Montag, 5. Dezember 2022
Kämpfte die XIX. Varus Legion am Kalkrieser Berg ?
Und wenn keine systematischen also methodischen Fehler gemacht wurden was sich noch heraus stellen wird, dann könnte man der metallurgischen Vergleichsuntersuchung glauben schenken. Dann hat also nicht nur die Legio I Germanica wovon man ein Mundblech fand, sondern auch eine der drei Varuslegionen ihre Spuren im Venner Moor hinterlassen. Aber die Resultate sind taufrisch, die Forschung benötigt Zeit und wenn es Gegenargumente geben sollte, dann sollten sie stichhaltig sein. Die bisherige Vorgehensweise lässt das Herz jedes Geschichtsfreundes höher schlagen, denn dem aufwändigen Prozedere ist zu entnehmen welcher Wille zur Aufklärung und welche Substanz immer noch in einem Ereignis steckt, oder davon ausgeht, dass schon im Jahre 2009 zweitausend Jahre zurück lag. Die Antriebsfeder dazu saß tief, denn es galt den Verdacht zu entkräften sich zu vorschnell auf die Varusschlacht verständigt zu haben. Das historische Umfeld ist wahrlich komplex und die Schlagzeile der Stuttgarter Nachrichten „Kalkriese war tatsächlich Ort der Varusschlacht“ ist in diesem Zusammenhang verheerend und weckt alte Erinnerungen, so dass man befürchten muss, die Pressekonferenz habe dazu den Ansporn gegeben. Möchte man den Versuch wagen den neuen Wissensstand historisch einzuordnen, dann muss man wie immer wenn man sich mit der Geschichte beschäftigt zeitlich zurück greifen. In Germanien herrschte Krieg und auch die Soldaten der XIX. Legion waren an allen Fronten im Einsatz und kämpften, mal allein, mal im Verbund, die Sollstärke war die Ausnahme und Offiziere wurden ausgetauscht, so dass eine Legion immer homogen agieren, reagieren und auf alles vorbereitet sein musste. Nach dem Immensum Bellum befand sich das Imperium in Germanien im Aufbruch und hatte große Pläne. Man wollte die Ostgrenze zunächst bis an die Weser verschieben und den einzigen noch verbliebenen starken Germanenfürsten Marbod entmachten um freie Hand für weitere Gebietsgewinne zu bekommen. So wurden im Jahre 5 + die Weichen gestellt und die Truppenkontingente festgelegt, die sich am Markomannenfeldzug beteiligen sollten. Möchte man Marbod glauben schenken, dann trat gegen ihn unter dem Befehl von Tiberius im Jahr 6 + eine Streitmacht von 12 Legionen rund 70.000 Soldaten an. Eine gigantische Armee die jedoch schon im Anmarsch stecken blieb und ihr Schwert nicht gegen Marbod ziehen konnte, da vom unerwartet ausgebrochenen Pannonienkrieg an der mittleren Donau für das Imperium eine unmittelbare und größere Gefahr ausging, die nun Priorität bekam. Marbod war also noch mal davon gekommen und man kann nachvollziehen, dass es ihm viel Freude gemacht haben dürfte und der Met aus Fässern floss. Aber auf Basis der von ihm gemachten Aussage zur Truppenstärke ergibt sich ein deutliches Manko. Denn Tiberius soll aus den Regionen längst der Donau 6 – 7 Legionen aufgeboten haben und Saturninus rückte aus Mainz mit 2 – 3 Legionen an. Günstigenfalls hätten ihm gegen Marbod demnach nur 10 Legionen und diese natürlich auch im folgenden Pannonienkrieg zur Verfügung gestanden und im ungünstigen Fall sogar nur 8 Legionen. Zu den germanischen Hilfstruppen liegen keine Angaben vor, aber man wird es mit ihnen nicht ausgeglichen haben können. Was lag da für Tiberius näher, als für die fehlenden Einheiten auf Truppen aus anderen Regionen zurück zu greifen, wollte man die überlieferte Kampfkraft von 12 Legionen erreichen. So besann er sich auf die großen Kontingente am Niederrhein die gerade in die Befehlsgewalt des Feldherren Varus übergingen als auch die seines Neffen Asprenas. Immerhin fünf Legionen. Man darf sich nun der Frage hypothetisch nähern um wie viele Legionäre er sie dezimierte um gegen Marbod 12 Legionen aufbieten zu können. Legionen die er dann in Gänze in den Pannonienkrieg mitführte und die in der Varusschlacht fehlten. Es musste in jedem Fall für die Niederrhein Armee einen erheblichen Aderlass bedeutet haben auf diese Männer verzichten zu müssen. Eine militärische Entwicklung die sich massiv und negativ auf die Kampfkraft im Zuge der Varusschlacht auswirkte und auch das zögerliche Verhalten von Asprenas rechtfertigen könnte. Das Ausdünnen dieser Legionen hatte wie man weiß tragische Konsequenzen, denn Varus war gezwungen sich die Unterstützung seines cheruskischen Juniorpartner zu sichern um einen Aufruhr zu unterdrücken. Tiberius hatte sich für seine Entscheidung sicherlich auch die Zustimmung von Kaiser Augustus einholen müssen und vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum sich dieser Verlauf in der Historie auch nicht nieder geschlagen hat und nicht publik werden durfte. Denn bei Tiberius und Augustus durfte kein Makel hängen bleiben für den Ausgang der Varusschlacht eine Mitschuld getragen zu haben. Aber der unbesiegte Marbod hatte keinen Maulkorb zu befürchten und konnte die Ursache für die Varusmisere beim Namen nennen und spielte daher den Sieg von Arminius mit dem bissigen Kommentar herunter in dem er ihm vorwarf lediglich gegen eine entleerte Armee angetreten zu sein. Aber zurück zur XIX. Legion und warum sie tatsächlich bei Kalkriese gekämpft haben könnte. Wir wissen nicht nach welchem Verfahren man damals ausdünnte, welchen Schlüssel man anwendete und ob man nur einzelne Kohorten abzog um die Struktur einer Legion nicht aufzulösen. Aber Tiberius war erst nach dem Ende des Pannonienkrieges bzw. des Dalmateraufstandes 9 n. Chr. imstande die abgezogenen Legionäre wieder zurück in ihre Kasernen an den Niederrhein zu schicken. Soldaten die der Varusschlacht entgingen, da man sie zuvor für einen anderen Einsatz rekrutierte. Auf diese Legionäre griff Germanicus zurück und hatte sie in den Jahren zwischen 14 + und 16 + in seine Armee einbezogen wo sie dann in den besagten Hinterhalt nördlich des Kalkrieser Berges gerieten. Hier soll es jedoch auf das Argument hinaus laufen, wonach die XIX. Legion über proportional Soldaten für Tiberius abgestellt haben könnte und was sich zwangsläufig stärker im Zuge der Metallfundauswertung widerspiegeln musste. Das Argument die „Kalkrieser XIX Legion“ habe sich in weiten Teilen über Aliso absetzen können, sie also die Varusschlacht ohne größere Verluste überstehen konnte lässt sich schwer erhärten. Aber es findet sich noch eine andere Spur, mit der sich das Schlachtgeschehen nahe Kalkriese erklären ließe. Denn möglicherweise kam es dort zu unerwarteten Kämpfen, als man im Venner Moor im Grenzbereich zu „Angrivarien“ die 16 + in Seenot geratenen und von den Nordseestämmen festgesetzten Legionäre später unter Mitwirkung jener Angrivarier auf halber Strecke austauschte. Ein geschäftegleiches Verfahren, dass man nicht ohne Lösegeldforderungen oder andere zuvor vereinbarte Gegenleistungen vollzog und Münzen fanden sich zahlreich im Venner Moor. Man darf ja man muss sogar annehmen, dass sich unter den schiffbrüchig gewordenen Legionären auch höher gestellte Römer befanden, die sich dabei Verletzungen zugezogen hatten. Dies würde nicht nur die Existenz von Tragegestellen in Form von Bahren erklären sondern auch die medizinischen Gerätschaften die man noch im Boden fand. Und möglicherweise deuten auch die aufgefundenen Glasaugen darauf hin, die man an Totenbahren auch Klinen genannt befestigte. Denn nicht jeder römische Offizier aus gutem Hause hatte die schweren Jahre überlebt und seine Angehörigen waren an einer standesgemäßen Beisetzung interessiert. Fazit: Auch aus der "möglichen" Existenz einzelner Legionäre aus der 19. Legion ergibt sich noch keine Varusschlacht. (06.12.2022)

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