebsch - Side". "Eebsch" bedeutet im dialektischen Sinne schlichtweg die schlechte Laune, die man offensichtlich den rechtsrheinischen Hessen unterstellt. Es könnte somit eine Fortführung des Mentalitätsgefälles sein, dass durch den Rhein ausgelöst wurde. Im rechtsrheinischen Großraum Wiesbaden lebte demnach der gleiche Menschenschlag wie man ihn auch vom Kölner Dom aus sehen kann wenn man nach Osten blickt. Das man in der Bezeichnung "Eebsch - Side" einen eindeutigen Hinweis auf die Rheinseite, also "Side" entnehmen kann wie es bei der kölnischen Bedeutung "Sick" etymologisch nicht nachweisbar ist, könnte dafür Hinweis gebend sein, dass die Wortfindung "Ebsch - Side" jüngeren Datums ist. Der linksrheinische und bauchige Tünnes wird gerne mit einer roten Schnaps farbigen Knollennase dargestellt, gilt als rustikal und bodenständig, verfügt aber trotz friedlichem Gemüt über eine gesunde Portion Bauernschläue. Der schäle Schäl ist der schielende Vertreter einer aus linksrheinischer Sicht natürlich kulturell eher zurück gebliebenen rechtsrheinischen Landbevölkerung. Schäl steht auch für „ne falsche Fuffziger“ oder „ne schleite Keel“, also ein schlechter Kerl, der die Attribute nicht so „sauber“ und ehrlich zu sein verkörpert. Schäl ist knochig und schlank, trägt Frack und ist hinterlistig, also „ne janz besonders schräge Typ“. Diese zwei Gestalten des Kölner Karneval symbolisieren wie keine anderen Figuren eine alte mentale Mauer oder Trennlinie, die sich scheinbar immer noch unsichtbar mitten im Rhein auftut und die man auch bei genauem Hinsehen von der Hohenzollernbrücke aus nicht sehen kann. Das rechte Rheingebiet war in römischer Zeit die Germania Magna, hier begann das germanische Kerngebiet und bewahrte sich ihre Distanz auch noch bis weit über die Herrschaftszeit der Franken hinaus. Schäl führen die Brauchtumsforscher daher auf einen sehr alten Typus Mensch zurück und bringen ihn wegen seiner Augenstellung in Verbindung mit jenem einäugigen germanischen Gott Wotan, Wodan oder Odin. Dieser soll der Mythologie nach sein zweites Auge für den Blick in den Brunnen der Erkenntnis geopfert haben. Schäl steht auch für schielen, wobei mir allerdings nicht klar ist, wie man mit nur einem Auge schielen kann. Aber man sagt auch, der schielt um die Ecke, so dass man es wohl gelten lassen könnte. Während man sich im römisch, christlichen und zivilisierter geprägten Linksrheinischen zu den alten germanischen rechtsrheinischen Gottheiten seit den Zeiten des Imperium Romana eine größere Distanz bewahrte, war das heidnische im Osten von Köln noch eine sehr lange Zeit dominant und vorherrschend. Das Schäle hat sich auch noch in der Bezeichnung für die so genannte „schäl Sick“ also die schäle und wie man auch sagt die falsche rechtsrheinische Seite erhalten. Man führt es auch auf die Jahre der Treidelschifffahrt zurück, wo wegen des Sonnenstandes den Treidelpferden die Augen verbunden wurden, da man schäl auch mit blinzeln übersetzt. Aber vieles was legenden reich überliefert ist, gilt als nicht hinreichend belegt und muss daher in Frage gestellt werden. In der Zusammenfassung soll es also so gewesen sein, dass der Kölner Schäl von der „schäl Sick“, den heidnischen verschrobenen Altgermanen vom anderen Ufer symbolisiert und der bauernschlaue ihm überlegene Tünnes den intelligenteren Part übernahm. Schäl fügt sich demnach auch besser in den alten Bergischen Jargon in dem man sagt, er ist eben wie ein Schwebebahnpfeiler „oben krumm und unten nass“. Aber damit ist das Rätsel um die Bezeichnung der „schäl Sick“ immer noch nicht gelöst. Denn es tun sich in der Übersetzung des Wortes „Sick“, das man in dieser Kombination immer mit dem Wort „Seite“ gleich setzt bzw. auf eine Stufe stellt, tiefe Wort - Historische Gräben auf. Schaut man in das etymologische Wörterbuch, dem Kluge aus dem „de Gruyter Verlag“ von 1883 mit all seinen bearbeiteten Neuauflagen, so sucht man nämlich vergebens nach einer Querverbindung zwischen Sick und Seite. Was auch nicht verwundert, denn dem Wort Sick lässt sich keine sprach verwandtschaftliche Bedeutung für Seite entlocken. Das Wort Seite kennen wir nur bzw. erst aus dem althochdeutschen und es erscheint dort in seiner ältesten Form in der Schreibweise als „sita“ und im altsächsischen als „sida“. Es folgt dann im Mittelhochdeutschen die Schreibweise „sit (e)“. Aber weit und breit ist kein Sick aufzuspüren. So scheint es, als ob man das Wort Sick „eingekölscht“ hat und man dort darunter mangels anderer Erklärungen fortan das Wort Seite versteht oder verstehen möchte. Natürlich lasse ich mich auch hier immer wieder gerne eines Besseren belehren. Was uns in diesem Fall allerdings näher steht und auch gut in die historisch gewachsene Landschaft passen würde, wäre es, wenn man das Wort Sick, nicht mit „ck“ als Sick, sondern wie die ähnlich klingenden angebrochenen Worte „Sig“ bzw. als „Sic“ schreiben würde. Denn da hätte ich etwas Interessantes anzubieten, nämlich eine Brücke zu den einst im rechtsrheinischen siedelnden Sigambrer zu schlagen oder wie man sie auch in der lateinischen Sprache nannte, die Sicambrer in ihrem alten Stammsitz „Sicambria“ zwischen Ruhr und Sieg und Sieg vielleicht, wie auch gerätselt wird möglicherweise als Si(e)g. Und zu unser aller Vorliebe längere Worte kurzerhand mittels Abkürzung griffiger zu machen, hätten wir hier ein schönes Beispiel für die Langlebigkeit historischer Begebenheiten in Verbindung mit den menschlichen Eigenheiten und Eigenarten. Würde dieser Vergleich also zutreffen, so läge auch eine Begründung für die Bezeichnung „schäl Sick“ auf der Hand. Wir würden hinter Schäl einen Sigambrer erkennen und dann über jene alten schlitzohrigen und schälen Sicambrer sprechen, denen es gelang sowohl der tiberianischen Vertreibung, als auch der Auswanderung nach Osten und der Unterdrückung zu entgehen und ihr langer ausgestreckter Arm würde noch immer über den Rhein und sogar bis in den Kölner Karneval reichen. Bei dieser Standfestig - und Bodenständigkeit und allen Zerwürfnissen zum Trotz, kann man es den heutigen Sigambrern oder Sicambrern zwischen Duisburg und Römershagen dann natürlich auch nicht verdenken, wenn sie sich dann schon mal als etwas mürrischer und verschlossener erweisen, als die munteren Rheinländer mit ihrem Himmel und Ääd.
Aber zurück zu Varus, den der Kölner Karneval nicht in sein Herz geschlossen hat. Die Vorbeimarschzeit des Rosenmontagszuges betrug bei etwa 15.000 Teilnehmern und einer Marschlänge von 8 Kilometern zirka vier Stunden. Verzögerungen und Störungen entstehen sowohl bei Rosenmontagszügen und sind auch für den Varuszug belegt. Beide Züge waren bunt gemischt und können uns zur Orientierung dienen, da sie einen ähnlichen Charakter aufweisen. So lässt sich der Kölner Umzug für einen groben Vergleich allemal heran ziehen, könnte also in etwa mit dem des Varus Zuges deckungsgleich sein. Es ist daher wie auch beim Rosenmontagszug denkbar und möglich, dass der Marschzug vor 2000 Jahren bereits am Tag vor dem Abmarsch, was die beladenen Trosswagen noch ohne Zugtiere anbelangt und unbesetzt in Formation geschoben wurde. Diese strukturell nötigen Vorarbeiten hätte man dann nicht mehr am frühen Morgen und dadurch folglich noch im Dunklen durchführen müssen. Wäre der Zug trotzdem erst am Morgen des Abmarschtages in Formation gebracht worden, so hätte sich der Ausmarschzeitpunkt dann natürlich um diese Zeit erheblich in den Vormittag hinein verschoben, was wiederum zu einem entsprechend späteren Eintreffen im ersten Marschlager geführt hätte. Sowohl die Errechnung der Varus unterstellten Legionäre als auch die darauf basierende Zuglänge und die davon abzuleitende Marschzeit sind natürlich für die weiteren Betrachtungen von ausschlaggebender Bedeutung, da sich mit ihrer Hilfe nicht nur der gesamte Zeitrahmen der Varusschlacht besser rekonstruieren lässt. Auch die Anzahl ihrer germanischen Widersacher, möglicherweise auch die Hochrechnung der jeweiligen Verluste verteilt auf die einzelnen Kampftage und sogar die Dimension der errichteten Marsch - oder Notlager ließe sich anhand der Überlebenden erfassen bzw. überschauen. Varus dürfte aufgrund der ihm bekannten kritischen Lage an diesem Morgen nicht die Gelassenheit in Person zur Schau gestellt und er wird einen gewissen Nachdruck ausgeübt, aber auch eine damit verbundene Unruhe erzeugt haben. Vielleicht erwartete er auch noch Teile an Abstellungen von rechts der Weser, die nicht pünktlich am Sammelpunkt erschienen sind oder Nachrichten über den Aufenthaltsort von Asprenas. Er wollte verständlicherweise auch nicht zuletzt wegen der nun längeren und ausschweifenden Rückreisedistanz keine unnötige Zeit mehr verlieren. Sie wussten alle Bescheid, kannten seinen Befehl, würden danach handeln oder würden dazu stoßen. Man entschied wie vorgesehen zuerst eine Strecke in Marschrichtung Amelunxen bzw. Brakel auf dem gut ausgebauten römischen Hellweg zurück zu legen, von wo aus man dann an einer geeignet erscheinenden Stelle gedachte, auf die Abzweigung in die südliche Richtung einzuschwenken, also einen gradlinig und direkteren Weg in die Region der Aufrührer einzuschlagen.(19.10.2018)

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Donnerstag, 4. Oktober 2018
Praeludium zur Varusschlacht - Arminius ritt weg - um zurück zu kommen.
Das die Varusschlacht im Jahre 9 unserer Zeitrechnung statt fand ist allgemeine Schulweisheit. Aber jetzt noch zu wissen an welchem Tag sie begann und überdies dann möglichst noch um wie viel Uhr, wäre schon etwas viel verlangt. Schließlich wissen wir noch nicht einmal genau, ob bei Waterloo am 18. Juni 1815 wie von Napoleon angeordnet die ersten Kanonenkugeln um 11 : 30 Uhr oder erst gegen 13 : 00 Uhr abgeschossen wurden. Nur wenige und nur minimal eingrenzbare Anhaltspunkte um nicht zu sagen vage Vermutungen liegen uns anhand diverser Konstellationen und Gedankenkonstruktionen zum Zeitablauf des Varus Ereignisses vor und werden daher auch immer noch ausgiebig diskutiert, aber viel Neues dazu wenn überhaupt, kann den Quellen bekanntlich nicht entnommen werden. Es gibt da allerdings eine besondere Begebenheit oder Ausnahme bzw. einen versteckten und unscheinbaren Anlass an dem man es, wenn auch nicht chronologisch, so doch zumindest hinsichtlich einer denkbaren Handlungsabfolge fest machen könnte. Und diese Stunde schlug bzw. Chance gewähren uns die Überlieferungen die uns zu den Dingen erhalten sind, die sich um das letzte Gastmahl bei Varus zugetragen hatten. Mit Betonung auf Gastmahl möchte ich da mal einhaken. Nur Tacitus hat es uns als ein „convivio“ hinterlassen. Darunter verstand man zu Cäsars Zeiten auch ein Gelage. Und was sich dahinter verbergen kann, kann sich jeder an seinen zehn Fingern abzählen. Ein Gastmahl also möglicherweise auch ein Gelage ist also keine X - beliebige Zusammenkunft, zumal nicht zu den damaligen Zeiten, in dieser Phase und vor dem Hintergrund einer gewissermaßen explosiven Lage, auch wenn sie vermutlich von Varus herunter gespielt wurde. Es war gerade deswegen schon etwas besonderes. Man lud passend zu den Verhältnissen die illustren Gäste jener Zeit samt ihrer Encourage zu Tisch. Und wenn ein Herr Segestes daran teilnahm, so waren seine Gegenspieler aus dem Fürstenhaus von Segimer nicht weit. Und sie konnten den Worten von Segestes ihre Sicht der Dinge dagegen halten und Varus war imstande sich beide Versionen im Beisein aller Teilnehmer anzuhören und sich die Glaubhafteste zu eigen machen, was er letztlich auch tat. Varus rühmte sich sicherlich seiner Richterfunktion und seiner damit verbundenen Erfahrung um die Sachverhalte gewichten zu können hatte auch seine römischen Berater bei sich und tendierte zu den Aussagen aus dem Hause Segimer. Alles andere was man jetzt den Konfliktparteien in den Mund legen möchte, wäre wohl zu viel des Guten. Das Gastmahl war an diesem Tag vergleichbar bzw. hatte den Charakter eines Abschiedsessens, vielleicht einer Feier aber wohl weniger eines gemütlichen Beisammenseins bevor man sich dann für einige Monate über den Winter voneinander trennte und sich nicht mehr sah. Eine Zeit in der Varus üblicherweise seinen Geschäften in den römischen Zentren am Rhein nachgehen musste. Denn dort hortete er seine Besitztümer, pflegte er seine Kontakte nach Rom, dort befand sich sein Anwesen und möglicherweise auch seine Ländereien. Somit sollte ein solches Gastmahl Eindruck machen und wurde mit allem erdenklichen zelebriert, was man damals so auf den Tisch stellte. Denn das gemeinsam verbindende Band wollte auch über die Zeit der Abwesenheit straff gehalten werden. Ein alljährlich denkwürdiges Ereignis, dass auch etwas an das berühmte Abendmahl, die Eucharistie von Jesus und seinen Aposteln erinnert, denn auch damals gab es eine Person die verdeckte Absichten verfolgte. Segestes hatte Varus schon häufiger vor der Gefahr eines drohenden Aufruhrs gewarnt und Varus wird den Segimerclan darüber unterrichtet haben. Die Warnungen des Segestes waren also für die Männer um Arminius auch nichts Neues. Und mit der Anzahl der Wiederholungen nutzen sich die Dinge ab, wenn nicht Belastbares hinzu kommt dass dies untermauern könnte. Und es blieb offensichtlich bei den bloßen Warnungen. Varus wird Segestes sicherlich auch gefragt haben, womit er seine Sorge begründet oder rechtfertigt. Und spätestens da hätte Segestes schon ein paar handfeste Dinge oder Beweise für seine Behauptungen auf den Tisch legen müssen die er offensichtlich nicht hatte. Es blieb wohl bei der üblen Nachrede ohne konkrete Fakten zu nennen. Und sein oberflächlicher Vorschlag, man möge doch alle in Ketten legen, gleicht eher einem Offenbarungseid der Unkenntnis. Wie auch hätte Varus ohne jegliche Anhaltspunkte zu haben diesem Anliegen oder Vorschlag statt geben sollen. Er hätte sich möglicherweise dann erst dem hohen Risiko ausgesetzt, dass seine Partner daraus ein Höchstmaß an Misstrauen ableiten können und die gesamte Zusammenarbeit wäre auf einem Nullpunkt angelangt und das kurz vor dem Abzug. Wann hätte Varus ihnen die Fesseln wieder abnehmen lassen sollen, etwa wenn er die Rheinbrücke bei Vetera hinter sich hatte ? Man stell sich vorher ein römischer Feldherr legt auf einen bloßen Verdacht hin die Führungselite eines germanischen Fürstenhauses in Ketten mit denen man einen langfristigen Bündnisvertrag geschlossen hatte. Man könnte es gegenüber den Arminius Kämpfern die gerade erst aus Pannonien zurück kamen und dort für Rom gekämpft hatten auch einfach absurd nennen. Und man könnte auch noch weiter bohren und sich der Frage widmen, ob es denn keine Germanen aus dem Hause Segestes gab, die sich in den Dienst der römischen Armee stellten oder stellen wollten. Was zählte in der damaligen Zeit mehr ? Verstehen wir aber die Lage, so müssen wir schon bekennen, was Varus denn in seinem Hauptlager bei Höxter auch von alledem hätte sehen können. Das Aufruhrzentrum lag rund 30 Kilometer Luftlinie entfernt und was sich dort zutrug entzog sich seiner Kenntnis, aber man würde es ja bald sehen können. Und Segestes verfügte sicherlich auch nicht über den nötigen Gesamtüberblick. Er konnte sich keine Vorstellungen darüber machen wie viel Kriegern es Segimer gelang unter die Waffen zu rufen. Auch germanische Koalitionen waren brüchig und wer wollte seine Hand dafür ins Feuer legen, dass auch alle Germanen die sich zum Kämpfe bereit erklärten auch später auf dem Schlachtfeld erscheinen würden. Trotzdem sprechen die häufigen Warnungen von Segestes dafür, dass schon seit geraumer Zeit Unruhe über dem Land lag und sich etwas zusammen braute. Da war also schon länger etwas im Gange, was sich zumindest vor den Augen der Germanen nicht mehr verbergen ließ und was ein Indiz dafür war, dass diese Schlacht keine Spontanaktion irgend welcher impulsiver Heißsporne war. Hier ist etwas von langer Hand angegangen worden. Aber die Dimension der zum Widerstand bereiten Germanen konnte wohl niemand abschätzen. Damit bestätigt sich auch in vielfacher Hinsicht, welch ein logistischer und diplomatischer Kraftakt dahinter stand, wenn die Gefahr für Segestes schon greifbar war und es die Spatzen schon nahezu von den Dächern pfiffen. Segestes aber trotzdem nicht in der Lage war Varus zu überzeugen. Bei dieser definitiv letzten sich bietenden Gelegenheit bekräftigte Segestes seinen Standpunkt und legte sich nochmal mächtig aber vergeblich ins Zeug, denn ein nächstes Ma(h)l würde es nicht mehr geben. Aber warum gelang es Segestes nicht Varus zu überzeugen. Allzu deutlich durfte er sich gegenüber Varus nicht ausdrücken, so musste er vermutlich bei einer vagen Darstellung bleiben, denn just zu dem Zeitpunkt als er mit Varus speiste, waren teile seiner Krieger seines eigenen Stammes bereits ins Kampfgebiet unterwegs und man könnte ihm den Vorwurf machen, warum es ihm nicht gelang diese zurück zu halten. Da sich wie ich schlussfolgerte seine Burg bei Einbeck – Vogelbeck befand, mussten seine Kämpfer wegen der Distanz bereits aufgebrochen sein und könnten auf dem Weg zur Wallstatt die Weser bei Beverungen überschritten haben. Denn die Tatsache, dass Stammesgenossen von Segestes im Jahre 15 + im Beisein von Germanicus der ihn vor Arminius retten musste, mit Waffen prahlten, die man in eben dieser Schlacht erbeutete, lässt keinen anderen Schluss zu, als dass auch Krieger von Segestes gemeinsam mit den Männern von Segimer gegen Varus kämpften und Segestes auch dieses sehr wohl am Vorabend am Tisch des Varus gewusst haben muss. Denn es ist überliefert, dass man im Jahre 15 + im Hause des Segestes Beutestücke der Varusschlacht zusammen trug, die die Kämpfer des Segestes damals als Beuteanteil zugesprochen bekamen. Nun, da sie sich Germanicus ergaben, muss es für Segestes eine peinliche Darbietung gewesen sein, dass sich sogar seine Leute gegenüber Germanicus damit schmückten und sich rühmten sogar über Varus`sche Waffenbestände zu verfügen. Es war eine wahrlich schwierige Situation in die sich Segestes da bei Varus begeben hatte, denn man hätte ihm später über diesen Abend vorwerfen können, mehr gewusst als gesagt zu haben. Es ist strittig, ob Segestes durch die stabile Allianz der Cherusker gegen Rom nicht sogar selbst gezwungen war in der Varusschlacht eine Kampfeinheit führen zu müssen. Denn die Oberflächlichkeit der Wahl des Begriffes Krieg von Tacitus nährt diesen Verdacht. Zumindest muss er sich vorübergehend der Arminius Koalition angeschlossen haben. Letztlich könnte es also wiederum Segestes daher sogar recht gewesen sein, wenn es beim Gemetzel keine überlebenden Römer in der Varusschlacht gab, die später hätten die Wahrheit kennen bzw. darüber berichten können. Sechs lange Jahre später flog es dann doch noch in Vogelbeck auf als Germanicus dort auftrat, aber da hatten die Geschehnisse vieles überrollt bzw. in der Zwischenzeit hatten sich die Zeiten geändert. Aber die Geschichte vergaß sein Verhalten nicht und trägt es ihm sozusagen bis heute nach. Möglicherweise erschien es Varus so, oder es wurde ihm so von den germanischen Patrioten geschildert, dass es sich bei diesem entfernten Aufruhr in einer noch nicht gänzlich unter Kontrolle gebrachten Region um eine Zuspitzung handelte die für ihn von Provinz politischer Relevanz war, die es vor Ort und Stelle zu regeln galt bzw. die Varus zu beschwichtigen hatte, da sich die Streithähne untereinander nicht einig werden konnten und auch nicht gewillt waren sich gemeinsam zu Varus ins Hauptlager zu begeben um dort seinen Schlichterspruch in Empfang zu nehmen. Varus vertraute bekanntlich ganz auf seine Legionen die mit zu den Besten im Imperium zählten, so dass er den Dingen mit äußerster Gelassenheit gegenüber stehen konnte. Also müsste er sich eben notgedrungen auf den Weg zu jenen „Starrköpfen“ machen, der für ihn zudem auch keinen zu großen Umweg abverlangte. Soweit also die vordergründige einseitige Erklärung wie sie aus dem Munde Arminius/Segimer zu verstehen wäre und mit der sich Varus geistig auseinander zu setzen hatte und die natürlich den Warnungen von Segestes konträr gegenüber stehen. Das man unter einem letzten Gastmahl wie ich es zuvor schilderte kein Frühstück versteht klingt allemal plausibel. Ob man sich zu einem derartigen Gastmahl um die Mittagszeit trifft, dass nach römischem Verständnis vermutlich zwischen 11 und 12 Uhr läge schien ebenfalls ungewöhnlich zu sein. Es stellt sich also die Frage, zu welcher Tageszeit man zum letzten Gastmahl platz nahm. Streichen wir mal das Frühstück, denn ein Gastmahl ist kein karges Frühstück, zumal man es in den Morgenstunden nicht gemeinsam mit höher gestellten germanischen Fürsten einnehmen würde, selbst wenn Segestes und die anderen in Corvey übernachtet haben sollten. Halten wir aber trotzdem auch noch ein Mahl um die Mittagszeit für möglich. Vorstellbar ist aber eigentlich eher, dass man unter einem und ganz besonders unter diesem Gastmahl an ein gemeinsames Abendessen denkt. Und nach einem vorabendlichen Gelage das sich auch länger hin gezogen haben dürfte, bricht man dann auch nicht mehr mit den Legionen an den Rhein bzw. in einen Unruheherd auf. Von dem Zeitpunkt dieses Gastmahls hängt es also ganz besonders ab, wann man dieses aufhob bzw. verließ und auseinander ging um dann „unter die Waffen zu treten“, wie es übersetzt wird. Denn ein unter die Waffen treten suggeriert, dass man diese nicht nur zur Zierde anlegt. Allerdings gurtet man nach einem Gastmahl zu dieser herbstlich vorgerückten Stunde keine Waffen mehr um, wenn man denn darunter einen zügig folgenden Waffengang verstehen möchte. Wäre es so gekommen, dann hätte die Auseinandersetzung mit den Germanen schon fasst in der Dunkelheit statt finden müssen. Diese Überlegungen sprechen also zuvorderst für einen Aufbruch am folgenden Tag. Wobei hier auch die Frage aufkommt, wer von den Bankett Teilnehmern unter die Waffen trat bzw. diese an sich nahm. Vermutlich befand sich die Waffenkammer der Römer in der Nähe des Speisesaals bzw. die Waffen hingen direkt hinter ihren Bänken an der Wand. Die Römer und die Leute um Segimer nahmen sie an sich um sich damit zurück zu ziehen und um sie am nächsten Tag griffbereit zu haben und auch Segestes der nach dem Gastmahl wohin er auch immer ritt, hatte seine Waffen in Griffweite aufgehangen, aber er brauchte sie für den folgenden Tag nicht um damit zu kämpfen. Fand das Gastmahl als Mittagsmenü statt, so hätte sich der Marschzug an den Rhein erst am frühen Nachmittag in Bewegung setzen können, wodurch man die Marschzeit Tageslicht bedingt hätte einkürzen müssen. Wäre man trotzdem los gezogen so hätte man unter diesen Bedingungen das erste Marschlager wohl erst in der herein berechenden Dämmerung bzw. der Dunkelheit erreicht, was man sicherlich vermieden hätte. Diese Überlegungen sind von strategischem Wert, denn sie dienen und tragen zur Errechnung der Kampftage bei, die nach unterschiedlicher Auffassung mal mit drei Tagen und mal mit 3 1/2 Tagen oder sogar 4 Tagen angesetzt werden. Aus anderer Sicht betrachtet könnte man auch die folgende Überlegung aufgreifen. So warf man sicherlich in Germanien auch die römischen Bräuche nicht vollends über Bord und hielt sich wohl auch im Norden an die mediteranen Tischsitten und somit die Essenszeiten. Den Überlieferungen nach begann die römische Hauptmahlzeit, was dann mit dem Gastmahl gleichzusetzen wäre, also die „Cena“ relativ früh am Tag etwa zwischen 15 und 16 Uhr und gern ließ man diese in einer „comissatio“, also einem Trinkgelage ausklingen, um wohl nicht zu sagen ausarten. Einem Gastmahl, dass wie bezeugt später zu solch einer Bedeutung gelangte und während dem man sich über vieles, aber eben auch über Bedrohungsfaktoren, Vorsorgemaßnahmen bis hin zu möglichen Kampfszenarien etc. unterhielt kann man schon einen streckenweise explosiven Verlauf zuschreiben. Die Gemüter könnten sich erhitzt, man kann sich sogar an den Kragen gegangen sein, wird sich aber auch wieder beruhigt haben. Aber eines wird deutlich, denn nach einem sich bis in die Abendstunden hinziehenden derartigen möglicherweise auch fülligen und alkoholisierten Gastmahl kann man, wenn auch nicht ganz nüchtern zwar immer noch unter die Waffen treten, aber bestimmt nicht mehr um sie anzulegen, sondern eher um sie nur an sich zu nehmen in die Schlafkammer zu gehen und um sich dann auf einen Marsch für den nächsten Morgen vorzubereiten. Diesem Hinweis zu entnehmen, man hätte sich sofort oder nahezu umgehend nach dem Gastmahl in ein Schlachtengetümmel gestürzt, dürfte daher abwegig sein. So lassen sich aus der Überlieferung von Tacitus im Hinblick auf Gastmahl, Warnung und Waffenverhalten zweierlei Dinge ableiten. Zum einen, dass man unmittelbar nach diesem Gastmahl noch nicht zu einem Marsch aufbrach und zum anderen, dass es im Zusammenhang mit diesem Gastmahl zu keinem Lagerüberfall auf eben dieses Hauptlager kam. Denn zu welchem Zeitpunkt hätte der Lagerüberfall statt finden sollen, wenn er denn das Varus`sche Hauptlager betraf ? Ist es etwa vorstellbar, dass während sich innerhalb des Hauptlagers noch Varus mit Segimer und Segestes stritt, wer denn nun recht haben möge, vor den Palisaden die Germanen schon geduldig lauerten, wann sie denn nun endlich das Lager überrennen konnten ? Wann hätte also der von Florus geschilderte Lagerüberfall auf einen wie Tacitus schreibt „nichts ahnenden“ Varus erfolgen sollen, der so ahnungslos nicht war, da er kurz zuvor eine erneute Warnung von Segestes zu hören bekam ? Und doch, Varus war in der Tat im entscheidenden Moment zwar nicht ahnungslos, sondern völlig unvorbereitet als ihn dann später tatsächlich der von Florus geschilderte Lagerüberfall traf. Dies sei nur rekapituliert, wenn man denn die Auffassung vertreten möchte, im Zuge des Gastmahles hätte es einen Überfall auf das Hauptlager an der Weser gegeben, so wie man es gerne und oft aus den Zeilen von Florus ableiten möchte. Des Verständnisses wegen hier noch mal kurz ein break, denn es hat in der Tat einen Lagerüberfall, in etwa so wie ihn Florus beschreibt auf Varus gegeben, aber eben nicht im Hauptlager an der Weser und im Zusammenhang mit dem überlieferten Gastmahl und dem folgenden Schritt zu den Waffen. Wann auch, etwa kurz nachdem Segestes das Gastmahl verließ und er sich schon einen Weg durch die wartenden, mürrisch drein schauenden und waffenstarrenden Germanen bahnen musste ? Und noch etwas sollte bei der Florus Variante in Bezug auf das Gastmahl bedacht sein. Denn nach Florus wurde Varus von den Germanen gegriffen während er die Streithähne zu sich vor seinen Richterstuhl rief. Sollte sein verheerender Richterauftritt denn nach jenem Gastmahl statt gefunden haben, als Segestes ihn warnte ? Wohl weniger und so fand der Überfall wohl, wie ich schlussfolgere in einem anderen Lager aber nicht dort statt. Und die Überlieferung, dass man nach dem Gastmahl „zu den Waffen ging, bzw. unter die Waffen trat“ stammte schließlich auch nicht aus der Feder von Cassius Dio der das Mehrtagesgefecht beschreibt, sondern von Cornelius Tacitus, der sich zum weiteren Verlauf der Schlacht gar nicht geäußert hatte. Dies ließ C. Dio wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen, denn auch C. Dio berichtete, dass Varus den Mahnern keinen Glauben schenkte und meinte damit wohl ebenfalls Segestes. Die Hinweise von Tacitus zur Varusschlacht fanden bedauerlicherweise ihren frühen Schluß mit dem mageren Hinweis, dass Segestes wegen der Einmütigkeit der Cherusker sogar in den „Krieg“ mit hinein gezogen wurde. Da der erwähnte Krieg mit der Varusschlacht auf lange Jahre beendet war es also mit den Cheruskern bis 15 + keinen Waffengang mehr gab, stellt sich natürlich die Frage ob Segestes nicht am Ende sogar gezwungen war in der Varusschlacht selbst zum Gegner Roms zu werden. Aber wie ich noch darstellen werde, passt Florus, Tacitus und Dio in allen Punkten sehr gut zusammen, wenn man den Weg in den richtigen Kontext antritt. Das Drehbuch der weiteren Ereignisse lief im Kopf von Varus wie ein Film ab und wurde möglicherweise an diesem Abend geschrieben bzw. endgültig verabschiedet, aber die Abendstunden waren auch noch nicht der Beginn der Varusschlacht, denn die sollte erst am übernächsten Tag beginnen. Bei vorsichtiger Betrachtung dieser entscheidenden letzten Stunden, wird das menschliche Vorstellungsvermögen arg strapaziert und muss mit einer Portion Phantasie und Einfühlungskraft angereichert werden, wodurch es sich schon fasst wie ein Historienroman anhört bzw. sich ihm annähert. Das Angenehme an einer digitalen Niederschrift beruht auch auf der Tatsache, dass sich Geschichtsschreibung die sich wie hier praktiziert zwischen Quellenanalyse, Phantasie und Einfühlungsvermögen bewegt auf die Auflistung von Quellennachweisen gut verzichten kann und gut ohne sie auskommt, denn Historienromane wie diese Darstellung benötigen bekanntlich keine Quellennachweise. Die Wege und Tore der Recherche sind für jedem Interessenten der antiken Geschichte weit geöffnet. Als dann möglicherweise am Morgen des sagen wir mal 24.9.0009 Varus mit seinem Marschzug aufbrach, befand sich Arminius mit seinen Schwertgenossen wie uns von C.Dio überliefert ist, noch unter ihnen. Dann trennte er sich von der Hauptmacht bzw. man entließ ihn, was einen Unterschied gemacht haben könnte. Vermutlich musste er sich militärisch korrekt die Genehmigung holen den Zug verlassen zu dürfen. So ließ er sich eventuell zurück fallen, ritt voraus bzw. sonderte sich mit seinen Vertrauten, wohl an einer vorher festgelegten Landmarke ab und Arminius wird die Örtlichkeiten, wann man ihn von der Truppe frei stellte selbst mit bestimmt haben können. Über welchen Zeitraum bzw. wie viel Kilometer Arminius den Marschzug begleitete, neben Varus ritt oder ihm nur im Abstand folgte ist nicht bekannt. Cassius Dio schien die scheinbare beiläufige Erwähnung, dass Arminius anfänglich noch gemeinsam mit den Legionen ritt, wichtig gewesen zu sein. Dies mag Gründe gehabt haben. Zum einen sollte es gegenüber Varus Vertrauen erweckend sein, einen zuverlässigen Mitstreiter bei sich zu wissen, zum anderen aber auch darauf hinweisen, dass auch dieser gemeinsame Ritt schon zur Strategie des Arminius zählte und Dio wollte damit die perfide Absicht und Hinterlistigkeit die dahinter stand heraus stellen. Für uns könnte es aber auch Hinweis gebend dafür sein, dass sich dieser gemeinsame Marsch oder Ritt noch über eine lange Strecke hingezogen haben könnte, während dem keinerlei Misstrauen auf Seiten der Römer auf kam, geschweige denn Kampfhandlungen statt fanden. Denn einen gemeinsamen Ritt von nur wenigen Kilometern oder nur ein gemeinsames Verlassen des Hauptlagers hätte man wohl nicht explizit erwähnt. Der erste Marschtag dürfte demnach völlig also ohne jegliche Kämpfe verlaufen sein. Die Trennung wird aber zu einem Zeitpunkt statt gefunden haben, den man germanischerseits für taktisch geeignet hielt. Von wo aus Arminius zum Beispiel zügig und ohne große Zeitverluste jene Region erreichen konnte, in der bereits seine Truppen in Bereitstellung standen und wo man ihn erwartete. Auch diese Treffpunktmarkierung bedurfte einer vorherigen Absprache, denn an diesem Tag musste der Zufall nahezu völlig ausgeschaltet werden. Arminius stieß wie verabredet auf seine Männer und die Pläne zur Vernichtung der dort verstreuten bzw. unterwegs befindlichen römischen Abstellungen wurden, wenn es nicht schon vorher geklärt war ausgetauscht. Aber wieder müssen wir versuchen tief einzutauchen in die alte Welt und die Geschehnisse in jenen Tagen. Wie wankelmütig oder unzuverlässig, oder gar jähzornig hätte sich ein möglicherweise unberechenbarer Varus noch plötzlich präsentieren können. Was wäre, wenn der Segestes Warnruf in seinem Kopf nicht verhallt wäre und sich Varus dann doch noch in letzter Minute eines anderen besann. Wie stand es um seine Entschlusskraft einen einmal vereinbarten und eingeschlagenen Weg auch bis zu Ende zu gehen. War er darin darin glaubhaft oder musste man ihm noch zutrauen, dass er noch während seines Zuges von den Hauptlagern in Richtung Westen seine Meinung überdachte und das Gebiet der Aufrührer links liegen ließ. Diese Gedanken müsste Arminius und sein Stab gehabt haben, deswegen dürften sie bzw. er beim gemeinsamen Gastmahl auch auf jede seiner Regungen und Gesichtsmimik genau geachtet haben. Selbst wenn Varus ein unwohles Gefühl überkommen hätte, so wäre auch ein adhoc artiges kurzzeitiges Umsteuern mit Gesichtsverlust verbunden gewesen. Aber auch dann wären für alle erkennbare und sichtbare Vorbereitungen zu treffen und erforderlich gewesen, so dass man von germanischer Seite noch hätte reagieren können. So hätte es schon eines schlüssigen Anlasses für Varus bedurft um plötzlich doch noch das Aufrührergebiet auszusparen. Arminius wird ihn auch über die gesamte Zeit des Marsches im Auge behalten haben. Und so wird er einen Zeitpunkt für das sich Loslösen von der Truppe gewählt haben, zu dem er sich relativ sicher sein konnte, dass Varus dem richtigen von ihm vorgegebenen Pfad auch noch nach seinem Fortgang folgen würde. Nicht auszudenken, die Germanen hätten die Abstellungen nieder gemacht und Varus hätte dann, da er sich anders entschied noch über seine ganze Restarmee verfügt und sie unbeschadet und wohlauf nach Anreppen geführt. Dann wäre alles umsonst gewesen und in der Folge hätte vieles einen anderen Verlauf genommen, die Varusschlacht wäre ausgefallen und ein neuer Flächenbrand im Jahre 10 + hätte wohl bevor gestanden. Marschlager 1 nach Corvey deckte sich in etwa mit der Stelle „X“, also mit jenem Punkt, von wo aus Varus dann ins Herz des Widerstandsgebietes vorgestoßen sein müsste, als auch mit jenem Raum aus dem Arminius mit schnellen Hufen in die Bereitstellungsräume seiner Mannen geritten sein könnte. Aber nun muss ich mich noch mit einem sehr heiklen Punkt auseinandersetzen, denn wie stand es um die Abstellungen die die Germanen vorher anforderten. Wo befanden sie sich, aus wie viel Kämpfern bestanden sie und die Frage, ob es Römer oder Hilfsvölker waren, oder ob sie sich aus gemischten Verbänden von Römern und Hilfsvölkern zusammen gesetzt haben könnten. Denn unter der Berücksichtigung, dass diese Abstellungen mit in die Stärke der Varuslegionen eingerechnet werden, läuft diese Überlegung darauf hinaus sich vorstellen oder errechnen zu können, auf wie viel Krieger Varus später bei vollem Verlust der Abstellungen hätte verzichten müssen. So ist nach C. Dio die Rede davon, dass die Germanen „viele“ römische Hilfskräfte anforderten. Eine leider ungenaue Darstellung, denn was sind schon „viele“ ? Zumindest dürfte klar sein, dass diese „vielen“ aus germanischer Sicht im günstigsten Falle nicht mehr an der Varusschlacht teilnehmen konnten und die Legionen entsprechend schwächten. So sollen sie die Aufgabe gehabt haben, Gegenden sprich Örtlichkeiten zu bewachen und sollen die Cherusker vor Räubern bewahrt haben und Proviantkolonnen hätten sie schützen müssen. Jedes einzelne dieser von den Cheruskern vorgetäuschten Manöver bzw. gründe um den Legionen Kampfkraft zu entziehen, würde es verdienen auf ihre wohl eher unverhohlene da fehlende „Sinnhaftigkeit“ hin analysiert zu werden. Sparen wir uns also zu fragen, welche Proviantkolonnen denn in Cheruskien unterwegs waren und wer denn die Räuber gewesen sein sollen die die Germanen bedrohten. Aber offensichtlich ging die germanische Rechnung auf. Ebenso wenig wissen wir und werden es nie erfahren, wie hoch der Anteil seiner eigenen cheruskischen „Auxiliareinheit“, bestehend aus den alten Kampfgefährten von Pannonien und den neuen jungen Kriegern war, die er teils schon bei sich und die er teils in der Deckung gehalten hatte. Es ist aber denkbar, dass es sich bei den Germanen die er noch zusätzlich zur Verstärkung herbei rufen wollte auch um Mitglieder anderer Stammesverbände gehandelt haben könnte. In dem Moment an dem Arminius die Legionen verließ und um es mal theatralisch auszudrücken einen letzten Blick auf seine ehemaligen Weggefährten warf, schlüpfte er auch physisch in die Rolle des Feindes und streifte sein diplomatisches Zwangskostüm ab. So gab er noch im symbolträchtigen Wegreiten einen unhörbaren aber ultimativen Befehl für den Beginn des militärischen Teils der Aktion „Varusschlacht“. Von nun an wurden alle in irgendeiner Form beteiligten Stämme, die kleinen Dorfgemeinschaften und alle Siedler der Region via Stafette nach dem Prinzip Lauffeuer informiert, dass es nun ernst werden würde und das nicht nur im Aufenthaltsgebiet der römischen Abstellungen. Die interessante aber vor allem rätselhafte Tatsache, dass Varus in dieser Zeit überhaupt noch Abstellungen in den germanischen Siedlungen stationiert hatte mag von der Unbekümmertheit zeugen, mit der er die Gefahrenlage einschätzte und in die er dann hinein schlitterte und den Aufrührern vorher sogar noch seinen hohen Besuch ankündigen ließ. So gelöst und selbstsicher wie Varus den Anschein hinterließ, so unbekümmert verrichteten auch die römischen Abstellungen ihre Arbeiten nämlich ohne von der schwebenden Gefahr zu wissen bzw. sich ihrer bewusst sein zu können. Und sicherlich waren die Abstellungen auch nicht aus jenen Regionen heraus von den Germanen abgerufen worden bzw. dort tätig gewesen, in denen Varus nun die Aufrührer mäßigen wollte, also im südlichen Nethegau nahe dem Saltus. Denn dann hätten die Kämpfe mit mit den Abstellungen wie ein Frühwarnsystem für die Legionen gewirkt. Frühestens am späten Nachmittag oder Abend dieses fiktiven 24.9.0009, könnten dann auch die ersten Schwerthiebe auf jene von römischer Seite abgestellten Legionäre nieder gegangen sein, die sich nichtsahnend unter den Germanen aufhielten, deren Transporte begleiteten oder anderweitige Pionierdienste leisteten, bzw. für den Wegeausbau eingeteilt waren. Es muss Ihnen wie ein Blitz aus heiterem Himmel vorgekommen sein, als sich plötzlich Freunde als Feinde erwiesen. Wie bereits von mir spekuliert, wird man abseits vom späteren südlich von Höxter liegenden Kampfgebiet, die Bausoldaten und die römischen Polizeikräfte aus strategischen Gründen nicht suchen brauchen, sondern eher nördlich der Hellweg West/Ost Trennachse im befriedeten ruhigeren Teil des okkupierten Gebietes, also im Großraum Marienmünster oder Nieheim. Waren sie in kleinere Einheiten zerstreut und zersplittert unterwegs, so war ihre Verteidigungsfähigkeit und Kapazität begrenzt und sie ließen sich dort besser ausschalten, aber wir kennen ihre jeweilige Mannschaftsstärke nicht. Von den nun einsetzenden überraschenden Kampfhandlungen im heutigen Raum Ostwestfalen könnten aber auch jene Römer betroffen gewesen sein, die sich ebenfalls noch völlig unwissend beispielsweise auf einem routinemäßigen Versorgungs Rückweg durch den Horner Engpass nach Anreppen bewegten oder eine Strecke über den Eggehöhenweg gewählt haben, der sie zuerst ins Standlager Aliso/Schwaney führte. All diese sich im Umkreis oder Großraum bewegenden römischen Transportkolonnen waren nun gefährdet mit in die Kämpfe verwickelt zu werden, wenn sie nicht rechtzeitig die schützenden Kastelle Aliso oder Anreppen erreichen konnten. Denn wenn noch nicht einmal Varus besondere Vorkehrungen traf, wie sollten dann erst andere römische Kleinzüge oder Wachtposten eine Notwendigkeit darin gesehen haben sich auf Angriffe einzustellen. So glimmte in Ostwestfalen am Vorabend der Varusschlacht nach dem römischen Immensum Bellum, als die Legionen nur verbrannte Erde hinterließen erneut die Lunte die zu einem Flächenbrand anwachsen sollte und wieder einmal würde eine ganze Region im Feuer stehen und das auch nicht nur da, wo Varus mit seinen Legionen unterwegs war. Auch der recht ominös erscheinende Asprenas mit seinen zwei „flüchtigen“ Legionen sei an dieser Stelle erwähnt. Er könnte theoretisch über seine Verbindungsoffiziere von den Warnungen des Segestes früher erfahren haben als man vermutet. Er könnte sie sogar ernster genommen haben als Varus. Man kann der Sachlage nach vielleicht auch unterstellen, dass sein Gespür für den drohenden Konflikt ausgeprägter war und ihn einige Informationen möglicherweise sogar detaillierter erreicht hatten bzw. zu seinen Ohren kamen. Es könnte sogar eine Erklärung dafür sein, dass er sich rechtzeitig um die nötige Distanz zu den Varuslegionen bemüht hatte und er seine Legionen wie es heißt zum Rhein retten konnten. Auch das Rätselraten um seinen Standort beim Ausbruch der Varusschlacht hält unvermindert an. Am Kampfgeschehen um die Varusschlacht waren wie überliefert Cherusker und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wegen der bei ihnen gefundenen Legionsadler auch Chatten, Marser und Brukterer beteiligt. So stellt sich natürlich die Frage, warum die in den Folgejahren massiv auftretenden Angrivarier, da sie nördlich der Cherusker siedelten, nicht auch schon 9 + als ebenfalls eine den Cheruskern sehr nahe stehende Fraktion an den Kämpfen mit beteiligt gewesen waren bzw. in dem Zusammenhang genannt wurden. Das römische Aufmarschgebiet an der Weser grenzte auch an ihre Siedlungsgebiete. Meine Erklärung dafür ist, dass sich die Angrivarier möglicherweise an der Ausschaltung der Abstellungen beteiligten, aber wegen der Distanz zum südlichen Nethegau nicht an der Varusschlacht unmittelbar teilnehmen wollten. Denn wie sich die Bekämpfung der so genannten Abstellungen im Detail zugetragen haben könnte, entzieht sich unserer Kenntnis. Ob es Arminius mit seinen Mannen allein bewerkstelligte, alle verstreuten Abstellungen noch kurz vor Beginn der Varuskämpfe zu vernichten um dann noch im Eiltempo ins Nethetal zu gelangen, um dort aus rückwärtiger oder seitlicher Position heraus die Legionen wie auch immer anzugreifen ist fraglich. Es könnten einzelne germanische Kommandoaktionen gewesen sein, die die Position der Abstellungen kannten, da sie sie schließlich angefordert hatten und diese nieder ringen konnten. Es ist auch zu berücksichtigen, dass man damals römischerseits gar keine Unterteilung machen konnte, welcher Germanenstamm nun wann und wo gegen sie im Einsatz war und welcher nicht. Stämme, Sippen lebten eher wie ein Flickenteppich miteinander oder untereinander, wer wollte da schon Zuordnungen machen wollen. So war es aus römischer Sicht später auch kaum mehr nachvollziehbar, welche Stämme es letztlich waren, die ihre Abstellungen vermutlich im Großraum zwischen Horn, Steinheim, Marienmünster, Lüchtringen bis nordwestlich Höxter im Vorfeld der Varusniederlage bezwangen. So könnten dies auch schon gut und gern Angrivarier gewesen sein. Man kann hinter der pauschalen Aussage von C. Dio auch schließen, dass es sich um unterschiedliche germanische Stämme handelte, die die Legionäre anforderten. Wer kannte damals schon die einzelnen Grenzverläufe. Es kann daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich in dieser ersten Phase bereits Teilstämme der Angrivarier den Kämpfen gegen die Abstellungen angeschlossen hatten, denn man wusste es in Rom nicht besser zumal nur wenige Überlebende berichten konnten. Es dürfte ja sogar muss insgesamt betrachtet schon eine gewisse Zeit in Anspruch genommen haben, bis es den Germanen gelang die besagten Abstellungen denn es waren ja „viele“ zu bezwingen. Schließlich konnten meines Erachtens die Männer um Arminius auch erst am zweiten Marschtag mit in die Varusschlacht eingreifen, als sich Varus laut C. Dio bereits in schwer passierbaren Waldgebieten befand. Dieser Hinweis lässt den Schluss zu, dass sich die Legionen, bevor Arminius sie verließ möglicherweise auch noch auf besser ausgebauten Wegen wie zum Beispiel dem römischen Hellweg befunden haben könnten. Denn Arminius griff sie ja erst zu einem Zeitpunkt an, als sich diese bereits über schwieriges Terrain bewegten bzw. dort marschierten, wo er sie hin beordert hatte. So wage ich an dieser Stelle mal den Versuch einer „minutiösen“ Ablauffolge. Arminius begleitete also den Convoi bis in den Raum des ersten Marschlagers. Für die mögliche Wegstrecke bzw. übliche Tagesetappe von 21 Kilometern auf einer gut nutzbaren Trasse wie dem Hellweg und einer Aufbruchzeit morgens gegen 9 Uhr sowie einer allerdings wegen des umfangreiches Trosses am ersten Tag verlangsamten durchschnittlichen Marschgeschwindigkeit von etwa drei Kilometer pro Stunde, hätte man das erste Lager nach etwa sieben Stunden gegen 16 Uhr erreicht haben können. Kurz vor der Ankunft am ersten Marschlager ritten Arminius und seine Männer also davon bzw. bogen nach rechts ins Oberwälder Land ab, um dort auf die Kämpfer zu treffen bzw. sie zusammen zu rufen. Als Varus am Morgen des 25.9.0009 vom ersten Marschlager mit seinen Kampflegionen aufbrach, hatten die Germanen nahezu parallel dazu schon vor Sonnenaufgang damit begonnen die Abstellungen anzugreifen. Arminius nahm anfänglich daran teil, verließ aber nachdem sich die Aktion als ein Erfolg abzeichnete die Region und wandte sich mit den ihn begleitenden Kriegern in Richtung Varusarmee. Er erreichte diese, als sie bereits in den kritischeren Bereich der Wegstrecke vorgedrungen waren, traf sich dort mit seinem Vater und beide beobachteten das weitere Geschehen. Ließe sich eventuell aus dieser Überlegung eine Chronologie ableiten ? Zum Beispiel der Dreisatz: Arminius verließ die Legionen am ersten Marschtag gegen 15 Uhr als man sich kurz vor dem ersten Marschlager befand, er half anfänglich bei der Niederschlagung der Abstellungen ab den frühen Morgenstunden des zweiten Marschtages noch selbst mit, wofür er 6 Stunden brauchte, wie viel Kilometer hatte Varus in dieser Zeit am zweiten Marschtag ins Aufstandsgebiet bereits zurück gelegt ? Mit dem Ergebnis dann auch zu wissen, wann die Legionen in die ersten Kämpfe verwickelt worden sein könnten. Aber so abwegig ist diese Dreisatz Theorie gar nicht, wie sie auf den ersten Blick anhört. Wenn nämlich Varus im Morgengrauen des 24.9.009 aufbrach, Arminius ihn tatsächlich gegen Nachmittag erst verließ und dann auch erst am nächsten Tag der Kampf mit den Abstellungen begann, dann waren er und seine Germanen auch nicht mehr imstande Varus schon am gleichen, also ersten Marschtag anzugreifen. Arminius konnte Varus folglich aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit gar nicht mehr an diesem ersten Tag an griffen haben, dem Tag an dem Varus morgens sein Weserlager verließ und griff demnach erst am zweiten Marschtag dem 25.9.0009 ins Kampfgeschehen ein. Damit verlief der erste Marschtag reibungslos, was sich auch in die Kette der Marschlager Theorien nahtlos einreiht. Das muss aber nicht bedeuten, dass nicht am zweiten Marschtag bereits vereinzelte übermütige Germanen erste vorsichtige Attacken noch aus der Ferne vorgetragen, gegen die Legionen führten und ohne auf die Ankunft von Arminius zu warten. Es spricht aber auch einiges dafür, dass die Germanen unter der Führung von Segimer erst die Anwesenheit von Arminius und seinen Männern auf dem Schlachtfeld abwarteten, bevor sie die Legionen ernsthaft an griffen. Es ist aber davon auszugehen, dass Arminius nur Teile seiner Männer abstellte und auch Kommandoeinheiten unter fremder beispielsweise angrivarischer Führung gegen die Abstellungen agieren ließ und er sich selbst schon früher etwa um die Mittagszeit des 25.9.0009 auf den Weg zu den Varus Legionen machte. Letztlich entscheidend aber war, dass er im richtigen Moment zur Stelle war als man schockiert zur Kenntnis nehmen musste, dass die vermeintlichen Untertanen nun plötzlich als Feinde vor ihnen standen und ihre verheerende psychologische Wirkung entfalteten. Man erkannte also offensichtlich auch Arminius und seine Männer ganz schnell, als diese wie aus dem Nichts heraus unvermittelt das Schlachtfeld betraten. Alles ist schon ein wichtiger Hinweis, wenn man den gesamten Ablauf rekonstruieren möchte, denn dass würde dafür sprechen, dass der zweite Marschtag der Tag war, an dem die eigentlichen Kämpfe unter den sich stetig verschlechternden Wetterbedingungen gegen den Varuszug begannen. Aber auch ein Blick über den Tellerrand der möglichen Kampfplätze im Zusammenhang mit der Varusschlacht bzw. den Kämpfen mit den Abstellungen muss gestattet sein. Hoch gehandelt wird dabei immer die Region nahe Horn und Berlebeck. Dort befindet sich auch ein Flurstück mit dem viel sagenden Namen Wintfeld bzw. Winnfeld oder auch Schnepfenflucht genannt. Hierzu berichtete 1582 schon der Lemgoer Heimatforscher Hamelmann, dass auf dem Wintfeld in früheren Zeiten zahlreiche Funde von menschlichen Gebeinen sowie verschiedene römische Waffen und Trossteile bis hin zu augusteischen Münzen gemacht wurden. Die Münzen habe er 1556 noch selbst gesehen. Ob Hamelmann bereits Kenntnis von den entdeckten Tacitus Annalen hatte bzw. in dieser Zeit eine römische Münze bestimmen konnte ist fraglich. Aber im Kontext betrachtet scheint es unstrittig zu sein, dass sich auch besonders hier Örtlichkeiten befanden, wo es zu Kämpfen zwischen Römern und Germanen kam. So könnte in der Tat eine dieser besagten römischen Abstellungen auf dem Rückzug auch an jenem Platze angegriffen worden sein. Ob diese Münzen nun VAR Gegenstempel trugen oder nicht ist natürlich nicht überliefert. Spekulationen, dass es sich hier auch um die Überreste der Vala Schwadronen handeln könnte, müssen in Zweifel gezogen werden, da auf dem Winnfeld auch viele Kopfnägel von Trossrädern gefunden wurden. Einzelne Exemplare der Kopfnägel fanden sich sogar noch zusammen verklumpt mit Eisenresten eines Trossrades. Numonius Vala und seine Schwadronen waren damals aber sicherlich nicht mitsamt eines Trosses soweit nördlich vom Saltus auf der Flucht. Aber hier müssen wir noch mal auf die Fakten blicken. Kaum anzuzweifeln ist, dass sich auf dem Winnfeld Kämpfe zugetragen haben, die aufgrund der Funde in dieser Region auf eine germanisch römische Auseinandersetzung schließen lassen. Die Reste aufgepflügter menschlicher und wohl unbestatteter Gebeine zeugen von einem voraus gegangenen Kampf. Es müssten die Reste gefallener Römer gewesen sein denn, wären es Germanen gewesen, so wären diese traditionell von ihren Stammensgenossen wie überliefert ist, beigesetzt worden. Wenn es denn augusteische Münzfunde gewesen sein sollten, so sprechen diese aber auch für Kämpfe während oder nach der Regierungszeit von Kaiser Augustus zwischen 27 - bis 14 + bzw. auch weit darüber hinaus. Die römische Expansionsphase bot germanischen Straßenräubern die es bekanntlich bzw. wie überliefert ist auch gab, immer wieder Gelegenheit auch römische Kolonnen anzugreifen um Beute zu machen. Sollte es sich aber um Abstellungskämpfe im Zuge der Varusschlacht gehandelt haben, so müsste dann der Treck vom Winnfeld in Richtung Anreppen unterwegs gewesen sein, da auch diese Verbände letztlich zur Lippe oder zum Rhein unterwegs waren. Wäre der Verband in Gegenrichtung also nach Norden gezogen, wäre der Überfall noch in die Expansionsphase also die der Landerschließung gefallen. Aus der einen Variante könnte man demnach schlussfolgern, eine römische Kolonne wurde im Zuge der Abstellungskämpfe aufgerieben und aus der anderen wäre dies möglicherweise bereits ein herber Verstoß gegen den Bündnisvertrag mit den Cheruskern gewesen. Allerdings wären es dann keine den Cheruskern zuzuordnenden Straßenräuber gewesen, denn wer hätte sich von ihnen gewagt vor dem Jahre 9 + also defacto noch in Friedenszeiten einen römischen Marschzug in Richtung Norden anzugreifen. Ob die Germanen im Zuge des Immensum bellum zwischen 1 + und 5 + derartige Angriffe ausführten ist aber ebenso wenig auszuschließen wie der Angriff auf eine Marschkolonne im Zusammenhang mit dem Aufmarsch der römischen Legionen während der Rachefeldzüge ab 15 + und 16 +. So gesehen hilft uns ohne erfolgreiche und somit auswertbare Nachgrabungen dieser sehr alte Fund letztlich leider keinen Schritt weiter und die gute alte Schaufel müsste es lösen helfen. Hinsichtlich der Tatsache bzw. der Frage, warum sich die, für die germanischen Siedlungen abgestellten Legionäre zum Zeitpunkt des Abmarsches noch nicht in der Marschkolonne des Varus befanden vertrete ich die Auffassung, dass Varus es wohl nicht für nötig hielt anlässlich eines aus seiner Sicht vielleicht nur unterschwelligen und routinemäßigen „Aussentermins“ seiner Gerichtsbarkeit gleich alle verfügbaren Legionäre für den Umweg zusammen zu ziehen. Eine andere Erklärung könnte wie ich bereits schrieb die gewesen sein, dass jene Abstellungen aus den beschriebenen Räumen schneller von ihren jeweiligen Positionen aus die Lager an der Lippe erreichen konnten, als sich vorher noch einem Umweg nach Süden hätten aussetzen zu müssen, um sich dem entfernter marschierenden Varuszug anzuschließen. Aber die besondere Erwähnung der gezielten Kampfeinsätze gegenüber den in den Dörfern stationierten und von den Germanen angeforderten Römern sollte sicherlich nicht den Unterhaltungswert seines Berichtes steigern helfen. Warum fand er also Eingang in die Geschichtsbücher ? Sollte dieser Hinweis schon einen ersten Anhaltspunkt dafür liefern, dass hier eine von vornherein personell geschwächte und nicht voll einsatzfähige Armee in einen Kampf zog und daher leichter zu besiegen war ? Sollte damit gar das sich bewundernswert positiv entwickelnde Vertrauensverhältnis zwischen Germanen und Römern herausgestellt werden, womit die Sorglosigkeit von Varus zusätzlich begründet wurde, in dem er es sogar noch riskieren konnte in dieser Situation seine Kontingente an der langen Leine zu führen ? Es mag noch eine Reihe anderer Gründe gegeben haben, warum sich zum Zeitpunkt seines Abmarsches Legionäre außerhalb der strengeren Militärdisziplin im Lande aufhalten durften. Waren die Legionäre mit der Aufgabe mit der man sie beauftragt hatte etwa nicht rechtzeitig fertig geworden, sollten, konnten oder wollten sie sich daher wenn überhaupt erst später in die Kolonne einfügen. Vielleicht war Ihnen auch die Aufgabe zugedacht gewesen, später mit den germanischen Hilfsvölkern und hier vor allem den Cheruskern die Nachhut zu bilden, so dass eine Verspätung nicht weiter ins Gewicht gefallen wäre. Einen mit Tross langsam marschierenden Marschzug noch einholen zu können dürfte für berittene Einheiten auch mit Verspätung kein großes Problem bedeutet haben. Man könnte sogar soweit gehen und annehmen, dass sich die Legionäre bemühten Abstellungen bilden zu dürfen um dem tristen Lagerleben zu entkommen, man kann sogar spekulieren, dass sich die abgestellten Legionäre bewusst von der Hauptmacht fern hielten, weil ihnen die Lage suspekt schien. Vielleicht waren es gerade diese römischen Legionäre aus den Abstellungen, die sich nach der Varusschlacht noch eines langen Lebens erfreuen durften, da man sie widerstandslos aufgriff und als Sklaven übernahm. Spekulationen kennen eben keine Grenzen. So lässt die Überlieferung viele Schlüsse zu. Fanden nicht auch gerade erst die Festivitäten zu den beiden angenommenen kultischen Großereignissen wie des Kaiser Augustus Geburtstags und des Equinox ihren Abschluss ? Wir wissen auch nicht wie es um die Disziplin bestellt war und so wäre es den Legionären auch nicht zu verdenken, wenn diese es mit dem Aufbruch auch nicht so eilig gehabt hätten. Vielleicht hatten die Cherusker dabei auch schon etwas „nachgeholfen“ und könnten sie ihrer Verteidigungskraft beraubt oder diese eingeschränkt haben. Das Unbrauchbar machen von Waffen wäre da noch ein einfacher weg gewesen. Varus jedoch zu lange auf ihr Erscheinen warten zu lassen, wäre aber wohl von ihm bzw. seinen Kommandeuren keinesfalls toleriert worden. Schließlich war letztlich doch ein gewisser Ernst der Lage dadurch erkennbar, da Arminius vorgab aufgrund der gemeldeten Unruhen doch sicherheitshalber weitere Streitkräfte der Bundesgenossen hinzuziehen zu wollen und was man ihm auch abnahm. Aber aus welchen Stämmen könnten sich die hier gemeinten zusätzlichen germanischen Hilfskräfte zusammen gesetzt haben ? Waren es die Dulgubiner in denen man gerne einen Stamm sieht, der rechts der Weser zum cheruskischen Stammesverbund zählte oder waren es schon die im Nordwesten von Höxter siedelnden Angrivarier oder waren es immer nur Cherusker. Sich eine Situation vorstellen zu müssen, bei der die germanischen Auxiliartruppen bei Varus pünktlich zur Stelle gewesen wären, sich also wie vereinbart den Legionen angeschlossen hätten und den Anschluss an die Legionen somit rechtzeitig gefunden hätten, aber die eigenen Legionäre aus den Abstellungen auf sich warten ließen, wäre undenkbar. Wir wissen nicht wie umfangreich man sich die erwähnten römischen Abstellungen im Lande vorzustellen hat und wie weit sie auseinander gezogen waren. Es könnten schon einige hundert oder gar tausend gewesen sein. Die Maßnahme diese römischen Reiter- und wohl auch Fusslegionäre noch vorher Kampfunfähig zu machen und es zudem noch sehr kurzfristig durch germanische Einheiten umzusetzen muss demnach eine taktische Meisterleistung gewesen sein. Denn wäre es auch nur einem einzigen berittenen römischen Legionär gelungen die Flucht aus der Tiefe der germanischen Provinz zu schaffen, sich nach Aliso oder zu Asprenas durchzuschlagen, oder es wäre ihm sogar möglich gewesen die ziehenden Varuslegionen noch in der Nacht oder am frühen morgen des 25.9.0009 zu warnen, so hätten sich diese sofort in eine Verteidigungsformation begeben und es wäre eine Alarmlage ausgerufen worden. Damit wäre der ganze Plan von Arminius und Segimer schon frühzeitig nichtig geworden, man kann wohl sagen zum Scheitern verurteilt gewesen. Welche ausgefeilte Strategie muss daher Arminius angewendet haben, um das hohe Risiko einer Vereitelung zu diesem sehr frühen Zeitpunkt auszuschließen. Einen Plan dessen Realisierung er und sein Vater schon seit langer Zeit verbissen verfolgt hatten kurz vor der Umsetzung platzen zu lassen, hätte nicht nur ihr persönliches Ende bedeutet. Daher nochmal die Frage, wo befanden sich die verteilten römischen Legionäre die es auszuschalten galt und das alles nur wenige Stunden vor den ersten Kampfhandlungen am Varuszug und wie ließen sie sich und konnte man sie unauffällig und komplett nieder machen ? Waren die Legionäre über viele Germanendörfer oder andere Standorte verteilt gewesen, so hätten die Germanen auch genau wissen müssen, wo sich die einzelnen Gruppen befunden haben. Einzelne Legionäre die in Germanien individuell unterwegs waren sind schwerlich vorstellbar. Auch beritten sollten sie gewesen sein, denn es waren Distanzen zu überbrücken. So bestand die latente Gefahr, dass sich Legionäre einzeln oder in Gruppen unbeobachtet der Vernichtung hätten entziehen können. So weit so gut, aber es gibt noch eine weitere Variante die sich in den Ablauf der Geschehnisse am 24. und 25.9.0009 einfügen ließe. Man stellt sich nach der Beschreibung von C. Dio gerne vor, die Abstellungen müssten sich in kleinen Gruppen kreuz und quer verteilt im ganzen Stammesgebiet der Cherusker und möglicherweise auch darüber hinaus aufgehalten haben. Es kann aber auch anders gewesen sein. Denn die so genannten Abstellungen, also die abgestellten Legionäre oder Hilfsarbeiter könnten sich zu dem Zeitpunkt, als die Germanen auf sie trafen oder schon vorher auf wenige überschaubare Einsatzgebiete, Projekte bzw. Schwerpunkte konzentriert haben, wo man sie relativ schnell lokalisieren einkreisen und ausschalten konnte. Abwegiger erscheint mir die Vorstellung, sie hätten sich bereits in einem kleineren Lagerkomplex im Großraum der germanischen Dörfer also in der Umgebung des heutigen Höxter gesammelt bzw. zurück gezogen. Es kämen dafür zwar mehrere per Luftbild geortete Bodenstrukturen infrage, wo sich Lager befunden haben könnten, in denen sich auch eine gewisse Anzahl Legionäre außerhalb der Hauptlager aufgehalten haben könnten. So zum Beispiel angrenzend an den Ort Lüchtringen nördlich von Höxter gelegen, wo man Hinweise auf Lager entdeckte die schon eine geeignete Größendimension aufwiesen. Um aber den Anschluss an die abziehenden Legionen nicht zu verlieren, ist es schwer vorstellbar, dass es sich bei den abgestellten Legionären oder Hilfskämpfern um Infanterie gehandelt hat, sondern eher um Reiterei. Die Überlieferung berichtet, dass drei Alen an der Varusschlacht beteiligt waren. Eine Ala bestand im Heereswesen der Kaiserzeit aus 500 bis 1.000 Reitern und zählte zu den nicht römischen Auxiliartruppen, wurde also beispielsweise aus Kelten oder Germanen gebildet. Hinzu kam die rein römische Kavallerie die bei drei Legionen aus etwa insgesamt vierhundert hauptsächlich Aufklärungs - und Meldereitern bestanden haben könnte. Setzten sich die Abstellungen wegen der Distanzen nur aus Berittenen zusammen, könnten sie sich auch aus reinen Hillfsvölkern und keinen Römern mit Bürgerrecht zusammen gesetzt haben. Das würde wieder die Diskussion in die Richtung eröffnen, wie feindlich man sich unter den Germanen gesonnen wäre, man sprach schließlich die gleiche Sprache. Hätten sich auch Unberittene also Infanterie zum Zeitpunkt des Abmarsches noch in den weit verstreuten germanischen Dörfern befunden um dann von dort in Eilmärschen noch den Anschluss an den Marschzug suchen zu müssen ? Einer römischen Legion wurde eine Kavalleriestärke von 120 Mann, was vier Schwadronen a` 30 Reutern entspricht zugeordnet. Nach Cassius Dio kommandierte Varus „viele“ Legionäre an die Abstellungen ab, er überliefert uns aber nicht, dass Varus Auxiliareinheiten also Soldaten aus Fremdvölkern zu den Abstellungen abkommandierte und ob es Reiter oder Infanterie war. Hier würde sich meine Theorien spalten. Wären es nicht römische Alen gewesen, wären sie zwar zu Pferde sehr mobil in Germanien unterwegs gewesen, es wären dann aber keine römischen Kavalleristen gewesen, denn Dio schreibt explizit Legionäre und nicht Hilfsvölker. Und die römische Kavallerie die in erster Linie Aufklärungszwecken zu dienen hatte wird er nicht allein in die Abstellungen beordert haben, obwohl man sie sich eingeschränkt auf Polizeifunktionen in Innergermanien vorstellen kann. Reine Polizeifunktion, Kontrolle oder Bewachung wäre also denkbar, dann hätten man sie aber nicht für Instandsetzungsarbeiten wie Brückenbau etc. eingeteilt. Ob sich allerdings die germanischen Verbände gegen Abstellungen bestehend aus der römischen Kavallerie gestellt hätten, denen auch die Flucht hätte gelingen können würde mich in eine schwierige Spekulationsfalle führen. Römische Infanterie könnten sich folglich immer unter den auch germanischen auxiliaren Abstellungen befunden haben und das auch mit einer begrenzten Anzahl an Soldaten der römischen Kavallerie zum Schutz. Die Theorien lösen jedoch nicht die Frage, wieviel Soldaten, ob sie nun aus Fremdvölkern bestande n oder aus Römern im Zuge der Kämpfe mit den Abstellungen, möglicherweise auch alle umkamen. Bei diesen vorher von der Cheruskern außer Gefecht gesetzten Kämpfern dürfte es sich aber faktisch um größere Einheiten mit erheblicher Mannschaftsstärke gehandelt haben, denn es waren ja ganz schön „viele“ wie Dio uns freundlicherweise überlieferte. Und diese fehlten allesamt an den darauf folgenden Tagen in der eigentlichen Varusschlacht. Wäre die Anzahl der Legionäre die im Vorfeld umkamen für den Schlachtverlauf unerheblich und zu vernachlässigen gewesen, so wären uns vermutlich auch nicht diese Kämpfe mit den Abstellungen überliefert worden. Sollten sich also sowohl römische Fusslegionäre oder zu Fuß kämpfende Kelten oder Germanen, als auch Berittene abseits vom Varuszug bei den Abstellungen aufgehalten haben, die dann den Varuszug nicht mehr erreichten, so stellt sich immer wieder neu die Frage, warum sich zum Zeitpunkt des Rückmarsches überhaupt noch Militär des Imperiums in den germanischen Dörfern aufhielt. Konnte Varus tatsächlich auf diese abgestellten Einheiten die uns als „viele“ überliefert wurden während seines „Ortstermins“ bei den Aufrührern problemlos verzichten, warum zog er diese eigenen Männern nicht rechtzeitig zusammen und bevorzugte statt dessen die germanischen Kräfte der Bündnisgermanen die ihm von Arminius zur Verstärkung angeboten wurden ? Vermutlich konnte er sich sowohl als auch entschieden haben, da er letztlich keine Gefahr witterte. So war auch hier das Vertrauen von Varus offensichtlich wieder so grenzenlos, dass er auf seine eigenen Soldaten zugunsten der germanischen Kämpfer verzichtete und sie bei den Dörfern beließ. Aber alle in Germanien abgestellten Kontingente einte, gleich wo sie sich aufhielten, sie durften nicht mehr in Kontakt zu Varus treten können. Das war die zentrale Aufgabe die das germanische Bündnis zu erfüllen hatte. Und es gelang ihnen offensichtlich erfolgreich, gleich ob es in einem Kesselgefecht oder in Einzelaktionen statt fand. Denn es wurde nicht bekannt, dass Varus während er sich auf dem Zug befand weitere Warnungen entgegen nahm bzw. grundsätzlich seine Zugrichtung änderte oder zu einer anderen Strategie überging, da er noch im letzten Moment Warnungen von den Entkommenen aus den Abstellungen erhielt. Da uns die ersten Attacken auf die Römer als völlig überraschend dargestellt werden, kann es definitiv zu keiner Warnung gekommen sein, es sei denn man hat sie nicht bis zu den unteren Kadern durchgesteckt. Auch hier wieder ein weites Feld für Vermutungen, Annahmen etc. auch kurz Spekulationen genannt. Letztlich war es aber unerheblich, ob sich noch entflohene Soldaten der Abstellungen dem Marschzug anschließen konnten oder nicht, denn im Zuge des Marschgefechtes wurde ein möglicherweise noch vorhandenes gegenseitiges Gleichgewicht durch die Realitäten der Umstände aufgehoben, so dass es nicht mehr von Belang war, ob es den entsendeten Arbeits- oder Polizeilegionären noch gelang, sich in den Zug zu integrieren oder nicht, denn zu diesem Zeitpunkt sprachen auf beiden Seiten bereits die Waffen und schafften ihre eigenen Fakten. Die drei durch strukturierten Varus Legionen verfügten theoretisch über insgesamt 12 Schwadronen a` 30 Reiter und Teile von ihnen könnten zur Kontrolle der Alen bzw. der Auxiliareinheiten mit zu den Abstellungen abkommandiert worden sein was, wenn sie alle umkamen letztlich die an der Varusschlacht beteiligten Legionen schwächte. Bei durchschnittlich angesetzten 750 Reitern pro Ala hätte es sich insgesamt um etwa 2.250 Kämpfer gehandelt haben können die in diese Gefechte verwickelt wurden. Auf alle diese 2.250 Reiter konnte Varus sicherlich nicht verzichten, so dass er auch nur Teile von ihnen als Abstellung frei gegeben haben dürfte. Insgesamt betrachtet, stellt sich aber besonders für alle an den Varusschlacht Kämpfen beteiligten seien es Reiter, Alen, Fußkämpfer, Römer, oder Hilfsvölker wie Kelten oder Germanen immer die Frage ihrer Loyalität zu Rom. Ob sich nun innerhalb der Marschformation berittene und nicht berittene Söldner oder unzufriedene Römer befanden, die schon zu Beginn der Marschschlacht abtrünnig wurden und zu den Germanen wechselten, bleibt unklar. Germanen oder Kelten aus anderen Regionen nördlich der Alpen werden es gewesen sein, die sich dann je nach Solidarität für die eine oder andere Seite entschieden haben mögen. Andere könnte man wie zum Beispiel den Ampsivarier Boiocalus in Ketten gelegt haben um sie nicht in die falsche Richtung entkommen zu lassen. Unter Umständen hatte Arminius ein passiv und in seinem Sinne destruktives Verhalten der germanisch/keltisch geprägten Alen aber auch schon in seinen Plan mit einkalkuliert bzw. hatte er sie vorher ausgehorcht. Möglicherweise war die Attacke auf die Abstellungen auch schon ein kluger Schachzug der vielleicht ohne großen Aufwand oder vielleicht sogar überhaupt nicht statt gefunden hat, da man sich schon vorher größtenteils in der Sache einig war bzw. sich kampflos ergab. Gleich wie man es bewerten mag, diese wie Cassius Dio schreibt „vielen“ Kämpfer mit unbekannter Anzahl standen Varus jedenfalls später nicht mehr zur Verfügung. Und auch noch weitere Legionäre außer der Rumpfbesatzung des Standlagers Aliso standen, wie ich an späterer Stelle noch begründen werde Varus nicht mehr zur Verfügung. Nachdem Arminius diese Aufgabe im Zusammenspiel mit seinem Vater und seinen Bundesgenossen mit Bravour zum Abschluss brachte, konnte er den nächsten Schritt machen. Aus dem rückwärtigen Bereich des Marschzuges oder von den Seiten könnten es dann auch schon seine Männer gewesen sein, die die ersten Attacken auf den hinteren Tross und die dort marschierenden aber Rom treuen Hilfsvölker anführten. Er wusste nur zu gut wie man es anstellen muss, um einen Marschzug und die Tiere vor den Karren in Verwirrung zu bringen, ohne sich dafür groß anstrengen zu müssen. (3.10.2018)

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